Protokoll der Sitzung vom 04.06.2003

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das, was möglich ist in der kurzen Zeit!)

nämlich eine Expertenanhörung und eine Senatsbefragung. Darauf und auch auf den Zeitplan hatten wir uns verständigt. Wir hatten noch einmal in die Runde geguckt und gefragt, ob es sonst noch etwas gäbe und die Antwort lautete: nein. Dass Sie auch eine öffentliche Anhörung machen könnten, ist Ihnen aber erst zum letztmöglichen Zeitpunkt eingefallen, auch wenn Sie so tun, als sei Ihnen das schon vor Monaten klar gewesen. Jetzt sich hier hinzustellen und zu behaupten, nach dieser Anhörung hätte der große Diskussionsprozess der letzten neun Monate

(Wilfried Buss SPD: Zwei Monate!)

noch einmal eröffnet werden müssen, hätte doch ganz klar geheißen, dass Ihr einstiges Ziel erreicht worden wäre: Nicht dass es eine wunderbare Diskussion gegeben hätte – diskutieren können Sie mit mir auch weitere neun Monate –, sondern wir im Ergebnis kein Schulgesetz gehabt hätten, weil wir es heute nicht in erster Lesung – und wenn Sie es jetzt hier verhindern – und in drei Wochen in zweiter Lesung hätten verabschieden können.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Dann hätten Sie gesagt, wir hätten in zwei Jahren kein Schulgesetz zustande gebracht!)

Das allein ist Ihr Ziel gewesen, das sind keine lauteren Motive. Sich hier hinzustellen und zu sagen, Sie wollten eine wunderbare Diskussion und wir hätten die Öffentlichkeit getäuscht, das lassen wir uns nicht bieten. Deshalb verabschieden wir hier das Schulgesetz. – Weiterdiskutieren können wir gerne noch.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Die sehe ich nicht. Meine Damen und Herren, damit kommen wir zur Abstimmung.

Zunächst zum Antrag der SPD-Fraktion aus der Drs. 17/2825. Wer möchte diesen annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Bei einigen Enthaltungen ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Zum Bericht des Schulausschusses. Ich beginne mit Ziffer 1 der Ausschussempfehlung. Wer möchte sich dieser anschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dies ist mit Mehrheit beschlossen.

Wer stimmt den Änderungen in Ziffer 2 der Ausschussempfehlungen zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch die Ziffer 2 ist mehrheitlich beschlossen.

Wer möchte nun das Zweite Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes mit den soeben beschlossenen Änderungen beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Enthaltungen gibt es nicht. Das Gesetz ist in erster Lesung mehrheitlich so beschlossen.

Es bedarf einer zweiten Lesung. – Stimmt der Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erkennen.)

Das ist der Fall.

Gibt es Widerspruch aus dem Hause, meine Damen und Herren? – Das ist der Fall. Ich erkenne, dass er von mehr als einem Fünftel der anwesenden Mitglieder geäußert wurde und deswegen wirksam ist. Deshalb wird die zweite Lesung für die nächste Sitzung vorgesehen.

Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 49, Drs. 17/2777, Antrag der Koalitionsfraktionen: Staatliche Transferleistungen – effizientere Organisation und bestimmungsgemäße Verwendung.

[Antrag der Fraktionen der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP: Staatliche Transferleistungen – effizientere Organisa

tion und bestimmungsgemäße Verwendung – Drs. 17/2777 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Barth-Völkel, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir erleben hier in Hamburg seit Jahren einen absurden Vorgang. Die Stadt Hamburg schiebt seit Jahren steigende Mietaußenstände in zweistelliger Millionenhöhe bei den Wohnungsunternehmen SAGA und GWG vor sich her. Diese Außenstände beruhen zum Teil darauf, dass einige Empfänger von Transferleistungen, wie Sozialhilfe, Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe, die ihnen für die Miete zugewiesenen Mittel für andere Zwecke verbrauchen. Die SAGA und die GWG gehören aber der Stadt, also zahlt die Stadt im Grunde genommen sich selbst von der einen in die andere Tasche. Aber ein Teil dieses Geldes verschwindet auf gar nicht so wundersame Weise auf dem Weg zwischen diesen Taschen. Das Ergebnis dieser Transaktion ist, dass sich die Stadt nun selbst Geld schuldet, das aber ein anderer verbraucht hat. Leider hat sich unter dem vorherigen Senat niemand für diese Vorgänge richtig interessiert. Das Thema ist ein Tabu gewesen,

(Antje Möller GAL: Das ist doch Quatsch!)

an dem nicht gerührt werden durfte. Die letzten verfügbaren Zahlen stammen aus einer Kleinen Anfrage aus dem Jahr 1998 und den letzten Geschäftsberichten der SAGA und GWG – gehandelt wurde trotzdem nicht. Der alte Senat hat sich regelrecht gedrückt, wenn es um dieses Thema gegangen ist. Das ist ein Skandal. Hier wurde mit dem Geld der Steuerzahler geprasst, weil man aus ideologischen Gründen einen fortgesetzten Missbrauch solcher Transferleistungen unbedingt tolerieren wollte. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, haben es nicht nur einfach nicht gewagt, das Kind beim Namen zu nennen, Sie haben absichtlich die Augen verschlossen.

Wir haben diesen Antrag unter anderem deshalb formuliert, um überhaupt einmal Klarheit über das genaue Ausmaß dieser Geldverschwendung zu erhalten. Aber eines kann ich Ihnen jetzt schon sagen: So geht es definitiv nicht weiter.

Ein ähnlich gelagerter Fall liegt bei den Versorgungsunternehmen vor. Niemand hat sich in den letzten Jahren oder Jahrzehnten die Mühe gemacht, einmal zu überprüfen, wie es mit den Außenständen bei den Empfängern von Transferleistungen bei Wasser, Strom oder Gas steht. Auch diese Außenstände werden im Ergebnis von der Stadt als Träger der Sozialhilfe übernommen. Wir werden diese Außenstände überprüfen und aus dem Ergebnis dieser Überprüfung die notwendigen Konsequenzen ziehen.

Es geht hier nicht darum, irgendjemanden pauschal zu diskriminieren, weil er Sozialhilfe, Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezieht. Es geht darum, die schwarzen Schafe auszusieben und ihnen die Möglichkeit zu nehmen, der Allgemeinheit unnötige zusätzliche Kosten zu verursachen. Wer Leistungen der Allgemeinheit in Anspruch nimmt, der hat auch eine Sorgfaltspflicht dieser Allgemeinheit gegenüber.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Dazu gehört auch, das Geld, das man erhalten hat, dem Zweck entsprechend zu verwenden. Wer zeigt, dass er nicht in der Lage ist, dieser Verantwortung gerecht zu werden, bei dem muss es für die Allgemeinheit möglich sein, schon beim ersten Anzeichen eine Notbremse zu ziehen. Dass diese Notbremse gezogen wird, schulden wir schon all denen, die jeden Monat auf ehrliche und ordentliche Weise ihr Geld verdienen und Steuern zahlen. Besonders unfair ist der bisherige Zustand für Menschen mit geringem Einkommen. Während sich diese bemühen, nach Abzug der Miete mit dem Geld auszukommen, das danach noch übrig bleibt, verjubelt der Nachbar sein Mietgeld vom Sozialamt

(Antje Möller GAL: So macht man Stimmung! Wi- derlich!)

und bekommt zur Belohnung die Summe gleich noch einmal obendrauf. Dieser Umgang mit Steuergeldern durch die vorherigen Senate ist ein Stück aus dem Tollhaus.

Ebenso absurd ist im gleichen Zusammenhang ein weiterer Beweis langjährigen sozialdemokratischen Missmanagements: Die Kautionen, die die Stadt für die Empfänger von Transferleistungen bei den ihr selbst gehörenden städtischen Wohnungsunternehmen hinterlegt, tragen ihren Teil zum Defizit im Hamburger Haushalt bei. Da dieses Defizit durch Kredite ausgeglichen werden muss, zahlt die Stadt Zinsen auf Geld, das sie quasi bei sich selbst als Mietsicherheit hinterlegt hat. Eine solch sinnentleerte Geldverbrennung ist ein unglaublicher Vorgang.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Deshalb haben wir den Senat gebeten zu überprüfen, ob Mietkautionen durch Garantieerklärungen ersetzt werden können, damit die Stadt bei positiver Bewertung, so schnell wie möglich, dementsprechend verfahren kann. Dieses würde das Defizit im Haushalt um entsprechende Summen verringern und eine geringere Kreditaufnahme ermöglichen.

Meine Damen und Herren, bevor hier vonseiten der SPD und GAL der Sturm der Entrüstung losbricht, unsere Vorschläge seien eine unzulässige Bevormundung oder gar Diskriminierung der Empfänger von Transferleistungen, wie Sozialhilfe, Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe, so denken Sie doch erst einmal nach, ob nicht der Verzicht auf diese Maßnahmen eine Diskriminierung aller anständigen und ordentlichen Steuerzahler ist,

(Doris Mandel SPD: Vor allem die selbständigen Unternehmer, die keine Steuern zahlen!)

deren Geld für diese Transferleistungen verwandt wird.

Wenn Sie dann noch einen Schritt weiter denken, werden Sie merken, dass nur die Eindämmung des Missbrauchs von Transferleistungen, wie Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, die weitere Existenz dieser Transferleistungen gewährleisten kann. Wenn solche Missstände ungebremst weitergehen, ist irgendwann für die eigentlich Bedürftigen kein Geld mehr da.

Allein im letzten Jahr wurden 11 Millionen Euro für solche Zwecke als Darlehen gewährt. Von diesen 11 Millionen Euro sind 5,1 Millionen Euro zurückgeflossen, das heißt, bummelige 5,9 Millionen Euro sind irgendwo verschwunden. Wenn man sich dann die über 30 Millionen Außenstände von SAGA und GWG vor Augen hält – wir haben nur die Zahlen von SAGA und GWG – und be

denkt, dass in den Wohnungen der SAGA und GWG derzeit circa 38 Prozent der Sozialhilfeempfänger wohnen, dann möchte ich nicht wissen, wie es auf dem freien Wohnungsmarkt bei den anderen 62 Prozent aussieht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat jetzt Frau Duden.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Man kann eigentlich froh sein, dass es so spät ist und nur noch wenige Menschen – besonders auf der Zuschauertribüne – ausharren, denn das, was Herr Barth-Völkel hier vorgeführt hat, ist in Wirklichkeit ein Stück aus dem Tollhaus, das hat er auch schon richtig vorweggenommen.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Zuruf)

Das Niveau von Herrn Barth-Völkel werde ich vermutlich toppen können. Das ist klar.

(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offensi- ve: Definieren Sie erst das Niveau! – Dr. Michael Freytag CDU: Bescheidenheit ist eine Zier!)

Sie brauchen sich gar nicht so aufzuregen.

Es muss deutlich gemacht werden, worum es hier eigentlich geht, nämlich über die Philosophie des Sozialstaates zu reden. Das kann man machen, das ist auch legitim. Aber dann müssen Sie auch daran denken, wie andere und insbesondere Teile Ihrer Koalition darüber im Bund denken. Die CDU im Bundestag wäre über die Argumentation, die Sie hier gerade vorgeführt haben, sehr empört, denn wer Sozialhilfe bezieht, hat immer noch das Recht, eigenständig zu sein, zu leben und sein Leben zu gestalten. Ihre Argumentation würde bedeuten, dass Ihre Steuer, wenn Sie selbstständig wären, von vornherein an das Finanzamt überwiesen würde, weil man davon ausginge, dass Sie das Geld verbummelten, wenn Sie es nicht rechtzeitig täten. Das würde auch bedeuten, dass Sozialhilfeempfänger keine Kleidergutscheine mehr bekämen, sondern dieses Geld direkt an Peek & Cloppenburg überwiesen würde und der Sozialhilfeempfänger dann dort seinen Anzug kaufen könnte.

(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offensi- ve: Sind Sie ein bisschen unsachlich?)

Dieses macht deutlich, dass Sie hier wieder die Masche fahren, die Sie sehr oft fahren. Sie stellen eine Reihe von Menschen, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind, unter Generalverdacht, um davon abzulenken, dass dies in Wirklichkeit nur auf sehr wenige Menschen zutrifft.