Protokoll der Sitzung vom 04.06.2003

Städte-Benchmarking nicht teilgenommen. Es gab eine eigene Kundenbefragung und eine eigene Mitarbeiterbefragung in Hamburg und für diese Informationspolitik, die dann fälschlich in Ihren Antrag mit eingeflossen ist, ist Rotgrün verantwortlich.

Der dritte Punkt. Sie fordern, den Sozialhilfe-Report fortzuschreiben. Offensichtlich, Frau Bestmann, hätte Ihre Fraktion oder hätten Ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter einfach mal in den letzten Report hineingucken müssen. Dann hätten sie nämlich die Ergebnisse der Kundenbefragung von Ende 2000 schwarz auf weiß lesen können und diesen Antrag meines Erachtens nicht so fehlerhaft formuliert. Ich frage mich, warum Sie eigentlich eine Fortschreibung des Sozialhilfe-Reportes fordern, wenn Sie als damalige Regierungsfraktion den SozialhilfeReport Ihrer eigenen Regierung schon nicht durchgelesen haben. Das ergibt meines Erachtens keinen Sinn. Das permanente Fordern irgendwelcher Berichte ersetzt noch lange keine konstruktive Oppositionspolitik.

Wir wollen keine Datenfriedhofsberichterstattung und keine ideologisch verbrämten Neidberichte haben. Wir wollen, dass die wertvollen Mitarbeiter in der Sozialbehörde sinnvoll eingesetzt werden zum Wohle der Menschen in unserer Stadt.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Deshalb, sehr geehrte Damen und Herren, erledigen sich für uns diese beiden Anträge. Ein Grund ist auch die fehlerhafte Antragstellung. Auf jeden Fall werden wir diesen Antragspetiten in dieser Bürgerschaft nicht zustimmen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat jetzt Herr Rutter.

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie schon einmal heute gesagt, ist für eine gute Entscheidungsfindung eine möglichst umfassende Information unumgänglich. Das weiß jeder, der in Entscheidungsprozesse eingebunden ist.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Also ja!)

Nun gibt es aber in Unternehmen eine Weisheit, die den Unterschied zwischen Theorie und Praxis belegt, und zwar Theorie ist, wenn man alles weiß und nichts funktioniert, und Praxis ist, wenn alles klappt und keiner weiß warum.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das bedeutet, dass eine Flut von Informationen nicht zwangsläufig zu den richtigen Entscheidungen führt und andererseits richtige Entscheidungen nicht in unmittelbarer Abhängigkeit von einer Informationsflut stehen. Hinzu kommt, dass eine Schwemme von Informationen ohne direkten Praxisbezug häufig eher verwirrend wirkt.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das ist Ihr Problem, un- seres nicht!)

Und damit zu den in den Anträgen genannten Informationswerken.

Da hat der Armutsbericht von 1997 über 190 Seiten und eine Vielzahl von Aussagen wie diese auf Seite 129 – ich zitiere wörtlich –:

"Noch schwieriger als die Zieldefinition ist eine Erfolgsdefinition, die notwendig wird, wenn der Grad der Zielerreichung bewertet werden soll."

Und weiter:

"Ob die hier beschriebenen Wirkungen der Maßnahmen in Bezug auf nachfolgend definierte Ziele von erfolgreicher Zielerreichung zeugen, kann weder vom Autoren dieses Textes noch von den Autorinnen und Autoren der zitierten Evaluationsstudie festgestellt werden."

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Höchst interessant!)

Im Vorspann des Sozialhilfe-Reportes Nummer 19, Juli 2001, Seite 4, heißt es:

"Die unterschiedlichen Anlässe, eine Dienststelle des Bezirksamtes aufzusuchen, die Intensität der dann folgenden Kontakte und die divergierenden Abhängigkeitsverhältnisse lassen daher einen Vergleich der Ergebnisse dieser Befragung mit anderen Befragungsergebnissen der Bezirksverwaltung nicht zu."

(Vereinzelter Beifall bei der Partei Rechts- staatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Was tue ich mit solchen Aussagen?

(Doris Mandel SPD: Das ist doch ein Unterschied, ob ich zum Standesamt oder zum Sozialamt ge- he!)

Wenn ich mir die gesammelten Werke unter dem Gesichtspunkt der Nutzbarkeit ansehe, kommt mir der Verdacht, dass hier ganz vielen Leuten Gelegenheit gegeben wurde, ihre Daseinsberechtigung im Amt nachzuweisen. Viel Papier produzieren, das ist die Hauptsache.

Lassen Sie uns die Verwaltung lieber schlanker machen und das Geld den verbleibenden Hilfeeinrichtungen zukommen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Doris Mandel SPD: Das spricht für die Altenheimplätze!)

Nun noch zur Transparenz im Städtevergleich. Wenn man den in dem Antrag genannten Bericht unter www.consens-info.de liest, stellt man schnell fest, dass eine Vergleichbarkeit der Daten gar nicht zu erreichen ist. Dazu einige Beispiele:

Berlin hat eine wesentlich geringere Verweildauer in stationären sozialen Einrichtungen und muss daher wesentlich mehr ambulante Hilfe leisten. Dabei stellt sich die Frage nach der Qualität der ambulanten Hilfe, welche Qualitätskontrollen gibt es dafür?

Weil es keine aussagefähigen Daten über Verweildauer und Rückfallquote, insbesondere bei der Hilfe für seelisch Behinderte gibt, ist ein direkter Vergleich nicht möglich. Die Dichte der Angebote für seelisch behinderte Menschen ist zum Beispiel in Bremen um mehr als 50 Prozent größer als in Berlin. Jedoch ist dieser Wert nicht aussagefähig, weil es keine Erhebung über Verweildauer und Rückfallquote gibt.

(Petra Brinkmann SPD: Das hat doch mit der So- zialhilfe gar nichts zu tun!)

Eine Bewertung dieser Ausstattungsstandards erfolgt nicht.

Was tun wir mit solchem Basismaterial? Das bringt uns gar nichts. Wir müssen hier vor Ort für Hamburg die bestmöglichen Entscheidungen treffen, die unter den jetzigen finanziellen Rahmenbedingungen noch möglich sind. Wir werden sicherlich für uns in unserer weiteren Planung noch einiges an Zahlenmaterial brauchen, aber keine Erzählungen.

Abschließend noch eine Empfehlung für den Armutsbericht: Lassen Sie uns damit noch zwei Jahre rotgrüner Regierung abwarten, dann haben wir wesentlich mehr Arme und dann lohnt es sich eher.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat Frau Dr. Freudenberg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Angesichts der sich verfestigenden Armut brauchen wir jetzt schon viele Daten. Wir müssen jetzt überlegen, was wir tun können und nicht mit solch einen Zynismus, wie Sie es hier abliefern, Herr Rutter.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Es ist einfach notwendig, dass wir sachliche Grundlagen haben, um in der Sozialpolitik zu Entscheidungen zu kommen, um zu wissen, was wir angesichts der Armut tun können und wie wir die Menschen da rausbringen können. Es geht einfach nicht, dass Sie das hier nur als Missbrauchsdebatte führen. Das kann einen nur ganz ärgerlich machen. Wir stimmen den SPD-Anträgen zu. Wir meinen, dass es sehr sinnvoll ist, hier weitere Berichte zu bekommen. Wir haben auch deshalb dem Berichtsersuchen zugestimmt, weil wir auch diesen Bericht haben wollen. Herr Rutter, ich glaube, Sie haben es überhaupt nicht verstanden. Es gibt diesen Kennzahlenvergleich der Großstädte. Da gibt es extra ein dickes Heft "Nur Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen". Sie haben eben den falschen Bericht gegriffen. Das ist ein bisschen schwierig, aber mit dem richtigen Bericht können Sie eine ganze Menge anfangen. Es wäre jetzt sinnvoll, diesen Großstädtebericht zu nehmen und das runterzubrechen auf Hamburg, um dann möglichst in einer ähnlichen Systematik zu sehen, wie sich das in den Bezirken abbildet. Interessant fände ich auch einen Vergleich mit dem bundesweiten Armuts- und Reichtumsbericht, denn wir wissen, dass Hamburg die reichste Region Europas ist. Es interessiert uns auch, wie der Reichtum in dieser Stadt verteilt ist und wie wir da auch eine vernünftige Politik machen können.

(Beifall bei Christa Goetsch GAL und Tanja Bestmann SPD – Erhard Pumm SPD: Also ein bisschen einfacher formulieren!)

Wir sind der Meinung, dass wir diese Daten brauchen, dass wir ernste Probleme haben, dass sich Armut auch immer schwerer auswirkt. Es gibt auch einen Zusammenhang zu der schulpolitischen Debatte. Inzwischen sind ein Drittel der Menschen, die Hilfe zum Lebensunterhalt brauchen, Kinder und Jugendliche unter 18 Jah

ren. Das ist eine ganz, ganz scheußliche Belastung. Nur noch unter 8 Prozent der Menschen, die Sozialhilfeempfänger sind, sind über 65 Jahre. Das sind doch wichtige Daten, auch angesichts der ganzen Debatten, die wir jetzt haben um Rente, um Chancen, um Kindergärten und so weiter. Bitte lassen Sie uns doch einmal sachlich darangehen und hören Sie auf mit dieser ewigen Missbrauchsdebatte und dieser ewigen Hetze, die Sie gegen diese Menschen machen, die wirklich in Armut leben, und zwar nicht aus eigenem Verschulden, sondern weil die Verhältnisse wirklich miese sind und wir es alle nicht geschafft haben, die zu ändern, und wir haben gemeinsam die Pflicht, das zu tun.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat jetzt Herr Dr. Schinnenburg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kollegen von der GAL! Der Antrag der SPD aus der Drs. 17/2697 ist an sich schon die Fortschreibung eines Armutsberichtes. Es ist nämlich ein Armutsbericht über die Arbeitsweise des vorherigen SPD-geführten Senates, meine Damen und Herren.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

In der Drs. 16/261, die am 14. Januar 1998 beschlossen wurde, wurde dieser Bericht gefordert. Raten Sie mal, wann der kam? – Kurz vor der Bürgerschaftswahl im Jahr 2001. Drei Jahre haben Sie gebraucht, um diesen Antrag umzusetzen. Meine Damen und Herren, das ist ein Armutszeugnis.

(Petra Brinkmann SPD: Und Sie schaffen es gar nicht!)

Dann gucken wir uns einmal an, was in der Mitteilung des Senates an die Bürgerschaft über Maßnahmen für Sozialhilfebezieher und zur Überwindung der sozialen Bedürftigkeit durch Vermittlung in Arbeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt steht. Da stand drin, dass die Erfolgsquote von anfänglich 13 Prozent auf unter 4 Prozent sank. Meine Damen und Herren, auch das ist ein Armutsbericht über den SPD-geführten Senat. Die Erfolgsquote ist drastisch gesunken.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Dann, meine Damen und Herren, kam der neue Senat, der Bürgersenat, von CDU, PRO und FDP getragen. Mit der Obdachlosenstudie, dem Sozialdatenabgleich, der Bekämpfung des Sozialhilfemissbrauches, des Benchmarking in der Sozialhilfe und der Förderung des Ehrenamtes, um nur einige zu nennen, hat der neue Senat in wenigen Monaten mehr Basisarbeit geleistet, als der alte SPD-geführte Senat dies in den vorherigen vier Jahren versprochen hat, gemacht hat er gar nichts. Es wurden nicht erst lange Papierberge produziert, sondern gleich gehandelt, meine Damen und Herren. Damit dies so weitergehen kann, ist es gut, dass die BSF sich auch weiterhin auf ihre Kernaufgabe konzentriert, Konzepte zu entwickeln und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Wir brauchen keine Berichte, die aus ohnehin schon vorhandenem Datenmaterial zusammengepresst und am Erscheinungstag meist schon veraltet sind, meine Damen und Herren.