Protokoll der Sitzung vom 04.06.2003

Die privaten Rundfunkveranstalter profitieren, weil ihnen die Fesseln abgenommen werden, die ihnen bislang durch Überregulierung und Bürokratiewahn angelegt wurden.

(Erhard Pumm SPD: "RTL" hat ja solche Fesseln!)

Das neue Gesetz schafft den notwendigen Freiraum, um gegen chronisch bevorzugte öffentlich-rechtliche Sender bestehen zu können. Es schafft Freiheiten für die Rundfunkanbieter, sich optimal zu entwickeln. Wirklich lebensfähige Medienunternehmen entstehen nicht in einem überregulierten Markt, sondern nur unter echten Wettbewerbsbedingungen. Der Medienstandort Hamburg profitiert, weil wir die bundesweit attraktivsten Rahmenbedingungen für den privaten Rundfunk schaffen. Auf diesem Wege, indem Bürokratie abgebaut wird und Liberalisierung an die Stelle von überholten Vorstellungen tritt, wird Hamburg im Wettbewerb der Medienstandorte gewinnen und ein Investitionsziel werden. Das ist Politik dieser Koalition.

Aber es profitieren auch die vielen ehrenamtlichen Fernseh- und Radiomacher, die bislang im Offenen Kanal produktiv waren. Die Weiterentwicklung des Offenen Kanals zu einem qualitativ anspruchsvollen Bürger- und Ausbildungskanal hat bundesweiten Vorbildcharakter. Wir bekommen da auch schon diverse Anfragen. Das wird vielleicht auch in anderen Bundesländern, in denen bisher überhaupt kein offener Kanal besteht, zu einem Umdenken in der Politik führen. So profitieren bei den vielen engagierten Fernseh- und Radiomachern gerade diese davon, dass ihre in Eigenregie produzierten Beiträge auf eine höhere Akzeptanz bei der Bevölkerung treffen werden. Die Hamburger Media School als künftiger Garant für eine qualifizierte Medienausbildung liefert dazu das notwendige Know-how.

Es gibt aber nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer.

(Farid Müller GAL: Ah!)

Das ist klar und auch so gewollt. Das sind diejenigen Besitzstandswahrer, die sich mit dem bestehenden System gut eingerichtet haben und darauf bauen, dass alles so bleibe, wie es ist. Das sind diejenigen, die sich mit der Rollenverteilung im dualen Rundfunksystem zwischen den privaten und den öffentlich-rechtlichen Sendern abgefunden haben oder die Bevorzugung des gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks –die jetzige Situation – aktiv betreiben. Es sind die Regulierer selbst – Sie haben gerade Bayern genannt –, die immer noch der Meinung sind, dass staatliche Bevormundung an die Stelle eigenverantwortlichen Handelns treten solle, dass nur von oben diktiert werden solle – Sie hatten hier gerade eben noch die Bürgerbegehren so groß angeführt –, wann und wie lange gesendet werden darf. Es sind die Medienstandorte – die anderen natürlich, nicht Hamburg –, die durch finanzielle Anreize in Standortkonkurrenz zu Hamburg getreten sind und denen nun in Zeiten leerer Kassen die Argumente fehlen, als Medienstandort eine herausragende Rolle spielen zu können.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Ihre Kritik an dem Gesetz geht ins Leere. Auf der einen Seite heißt es, Hamburg kündige den Konsens der Länder, was immer das sein soll – vermutlich der des Stillstandes –, und gehe bei der Deregulierung und Liberalisierung einen einmaligen Weg, der natürlich schädlich sei.

(Erhard Pumm SPD: Sie sind ja richtig gläubig!)

Ja, da müssen Sie genau zuhören.

In der Sitzung des Bundesrates vom 23. Mai wurde unter Federführung von Schleswig-Holstein und Bayern eine Entschließung zur Fernsehrichtlinie gefasst. Darin heißt es wörtlich, dass sich Werbezeitbeschränkungen nicht bewährt hätten und dass künftig auch in der Fernsehrichtlinie der Selbstkontrolle ein stärkeres Gewicht beigemessen werden solle. Das ist doch genau der Diktus des Gesetzes, welches wir hier vorlesen.

(Werner Dobritz SPD: Duktus!)

(Werner Dobritz SPD: Ist egal, Sie haben nur 5 Prozent!)

Hier sind wir also allen voraus und setzen bereits in Gesetzesform um, worüber andere noch reden.

Dann heißt es weiter, dass die Position der HAM geschwächt werde. Die HAM werde angeblich finanziell kastriert und künftig im nationalen Konzert der Landesmedienanstalten keine Rolle mehr spielen. Das Gegenteil ist der Fall. Die HAM hat für die originären Aufgaben wie Zulassung und Missbrauchskontrolle in Zukunft mehr Geld zur Verfügung, als sie das vorher für diese Aufgaben hatte.

(Erhard Pumm SPD: Deshalb ist die HAM auch so begeistert!)

Die HAM wird selbstverständlich weiterhin ihre gesetzlichen Aufgaben uneingeschränkt wahrnehmen können. Auch wird das Tätigkeitsfeld der HAM nicht nur nicht beschnitten, sondern auch ausgeweitet. Die HAM hat nun erstmals die gesetzliche Ermächtigung, den Übergang vom analogen zum digitalen Kabel zu gestalten. Dies ist ein Bereich, in dem Hamburg auch bundesweiter Vorreiter sein kann und hier bauen wir auf die HAM.

Nicht vergessen werden darf hierbei auch die KEF.

(Zuruf von Erhard Pumm SPD)

Sie haben richtig dazwischengerufen: Das ist etwas sehr Planwirtschaftliches. Das müsste Ihnen als Gewerkschafter doch gefallen.

Die KEF, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfes, die über die Höhe der Rundfunkgebühren befindet und aus denen auch die HAM finanziert wird, hat sich dahingehend geäußert, dass die Landesmedienanstalten viel zu viel Geld verschlängen. Es sei nicht einzusehen, warum sich Deutschland 15 Landesmedienanstalten leiste,

(Erhard Pumm SPD: Wir haben 16 Bundesländer!)

sechs seien völlig ausreichend, so die KEF, was angesichts der aktuellen Debatte um eine Erhöhung der Rundfunkgebühren eine ganz besondere Note bekommt.

Aber auch die Rechnungshöfe monieren, dass die Anstalten überfinanziert seien. Mit unserer Regelung und unse

rer Zielsetzung, die Aufgaben der HAM auf die originären Aufgaben zurückzuführen, befinden wir uns auch in diesem Punkt in der guten Gesellschaft der zuvor genannten Autoren.

(Erhard Pumm SPD: Auf den Kernbereich zurück- führen!)

Dann gibt es ja noch die Unkenrufe über die Neuformulierung des Programmauftrages, ja sogar Verfassungswidrigkeit wurde uns attestiert, und Herr Dobritz hat vollmundig angekündigt – das kann er ja hier gleich noch einmal bestätigen –, die SPD-Bundestagsfraktion werde Verfassungsklage dagegen erheben. Ich kann Sie nur auffordern: Machen Sie das. Blamieren Sie sich. Abgesehen davon, dass wir nichts zu befürchten haben, hätten wir so einmal Gelegenheit, grundsätzlich die Anpassung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes an die Erfordernisse einer modernen Medienlandschaft anzugehen. Und im Rundfunkgebührenurteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. Dezember 1998 ist unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes von einem Rundfunkauftrag die Rede, der im Rundfunksystem insgesamt erfüllt werden müsse. Auch steht beispielsweise im NordrheinWestfalen-Urteil des Bundesverfassungsgerichts geschrieben, dass die Vielfalt im Ergebnis durch das Gesamtangebot aller Veranstalter erfüllt werden müsse. Und genau das ist bei unserem Programmauftrag festgehalten, nämlich dass alle Anbieter zusammen, inklusive der gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sender, den Rundfunkauftrag in ihrer Gänze leisten müssen und können.

Für Programme, die die kommerziellen Sender nicht leisten können, haben wir einen starken öffentlichrechtlichen Rundfunk in Hamburg, der sich mit dem privaten Rundfunk ergänzt. Wer von Verfassungswidrigkeit redet, sollte wenigstens einmal die grundlegenden Passagen dieses Urteils selbst gelesen haben.

Ein weiterer Vorwurf, der gerne vorgebracht worden ist, nämlich, dass nach dem Gesetz nun der totale – ich sage das in Anführungszeichen – "Dudelfunk" drohe, hat sich ja nun ein für alle Male erledigt, nachdem in der Anhörung auch von den Experten unmissverständlich erklärt worden ist, dass es a) rechtlich nicht möglich sei, "Dudelfunk" zu veranstalten und b) es wirtschaftlich und publizistisch nicht sinnvoll sei. Davon abgesehen muss eine vielfältige Rundfunklandschaft auch einen "Dudelfunk" ertragen können. Ersparen Sie uns also gleich Ihre entsprechenden Vorwürfe. Sie sind haltlos.

Nicht zuletzt haben wir noch einen Zusatzantrag mit Änderungen eingebracht, der die ernst zu nehmenden Kritiker zum Verstummen bringen sollte, denen es an der Sache gelegen ist und nicht um reines Oppositionsgeschrei geht, denn damit wird ein hervorragendes Gesetz schließlich noch besser gemacht und optimiert.

Es wird im Programmauftrag auch sprachlich klargestellt, dass die Meinungsbildung auch die Information umfasst. Daran bestand für uns nie ein Zweifel, denn die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auf die Sie sich ja immer bezogen haben, ist auch an dieser Stelle eindeutig. Die Freiheit der Kabelnetzbetreiber bei der Belegung der Kabelplätze nach Marktgesichtspunkten unter Berücksichtigung die Vielfalt sichernder Aspekte wird erhöht und im Bereich des zum Bürger- und Ausbildungskanal weiterentwickelten Offenen Kanals werden

drei Änderungsvorschläge berücksichtigt. So wird die HAM in das Verfahren bei der Festlegung der Zugangs- und Nutzungsbestimmungen gesetzlich miteinbezogen. Auch können nunmehr unter der Hamburger Media School Restkapazitäten im Einvernehmen mit der HAM zusätzlich zu TV-Veranstaltern auch Hörfunkveranstaltern zur Verfügung gestellt werden. So ist auch für die Übergangszeit ein Weiterverbleib von zugelassenen, bislang auf der Frequenz des Offenen Kanals sendenden Anbietern möglich. Der Auftrag des Bürger- und Ausbildungskanals wird ausgeweitet und umfasst nun neben der Stadtteilkultur auch regionale Aspekte.

Kurzum: Mit diesem Gesetz stellen wir die Weichen für eine moderne Medienlandschaft, stärken die Mediennutzer, den privaten Rundfunk und den Standort Hamburg und geben einen liberalen Anreiz zu einer generellen Debatte über das duale Rundfunksystem in Deutschland. – Vielen Dank, ich übergebe jetzt an den Vertreter der Steinzeit.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort hat der Abgeordnete Dobritz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin von der Erotik von Herrn Müller-Sönksen immer so was von begeistert, wenn ich ihn hier vorne reden sehe. Aber Herr Becker hat Ihnen eine schöne Rede geschrieben.

Wir stellen das Ganze jetzt einmal wieder vom Kopf auf die Füße. Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist, wie Professor Ring, Präsident der Bayerischen Landesanstalt für neue Medien, gesagt hat, eine Rückkehr in die medienpolitische Steinzeit.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Oh-Rufe bei der CDU)

Hamburg alleine gegen 15 andere Bundesländer, egal von welcher Partei sie regiert werden. Dieses Gesetz ist medienpolitischer Schrott.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Auf der 150. Sitzung der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten vor zwei Wochen ist eine einstimmige Pressemitteilung herausgegeben worden. Ich lese Ihnen daraus vor:

"Die Novelle entlässt die zweite Säule des dualen Systems, also den private Rundfunk, aus seiner gesellschaftlichen Verantwortung. Dem Rundfunk gebührt jedoch verfassungsrechtlicher Schutz. Mit dem vorliegenden Entwurf wird der bisherige Konsens der Länder über die Ausgestaltung der Rundfunkordnung in Deutschland von Hamburg einseitig aufgekündigt. Die HAM ist nicht mehr Gestalterin des privaten Rundfunks,

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Gott sei Dank!)

sie wird im Konzert aller Landesmedienanstalten zu einem ungleichen Partner."

Das sagen die 15 Präsidenten der Landesmedienanstalten in Deutschland. Der einzige, der alles besser weiß, ist unser Herr Müller-Sönksen.

(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offensi- ve: Er ist nicht der einzige!)

Meine Damen und Herren, wem ist dieses Gesetz eigentlich geschuldet? Der Senat betreibt es, so kann man aus der Anhörung und aus den Debatten im Wirtschaftsausschuss erkennen, mehr lustlos. Herr Dr. Schön macht es freundlich nett. Die CDU ist eigentlich nicht so an der Sache dran, bis auf den ehemaligen Verlagsmitarbeiter von Axel Springer, Herrn Rusche, aber dieser Konzern ist ja auch groß an Radio Hamburg beteiligt. Die PRO interessiert das Thema gar nicht so recht. Es ist ausschließlich dem kleinsten Koalitionspartner geschuldet. Und dann schauen wir uns einmal an, welches Ziel dieses Gesetz eigentlich hat und entkleiden es einmal von den ganzen Worthülsen von Herrn Müller-Sönksen.

Das erste Ziel ist: Dieser Senat benötigt zur Finanzierung der Media School Geld, weil das Public-private-partnership-Konzept zur Finanzierung der Media School nicht aufgeht. Deshalb muss der Offene Kanal geschlachtet werden.