Protokoll der Sitzung vom 29.10.2003

Dr. Martin Schmidt: Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.

Sie haben damit den erforderlichen Eid vor der Bürgerschaft geleistet. Im Namen des ganzen Hauses wünsche ich Ihnen eine glückliche Hand in der Amtsführung und alles Gute, Glück und Befriedigung in Ihren neuen Aufgaben.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich rufe sodann auf die Tagesordnungspunkte 4 bis 5 a, Drs. 17/3407, 17/3443 und 17/3546: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Bau- und Verkehr, der Kulturbehörde und der Behörde für Wissenschaft und Forschung.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Bau und Verkehr – Drs. 17/3407 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Kulturbehörde – Drs. 17/3443 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Wissenschaft und Forschung – Drs. 17/3546 –]

Die Fraktionen haben vereinbart, dass die drei Wahlen in einem Wahlgang durchgeführt werden können. Die Stimmzettel liegen vor und sie enthalten je ein Feld für Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung. Sie dürfen auf jedem Stimmzettel nur ein Kreuz machen, aber bitte wirklich nur eines. Weitere Eintragungen und Bemerkungen

A C

B D

machen den Stimmzettel ungültig. Bitte nehmen Sie nunmehr Ihre Wahlentscheidungen vor.

Ich darf alsdann die Schriftführerinnen bitten, mit dem Einsammeln beginnen zu wollen.

Sind alle Stimmzettel abgegeben worden? Das scheint noch nicht der Fall zu sein. Ich bitte, beim Abgeordneten Ehlers noch welche entgegennehmen zu wollen.

Aber nunmehr stelle ich fest, dass alle Stimmzettel abgegeben worden sind. Die Wahlhandlung ist geschlossen. Die Wahlergebnisse werden ermittelt und Ihnen im Laufe der Sitzung bekannt gegeben werden.

Ich rufe auf die Tagesordnungspunkte 37 und 16, Drs. 17/3347 und 17/3149: Bericht des Haushaltsausschusses zur Unterrichtung der Bürgerschaft nach Paragraph 10 Absatz 2 LHO über erhebliche Änderungen der Haushaltsentwicklung im Haushaltsjahr 2003 und Änderungen von Haushaltsansätzen sowie Große Anfrage der GAL-Fraktion zum Kita-Gutscheinsystem ab dem 1. August 2003.

[Bericht des Haushaltsausschusses über die Drs. 17/3036: Haushaltsplan 2003 Unterrichtung der Bürgerschaft gemäß § 10 Absatz 2 LHO über erhebliche Änderungen der Haushaltsentwicklung im Haushaltsjahr 2003 und Änderung von Haushaltsansätzen – Drs. 17/3347 –]

[Große Anfrage der Fraktion der GAL: Kita-Gutscheinsystem ab dem 1. August 2003 – Drs. 17/3149]

Die im Bericht des Haushaltsausschusses empfohlenen Ansatzänderungen hat die Bürgerschaft in ihrer Sitzung vom 25. September 2003 bereits in erster Lesung beschlossen.

Die Drs. 17/3149 möchte die GAL-Fraktion an den Jugend- und Sportausschuss überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Böwer hat es.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Manfred Silberbach Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Es ist mir eine besondere Ehre, Sie sprechen zu hören! – Vizepräsident Peter Paul Müller übernimmt den Vorsitz.)

Ich habe heute von Ihnen, Herr Senator Lange, in der Zeitung gelesen – keine Angst, es geht nicht um Kita, das war oben rechts im Abendblatt –, dass Sie nunmehr eine besondere Rolle innerhalb der FDP auf Bundesebene spielen sollen. Das nenne ich einen Angriff auf den organisierten Liberalismus.

(Beifall bei der SPD)

Das hat in der Tat die Partei von Theodor Heuss nicht verdient. Erst fahren Sie die Schule gegen die Wand, versenken Kita und nun die FDP. Weiß eigentlich Guido Westerwelle, was Sie hier in Hamburg machen? Wir kommen damit zur eigentlichen Thematik.

Bei der letzten Debatte haben Sie hier an diesem Rednerpult gestanden und haben gesagt: Ich, Rudolf Lange, habe 100 neue Kindertagesstätten geschaffen. 100, so auch im Protokoll nachzulesen. Dann fragt man in Ihrer

eigenen Behörde nach und stellt fest, dass es 16 waren. Und diese 16 Kitas sind nicht wegen Ihrer Politik, sondern trotz Ihrer Politik entstanden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Und dann erinnern wir uns alle noch einmal an diese Plakataktion im Sommer: „Noch nie gab es so viele KitaPlätze und betreute Kinder wie heute.“ Dann fragt man in Ihrer Behörde nach, und was stellt man fest: 2000 Kinder sind jetzt weniger im System als vor der Einführung des Kita-Gutscheinsystems. Das ist die Realität.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Hört, hört!)

Aber Sie machen jetzt auf Bundesebene der FDP eine große Nummer.

Dann gehen wir weiter. Sie haben ebenfalls auch nicht vor allzu langer Zeit hier am Rednerpult gestanden und gesagt: Ich habe ein System eingeführt, in dem Eltern jetzt ein besonderes Mitspracherecht haben. Eltern haben in Ihrer Kita-Politik die Wahl zwischen keinem Platz oder gar keinem Platz. Das ist die Realität Ihrer Kita-Politik.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Dann gehen Sie im Sommer, im Juni, hin und sagen, da gäbe es Altlasten aus uralten rotgrünen Zeiten, böser, böser Sozialismus,

(Rolf Harlinghausen CDU: So lange ist das gar nicht her!)

und Sie bräuchten unbedingt 19,4 Millionen Euro dafür, weil das ja Altlasten seien. Ich glaube, die Debatten und auch die Beratungen sowohl im Jugendausschuss als auch im Haushaltsausschuss haben bewiesen, dass dieses selbst produzierte und strukturelle Mehraufwendungen waren, die Sie zu verantworten haben und nicht Rotgrün.

(Beifall bei der SPD und Christa Goetsch GAL)

Dann sind Sie zum Finanzsenator gegangen und haben gesagt: Kollege Peiner, ich habe da ein einmaliges Problem, gib mir bitte die 19,4 Millionen Euro. So ist ja wohl auch der Charakter von Paragraph 10 Absatz 2 LHOVorlagen zu verstehen gewesen.

Die zweite Lesung dieser 19,4 Millionen Euro haben wir noch gar nicht hinter uns, da sagen Sie heute: Das reicht nicht, wir brauchen 18,7 Millionen Euro

(Dr. Andrea Hilgers und Petra Brinkmann, beide SPD: Mehr!)

mehr. 18,7 Millionen Euro noch obendrauf. Herr Senator Lange, dann haben Sie doch jetzt in dieser schwierigen Situation den Mut, die ganze Wahrheit zu sagen. Sie brauchen allein für dieses Haushaltsjahr 57 Millionen Euro, um das zu finanzieren, was Sie mit den Trägern gemeinsam etwa im Zusammenhang mit der Anhebung der Pflegesätze ausgehandelt haben. Es sind nicht 18,7 Millionen Euro plus die 19 Millionen Euro. Es sind, so Ihre eigenen Zahlen, wenn man sie entsprechend versteht und hochrechnet, 57 Millionen Euro, die Ihnen strukturell fehlen. Aber Sie machen jetzt mit Guido Westerwelle die große Politik. Viel Spaß dabei.

(Beifall bei der SPD)

Der andere Punkt, der in dieser Frage noch eine Rolle spielt, ist, wie man von Ihnen nachlesen konnte, dass es

so etwas wie einen Panikplan geben soll: Wie retten wir Rudi Lange? So ist in etwa im Augenblick das Motto im Senat: Hier sind die Zahlen, lasst uns tief in die Kasse greifen und 50 Millionen Euro mehr bewilligen. Trotz alledem, auch wenn Sie dieses Geld zusammenkriegen, werden 10 000 Eltern keinen Kita-Gutschein mehr in diesem Jahr bekommen. Auch wenn Sie die 50 oder 57 Millionen zusammenkratzen, werden 12 000 Eltern auch weiterhin im Januar mit ihren Kindern einen Betreuungsplatz verlieren. Das ist der eigentliche Skandal.

Sie hätten es wissen müssen und wir möchten Sie an dieser Stelle auch noch einmal daran erinnern, dass es nicht nur die Opposition war, die Ihnen gesagt hat: Freunde, in Ihrem Kita-Gutscheinsystem gibt es Denkfehler, sondern es waren Ihre eigenen Beamten. Da wird an dieser Stelle auch noch Aufklärung herbeigeführt werden müssen.

Sie sagen den Ausschüssen gegenüber: Wir haben da gar keine Zahlen, aber plakatieren können wir es. Wir haben ein super Computersystem. Was ist das für ein Senator, der erst eine Fremdfirma damit beauftragen muss, ihm auszurechnen, wie viel Geld er eigentlich ausgegeben hat? Aber Sie machen mit Guido Westerwelle eine prima Politik. Viel Spaß dabei.

Das ist die eigentliche Crux bei der ganzen Geschichte. Entweder wussten Sie es nicht, das wäre schon schlimm genug, oder Sie haben es gewusst, und dann nehmen Sie es mit der Wahrheit leider nicht so genau. Dann ist es natürlich klar, dass Sie einen Pressesprecher wie Luckow brauchen, der noch vor einer Woche gesagt hat, dass es gar kein haushälterisches Problem gäbe und so weiter und so fort. Und heute müssen Sie hier vor diesem Hause die Hosen herunterlassen. Das ist die Realität im Zusammenhang mit Ihrer verfehlten Kita-Politik.

Ein Ergebnis darüber hinaus wird sein, egal wie die Paragraph 10 Absatz 2-Vorlage behandelt wird: In Ihrem Stadtteil, Herr Silberbach, werden 20 bis 25 Prozent des Betreuungsumfanges gekürzt. Es sind nicht meine Zahlen. Das sind die Zahlen vom Deutschen Roten Kreuz, von der Caritas und der Diakonie. Der Dank an die Stadtteile mit hohem Schill-Anteil wird sein, dass Rudolf Lange dort die Betreuungsanteile im Bereich von Kita kürzt. So kann man natürlich auch Politik machen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Verstehen Sie es als ein Stück Unterstützung Ihrer verfehlten Politik, dass die Hamburgerinnen und Hamburger Ihnen zwischen dem 7. November und dem 1. Dezember mit der zweiten Stufe des Volksbegehrens ein eigenes Gesetz auf den Tisch des Hauses legen werden. Ich hoffe, dass Sie dieses dann ab dem 1. August 2004, wenn es Gesetzeskraft hat, auch umsetzen können. Viel Spaß dabei.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat der Abgeordnete Weinberg.