Protokoll der Sitzung vom 29.10.2003

Wissen Sie, was eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern, die in die gleiche Kita gehen, mit einem Durchschnittsnettoeinkommen – einschließlich Kindergeld – von 2700 Euro jetzt für diesen Platz bezahlt? – 235 Euro. Im SPD-regierten Berlin muss sie 295 Euro, im SPDregierten Hannover 384 Euro und bei Herrn Ude – ebenfalls SPD – in München 473 Euro dafür bezahlen; das ist fast das Doppelte von dem, was in Hamburg bezahlt wird. Mainz, wo auch ein sozialdemokratischer Oberbürgermeister im Amt ist, bildet hier die Spitze mit 542 Euro. Ich kann das gerne fortsetzen, damit Sie verstehen, welche Leistungen wir hier erbringen, die auch im Sinne des Konzeptes der "Wachsenden Stadt" die jungen Familien nach Hamburg ziehen lässt.

Diese Spitzenleistungen sind für unsere Hamburger Familien natürlich nicht vom Himmel gefallen. Es wurde schon darauf hingewiesen, was wir alles aufräumen mussten. Trotz der angespannten Haushaltslage hat sich die Koalition für die Reform der Kindertagesbetreuung entschieden, weil wir davon überzeugt sind, dass ein

marktwirtschaftlich orientiertes Gutscheinsystem nicht nur kurzfristig, sondern auch auf Dauer bessere Betreuungsleistungen für Eltern und Kinder erbringt. Im Grunde haben Sie auch erkannt, dass dieses System besser ist. Sie hatten nur nicht den Mut, es umzusetzen.

Ihr gerade eben mit Ach und Krach gewählter SPDBürgermeisterkandidat

(Petra Brinkmann SPD: Das überlassen sie mal uns!)

hat gerade erklärt, dass er eigentlich an dem System nichts ändern will. Er setzt sich aber stattdessen hin und wartet auf den Geldsegen aus Berlin. Da kann er mindestens so lange warten, bis er hier Bürgermeister wird, denn es wird sich wohl noch ein bisschen länger hinziehen, als Sie sich das vorstellen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Sie setzen wie immer bei Ihrer Regierungsstrategie auf das Prinzip Hoffnung.

Während Sie früher die Reformen verschliefen, sich nicht getraut haben oder auf Subventionen warten, machen wir die Reformen zum Wohle Hamburgs. Die Kita-Politik ist ein zentrales Element der Bildungspolitik und hat eine entsprechend hohe Priorität. Die sprachliche Frühförderung, das Lernen von Anfang an und die Bildungsoffensive im Vorschulalter haben wir mit zahlreichen Konzepten zusammengebunden. Auch in dieser Hinsicht ist Hamburg Vorreiter.

Wir haben bei der Analyse des auslaufenden Modells im Juni festgestellt, dass wir zur Altlastsanierung circa 19 Millionen Euro brauchen.

(Dr. Willfried Maier GAL: Analyse im Juni? Im Juni haben Sie angefangen zu analysieren? Donner- wetter!)

Die Aufgliederung dieser Summe haben wir in der Drs. 17/3036, die den Haushaltsverlauf begleitet, zu Papier gebracht.

(Thomas Böwer SPD: Glauben Sie, was Sie sagen?)

Deswegen haben wir die Ergänzungsdrucksache beziehungsweise die Vorlage nach Paragraph 10 Absatz 2 LHO auf den Weg gebracht. Kernpunkt sind die damals einmaligen Bedarfe in Höhe von 11 Millionen Euro. Darüber haben wir im Haushaltsausschuss mehrfach gesprochen, dass diese für die Altlasten aus der Übergangsphase und für das vorgesehen waren, was das neue System erbringt.

(Thomas Böwer SPD: Nee, Nee!)

Die ersten Erfahrungen mit dem neuen KitaGutscheinsystem liegen jetzt – sie konnten nicht früher vorliegen – vor, und die werten wir jetzt aus.

Wie in der Senatsvorlage, die wir heute in der zweiten Lesung beraten, angekündigt wurde, haben wir ein externes Finanzcontrolling entwickelt und eine erste Analyse durchgeführt. Wir wissen seit Montagabend, dass beim Start des neuen Systems zusätzliche Anlauf- und Umstellungskosten entstehen, die bisher im Budget nicht vollständig berücksichtigt werden konnten. Die Größenordnung liegt deutlich über 10 Millionen Euro. Die exakte Summe und die dafür verantwortlichen einzelnen Fakto

ren werden wir in den nächsten Tagen weiter feststellen und dabei auch genau untersuchen, welche Effekte einmal, welche zeitlich begrenzt oder dauerhaft entstehen können und bei der Ausstattung der Kindertagesbetreuung zukünftig zu berücksichtigen sind. Nach Abschluss dieser Arbeiten werden wir den Senat und anschließend die Bürgerschaft möglichst schnell in einer Mitteilung davon unterrichten, die den Nachsteuerungsbedarf im Einzelnen erläutert und begründet.

Dass bei einem so großen Reformvorhaben wie bei der Umstellung auf ein Gutscheinsystem eine Nachsteuerung unvermeidlich ist, versteht sich von allein. Denn bei einer Systemumstellung, die den Eltern das Wahlrecht für Leistungen und Träger einräumt und die die Freiheit des Marktes einführt, kann niemand hundertprozentig im Voraus alles erkennen. Freiheit unterliegt nicht den staatssozialistischen Planungsinstrumenten, mit denen Rotgrün

(Unmutsäußerungen bei der SPD – Petra Brinkmann: Das tut weh!)

diese Stadt in weiten Teilen unbeweglich und mutlos gemacht hat. Freiheit hat bei ihrer Konkretisierung – so wie beim Kita-Gutscheinsystem – auch ein Risiko, das wir aber über unsere ökonomischen Kontrollinstrumente beherrschen werden.

Wir sind in Hamburg die Reformpioniere, die sich diese Umorientierung zutrauen.

(Unmutsäußerungen bei der SPD – Barbara Duden SPD: Oh Gott! – Jenspeter Rosenfeldt SPD: Was sagen Sie da?)

Wir werden für die Eltern und Kinder daran arbeiten. Wir werden täglich aus anderen Städten gefragt, welche Erfahrungen wir gesammelt haben, weil diese Reform beispielhaft ist.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Wir werden uns auch nicht durch kurzfristige Probleme von dem Mut abbringen lassen, den wir zur Erneuerung dieser Stadt brauchen. Unsere Stadt ist von Rotgrün mit einer Mischung von Mutlosigkeit, Mittelmäßigkeit und Arroganz heruntergewirtschaftet worden. Das gilt auch für die Kita-Reform.

(Zuruf von Willfried Maier GAL)

Herr Maier, es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Wir tun es weiter.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Dr. Andrea Hilgers SPD: Sie sind ein Autist!)

Das Wort hat die Abgeordnete Dr. Hilgers.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Senator Lange lenkt wie üblich quer durch die Republik ab, dabei muss er in Hamburg einen Offenbarungseid leisten.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Weinberg, Herr Müller und Herr Schinnenburg! Die Schwäche Ihrer Verteidigung hat deutlich gemacht, dass Sie das Desaster mit diesem Senator erkannt haben.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Senator hat die Einführung des KitaGutscheinsystems zum Schaden von Hamburger Eltern und Kindern durchgeführt. Es gibt nach der Einführung des Systems keinen Platz, Herr Müller, keine Gutscheine und keine zusätzlichen Stunden für Kinder, sondern es gibt de facto weniger.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Dennoch kommt der Senator nicht mit dem Geld aus. Er musste bereits eine erste Nachforderung in Höhe von 19 Millionen Euro vom Parlament erbeten und kommt demnächst mit der zweiten Nachforderung.

Die Systemumstellung wurde Ihrerseits mit der gleichzeitigen Senkung der Elternbeiträge und der Erhöhung der Pflegesätze für die Träger belastet. Verschiedene handwerkliche Fehler wurden zusätzlich gemacht. Für alle diese Entscheidungen gab es kein zusätzliches Geld. Man kann das zwar so entscheiden, aber es gab – was notwendig gewesen wäre – kein zusätzliches Geld. Sie haben es versäumt, dieses vorher einzufordern. Bei diesen Entscheidungen verweisen Sie immer wieder wolkig auf Effizienzgewinne aus dem neuen System. Das heißt nichts weiter, Herr Senator, als dass alle diese von Ihnen verursachten Kostensteigerungen aus dem Bestand der Kinderbetreuung finanziert werden. Das hat zur Konsequenz, dass Ihre Systemumstellung so gestrickt wurde, dass sie zulasten des bisherigen Betreuungsangebotes der Kinder und der Eltern in Hamburg geht.

(Beifall bei der SPD – Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Nun noch was zur Versorgungsquote!)

Sie müssen sich einmal entscheiden, ob Sie von uns einen guten Versorgungsgrad übergeben bekommen haben oder ob Sie den Versorgungsgrad immer wieder kritisieren. Sie sind hier ein bisschen uneinheitlich, Herr Müller-Sönksen. Das können Sie einmal Herrn Schinnenburg sagen.

(Beifall bei der SPD)

Nun kommt voraussichtlich die zweite Nachforderung in Höhe von 18 Millionen Euro bis 38 Millionen Euro, dazu kommen noch die 19 Millionen Euro, das sind insgesamt 57 Millionen Euro. Aber auch dieses Geld kommt nicht den Eltern und Kindern zugute. Es ist notwendig, weil dieser Senator handwerklich schlecht arbeitet und mittlerweile völlig den Überblick verloren hat. Das haben die Beratungen im Fachausschuss und im Haushaltsausschuss überdeutlich gemacht: Zweimal drei Stunden schweigen und nichts merken.

(Beifall bei der SPD)

Sie geben auch mehr Gutscheine aus, als Sie finanziert haben.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Wo bleibt denn das Geld?)

Sie spekulieren darauf, dass ein Teil der Eltern diese nicht einlösen, und glauben, Sie könnten noch etwas nachverteilen. Wieso beantragen Eltern eigentlich KitaGutscheine? Um sie dann nicht einzulösen? Das ist mir wirklich ein Rätsel.

Sie sind aber bis jetzt nicht in der Lage – auch heute nicht –, dem Ausschuss oder der Bürgerschaft mitzuteilen, wie die Datenlage ist. Sie können keine einzige ihrer

Behauptungen belegen, die Sie bisher in der Öffentlichkeit vertreten haben.

(Beifall bei der SPD – Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Abwarten! Und weitere Zurufe)