Protokoll der Sitzung vom 25.02.2004

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hesse, gerne hätte ich ja von Ihnen erfahren, wie Sie eigentlich mit den ach so schwer kriminellen und gefährlichen Jugendlichen umgehen, wenn sie die dritte Stufe verlassen haben. Ach so gerne hätte ich von Ihnen vielleicht erfahren, ob Sie dann Jugendliche möglicherweise doch ohne Begleitung mehrere Tage einfach in Hamburger Hotels unterbringen, anstatt ihnen eine weiterführende Jugendhilfemaßnahme zu geben. Irgendwie scheint so etwas in Hamburg ja im Zusammenhang mit der Feuerbergstraße im Januar, Februar passiert zu sein. Darüber hätte ich gerne von Ihnen etwas erfahren.

Der zweite Punkt: Sie wollten wissen, wie wir mit der Feuerbergstraße umgehen. Die Feuerbergstraße als Standort für eine geschlossene Unterbringung ist gescheitert.

(Beifall bei Christa Goetsch GAL)

Das zeigen die Entweichquoten. Das zeigt aber auch, wie einfallslos Sie mit Jugendlichen umgehen, wenn sie zwölf Monate in der Feuerbergstraße waren, nämlich keine weiterbegleitende Maßnahme der Jugendhilfe, sondern eine unbegleitete Unterbringung in einem Hamburger Hotel. Sie können den Fall ja gerne überprüfen.

(Michael Neumann SPD: Das sind ja Zustände!)

Zu dem Antrag selbst, der ja mit der Feuerbergstraße wenig zu tun hat: Hinzugehen und zu sagen, wir schließen einmal Kinder und Jugendliche weg, egal ob wir uns vorher pädagogisch mit der Sache befasst haben, läuft mit uns nicht.

(Beifall bei der SPD)

Das ist kein Nein zu einer geschlossenen Unterbringung. Das ist aber ein Ja zum Rechtsstaat. Rechtsstaatlichkeit gilt auch für Kinder und Jugendliche. Deswegen halten wir Ihren Antrag für sehr unausgegoren, genauso wie die Umsetzung im Zusammenhang mit der Feuerbergstraße, und deswegen bedarf er auch noch der Beratung im Fachausschuss. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Kasdepke.

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Erst und nur auf Druck der Fraktion der Partei Rechtsstaatlicher Offensive kündigte die Sozial- und Familiensenatorin, Birgit Schnieber-Jastram, an, dass auf kriminelles Verhalten von Jugendlichen in Hamburg künftig zügig, konsequent und mit der gebotenen Härte reagiert wird. Deshalb wurde die geschlossene Unterbringung in der Feuerbergstraße durch die Behörde für Soziales und Familie eingerichtet. Erst nach 22 Jahren wurde die geschlossene Unterbrin

gung im Rahmen der Jugendhilfe für straffällig gewordene Jugendliche wieder eingeführt. Jugendliche, die wiederholt mit Straftaten aufgefallen sind, wurden seit 1980 in so genannten intensiv betreuten Jugendwohnungen untergebracht.

Anhand eines konkreten Beispieles möchte ich Ihnen aufzeigen, welches Leid das Modell „Menschen statt Mauern“ den Opfern zugefügt hat. Ende Juni 1998 haben zwei hochkriminelle Sechzehnjährige einen Mord an einem Ladenbesitzer in Hamburg begangen, weil SPD und GAL sich standhaft geweigert haben, schwerstkriminelle Jugendliche in Heimen zu verwahren.

Übrigens lebten die Täter in einer offenen Jugendwohnung. Nach dem Mord an dem Kaufmann Willi Dabelstein war der öffentliche Ruf nach sicherer Unterbringung für jugendliche Kriminelle laut geworden. Im September 2001 hat die anhaltende Diskussion zu politischen Konsequenzen geführt.

Meine Damen und Herren, das Konzept der Sozial- und Familiensenatorin Schnieber-Jastram ist zum Scheitern verurteilt. In der Öffentlichkeit fordert die CDU ein hartes Durchgreifen. Gleichzeitig werden praktikable Verbesserungsvorschläge der Partei Rechtsstaatlicher Offensive immer wieder abgelehnt. Auch konstruktive Gespräche mit Jugendrichtern, die unseren Ansatz unterstützen, änderten daran nichts. Die CDU blieb auf ihrem weichgespülten Kurs und verdrehte die Tatsachen – in der Öffentlichkeit Härte vortäuschen und weich in der Umsetzung. Die ernüchternde Wahrheit ist, dass Teile der CDU offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass das Modell „Menschen statt Mauern“ gescheitert ist.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Siehst du, nun weißt du Bescheid. Gescheitert, Herr Hesse!)

Das anrührende Schlagwort „Menschen statt Mauern“ hat in seinem Schatten hochkriminelle, schwer gestörte oder extrem gefährdete Kinder und Jugendliche ihrer Selbstzerstörung in ihren durchweg fatalen Milieus überlassen und viele Opfer verursacht, sofern sie oder ihre Eltern nicht freiwillig von den rettenden Angeboten der Jugendhilfe Gebrauch gemacht haben.

Das Konzept zur geschlossenen Unterbringung hätte von Beginn an erfolgreich werden können, wenn die gesetzlichen Möglichkeiten konsequent genutzt worden wären, so, wie es uns Baden-Württemberg beispielhaft vorführt. Stattdessen wurden folgende entscheidende Fehler begangen, die die geschlossene Unterbringung ad absurdum führten:

Erstens, Ansiedlung in der Behörde für Soziales und Familie statt Zuständigkeit der Strafvollzugsbehörde.

Zweitens, zu spätes Eingreifen, denn eingewiesen wird laut Konzept im Normalfall erst ab 14 Jahren.

Drittens, keine Einbindung von Jugendrichtern, die die Kompetenz haben und die eigentliche Zuständigkeit haben sollten.

Alles das wurde verbockt. All das hat einzig und allein die CDU, insbesondere der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Hesse zu verantworten, der mit unglaublicher Ignoranz eindeutigen Passagen des Konzeptes widersprach und die Situation der geschlossenen Unterbringung immer wieder schönredete.

(Michael Neumann SPD: Sicherheitsrisiko, un- glaublich!)

Ja, Sie erinnern sich daran. Wir haben die Gespräche gehabt.

Was nutzt es, Herr Hesse, wenn wir die Notwendigkeit erkennen, einen Jugendlichen geschlossen unterzubringen, aber das Gesamtkonzept mit ideologischen Hemmnissen gespickt ist?

(Michael Neumann SPD: Ja, Warmduscher!)

Mehr realitätsbezogen, mehr Aufrichtigkeit kämen diesem wichtigen Thema, nämlich der Bekämpfung von Jugendkriminalität, Kinder- und Jugendgewalt, sehr entgegen. Konsequenz bei den Christdemokraten wäre sehr hilfreich gewesen.

Gerne halte ich Ihnen folgende Fakten noch einmal vor Augen, Herr Hesse: Das Konzept der Senatorin Schnieber-Jastram sieht 25 Plätze in der Feuerbergstraße vor. Die Belegung der Plätze wurde nicht annähernd erreicht.

(Ingo Egloff SPD: Wollte sie nicht 200? – Michael Neumann SPD: 200!)

Der Paragraph 1631 b

(Wolfgang Franz SPD: Wer ist Bertha?)

BGB sieht zur Begründung vor, grundsätzlich solle vermieden werden, dass Eltern ein Kind in einer geschlossenen Einrichtung unterbringen, wenn bei sinnvoller Wahrnehmung des Erziehungsrechtes eine Problemlösung auf weniger schwerwiegende Weise erreicht werden könne. Probleme in der Erziehung und nicht ausschließlich Straftaten sind die Zielrichtung des Paragraphen 1631 b BGB. Die bislang eingewiesenen Jugendlichen, die allesamt Mehrfach- beziehungsweise Intensivtäter sind, gehören streng genommen nicht vor Familien-, sondern vor Jugendrichter. Das Konzept sieht als Zielgruppe männliche Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren vor. Nur in Ausnahmefällen können auch Zwölf- bis Dreizehnjährige aufgenommen werden. Zahlen zeigen, dass tatsächlich bei Kindern unter 14 Jahren nur in einem Fall in die geschlossene Unterbringung eingewiesen wurde. Dass das viel zu spät ist, beweisen die Zahlen der Straftaten beziehungsweise Ermittlungsverfahren bei den Vierzehn- bis Sechzehnjährigen.

Viele Verfahren sind bei den Jugendgerichten anhängig, für die eine Einweisung in die geschlossene Unterbringung in Betracht käme. Das derzeitige Konzept der Behörde für Soziales und Familie sieht jedoch vor, dass ausschließlich nach Paragraph 1631 b BGB, also nur durch den Familienrichter, eingewiesen wird. Die zur Untersuchungshaftvermeidung vorgesehenen acht Plätze in der jugendgerichtlichen Unterbringung stehen nur in einem Heim ohne Sicherheitsvorkehrung zur Verfügung. Baden-Württemberg zum Beispiel hat fünf geschlossene Heime. In zwei dieser Heime wird ausschließlich nach den Paragraphen 71 und 72 Jugendgerichtsgesetz wohlweislich eingewiesen.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Da sollte die Sozial- senatorin einmal zuhören!)

Vor diesem Hintergrund sind wir, die Fraktion der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, sehr verärgert, dass es der Senatorin Schnieber-Jastram in zwei Jahren nicht gelungen ist, ein Erfolg versprechendes Konzept aus einem Guss auf den Tisch zu legen.

Wir, die Fraktion der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, sind der Auffassung, wenn junge Menschen straffällig werden, haben sie ein Recht auf notwendige Hilfen. Daher ist in schwierigen Fällen eine Unterbringung in geschlossenen Heimen unabdingbar. Es ist keine bloße Wiederholung, wenn ich für uns, die Partei Rechtsstaatlicher Offensive, folgende Forderungen nochmals erwähne:

Erstens, Ansiedlung der geschlossenen Unterbringung im Strafvollzugsamt. Die Senatorin Schnieber-Jastram hat es nicht verstanden, der geschlossenen Unterbringung den von uns gewünschten Stellenwert beizumessen.

(Bettina Pawlowski CDU: Die hat nichts verstan- den!)

Zweitens, generelle Ausweitung der geschlossenen Unterbringung und Plätze auch für kriminelle Jungen und Mädchen ab zwölf Jahren.

Drittens, nur noch Zwölf- bis Dreizehnjährige Normalfälle dürfen in die Zuständigkeit der Familiengerichte fallen. Vierzehn- bis Sechzehnjährige müssen ausschließlich von Jugendgerichten verarztet werden.

Viertens, massive personelle Verstärkung des Familieninterventionsteams, die die erfolgreiche Arbeit der Polizei nicht wie bislang konterkariert. Es kann nicht sein, dass nur ein Bruchteil der von der Polizei gemeldeten Fälle an das Familiengericht weitergereicht werden. Das führt zu Demotivation der Polizei und Verhöhnung der Opfer.

Fünftens, Jugendgerichte sind in das Konzept zur geschlossenen Unterbringung einzubeziehen. Das Jugendgerichtsgesetz, Paragraph 71 Absatz 2 sieht vor, dass der Jugendrichter die einstweilige Unterbringung in einem geeigneten Heim der Jugendhilfe anordnen kann, wenn dies auch im Hinblick auf die zu erwartenden Maßnahmen geboten ist, um den Jugendlichen vor einer weiteren Gefährdung seiner Entwicklung und insbesondere vor der Begehung weiterer Straftaten zu bewahren. In Paragraph 71 Jugendgerichtgesetz wird mit erzieherischen Belangen begründet, schon während des Verfahrens, also vor Rechtskraft eines Urteils und ohne die Voraussetzung und sozialen Auswirkungen von U-Haft, intervenieren zu können. Eine Unterbringung nach dieser Vorschrift darf danach keine ahndende Reaktion sein. Eine solche Anordnung bedarf im Rahmen des verfassungsrechtlichen Vorrangs des Elternrechts, Artikel 6 Absatz 2, 3 Grundgesetz, der Zustimmung der Erziehungsberechtigten. Die Unterbringung darf gemäß dem Subsidiaritätsprinzip zudem nur als äußerst zeitlich begrenztes Mittel angeordnet werden.

Meine Damen und Herren, Heimerziehung ist besser als ihr Ruf. Hier darf und kann nicht bei schweren Fällen auf die Unterbringung in die geschlossenen Heime verzichtet werden. Die Fraktion der Partei Rechtsstaatlicher Offensive wird sich zur Vermeidung weiterer Opfer von Straftaten für eine konsequente Umsetzung der geschlossenen Unterbringung einsetzen. Kurzfristig würde dieser Antrag in Hamburg nichts ändern. Wir stimmen dennoch der Ausschussüberweisung zu, weil es ein kleiner Schritt zur Verbesserung der desolaten Situation wäre.

(Klaus-Peter Hesse CDU: So schlimm ist das auch wieder nicht!)

Mehr aber auch nicht. So lange die Forderung der Partei Rechtsstaatlicher Offensive nicht eins zu eins umgesetzt

A C

B D

wird, wird immer wieder das Thema „geschlossene Heime“ auf die Tagesordnung kommen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Steffen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hesse, ich glaube, von Verteidigung kann hier nicht die Rede sein. Ich bin aber doch etwas verwundert: Sie haben ja in Ihrer Rede einleitend aufgegriffen, dass Inspiration für Ihren Antrag die Senatorin SchnieberJastram gewesen sei.