Protokoll der Sitzung vom 22.09.2004

Dabei übersehen Sie offenbar, dass gerade die Hamburgische Bauordnung zu einem der lesbarsten und verständlichsten Gesetze gehört, mit denen der Bürger konfrontiert wird.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Ach so!)

Zwölf kurze Teilabschnitte regeln alles, was zu regeln ist. Mit diesen zwölf kurzen Teilabschnitten ist es gelungen, Hamburg in den vergangenen Jahrzehnten zu einer der schönsten Städte der Welt zu machen. Außerdem gibt es in allen Bauprüfabteilungen der Bezirks- und Ortsämter jede Menge sachkundiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die äußerst bereitwillig jede Frage beantworten. Die vor einiger Zeit durchgeführte Umfrage zur Zufriedenheit der Hamburgerinnen und Hamburger mit den Bauabteilungen hat bekanntlich ergeben, dass diese hohes Ansehen genießen und dass die Bürgerinnen und Bürger sich hier bestens bedient, gut beraten und in allen ihren Anliegen unterstützt fühlen.

(Beifall bei der SPD)

Dann kann ich noch auf das Internet hinweisen. Bei DiBIS finden Sie nicht nur alle zuständigen Dienststellen, belegenheitsbezogen, sondern auch aktuelle Informationen zu den erforderlichen Unterlagen, Öffnungszeiten, Planungsunterlagen, Bauantragsformulare und die Gesetzestexte ohnehin. Alle diese vielen bauwilligen Bürgerinnen und Bürger haben in der Regel auch noch einen Architekten dabei, zu dessen Berufsbild es gehört, die Vorschriften zu kennen oder wenigstens lesen und verstehen zu können.

Dann wollen Sie in Punkt 2 Ihres Antrags mal eben die Abstandsflächenregelungen neu ordnen und vereinfachen. Die Musterbauordnung vereinfacht auf den ersten Blick die Regeln. Wer genauer hinsieht, stellt aber schnell fest, dass sie es ermöglicht, die Häuser enger zu stellen als bisher.

Meine Damen und Herren! Hier in Hamburg gibt es seit dem Abriss des Gängeviertels keine ungesunde ArmeLeute-Wohnviertel mehr, in die jahrein, jahraus nicht ein Sonnenstrahl fällt. Das ist gut so und das wollen wir auch nicht mit einer Musterbauordnung durch die Hintertür wieder einführen.

(Beifall bei der SPD)

In dem dritten Punkt Ihres Antrags wollen Sie die Bauanzeigeverordnung und die Baufreistellungsverordnung in die Bauordnung integrieren. Sie wollen also zwei Verordnungen abschaffen und in ein Gesetz packen. Wenn ich einmal davon ausgehe, dass Ihnen der Unterschied zwischen Verordnungen und Gesetzen geläufig ist, dann muss ich mich auch hier wieder fragen, was Sie eigentlich gegen Herrn Freytag und seine Behörde haben.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Überhaupt nichts!)

Soll man wirklich künftig bei jeder sinnvollen Veränderung einer der Verordnungen umständlich eine Gesetzesvorlage machen, die wir dann hier debattieren? Warum wollen Sie ihm nicht die Freiheit lassen, vernünftige Dinge auf den Weg der Verordnungen zu regeln,

(Zuruf von der SPD: Weil er es nicht kann!)

ach, weil er es nicht kann. Gut, das ist ein Argument, das vielleicht noch einmal gebracht werden könnte –, wie es seit vielen Jahren Praxis bei allen Vorgängern war.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Ja, der konnte gar nichts: Wagner!)

Nein, der Vorgänger war Mettbach.

In Punkt 4 Ihres Antrages soll der Senat prüfen, ob ein erleichtertes Verfahren auch für bestimmte gewerbliche Bauten eingeführt werden kann. Herr Roock und Herr Hesse, stellen Sie sich vor: Das hat der Senat bereits geprüft. Schon seit Sommer 2001 – da war Eugen Wagner noch Bausenator – gelten die Vorschriften des Wohnungsbauerleichterungsgesetzes auch für bestimmte gewerbliche Bauten. Kleine Läden und Büros werden seither genauso behandelt wie kleine Wohnhäuser. Das steht alles schon im Gesetz, gleich vornan. Man muss nur einmal reingucken, bevor man solch einen Antrag stellt.

(Beifall bei der SPD und bei Antje Möller GAL)

Punkt 5 Ihres Antrags habe ich nicht verstanden. Ich zitiere:

"Der Senat wird ersucht zu prüfen, ob eine Novellierung in Bezug auf Teilungsgenehmigungen in die neue BauO mit erfolgen kann oder ob eine separate Novellierung vorgenommen werden muss."

Also prüfen, ob eine Novellierung in die Bauordnung erfolgen kann. Das ist schon sprachlich reichlich schleierhaft.

(Michael Neumann SPD: Schleierverhandlung!)

Das bauordnungsrechtliche Verfahren zur Teilung ist in der Bauordnung geregelt, das planungsrechtliche Verfahren im Bundesgesetz. In der Hamburgischen Bauordnung gibt es einen entsprechenden Paragraphen, der sagt, die Behörde stimmt Grundstücksteilungen zu, wenn durch die Teilung nicht Zustände entstünden, die den Vorschriften der Bauordnung widersprächen. Das ist doch eine sehr vernünftige Regelung. Was wollen Sie denn da novellieren? Und separat geht es sowieso nicht.

Punkt 6 Ihres Antrags lautet:

"Der Senat wird ersucht zu prüfen…, und der Bürgerschaft über den Verfahrensstand zu berichten."

Soll ich noch mal?

(Zuruf: Nö!)

Sie sollten einfach den Laptop ausmachen, wenn Sie nach einer anstrengenden Sitzung noch in den Ratsweinkeller oder sonst wohin zum wohlverdienten FeierabendBier gehen, weil uns allen die Debatte solcher Ergüsse erspart bliebe.

(Beifall bei der SPD)

Der Antrag hilft nicht. Ob er auch nicht schadet, würden wir gerne im Ausschuss besprechen. Deregulierung okay, aber mit Hamburger Augenmaß. Wir bitten um Überweisung.

(Beifall bei der SPD – Frank-Thorsten Schira CDU: Dann hätten Sie ablehnen müssen!)

Das Wort erhält der Abgeordnete Lieven.

Meine Damen und Herren! Liebe Vorredner und Vorrednerinnen! Ich hätte gar nicht vermutet, dass dieser Antrag zu solch einer Schärfe in der Debatte geeignet ist.

(Hans-Detlef Roock CDU: Ich auch nicht!)

Wenn man sich die Problematik nüchtern anschaut, dann ist es so, dass die Arbeitsgemeinschaft der Bauminister der Bundesländer 2002 eine neue Musterbauordnung beschlossen hat. Das war notwendig, das war fällig. Diese Musterbauordnung ist einstimmig beschlossen worden. Alle Bundesländer haben dieser zugestimmt. Die soll nun in Landesrecht umgesetzt werden und darum geht es jetzt hier auch. Es ist prinzipiell nichts, wogegen wir etwas haben. Das machen andere Senate, andere Landesregierungen dementsprechend. Man kann sich eher fragen – Frau Veit, da bin ich eher bei Ihnen –, ob der Baubehörde mit diesem Antrag vielleicht nicht ein bisschen Druck gemacht werden soll, damit das schneller geht. Wir haben mittlerweile schon Mitte/Ende 2004. Wenn das tatsächlich im Laufe von 2005 etwas werden soll, dann ist es richtig, der Baubehörde hier ein bisschen zur Beschleunigung zu verhelfen.

Noch einmal zu dieser Musterbauordnung. Deren Ziele sind eigentlich recht übersichtlich. Sie muss das Baurecht mehr EU-kompatibel machen. Das ist eine Anforderung, die von übergeordneter Stelle an uns kommt. Sie muss die verschiedenartig entwickelten Bauordnungen der einzelnen Bundesländer zusammenführen. Wir haben gegenwärtig eine Situation, dass zum Beispiel in Ahrensburg bestimmte Bauvorhaben genehmigt werden können, die in Hamburg nicht genehmigt werden können, weil unterschiedliche Bauordnungen das Bauen in der Großstadt anders regeln als auf dem Lande. Das ist für Bauwillige teilweise nicht nachvollziehbar und da ist eine Wiederzusammenführung dieser landesgesetzlichen Regelungen oder Verordnungen erforderlich, damit das näher aneinander ist.

Der Aspekt der Vereinfachung ist von Herrn Roock angesprochen worden. Gerade wenn man sich das Abstandsflächenrecht anschaut – und Frau Veit, da bin ich nicht bei Ihnen –, so ist das in Hamburg äußerst kompliziert geregelt. Aus meiner Sicht ist auch die in der neuen Musterbauordnung vorgeschlagene Vereinfachung dort ein Schritt in die richtige Richtung. Hamburg als tendenziell verdichteter Stadtraum kann davon auch durchaus profitieren. Wir haben in der Vergangenheit leider häufig die Situation gehabt, dass bei Abrissen in der Stadt dort hinterher nicht neu gebaut werden konnte, weil die Abstandsflächenregelungen das nicht zugelassen haben, obwohl die Menschen 100 Jahre lang in diesen relativ verdichteten Situationen gut gelebt haben. Das muss eigentlich nicht sein. Von daher bietet diese Novellierung durchaus die Möglichkeit für Hamburg, zu einem sachgerechteren Bauen zu kommen. Diese Musterbauordnung bietet ein modulares System mit verschiedenen Paketen, aus denen sich die Länder Einzelnes heraussuchen können, gerade auch im Bereich der Vereinfachung. Von daher, denke ich, sind manche Ihrer Punkte Ihres Antrags eigentlich schon dadurch beantwortet, indem man diese Musterbauordnung einfach auf Hamburg anwendet und dann bekommt man ein verschlanktes und vereinfachtes Regelwerk. Insofern wird es dem Senat relativ leicht fallen, das zu prüfen, insbesondere der Punkt 1.

Zu Punkt 2. Beim Brandschutz und Abstandsflächenrecht sind ebenfalls Vereinfachungen oder Anpassungen vor

genommen worden. Wir hatten 1842 den großen Hamburger Brand. Damals brannte die Holzstadt wie Zunder. Danach hat man sich beim Holzbau lange Zeit sehr zurückgehalten. Das war historisch verständlich und auch völlig richtig, denn es gab damals auch keinen funktionierenden Brandschutz und keine funktionierende Feuerwehr in dem Sinne, wie wir sie heute kennen. Die Bautechnik hat sich erheblich fortentwickelt und dementsprechend können wir dem Holzbau deutlich näher kommen. Aber dazu werde ich später noch etwas sagen, weil Sie an der Stelle leider hinter Ihren eigenen Ansprüchen und Zielen zurückgeblieben sind.

Was die Integration anderer Gesetze – Wohnungsbauerleichterungsgesetz, Ausgleichsbetragsgesetz – in die Bauordnung angeht, so sollte man das prüfen. Ich denke, das ist intendiert in der Musterbauordnung, die zu einem Regelwerk zusammenzuführen und dieses gewachsene Rechtssystem in dem Bereich etwas zu vereinfachen.

Was das erleichterte Verfahren für bestimmte gewerbliche Bauten angeht, so existiert das bereits. Auch die neue Bauordnung sieht dieses bis zur so genannten Gebäudeklasse 3 vor, das heißt Gebäude von 7 Metern Höhe und 400 Quadratmeter Grundfläche kann alles im vereinfachten Verfahren beschlossen werden. Das ist damit gegeben. Der Prüfauftrag dürfte dem Senat insofern auch recht leicht fallen.

Bezüglich der Teilungsgenehmigungen bin ich auf das Ergebnis des Senates gespannt. Ich habe Ihren Ansatz da auch nicht wirklich nachvollziehen können.

Was ich bedauert habe, ist, dass Sie gerade bei dem von Ihnen gepriesenen Holzbau eigentlich hinter Ihrem Anspruch zurückgeblieben sind. Es ist richtig, dass der Holzbau in Zukunft bis zu viergeschossigen Bauten möglich ist, aber nur im Bereich der Wohnungsbauten, nicht im Bereich der Sonderbauten. Da gibt es andere Länder, zum Beispiel hat Nordrhein-Westfalen dort eine Novellierung eingeführt, dass sie bestimmte Brandschutzkonzepte in die Bauordnung aufgenommen haben, die es ermöglichen, auch Sonderbauten, das heißt Versammlungsstätten, Schulen und beispielsweise auch Bürogebäude mit Räumen über 400 Quadratmeter Grundfläche in Holzbauweise ermöglichen, wenn ein besonderes Brandschutzkonzept – Sprinkleranlagen et cetera – dies im Einzelfall für sicher erachten lässt. Das haben Sie leider nicht aufgenommen. Da hätten Sie diesem Ziel deutlich näher kommen können. Es gibt auch noch einige andere Bereiche, in denen die Innovationspotenziale, die in dieser neuen Musterbauordnung stecken, nicht ausgeschöpft sind. Das ist in einigen Bereichen ökologischer Maßnahmen, beispielsweise Wasserversorgungsmaßnahmen, gegeben. Aus unserer Sicht ist es deshalb sinnvoll, diesen Antrag an den Ausschuss zu überweisen, damit wir darüber sprechen können, was wir an der Bauordnung außer den Punkten, die Sie hier zum Prüfen erst einmal aufgelistet haben, noch verbessern können.

Im Übrigen hat das Land Berlin auch eine Anhörung zu der neuen Bauordnung durchgeführt. Es wäre auch aus unserer Sicht in Hamburg ein richtiger Schritt, das zu tun, damit uns von Fachleuten und Experten noch einmal dargelegt wird, wie wir dieses neue Instrument optimal umsetzen. Von daher würde ich doch dafür werben, dass Sie bereit sind, das an den Ausschuss zu überweisen.

(Hans-Detlef Roock CDU: Dazu brauchen wir erst einmal einen Entwurf!)

Wir werden hoffentlich bald – das beinhaltet Ihr Antrag auch nicht – den Zeitpunkt erfahren, bis wann der Bürgerschaft über den Verfahrensstand berichtet wird. Ich hoffe, das dauert nicht noch einmal zwei Jahre, wie es jetzt bei der Verabschiedung der Musterbauordnung bis heute gedauert hat, sondern dass es schneller sein wird. Wenn über den Verfahrensstand berichtet wird, hoffe ich, dass Sie zustimmen, das dann an den Ausschuss zu überweisen, damit wir uns diese Bauordnung dort gegebenenfalls in einer Anhörung anschauen können. Ich glaube, dass dann für Hamburg tatsächlich ein gutes Ergebnis dabei herauskommen kann. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen dann zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 18/862 an den Stadtentwicklungsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

Dann lasse ich in der Sache abstimmen. Wer möchte den Antrag aus der Drucksache 18/862 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit angenommen.