Protokoll der Sitzung vom 22.09.2004

Dann lasse ich in der Sache abstimmen. Wer möchte den Antrag aus der Drucksache 18/862 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 10 und 45 auf, die Drucksachen 18/487, Große Anfrage der SPD-Fraktion: Sprachuntersuchung vor der Einschulung – planlos und ohne Konsequenz? sowie 18/779, Neufassung, Antrag der SPD-Fraktion: Sprachförderung von Anfang an mit Konsequenzen und Konzept.

[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Sprachuntersuchung vor der Einschulung – planlos und ohne Konsequenz? – Drucksache 18/487 –]

[Antrag der Fraktion der SPD: Sprachförderung von Anfang an mit Konsequenzen und Konzept! – Drucksache 18/779 (Neufassung) –]

Beide Drucksachen möchte die GAL-Fraktion an den Schulausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Fiedler, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sprachförderung vor der Schule ist bekanntlich der Schlüssel zum Erfolg für die gesamte Schullaufbahn. Deswegen wollen wir, dass Kinder mit einem diagnostizierten Sprachförderbedarf tatsächlich auch eine pädagogisch hochwertige Förderung bekommen. Dabei ist es unabdingbar, dass ein schlüssiges Gesamtkonzept formuliert wird, um die Sprachförderung im Vorschulalter in Kitas und Grundschulen miteinander zu vernetzen, zu verbinden.

(Vizepräsidentin Dr. Verena Lappe übernimmt den Vorsitz.)

Zur Weiterentwicklung gehören natürlich auch eine Qualifizierungsoffensive für Erzieherinnen und Lehrerinnen sowie eine größere Durchlässigkeit, die durch Kommunikation auch zwischen den Einrichtungen herzustellen ist, denn wenn heute ein Kind in die Grundschule kommt, wissen die Lehrer oft nicht, in welchem Rahmen und ob überhaupt Spracherwerb und Sprachförderung stattgefunden haben. Deswegen fordern wir einen verbindlichen

Bericht der Kitas und Vorschulen an die Grundschulen über jedes einzelne Kind.

(Beifall bei der SPD und bei Gudrun Köncke GAL)

Anlass für unseren Antrag ist die erstmalige Vorstellung der viereinhalbjährigen Kinder in der Schule. Der Senat nimmt ganz offensichtlich die Erkenntnisse aus dieser Früherfassung nicht so ernst. Dies wird traurigerweise durch unsere Große Anfrage dokumentiert. Wir wollten wissen, ob es eine Weiterentwicklung und Ausweitung der Förderangebote sowie eine Erfolgskontrolle der Vorstellungsrunde 2004 geben würde. Dazu verkündete der Senat, sich damit nicht befasst zu haben.

Meine Damen und Herren! Wenn hier aber von einer Überprüfung des Sprachstandes vor der Schule die Rede ist, dann kann man sich doch nicht zur Erfolgskontrolle und Weiterentwicklung der Angebote einfach nicht befassen, denn wir brauchen doch für die meisten keine Sprachstandserhebung, sondern vor allem eine Sprachförderung für alle.

(Beifall bei der SPD und bei Gudrun Köncke GAL)

Doch die Ressourcen dafür sind sehr knapp bemessen, man kann auch sagen, sehr dürr besiedelt. Kinder, die bereits einen Vier-Stunden-Kita-Platz haben, bekommen trotz hohem Sprachförderbedarf keinen Sechs- bis AchtStunden-Platz. Ist das versprochene Förderkonzept oder Förderangebot des Senats nur ein Lippenbekenntnis? Das ist einfach widersinnig, meine Damen und Herren, genauso wie die vom Senat geplante Einführung von Gebühren für die Vorschule, die gerade auf bildungsferne Familienhäuser wie eine Strafsteuer für Bildung wirken muss.

(Beifall bei der SPD)

Statt bei der Frühförderung einen Schwerpunkt zu setzen, sparen die beiden Senatorinnen Dinges-Dierig und Schnieber-Jastram um die Wette. Allein in diesem Schuljahr, meine Damen und Herren, entfallen 140 Lehrerstellen für die Sprachförderung. Begründet wird dieser Kahlschlag mit einem nicht zweckgerechten Mitteleinsatz der Schulen. Dafür gibt es allerdings keine Belege oder die Informationen, die wir haben wollten, sind immer noch unter Verschluss. Deshalb wollen wir endlich die Ergebnisse erfahren, die eine Erhebung in den Schulen zur Verwendung der Sprachförderressourcen im Jahre 2003 erbracht hat.

Es ergibt wenig Sinn, 15 000 Eltern vorzuladen. Das ist ein unglaublicher Aufwand, bei ihren Kindern Förderbedarfe festzustellen, um dann Ressourcen Zug um Zug einfach wegzuhauen. Wir stehen schon heute vor einem Torso im Bereich der Sprachförderung. Für die Kitas und Vorschulen kann von erfolgreichen Lernstrategien gar nicht mehr die Rede sein, da wir mit einer massiven Standardabsenkung konfrontiert sind. Wenn das die Sprache Ihrer Politik ist, dann gute Nacht. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Als nächster hat Herr von Frankenberg das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, wir sind uns alle einig: Erfolg von Anfang an – das wollen

wir alle. Daher auch diese Untersuchung, um das erst einmal klarzustellen.

Ganz herzlich möchte ich auch allen Beteiligten, die zu dieser Untersuchung beigetragen haben, von dieser Stelle aus danken. Ich danke zum einen den Schulleitungen und den beteiligten Lehrern, aber auch den Eltern und Kindern, die an dieser Untersuchung teilgenommen haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich will hier ausdrücklich unterstreichen, dass diese Untersuchung durch großes persönliches Engagement zu einem Erfolg geworden ist. Das möchte ich noch einmal klarstellen.

Mit dieser Untersuchung ist auch ein Anfang gemacht, was in diesem Bereich sehr wichtig ist. Gerade die hohe Teilnehmerquote zeigt, dass es eine erfolgreiche Sache war. Am Anfang las man ja auch in der Presse immer wieder, oh, das werde ein Flop. Aber die Quote von 96,5 Prozent zeigt eindeutig, dass das kein Flop war.

Ich möchte diese Diskussion aber nicht nur auf den Aspekt des Sprachstandes reduzieren, sondern hervorheben, dass es keine Sprachstandsuntersuchung war, sondern eine Untersuchung, die auf Förderbedarf insgesamt abgezielt hatte. Das heißt, es sind auch wertvolle Informationen über die körperliche, geistige und seelische Verfassung der künftigen Hamburger Schülerinnen und Schüler zur Kenntnis gelangt. So ist bei 35,1 Prozent Förderbedarf festgestellt worden. Es ist auch durchaus im Einzelgespräch zu Erfolgen gekommen, sodass Kinder in Einrichtungen angemeldet wurden, bei denen es vorher nicht geplant war. Das sehe ich als Erfolg.

Ich glaube auch, es ist gar nicht Sinn und Zweck der ganzen Sache, hier ein bürokratisches Monster daraus zu machen, sondern gerade durch die individuelle Erfassung in den Schulen und durch das Gespräch der Schule mit den Eltern und den Kindern ist eine vernünftige Förderung möglich. Das ist auch ein richtiger Weg, dass wir das Kind in den Mittelpunkt stellen und nicht das System. Das ist auch das, was ich bei Ihrem Ansatz als falsch ansehe: Es ist ein systemischer Ansatz mit ein bisschen Demokratie und ein bisschen mehr und dies und das und so. Für uns aber steht ganz klar nicht das System im Mittelpunkt, sondern das Kind.

(Beifall bei der CDU)

Ich will dann zum Titel der Großen Anfrage der SPDFraktion kommen, die wir sicherlich nicht mehr zu überweisen brauchen, weil das mittlerweile schon weitestgehend geklärt ist. Da steht dann also:

"Sprachuntersuchung vor der Einschulung – planlos und ohne Konsequenz?"

Da wollten Sie es uns vor der Sommerpause noch einmal so richtig geben. Da muss man dann natürlich die sprachliche Schärfe hineinbringen, das macht die Sache vielleicht noch ein bisschen spaßiger. Aber nun haben Sie wahrscheinlich mittlerweile auch festgestellt, dass die Untersuchung vielleicht doch gar nicht so planlos und inkonsequent war, wie Sie das vermuteten. Dann kommt ein Antrag und dann noch ein Antrag mit einer Neufassung und so hat man dann gemerkt, dass das doch ganz gut ist. Dann springen wir da mal auf den fahrenden Zug auf. Na ja, das ist dann halt so.

(Beifall bei der CDU)

Dazu muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Das ist eigentlich das, was ein bisschen planlos wirkt.

(Beifall bei der CDU)

Das muss ich bei aller Wertschätzung feststellen. Auch die Kritik, die von Ihnen im Ausschuss geübt wurde – zu wenig wissenschaftlich, nicht schnell genug, lag nicht schnell genug vor – ist nicht wirklich fundiert. Dann hat man also gedacht, na ja, da müsse man ja doch noch ein bisschen kritisieren, nachdem die Untersuchung doch besser gelaufen ist als ursprünglich erwartet: wissenschaftlich, aber dann müsse es aber wiederum ganz schnell sein. Wie auch immer das gehen soll, müssen Sie dann noch einmal näher darlegen.

Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass will ich noch einmal ausdrücklich feststellen, dass die Sache ein Erfolg ist. Ich würde auch sagen, Ihr Antrag gibt uns durchaus Recht, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Insofern bedanke ich mich, dass Sie auch die Frühförderung als Konsequenz sehen. Ich kann hier betonen, dass für uns die Frühförderung ganz groß steht. Wir haben die PISAStudie gelesen und werden die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Sie scheinen das auch irgendwie verinnerlicht zu haben, das will ich Ihnen gar nicht absprechen.

(Ingo Egloff SPD: Wir können auch lesen!)

Sicher weiß ich, dass Sie lesen können, keine Frage.

Wir sind hier jedenfalls auf dem richtigen Weg. Im Interesse der Zukunftschancen der Hamburger Schülerinnen und Schüler sind wir hier einen großen Schritt vorangegangen. Das ist eine gute Sache. Der Antrag selbst ist nicht so sehr zielführend. Insofern werden wir ihn heute ablehnen. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Botschaft wäre, Frühförderung stehe nicht im Mittelpunkt, sondern das ist eins der zentralen Zukunftsthemen der Schule überhaupt, was wir hier noch einmal darlegen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Goetsch hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Manchmal kommt es mir vor, als würden wir hier einen Kessel Buntes behandeln. Entweder sprechen wir über Sprachförderung oder über frühkindliche Förderung. Das sind nun einmal zwei verschiedene Themen. Wir alle befürworten frühkindliche Förderung und ich glaube, da haben wir einen Konsens.

Wie sieht denn die Situation zurzeit aus? Wir haben verschiedene Modelle, die gerade laufen. Insofern würde ich zustimmen, dass es endlich Zeit wird, ein Gesamtkonzept zum Vorschulalter zu haben. Zurzeit gehen Grundschullehrer in die Kitas und machen ein bisschen Deutschunterricht. Das ist das eine Modell. Das ist irgendwann in der letzten Legislaturperiode von irgendeiner Fraktion beantragt worden, weil das schick war und populistisch. Dann haben wir in der Kita Honorarkräfte, meist Studenten, die so ein bisschen Deutschförderung machen. Da hat uns Professor Hans Reich bei einer Anhörung im Schulausschuss im letzten oder vorletzten Jahr einmal ganz deutlich gesagt, um Gottes Willen lieber qualifizierte

Erzieher an dieses Teil zu setzen und die Studenten besser mit den Kindern spielen zu lassen, also lieber vernünftig ausgebildete Erzieher für die Sprachförderung zu nehmen als die Honorarkräfte. Gut, das ist auch eine Frage der Ausbildung. Es ist natürlich so, dass in der Regel Erzieherinnen nicht speziell in Methodik und Didaktik von – zum Beispiel – Deutsch als Zweitsprache ausgebildet sind. Insofern wäre es schon sehr sinnvoll, das auch an die Schule zu koppeln.

Dann haben wir drittens die Vorschulklassen, wo es auch sehr unterschiedlich Konzepte gibt, wenn ich von dieser Sprachförderung Deutsch ausgehe. Dazu kommen natürlich die ganzen anderen Fragen logopädischen Bedarfs, die ja genauso wichtig sind, oder auch Sprachprobleme bei den Kindern mit deutscher Muttersprache. Das wissen wir auch, dass das ein großes Problem ist, gerade durch das geringe Vorlesen und was so alles dazu gehört.

Das heißt: Ja, ein Gesamtkonzept wäre sinnvoll. Wo ich Probleme habe – deshalb gehe ich jetzt den Antrag der SPD-Kolleginnen und Kollegen entlang, da ist sehr viel drin, was alles nötig wäre – ist der Punkt 4,

"bei den Vorstellungsgesprächen der Viereinhalbjährigen das Verfahren stärker zu standardisieren",

mit dem Punkt 7, für den nächsten Vorstellungstermin ein Gesamtkonzept vorzulegen, in das HAVAS mit einbezogen ist. Das ist natürlich ein bisschen schwierig, denn HAVAS gibt es bisher ja nur in der Vorschule. Das sind die Fünfjährigen, die schon darin sind. HAVAS wäre eigentlich das einzige Sprachstandserhebungsinstrument, das wirklich alle Faktoren berücksichtigt, nicht nur, ob jemand gut Deutsch spricht oder nicht, sondern auch, woran es liegt und was er mehr oder weniger spricht und was zu tun ist, nicht nur im Kontext von Deutsch als Zweitsprache. Insofern müsste man eigentlich das HAVAS-Sprachstandserhebungsinstrument – was ein wissenschaftlich fundiertes ist – in den Kitas flächendeckend implementieren. Dann könnte man das als Grundlage nehmen, um bei der Vorstellung in der Schule zu sagen, was sinnvolle Förderung ist. Insofern ist das nicht konsistent.

Insgesamt kann man sagen, alles ist irgendwie nötig. Aber, wie gesagt, wir warten beim Senat ja auch darauf, wie Sie sich überhaupt vorschulische Bildung vorstellen. Wenn ich jetzt an dieses Theater mit den Bildungsplänen denke, wo welche erstellt wurden, dann in die Schublade rein und dann kann man sich mit Schulbehörde und Behörde für Soziales und Familie nicht einigen: Das muss vielleicht auch einmal geklärt werden, damit das ein einheitliches vorschulisches Konzept ist. Dann kann man natürlich auch entsprechend die Sprachförderung regeln. Insofern begrüßen wir ein Gesamtkonzept grundsätzlich. Der Antrag wäre schön, wenn man ihn überwiesen bekommen könnte. Ansonsten werden wir uns enthalten. – Danke.