Herr Präsident. Herr Abgeordneter, die zuständige Fachbehörde überprüft ständig, ob und gegebenenfalls in welchem Umfange aufgrund von Rechtsentwicklungen aufseiten der Europäischen Union, insbesondere was den Zollkodex angeht, oder aufgrund von Veränderungen des Umschlagwachstums Anpassungen unter anderem auch in Bezug auf das Freizonengebiet erforderlich sind. So ist beispielsweise die Freizone anlässlich von Containerumschlaganlagenerweiterungen auch entsprechend erweitert beziehungsweise verändert worden. Dies ist ein permanenter Prozess. Planungen über die in Ihrer Frage enthaltene Behauptung einer vollständigen Aufhebung der Freizone gibt es in der zuständigen Behörde nicht.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 0, Drucksache 18/923, Vorlage des Präsidenten der Bürgerschaft, Antrag nach Artikel 65 Absatz 3 Nummer 2 der Hamburger Verfassung.
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Antrag nach Artikel 65 Absatz 3 Nummer 2 Hamburger Verfassung – Drucksache 18/923 –]
Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 18/930, 18/931 und 18/932 Anträge der CDU-, der SPD- und der GALFraktion vor.
[Antrag der Fraktion der CDU: Antrag nach Artikel 65 Absatz 3 Nummer 2 Hamburger Verfassung – Drucksache 18/930 –]
[Antrag der Fraktion der SPD: Verraten und verkauft – der Wille des Volkes und die Hamburger Krankenhäuser – Drucksache 18/931 –]
[Antrag der Fraktion der GAL: Stellungnahme der Bürgerschaft zum Antrag der Volksinitiative "Gesundheit ist keine Ware" nach Artikel 65 Absatz 3 Nummer 2 Hamburger Verfassung – Drucksache 18/932 –]
Die GAL-Fraktion hat beantragt, die Drucksachen 18/930 bis 18/932 an den Verfassungsausschuss zu überweisen mit dem Auftrag, bis zur nächsten Bürgerschaftssitzung eine endgültige Beschlussvorlage vorzulegen. Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Reinert bekommt es.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir führen heute eine Debatte unter einem sehr technisch klingenden Tagesordnungspunkt, aber es geht hier um eine ganz zentrale Frage. Die zentrale Frage ist aber nicht die, ob der Landesbetrieb Krankenhäuser verkauft werden soll, ob es politisch richtig ist, dieses zu tun, sondern wir haben uns heute mit der Frage zu befassen, ob die Bürgerschaft der vor dem Hamburgischen Verfassungsgericht anhängigen Klage entgegentritt.
Die Antwort der CDU-Fraktion auf diese Frage ist ein eindeutiges Ja, die Bürgerschaft muss dieses tun.
Es geht hier im Kern um einen Grundsatz der parlamentarischen Demokratie und darum haben wir unseren Antrag gestellt, um die Klage zurückzuweisen.
Die SPD hat mit ihrem Antrag die Fragestellung des Präsidenten eigentlich verfehlt. Die SPD hält nach ihrem Antrag den Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser politisch für falsch. Es ist ihr gutes Recht, dieses politisch zu kritisieren, aber deswegen Verfassungspositionen zu räumen, die die Rechte der Bürgerschaft einschränken, weil es ihr taktisch gelegen kommt, das ist der blanke Opportunismus.
und hat schon einmal das von ihr erhoffte Urteil geschrieben, um dem Hamburgischen Verfassungsgericht die Arbeit zu ersparen, sie kommt aber inhaltlich zu dem falschen Ergebnis. Ich will mich hier im Gegensatz zur GAL auch nicht länger mit der Frage beschäftigen, ob die Klage – in welchem Sinne auch immer – zulässig ist.
Die Kernfrage ist, ob die Volksvertretung – also: die Bürgerschaft – diesen Volksentscheid oder Volksentscheide generell aufheben darf. Meine Damen und Herren, die Antwort ist ein klares Ja und deshalb – noch einmal gesagt – muss die Bürgerschaft der Klage entgegentreten.
Artikel 50 unserer Hamburger Verfassung regelt die plebiszitären Elemente der Demokratie in Hamburg. Dem
nach hat die Bürgerschaft jederzeit das Recht, durch Volksentscheid zustande gekommene Gesetze wieder aufzuheben. Wenn das nicht der Fall wäre, dürfte die Bürgerschaft niemals ein durch Volksentscheid zustande gekommenes Gesetz aufheben oder ändern.
Wenn die Bürgerschaft das unbestrittene Recht hat, solche Gesetze wieder zu ändern, muss das dann umso mehr für Volksentscheide gelten, die nur einem bürgerschaftlichen Ersuchen gleichkommen.
Genau dieses Recht, das auf Vorschlag von SPD und GAL mit Zustimmung der CDU-Fraktion in die Hamburger Verfassung aufgenommen wurde, soll durch die Klage beschnitten werden. Deshalb fordere ich Ihre beiden Fraktionen nachdrücklich auf, dem CDU-Antrag zuzustimmen und die nötigen Schritte einzuleiten, um der Klage entgegenzutreten.
Wir fühlen uns in unserer Argumentation gestärkt durch die Eilentscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichts vom Dezember 2003 in genau der Angelegenheit "Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser", wo es zu den Gründen schreibt:
"Jedoch komme der Volksinitiative von vornherein keine Sperrwirkung zu, da es um eine ´Aufforderung´ an den Senat gehe. Eine solche Aufforderung, die dem parlamentarischen Ersuchen vergleichbar sei, besitze keine rechtliche Bindungswirkung für den Senat. Selbst ein erfolgreicher Volksentscheid mit dem beantragten Wortlaut würde den Senat nicht verpflichten."
(Erhard Pumm SPD: Ja, weil sie gleichzeitig auch gewählt wurden! – Gegenruf von Frank-Thorsten Schira CDU: Und wenn es passt, Herr Pumm!)
Die Antwort auf diese Frage, Herr Pumm, hören Sie sich jetzt bitte auch an, denn Sie werden dieselbe Antwort mit besseren Worten auch noch einmal vom Hamburgischen Verfassungsgericht bekommen: Dieser Volksentscheid bindet die Bürgerschaft nicht. Die Bürgerschaft ist im Rahmen des geltenden Rechts in ihren Entscheidungen frei. Natürlich kann die Bürgerschaft, wenn der Senat einem Ersuchen oder einer Aufforderung nicht nachkommt, dem Senat beipflichten und damit die Aufforderung zurückweisen und sie kann ebenso im Rahmen ihrer Gesetzgebungsautonomie ihrem verfassungsmäßigen Auftrag nachgehen und Gesetze beschließen. Es kann nicht richtig sein, dass ein unverbindliches Ersuchen an den Senat zur Folge hat, dass die Bürgerschaft keine diesbezüglichen Gesetze mehr erlassen darf.
Darum, meine Damen und Herren, diesen Antrag der CDU nicht zu unterstützen, dürfte mit dem Demokratieverständnis eines jeden Parlamentariers nicht vereinbar sein.
Hier geht es keineswegs um die politische Frage des LBK-Verkaufes, sondern um die Rechte und das Selbst
verständnis des Parlamentes. Wir müssen einem Antrag entgegentreten, der es uns als Bürgerschaft untersagen will, unseren verfassungsrechtlichen Auftrag im vollem Umfang wahrzunehmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Erstmals in unserer hamburgischen Geschichte und der demokratischen Geschichte dieses Parlamentes sieht sich diese Bürgerschaft vor unserem Verfassungsgericht beklagt. Das ist ein bisher einmaliger Vorgang, insbesondere, da hierfür ja nicht dieses Parlament selbst die Verantwortung trägt, sondern einzig der Finanzsenator und sein Bürgermeister.
Wie schon in seiner Rede zur Einbringung des Haushaltes vor zwei Wochen hat auch beim Verkauf unserer Krankenhäuser der Finanzsenator in einem unerträglichen Maße an Arroganz, an Überheblichkeit und an Anmaßung
seinen Bürgermeister erklären lassen, dass ihn das Ergebnis des Volksentscheides nicht interessiere.
Es wurde schlichtweg gesagt, der Wähler könne ja in drei Jahren die Quittung ausstellen und den Senat abwählen.
Wieder einmal erheben also Herr Peiner, Herr von Beust den Anspruch auf die alleinige Wahrheit und auch Herr Reinert bemüht ihn zumindest. Wieder einmal geben sie vor, allein zu wissen, was gut ist für unsere Stadt. Das ist Selbstüberschätzung und das ist die Arroganz der Macht.