Protokoll der Sitzung vom 27.10.2004

Meine Damen und Herren! Das Abstimmungsergebnis wird nun ermittelt und Ihnen in wenigen Minuten mitgeteilt. Ich unterbreche die Sitzung für fünf Minuten.

Unterbrechung: 18.25 Uhr __________________

Wiederbeginn: 18.29 Uhr

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, an Ihre Plätze zurückzukehren. Die Sitzung ist wieder eröffnet.

Bei der Abstimmung über das Einführungsgesetz zum Hamburger Kinderbetreuungsgesetz in zweiter Lesung gab es 60 Ja-Stimmen, 56 Nein-Stimmen und keine Enthaltungen. Damit wurde das Gesetz auch in zweiter Lesung und somit endgültig beschlossen.

(Beifall bei der CDU)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 48 auf, Drucksache 18/1031, Antrag der GAL-Fraktion: Keine Genehmigung für die Strompreiserhöhungen der HEW.

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Einzelergebnisse siehe Seite 683

[Antrag der Fraktion der GAL: Keine Genehmigung für die Strompreiserhöhungen der HEW – Drucksache 18/1031 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Wirtschaftsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Maaß, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Hamburgischen Electricitäts-Werke beabsichtigen, ihre Tarifpreise zum 1. Januar 2005 um satte 4 Prozent bis 6 Prozent zu erhöhen. Man möchte sagen "schon wieder", denn die letzte Preiserhöhung liegt nun wirklich noch nicht lange zurück und schlägt sich in den Portmonees der Verbraucherinnen und Verbraucher in Hamburg immer noch nicht ganz unwesentlich nieder.

Aber wir müssen jetzt hier nicht nur klagen und jammern und das als Verbraucher bedauern, nein, die Politik und der Senat in diesem Fall kann und muss handeln.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Herr Maaß, eine kurze Unterbrechung. Auch die wenigen Abgeordneten, die hier sind, verursachen noch einen erheblichen Lärm. Ich bitte Sie, sich zu entscheiden, ob Sie sich wieder hinsetzen wollen oder vielleicht draußen ihre Gespräche fortführen. – Herr Maaß, bitte.

Der Senat kann handeln und er muss handeln,

(Dr. Andreas Mattner CDU: Seit einem Jahr!)

denn ein Missbrauch des Quasi-Monopols, das die HEW in Hamburg haben, ist dadurch zu verhindern, dass auf der Basis der Genehmigungspflicht, die nach der Bundestarifordnung Elektrizität beim Senat liegt, hier die Strompreiserhöhung zu verweigern ist.

Nach dieser Vorschrift müssen die HEW nachweisen, dass die Tariferhöhung erforderlich ist. Die Erforderlichkeit ist zentraler Bestandteil der Prüfung. Es besteht hier ein relativ weiter Prüfungsspielraum, sodass der Senat sich nicht damit herausreden kann, er dürfe nur nachrechnen, nein, es geht tatsächlich um die Erforderlichkeit. Auf diese Erforderlichkeit möchte ich später noch im Einzelnen eingehen, denn man wird schon beim groben Überschlag der Marktlage dazu kommen können, dass die Strompreise in Deutschland und insbesondere in Hamburg eindeutig zu hoch sind und dass hier ein Marktmissbrauch vorliegt.

Der Bund der Energieverbraucher hat errechnet, dass der durchschnittliche deutsche Energieverbraucher bereits im Jahre 2003 für Stromgebühren 120 Euro mehr abgeführt hat, als tatsächliche Kosten bei den Energieversorgern entstanden waren. In Deutschland liegen wir im EUVergleich ganz oben. Das trifft auch für die HEW in Hamburg zu. Wir sind in Bezug auf die Strompreise ein Hochpreisland. Das betrifft nicht nur die Industrie- – dazu hat es, angestoßen von Herrn Dr. Marnette, eine breite Debatte gegeben –, sondern auch die Verbraucherstrompreise.

Warum sind gerade in Deutschland die Strompreise für die Verbraucher so hoch? Auf die einzelnen Begründungen der Energiekonzerne werde ich noch eingehen. Da lässt sich ein Umstand als besonders einleuchtend heranziehen, und zwar hat es in Deutschland bisher – zu

mindest noch nicht auf zentraler Ebene – noch keine strengen staatlichen Regulierungen der Preispolitik der Energieversorgungsunternehmen gegeben. Das wird sich durch das Energiewirtschaftsgesetz, das, wie Sie wissen, gerade in der Diskussion ist, glücklicherweise ändern.

Man muss den Eindruck gewinnen, dass die HEW die Situation der fehlenden Regulierung nur noch einmal ausnutzen wollen. Es geht den HEW darum, in einer Situation, in der es keine vernünftige Regulierung in Deutschland gibt, einen kräftigen Schluck aus der Strompreispulle zu nehmen, und das auf Kosten und zulasten der hamburgischen Verbraucherinnen und Verbraucher. Das darf nicht sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Monika Schaal sowie Hans-Christoff Dees, beide SPD)

Wir sollten in einem kleinen Exkurs auf die Wasserprivatisierung eingehen, die auch immer noch im Gespräch ist. Lassen Sie uns hieraus doch eine Lehre ziehen. Hier haben wir tatsächlich einen Fall, in dem es ein Marktmonopol und einen Marktmissbrauch gibt. Ein solches natürliches Monopol, wie es bei den Wasserwerken auch besteht, würde zwangsläufig zum Missbrauch führen und alleine schon deswegen muss eine solche Privatisierung ausscheiden.

Auch beim Strommarkt handelt es sich um einen Monopolmissbrauch. Die HEW oder die Stromversorger allgemein sind sehr kreativ, wenn es um die Begründungen für die neuerliche Strompreiserhöhung geht, die, wenn man sie sich im Einzelnen ansieht, aus unserer Sicht allesamt vorgeschoben sind.

Zuerst wird das plausibelste Argument genannt, der Anstieg der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt sei der Grund für eine Strompreiserhöhung von 4 Prozent bis 6 Prozent. Nun muss man erst einmal sehen, dass die Steinkohle, die hauptsächlich von Preissteigerungen betroffen ist, den Strommarkt allenfalls zu einem Drittel beliefert und die anderen zwei Drittel durch andere Energieträger erzeugt werden, sodass sich dieser Anstieg alleine schon dadurch relativiert. Dazu kommen natürlich noch die anderen Entstehungskosten für Strom; es sind nicht allein die Rohstoffpreise, die den Preis bestimmen. Selbst wenn man gutwillig wäre und diese Rohstoffpreise mit einrechnen würde, dann käme man auf eine vielleicht gerechtfertigte Erhöhung, die sich im Promillebereich abspielt, aber keinesfalls im Bereich von 4 Prozent bis 6 Prozent. Solange wir in Deutschland ein generelles Strompreisniveau haben, bei dem man von einem Marktmissbrauch ausgehen muss, kann man nicht die gestiegenen Rohstoffpreise dafür zur Begründung nehmen, dass man jetzt noch einmal von diesem sowieso viel zu hohen Niveau nach oben geht. Das Argument ist dann nur noch vorgeschoben.

Der zweite Grund, der für die Strompreiserhöhung genannt wird, ist Lieblingsfeind von dieser Seite des Hauses: die Windkraft, die Einspeisevergütung. Damit würde der Preis nach oben getrieben, heißt es, das sei ganz schlimm. Aber die Vergütung für die Einspeisung von Windenergie ist in diesem Jahr sogar gesenkt worden. Die tatsächlich angefallenen Kosten für Windenergie liegen gegenwärtig um circa 11 Cent pro Kilowattstunde niedriger, als sie letztlich auf die Verbraucher umgelegt werden, und den Versorgungsunternehmen brachte das allein im Jahr 2003 einen ungerechtfertigten Zugewinn von circa 500 Millionen Euro. Das heißt, dieser pawlow

sche Reflex, Windenergie sei an allem Schuld, ist letztlich sachlich nicht gerechtfertigt.

(Beifall bei der GAL)

Auch das Argument der Instandhaltungskosten des Stromnetzes, das auch immer wieder vorgebracht wird, kann uns letztlich nicht überzeugen, denn sie sind durch die aktuellen Tarife überobligatorisch abgedeckt. Die gesamte Branche hat im letzten Jahr 2 Milliarden Euro in Maßnahmen zur Instandhaltung des Stromnetzes gesteckt, aber sie hat über 10 Milliarden Euro an Gebühren eingenommen. Nicht ohne Grund – das ist auch ein Indiz dafür, dass Marktmissbrauch vorliegt – verzeichneten die Versorgungsunternehmen allein im letzten Jahr Gewinnzuwachsraten von bis zu 30 Prozent.

Auch die gestiegenen Netznutzungsgebühren als Rechtfertigung für Preiserhöhungen zu nennen, sind ein richtig schöner Zirkelschluss. Die Netze sind bekanntlich in der Hand der Marktmonopolisten. Da wird gesagt, die Verbraucherpreise müssten erhöht werden, weil so hohe Durchleitungsgebühren und Netznutzungsgebühren genommen werden. Das heißt, man begründet sich sozusagen seine eigene Abzocke beim Verbraucher dadurch, dass sich die Versorger untereinander gegenseitig abzocken und Wegelagererei betreiben. Wenn das herangezogen wird, ist das wirklich absurd.

(Beifall bei der GAL)

Schließlich noch ein Argument, das hamburgspezifisch ist. Wir mussten in Hamburg nach der Privatisierung der HEW zur Kenntnis nehmen, dass die HEW durch Personalabbau Kosten reduziert haben. Das hat Arbeitsplätze gekostet, das hat wehgetan. Nun sollte man denken, dass diese veränderte Kostenstruktur wenigstens an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wird. Aber das Gegenteil ist der Fall, die Preise steigen. Deswegen kann hier die Begründung der Kostenentwicklung nicht herangezogen werden.

Den letzten Lieblingsfeind darf ich natürlich auch nicht vergessen: Die Steuerlast als Begründung für neuerliche Strompreiserhöhungen, die Ökosteuer, die auch immer irgendwie an allem Schuld ist. Auch das kann letztlich nicht überzeugen, denn der Steueranteil am Strompreis beträgt zwar rund 40 Prozent, aber die betreffenden Steuern, insbesondere die Ökosteuer, sind im letzten Jahr nicht gestiegen und ebenso wenig ist eine Erhöhung der Ökosteuer für 2005 angekündigt. Sogar Herr Marnette, der unverdächtig ist, uns zu nahe zu stehen, sagt, dass für die Steigerung der Strompreise nun wirklich nicht die Ökologie und die Grünen zur Verantwortung zu ziehen sind. Daran können Sie sehen, dass jemand, der Ihnen nahe steht, sagt, hier liegt nichts anderes als Abzocke durch die Stromunternehmen vor.

(Beifall bei der GAL)

Wenn man alles durchprüft, dann muss das bedeuten, dass eine Strompreissteigerung nicht gerechtfertigt ist. Für die Verbraucher muss das bedeuten, dass sie sich überlegen sollten, ob sie ihren Stromanbieter wechseln. Wer das noch nicht getan hat, dem sollte diese Strompreiserhöhung Anlass sein, sich das noch einmal zu überlegen.

Aber nicht alle Verbraucherinnen und Verbraucher sind so mobil. Nicht alle habe sofort neue Telekommunikationsdienstleister, neue Stromdienstleister, sondern es gibt

da eine gewisse Trägheit. Genau für solche Fälle gibt es eine Preisaufsicht, damit die Marktmacht nicht missbraucht wird. Wann, wenn nicht jetzt, soll diese Preisaufsicht überhaupt einmal eingreifen? Wozu bezahlt der Senat Beamte, die prüfen sollen, ob Preiserhöhungen gerechtfertigt sind? Er bezahlt sie, damit sie einschreiten, wenn Marktmissbrauch vorliegt. Genau das scheint hier wirklich der Fall zu sein. Deswegen fordern wir den Senat mit unserem Antrag auf, hier endlich einzuschreiten und diese ungerechtfertigte Strompreiserhöhung nicht zu genehmigen.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Monika Schaal sowie Hans-Christoff Dees, beide SPD)

Herr Dr. Mattner hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es drängt sich hier schon ein wenig der Eindruck auf, dass uns die GAL mit ihrem Antrag vor dem schützen will, was Herr Trittin mit seiner Energiepolitik in Berlin verursacht hat. Wie immer im Leben ist es so, man muss das Problem bei den Ursachen bekämpfen und nicht bei den Auswirkungen.

Dass die Kollegen von der GAL in Wahrheit das ganze Ausmaß des Problems kennen, wird schon am Antragsaufbau sehr augenfällig. Gleich sieben Punkte werden aufgeführt – in vorweggenommener Replik –, welche Ursachen angeblich nicht für die Strompreiserhöhung in Betracht kommen. Dann macht man schnell am Ende der Erzeugerkette einen Schuldigen aus. Das ist in diesem Fall die HEW. Das ist mir zu einfach.

Natürlich sind die Strompreiserhöhungen zu hoch und zu kritisieren. Sie betragen im Übrigen 4,4 Prozent für private und 5,9 Prozent für Gewerbekunden. Ich werde nachher im Rahmen der Debatte über die Große Anfrage zur Energiepolitik noch im Einzelnen darauf eingehen.

(Dr. Monika Schaal SPD: Das sieht aber Herr Marnette ganz anders!)

Die Industriestrompreise sind von 1998 bis 2000 aufgrund der Liberalisierung des Marktes sogar noch gesunken und steigen seitdem wieder. Die Höhe von 1998 haben sie noch nicht erreicht; anders allerdings, das müssen wir auch sehen, die Privathaushalte, hier sind sie schon höher.

Allerdings ist mir irgendwie entfallen, wer die HEW privatisiert hat. Herr Maaß wird das bestimmt noch erinnern.

(Uwe Grund SPD: Die Privatwirtschaft macht alles besser und günstiger!)

Alle sind betroffen, die Verbraucher und die Wirtschaft. Das hat aber verschiedene Ursachen. Schauen wir uns die zwei Punkte aus dem GAL-Antrag an, also die Feindbilder von Herrn Maaß, wie wir eben hören konnten. Es steht dort, die Steuerlast rechtfertige keine Preiserhöhung. Wie die Wahrheit aussieht, wissen wir, wenn wir überhaupt alle Energieformen betrachten. Der staatliche Anteil an den Kosten für Benzin liegt heute bei 70 Prozent, beim Strom bei 40 Prozent, beim Gas bei 30 Prozent. Seit 1998 sind die Abgaben für Strom um fast 70 Prozent gestiegen. Ich will Ihnen das an einzelnen Zahlenwerten deutlich machen.