Protokoll der Sitzung vom 10.11.2004

Ich habe es in der Debatte der letzten Sitzung schon gesagt: Es geht nicht primär nur darum, dass sich das Auslieferungszentrum in Hamburg befindet, sondern es geht vor allen Dingen darum, Hamburg die Chance zu erhalten, an der weiteren Entwicklung der A380-Familie teilzunehmen

(Beifall bei der SPD und der CDU)

und nicht darauf verwiesen zu sein, in Hamburg nur die erste Maschine zu bauen.

Wir alle wissen aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts und aus den Diskussionen, die wir hier, im Ausschuss und an anderer Stelle vielfach geführt haben, dass es rechtlich kompliziert ist darzulegen, welche Chancen es gibt. Ich weiß nicht, ob es am Ende so aussieht, wie es in dem Gutachten steht, dass, wenn wir die Landebahnverlängerung bekommen und an der weiteren Entwicklung der A380-Familie voll beteiligt werden, zwischen 2500 und 4000 weitere Arbeitsplätze in Hamburg entstehen werden. Das kann hier auch keiner hinreichend sicher beurteilen. Aber die Chance besteht. Wenn wir diese Landebahnverlängerung nicht bekommen, dann besteht dafür die Chance nicht, sondern im Gegenteil, wir laufen Gefahr, dass wir Produktionsanteile an Toulouse verlieren.

Die Sozialdemokraten sind dafür, dass dieses Projekt zu Ende geführt wird. Wir möchten das auch im Einverneh

men mit den Anwohnern von Neuenfelde tun. Allerdings sind wir auch der Auffassung, dass man sehen muss, was passiert, wenn es keine konsensuale Lösung gibt. Wir werden morgen noch über einen weiteren Antrag zu entscheiden haben, den die GAL vorgelegt hat, in dem gefordert wird, das vom Parlament beschlossene Enteignungsgesetz und das Lex Airbus-Gesetz aufzuheben. Das werden die Sozialdemokraten nicht mitmachen, und zwar deswegen, weil wir auch für den Fall, dass es keine einvernehmliche Lösung gibt, gewappnet sein müssen. Die Diskussion und das Projekt ist dann nicht zu Ende, die Bürgerschaft und der Senat haben die Hand gereicht. Es liegt an den Gegnern, diese aufzunehmen. Wir sind bereit, uns zu einigen. Die anderen müssen auch bereit sein. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Maaß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eines möchte ich vorab klar sagen: Die GAL steht zu Airbus und wir stehen auch zu Neuenfelde. Wir stehen für jede Lösung des gegenwärtigen Konflikts zur Verfügung, die erstens ehrlich ist und zweitens mit Steuergeldern sparsam umgeht. Wir sind aber nicht bereit für eine Politik der Täuschung, der Tricksereien oder eine Politik des Verschleuderns von Steuergeldern ohne belastbaren Nutzen für die Stadt.

(Bernd Reinert CDU: Wer war denn damals im Senat?)

Genau dafür steht die Politik dieses Senats und dafür steht auch der heutige Antrag. Deshalb werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei Christa Goetsch und Gudrun Köncke, beide GAL)

Dieser Antrag wiederholt schlicht eine falsche Tatsachenbehauptung, dass nämlich ein Bedarf für diese Landebahnverlängerung bestehen würde. Das ist der Grundfehler, von dem der Senat immer wieder ausgeht. Wir haben an dieser Stelle auch mehrfach dargelegt, dass aus unserer Sicht der Bedarf eben nicht bestehen würde.

Auch heute werde ich Sie vermutlich nicht davon überzeugen können, aber viele andere, die von der Sache etwas verstehen, sind durchaus dieser Meinung. Die Berechnung von Airbus zum Bedarf haben weder die Richter am Verwaltungsgericht überzeugt noch die unabhängigen Richter am Oberverwaltungsgericht, die sich über mehrere Monate wirklich intensiv mit dieser Sache auseinander gesetzt haben.

Der GAL muss auch gestattet sein, unabhängigen Luftfahrtexperten, die auch Gutachten erstellt haben, und vor allem den unabhängigen Organen der Rechtspflege in dieser Stadt mehr Glauben zu schenken als falschen Behauptungen des Von-Beust-Senats, ohne dass gegen uns der Vorwurf des Vaterlandsverrats erhoben wird.

Man fragt sich, um was es bei dieser Landebahnverlängerung wirklich geht. Die Begründung – sie ist auch hier wieder gefallen – dafür ist, dass es um die Arbeitsplätze geht. Wir haben uns bereits in der letzten Debatte darüber unterhalten, dass es wohl kaum um diese 100 direkten Arbeitsplätze geht, die unmittelbar am Auslieferungszentrum hängen.

Herr Egloff hat es eben auch noch einmal gesagt – letztes Mal hat er es etwas deutlicher gesagt –, dass das Kappes sei.

(Ingo Egloff SPD: Das haben Sie gesagt!)

Es gehe vielmehr darum, dass Hamburg nicht den Anschluss an die weiteren Entwicklungen verliert. Aber welche Entwicklungen könnten das überhaupt sein, die wirklich größer sind als die Frachtversion des A380? Herr Puttfarcken hat gesagt: Etwas Größeres als die Frachtversion des A380 könne er sich eigentlich überhaupt nicht vorstellen. Wie viele Arbeitsplätze würden solche Entwicklungen bringen, wenn sie tatsächlich irgendwann kommen sollten? Diese Antworten sind CDU und SPD bis heute schuldig geblieben. Das nenne ich Kappes.

Diese Antworten liefert auch nicht, Herr Schira, das heute vorgelegte neue Gutachten. Zunächst einmal ist interessant, was das Gutachten – und das es ehrlicherweise auch sagt – alles nicht leistet.

Im Gutachten heißt es explizit:

"Die technische Begründung der Start- und Landebahnverlängerung war nicht Bestandteil des Auftrags."

Aha. Die wichtigste Frage, ob wirklich ein Bedarf für diese Landebahnverlängerung besteht, wurde ausgeklammert. Ebenso wenig handelt es sich um eine wirkliche KostenNutzen-Analyse, wie sie bereits der Rechnungshof – er ist heute auch anwesend – bei der letzten Werkserweiterung gefordert hatte. Eine solche Kosten-Nutzen-Analyse gibt es nicht. Stattdessen liefert dieses Gutachten im Wesentlichen sehr gut bezahlte, aber sehr schlecht begründete Spekulationen. Denn im Zusammenhang mit der Entwicklung des Werkes auf Finkenwerder heißt es dort wörtlich – ich zitiere:

"Hierbei kann nicht berücksichtigt werden, dass wider der reinen Lehre auch Entscheidungen von Unternehmen zum Teil nur bedingt rational getroffen werden. Nachfolgend werden die Konsequenzen diskutiert, die eine Nichtverlängerung der Start- und Landebahn für Airbus hat und welche Unternehmensentscheidungen hieraus resultieren könnten."

Das ist eine Spekulation im Stile eines Gesinnungsaufsatzes: „Hätte“, „Könnte“, „Wäre“ unter den Bedingungen von Irrrationalität. Das ist nicht wirklich seriös.

(Beifall bei der GAL)

Etwas hanebüchen wird es, wenn man sich anschaut, wie das Gutachten versucht, das gewünschte Ergebnis zu begründen, wonach neue Arbeitsplätze in einer Größenordnung von 2500 bis 4000 entstehen könnten. In dem Gutachten ist nirgendwo dargestellt, wie man auf diese Zahlen überhaupt genau gekommen ist. Man geht einfach davon aus, dass bereits heute durch den Airbus A380 1700 Arbeitsplätze in Hamburg entstanden sind. Das rechnet man dann hoch und schaut, wie viele Arbeitsplätze entstehen könnten, falls die Produktionskapazität bei Airbus für den A380 verdoppelt wird und Airbus in das Zweitausstattungsgeschäft in Hamburg einsteigt. Mit Verlaub, diese Methodik ist alles andere als statthaft.

Denn diese 1700 Arbeitsplätze, die bis jetzt in Hamburg geschaffen wurden, sind allesamt in Bereichen entstanden, die mit der Auslieferung, der Lackierung und der Innenausstattung überhaupt nichts zu tun haben. Diese Produktionsschritte haben schlicht noch nicht stattgefun

den. Von den 2000 erwarteten Arbeitsplätzen, die den Hamburgern – auch der Bürgerschaft – versprochen wurden, sind 1700 in der Entwicklung und in der Rumpfmontage entstanden. Wir sind froh über jeden einzelnen Arbeitsplatz, aber deswegen kann man doch nicht einfach so tun, dass sich die Zahl der Arbeitsplätze, die nichts mit dem Auslieferungszentrum zu tun haben, nur erhöhen würden, wenn das Auslieferungszentrum kommt. Das ist schlicht nicht möglich, das ist unseriös, das ist Trickserei. Dieses Gutachten ist in diesem Sinne – ehrlich gesagt – sogar standortschädigend. Ich frage mich, ob vielleicht der Franzose dahintersteckt. – Das ist standortschädigend.

(Beifall bei der GAL – Michael Neumann SPD: Der Franzmann!)

Schauen Sie sich doch einmal den Namen an, wer das Gutachten geschrieben hat: Deloitte. Das ist doch verdächtig, oder?

(Frank-Thorsten Schira CDU: Herr Maaß, ich bitte Sie!)

Das müssen Franzosen gewesen sein.

Eine stringente, sachliche Argumentationslinie, mit der der Bedarf einer Landebahnverlängerung nachgewiesen werden kann, gibt es nicht.

Es gibt dann noch eine zweite Argumentationslinie, nämlich das Argument der Verlässlichkeit von Zusagen. Herr Senator Uldall hat in einem Interview gesagt, dass die Stadt die Landebahn deshalb bauen will, weil der Senat Airbus eine entsprechende Zusage gemacht habe. In der letzten Debatte – vor zwei Wochen – hat der Bürgermeister der GAL vorgeworfen, dass die GAL wegen einer angeblich anders lautenden Zusage des rotgrünen Senats vom September 1999 mit der Verweigerung ihrer Zustimmung ihr Wort brechen würde.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Ja!)

Wo ist der Bürgermeister eigentlich heute? Er hat anscheinend Wichtigeres zu tun.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Der tut vielleicht ge- rade etwas in der Sache!)

Aber dieser Vorwurf, Herr Schira, ist ehrlich gesagt ziemlich dreist, denn er beruht auf einer bewusst unvollständigen Zitierung des rotgrünen Senatsbeschlusses von 1999. Der Bürgermeister hat an dieser Stelle behauptet, dass der damalige rotgrüne Senat Airbus zugesagt habe, im Rahmen des rechtlich Möglichen alles in die Wege zu leiten, um für eine Landebahn in Hamburg zu sorgen, wie sie in Toulouse besteht. Aber den dann folgenden entscheidenden Satz hat der Bürgermeister sowohl in der Bürgerschaft als auch später auf der Bürgerversammlung in Neuenfelde nicht zitiert. Der Senatsbeschluss lautete gemäß der Mitteilung der Staatlichen Pressestelle vom 28. September 1999 – ich zitiere:

"Da nach den Genehmigungsvoraussetzungen eine bedarfsgerechte Prüfung erforderlich ist, bedürfe es zudem einer überprüfbaren qualifizierten fachlichen Begründung für die Start-/Landebahn."

(Beifall bei der GAL)

Genau das ist heute das Problem. Die Gerichte haben festgestellt, dass es keinen nachgewiesenen Bedarf gibt und dass man die Arbeitsplätze in Hamburg auch anders

sichern kann. Deswegen ist es ein schlechter Stil des Bürgermeisters, wenn er uns in der Bürgerschaft indirekt des Wortbruchs bezichtigt und dabei bewusst falsch zitiert. Das ist ein Vorgang, den ich für meine Fraktion auf das Schärfste zurückweise.

(Beifall bei der GAL)

Für diesen fehlenden Nachweis des Bedarfs ist doch Airbus verantwortlich, nicht die Stadt. Das muss man doch auch einmal sagen. Deswegen kann von einer Verpflichtung der Stadt, die Landebahn zu verlängern, überhaupt keine Rede sein, solange Airbus den Bedarf nicht nachweist.

Die Aussage von Herrn Puttfarcken von vorgestern ist auch ziemlich unerhört, wonach er von der von Airbus vor Gericht abgegebenen Zusage nichts mehr wissen will, dass das Auslieferungszentrum auch kommen soll, wenn die Landebahn nicht verlängert wird. Diese Aussage wurde vor Gericht gemacht und dort auch protokolliert. Davon will er heute nichts wissen, das sei alles nicht so gemeint gewesen. Auch vor dem Hintergrund der heute hier und der von Airbus gegenüber den Bürgern von Neuenfelde abgegebenen Erklärung frage ich mich: Wenn eine gerichtlich protokollierte Aussage des Chefjustitiars von Airbus nach wenigen Jahren nichts mehr wert sein soll, dann wirft das ein sehr schlechtes Licht auf die Halbwertszeit von Aussagen, die heute hier getroffen werden. Es gibt jedenfalls keinen Grund, warum die Stadt und dieser Senat heute auf die Einhaltung dieser Zusage von Airbus pocht.

(Beifall bei der GAL)

Es gibt keinen drohenden Wortbruch des Senats, dies kann jedenfalls nicht als Rechtfertigung für die Landebahnverlängerung herhalten. Ich bin jetzt bei der zweiten Argumentationslinie angelangt, die nicht funktioniert. Sie wird aber immer wieder vorgetragen, warum wir diese Landebahnverlängerung brauchen.

Man fragt sich, was diese Mehrheit und den Senat tatsächlich treibt. Damit sind wir bei der dritten und vermutlich entscheidenden Argumentationslinie für die Landebahnverlängerung: Sie liegt in dem Prestige, im Interesse sowie an der Gesichtswahrung von Lokalpolitikern. Sogar das neu vorgelegte Gutachten ist insoweit dankenswert klar, als dort weniger von Zahlen die Rede ist als von Signalwirkung und Image, die eine neue Landebahnverlängerung erfordern. Man muss auch Herrn Forgeard, seines Zeichens Airbus-Chef, für seine Klarheit danken, als er sagte: