Protokoll der Sitzung vom 14.12.2004

Das, was Sie den Menschen vorwerfen, und das, was Sie dem Leitfaden …

(Karen Koop CDU: Ich habe gestern nichts vorge- worfen. Ich habe gesagt, man könne es ihnen nicht vorwerfen!)

Sie haben gestern gesprochen und ich habe Ihnen zugehört. Wenn Sie mir dann jetzt bitte folgen würden.

Das, was Sie vorwerfen, Frau Koop, ist das, was der Mieterverein macht, was die Verbraucherzentrale macht und selbst das, was der ADAC macht. Das können Sie den Menschen nicht vorwerfen, wenn sie das auch für sich ausnutzen.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Dr. Willfried Maier GAL: Rechtsanwälte und Steuerberater ma- chen das genauso!)

Ich möchte noch einmal auf die einkommensabhängige Einzelfallförderung eingehen. Das ist keine einmalige Einsparung. Das sind jährlich 27,3 Millionen Euro, die dort weggegeben werden. Da muss man sich überlegen, ob man dort bezuschussen will, oder ob man guckt, dass man nicht das Erbe sichert. Es betrifft ja nicht die alten Menschen. Man sichert das Erbe und dann kann man für das Geld viel sinnvollere Dinge in dieser Stadt tun.

(Beifall bei der GAL)

Aber zu Ihnen, Frau Schnieber-Jastram: Sie fordern seit Jahren den aktivierenden Sozialstaat. Sie haben auch immer wieder betont, dass Sie denjenigen, denen geholfen werden muss, helfen wollen. Aber das tun Sie nicht. Sie sind diesem Anspruch mehrfach nicht gerecht geworden. Sie haben den Druck auf Sozialhilfeempfänger immer weiter intensiviert. Den Blinden haben Sie den Nachteilsausgleich um 23 Prozent gestrichen. Die Menschen mit Behinderung haben Sie sehr stark mit Ihrer verfehlten Planung verängstigt und entsetzt. Die Ambulantisierungswelle, die Sie dort machen wollen, ist so überhaupt nicht übers Knie zu brechen und die Wartezeit bei der Schuldnerberatung wird immer länger. Ein Armutsbericht liegt in dieser Stadt seit 1997 nicht mehr vor. Wenn man Armut aber nicht ermittelt, wie will man Sie bekämpfen?

Auf den Rahmenplan zur Pflege warten wir schon ewig und den Kindern, die es am allernötigsten hatten, wollten Sie sogar noch die Kuren streichen. Hierbei haben Sie sogar Ihre eigenen Kollegen so entsetzt, dass Sie korrigierend eingegriffen haben.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Die Sparvorschläge bei den Kitas, die Sie dann vorgelegt haben, haben nicht nur Ihre eigenen Kollegen entsetzt, sondern wohl auch den Ersten Bürgermeister. Auch hier hat er eingegriffen und es zum Besseren gewendet. Aber das alles, Frau Schnieber-Jastram, toppen Sie dann noch, indem Sie ein ausgelastetes Frauenhaus schließen. Wenn wir Migranten verbieten, dort unterzukommen, und wenn wir das Ganze thematisieren, sagen Sie hier vorne in der Bütt noch, wir hätten im Moment in dieser Stadt drückendere Probleme. Frau Schnieber-Jastram, das kann nicht angehen. Sie sind für die Menschen in dieser Stadt, die Hilfe brauchen, verantwortlich. Wer soll sich eigentlich für die Schwächsten in dieser Gesellschaft einsetzen, wenn das nicht die für sie zuständige Senatorin macht?

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Die Menschen, die Ihre Hilfe brauchen, haben sie nicht bekommen. Das ist Sozialpolitik mit der Warmherzigkeit einer Gefriertruhe.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Frau Schnieber-Jastram, ich habe überlegt, ob ich es so platt sage, aber ich muss es ehrlich sagen: Das Prädikat "sozial" hat Ihre Politik nicht verdient und für Ihren Posten sind Sie eine Fehlbesetzung.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Klaus-Peter Hesse CDU: Wenn man keine Argumente mehr hat!)

Bei der Eingliederungshilfe benutzen Sie die Ambulantisierung, die eine moderne Politik für Menschen mit Behinderung ist, als Vehikel, um auf den Sparzug aufzuspringen. Sie wollen dort 15 Millionen Euro einsparen und Sie wollen das Ganze übers Knie brechen. Ein Drittel der Menschen, die in Einrichtungen wohnen, sollen auf einmal in den Wohnraum. Sie schlagen dort mit Ihrem Aktionismus alle vor den Kopf. Die Betroffenen, die Angehörigen, die Helfer in der Einrichtung sind fassungslos. Das Sparpotenzial, das hier liegt, ist hoch. Aber Sie können das nicht auf Kosten der Betroffenen übers Knie brechen. So eine Umstellung braucht Zeit und – gestern wurde ja immer das Wort "Menschlichkeit" benutzt – sie braucht

vor allem menschliche Umsetzung. Beim Blindengeld hat Ihre Streichung zu großer Verunsicherung der Betroffenen geführt. Die gesellschaftliche Integration von Menschen, die blind und stark sehbehindert sind, ist stark eingeschränkt. Blinde und Sehbehinderte müssen jetzt ihre Angehörigen noch stärker belasten und ältere Menschen, die niemanden haben, der sich um sie kümmert, und die sich die nötige Hilfe auch nicht mehr einkaufen können, sind damit aufs Heim angewiesen. Ist es das, was Sie wollen, ältere Menschen ins Heim stecken, dadurch mehr Geld ausgeben, aber so sparen?

Sprechen wir einmal über die Wohnungslosenhilfe. Sie machen ein Fachstellenkonzept und den sozialen Kontaktstellen, die seit Jahren gute, erfolgreiche, unabhängige Lebenshilfe und Beratung leisten, wird jetzt das Aufgabenfeld genommen und Stellen werden reduziert. Die Bezirksämter sollen künftig die Arbeit leisten. So kann man natürlich auch sparen, wenn man Obdachlose und psychisch kranke Menschen in Ämter schickt, zu denen zu gehen sie noch mehr Angst haben. Frau SchnieberJastram, man muss es leider so direkt sagen: Ihre Politik ist nur am Spargedanken orientiert. Ich habe immer das Gefühl, Sie wollen sich nicht für Ihre Klientel einsetzen, sondern versuchen, das Ziel als Klassenbeste zu erreichen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD – Wolfgang Beuß CDU: Das ist unglaublich!)

Wir dagegen wollen nicht nur fordern, wir möchten auch fördern. Wir haben in unseren Vorschlägen auch, das Sozialticket wieder einzuführen. Denn so können sich Menschen um Arbeit bewerben, so können Menschen die Fahrten zu ihren Therapiemaßnahmen auch bezahlen und Vorstellungsgespräche wahrnehmen. Glauben Sie wirklich, dass, wenn jemand an einem Ein-Euro-Job teilnimmt und einen Euro pro Stunde verdient, es ihn sehr motiviert, das Geld gleich wieder für Fahrtkosten auszugeben?

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Der verdient doch deutlich mehr!)

Wenn die Menschen wirklich integriert werden und so wieder an Arbeit kommen, wird auch das alles im Sozialhaushalt immense Einsparungen bringen.

(Zuruf: Ja, wenn!)

Ja, wenn. Wir sehen ja, dass es nicht gemacht wird.

(Wolfgang Beuß CDU: Das haben wir ja bei Ihnen gesehen!)

Auf den Armutsbericht warten wir seit Jahren.

(Zuruf: Seit 1997!)

Ja, seit 1997 warten wir.

Und wissen Sie was? Wir haben ihn gefordert und kurz bevor Sie die Regierung angetreten haben, haben Sie ihn auch noch gefordert. Wir warten immer darauf.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Ja, Sie warten im- mer. Sie warten die ganze Zeit!)

Frau Schnieber-Jastram, das, was Sie für diese Stadt leisten und für diese Menschen, für die Sie verantwortlich sind, ist traurig. Ich fordere die Kolleginnen und Kollegen der CDU auf, weiterhin sorgsam darauf zu achten, was Frau Schnieber-Jastram macht, und – Ich danke Herrn Weinberg – korrigierend einzugreifen, und Sie fordere ich

auf, für das Wohl der Schwächsten in dieser Stadt wenigstens einigen unserer Anträge zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt Senatorin Schnieber-Jastram.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Gesamtausgaben des Einzelplans 4 belaufen sich nach dem Haushaltsplan-Entwurf des Senats für 2005 auf 1,943 Milliarden Euro, für 2006 auf 1,927 Milliarden Euro. Der Betriebshaushalt 2005 beziehungsweise 2006 für Soziales und Familie beträgt 1,917 Milliarden Euro beziehungsweise 1,897 Milliarden Euro.

(Doris Mandel SPD: Das hätte uns auch der Com- puter sagen können!)

Er umfasst über 20 Prozent der Betriebsausgaben der Stadt und ist damit der größte Behördenhaushalt.

(Petra Brinkmann SPD: Das sagt gar nichts! Das sind alles gesetzliche Vorgaben!)

Das zeigt, dass hier keine soziale Kälte ausgebrochen ist, sondern hier regiert die Vernunft,

(Beifall bei der CDU)

aber – bei aller Liebe –, ganz gewiss nicht mehr das Füllhorn. Es steht uns nämlich nicht mehr Geld zur Verfügung.

Mein Haus – wie dieser Senat – steht für einen sorgfältigen, verantwortungsvollen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler.

(Beifall bei der CDU)

Wenn ich das hier betone, dann in erster Linie, weil es nicht mehr reicht, von nun auf jetzt Politik zu machen. Wir müssen an die Zukunft der Generationen nach uns denken. Wann, in Gottes Namen, verstehen Sie das eigentlich einmal?

(Beifall bei der CDU)

Dafür ist es wichtig, langfristige Perspektiven sowohl für die Menschen als auch für die politische Zukunftsgestaltung zu entwickeln.

(Doris Mandel SPD: Ja, dann gestalten Sie mal!)

Was bedeutet das nun im Einzelnen? Zunächst zum Deckungskreis 45, Sozialhilfe und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.