Protokoll der Sitzung vom 19.01.2005

Ich möchte, dass die Kinder in Hamburg weiter schwimmen und lesen lernen können. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Veit.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Goetsch, Ihre gleichstellungspolitischen Gesichtspunkte sprechen uns natürlich aus dem Herzen. Aber damit hier nicht häufiger solch neumodischer Kram gesagt wird, ist das Amt für Gleichstellung als Erstes ja ganz schnell abgeschafft worden.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Der CDU-Senat interpretiert unser erfolgreiches "Leitbild der Wachsenden Stadt" heute mehr und mehr als wuchernde Stadt. Wachsen ist ein harmonischer und natürlicher Vorgang. Bei Ihnen reduziert sich das auf mehr Einwohner, höhere und größere Häuser, mehr und

schnellerer Verkehr, ein wenig "schicki" hier und "micki" dort. An diesen Kriterien orientieren Sie sich: Masse statt Klasse, nicht harmonisch und organisch, sondern klotzen und wuchern.

(Beifall bei der SPD)

Finanziert wird dies alles durch eine kalte und familienfeindliche Politik, wie es sie in Hamburg seit Kriegsende nicht gegeben hat.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Was Sie für Ihre ganz persönliche Denkmalpflege hier verpulvern, das müssen Hamburgs Mütter und Väter bezahlen.

(Beifall bei der SPD – Wolfgang Drews CDU: Biss- chen schlicht!)

Ihr Bürgermeister hat im Wahlkampf von Nestwärme gesprochen, milde gelächelt und die Queen of hearts gespielt; Sie führen jetzt auf allen Gebieten das genaue Gegenteil vor. Bei der Kinderbetreuung steht zum Beispiel die nächste Gebührenerhöhung bereits ins Haus. Weitere 6 Millionen Euro soll sie bringen und das, obwohl Hamburgs Eltern heute schon in Teilen mit die höchsten Kita-Gebühren der Republik zahlen. Gleichzeitig erhöhen Sie die Gruppengrößen. Die Vorschulbildung, wir haben es eben schon gehört, war bei uns noch kostenlos. Bei Ihnen hingegen soll die Vorschule 3,5 Millionen Euro einbringen. Familien mit einem Kind müssen künftig bereits den Höchstsatz zahlen, wenn sie nur ein Nettoeinkommen von 2000 Euro haben. 192 Euro im Monat werden dann fällig, das ist ein stolzer Preis für eine Vorschule, in der Sozialpädagogen den Unterricht erteilen. Frau Koop, wir haben gehört, dass Sie das nicht unbedingt für die beste aller Lösungen halten. Hoffentlich können Sie sich an der Stelle in Ihrer Fraktion durchsetzen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Nehmen Sie die Schulentwicklungsplanung. Es ist schon bemerkenswert, wenn man sich die Regionen ansieht, in denen Sie Standorte oder Schulstufen schließen. 41 Ihrer insgesamt 46 so genannten Strukturmaßnahmen finden in Stadtteilen mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit und mit überdurchschnittlichem Anteil von Sozialhilfeempfängern statt.

(Robert Heinemann CDU: Befassen Sie sich mal genau mit den Details!)

Sie schließen zum Beispiel die Gymnasien in Horn, Barmbek-Uhlenhorst und Tonndorf, die Gesamtschulstufen Eidelstedt und Steilshoop – von der weiterführenden Schule in Rothenburgsort, Herr Heinemann, will ich gar nicht reden – immer nach dem Motto: Wenn arme Leute unbedingt Kinder kriegen müssen, dann müssen die nicht auch noch Abitur machen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Bei Ihnen werden die Eltern immer mehr zur Kasse gebeten. Während Sie über Pisa jammern, verschlechtern Sie ständig die Bedingungen, unter denen unsere Kinder aufwachsen. 3,5 Millionen Euro wollen Sie zusätzlich durch die Vorschulgebühren einnehmen. Gleichzeitig kürzen Sie die Unterrichtsmittel um 2,5 Millionen Euro. Weitere 2 Millionen Euro sparen Sie beim Schulschwimmen, 1,2 Millionen Euro soll die Jugendmusikschule an zusätzlichen Gebühren einbringen. Die Kinder- und Jugendarbeit in den Bezirken wird

um 1 Million Euro gekürzt, 3,8 Millionen Euro sind es bei den Kinderkuren, mit 3,5 Millionen Euro bitten Sie zu guter Letzt dann auch noch die Sportvereine zur Kasse.

(Robert Heinemann CDU: Das betrifft aber keine Kinder und Jugendlichen!)

Ach nein? – Falls Sie nachgerechnet haben: Mit all dem erreichen Sie gerade einmal die Hälfte der Kapitalkosten für die U 4.

(Beifall bei der SPD)

Wer es sich als Eltern in Hamburg leisten kann, wird Musik, Schwimmen, Sport und wahrscheinlich demnächst auch die Kinderbetreuung privat organisieren und finanzieren, aber die weit überwiegende Mehrheit kann das nicht. Das ist nicht nur unsozial, das ist schändlich und Sie werden die Quittung dafür bekommen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Allein mit dem Label "Familie" in der Bezeichnung der Behörde ist noch keine Familienfreundlichkeit vermacht. Frau Goetsch hat eben schon den Geist angesprochen, der dahinter steht. Frau Koop, ich würde Sie gern kurz zitieren. Sie haben sich in diesem Hause einmal ganz unverblümt dazu bekannt:

"… Also ist es schon sinnvoll, dass beide Eltern erwerbstätig sind. Aber wir wollen sie nicht beide voll erwerbstätig haben."

Dies hat Frau Koop von dieser Stelle vor zwei Jahren gesagt. Das ist der Geist, der dahinter steht, wenn Sie für miserable Bedingungen in den Kitas sorgen. Mütter sollen lieber zu Hause bleiben. Dass Mütter dann lieber häufig gar keine Kinder bekommen, haben Sie offenbar immer noch nicht begriffen. Wachen Sie endlich auf, bevor Sie das soziale Gefüge dieser Stadt völlig zerrütten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Heinemann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist ja richtig, Frau Boeddinghaus, dass die von Ihnen genannten Maßnahmen Hamburgs Familien Geld kosten und das ist auch für viele in unserer Fraktion, die sich für Kinder und Familien einsetzen, nicht einfach. Trotzdem haben wir den Mut, notwendige Entscheidungen zu treffen.

(Gesine Dräger SPD: Sie haben den Mut, den El- tern das Geld wegzunehmen!)

Zum Beispiel das Thema Schulbücher: Die Wahrheit ist doch, liebe SPD, dass Sie jahrzehntelang einfach weggeschaut haben. Ich habe vor zwölf Jahren einen wunderbaren Wettbewerb in Hamburg gemacht: "Wir suchen das älteste Schulbuch". Da waren Bücher dabei, die zehn, zwanzig Jahre alt waren. Herr Professor Lehberger sprach heute im "Hamburger Abendblatt" von einem Durchschnittsalter von zehn Jahren; das ist doch die Realität in Hamburgs Schulen.

(Petra Brinkmann SPD: Aber Herr Heinemann, wo leben Sie eigentlich? – Erste Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Realität ist auch, dass schon in meiner Schulzeit Schulbücher gekauft wurden. Dieses Grammatikbuch hier,

alles keine Bücher zum Reinschreiben, mussten wir schon damals kaufen.

(Unmutsäußerungen bei der SPD)

Das ist doch die ehrliche Realität. Und Realität ist auch, dass wir in der Oberstufe fast gar keine Bücher mehr eingesetzt haben, weil sie so alt waren, und die Lehrer nur noch kopiert haben wie die "Verrückten", wenn ich das einmal so sagen darf. Das bestätigen auch alle Lehrer in Hamburg. Es wird kopiert, kopiert und viele Schulen erheben deshalb von ihren Eltern und Schülern auch schon Kopiergeld von 20 Euro im Jahr – auch das ist Realität in Hamburg.

Durch die Neuregelung haben wir nun endlich die Chance, bessere und aktuellere Schulbücher in Hamburgs Schulen zu bekommen. Die Schulen haben die Möglichkeit, nach drei Jahren die Schulbücher an die Schüler zu verschenken, die vielleicht bisher gar keine Bücher zu Hause haben. Und wir können durch die Beteiligung der Eltern erreichen, dass die Gelder in den Schulen endlich gezielt ausgegeben werden. Es darf eben nicht mehr sein, dass Bücher, die vielleicht nur von einem einzigen Lehrer benötigt werden, dann im Archiv verschwinden – einmal gebraucht und nie wieder. Gerade dort wird eine Beteiligung der Eltern dafür sorgen, dass das Geld künftig effizienter eingesetzt wird.

Trotzdem – da gebe ich Ihnen Recht – müssen wir darauf achten, dass wir die Eltern nicht zu sehr belasten. Deswegen haben wir durch Höchstbetragsgrenzen sichergestellt, dass die sozial schwachen Familien und Familien mit mehreren Kindern weniger oder auch gar nichts bezahlen müssen. Es ist völliger Unsinn, Frau Ernst, wenn Sie öffentlich behaupten, es gebe eine Diskriminierung ärmerer Schüler. Wenn Sie das Papier einmal durchlesen würden, das die Bildungsbehörde freundlicherweise schon allen Schulausschussmitgliedern zugeschickt hat, dann würden Sie merken, dass es niemand in der Klasse mitbekommen wird, ob ein Schüler selber bezahlt oder das Geld vom Staat bekommt. Liebe SPD, vergessen Sie doch bitte nicht, dass es SPD-regierte Länder wie Rheinland-Pfalz gibt, wo es ebenfalls keine Lernmittelfreiheit gibt. Ich weiß nicht, ob Ihre Genossen dort so völlig unsozial sind.

(Michael Neumann SPD: Das ist die FDP!)

Aber vor dem Hintergrund der Debatte in den Medien – Frau Goetsch hat es auch schon angesprochen – und da ich als erster Mann hier rede und mit 30 Jahren dieser Generation angehöre und auch noch keine Kinder habe, vielleicht die Frage, wie wir denn familienfreundlicher werden und wie wir es vor allen Dingen schaffen können, dass wieder mehr Kinder geboren werden. Wenn ich dem "Hamburger Abendblatt" glauben darf, war ein relevanter Grund, dass 44 Prozent der potenziellen Mütter noch keinen geeigneten Vater haben. Das können wir natürlich als Staat schwer beeinflussen.

(Petra Brinkmann SPD: Daran halten sie sich jetzt fest!)

Wir können zwar mehr Summer Beach Clubs genehmigen, da helfen wir ein bisschen, aber das wird nicht die Lösung sein. 28 Prozent der Frauen fühlen sich noch zu jung für Kinder. Das ist schön, aber das löst sich, weil sie ja alle älter werden. Das eigentliche Problem ist jedoch, dass 42 Prozent aller Akademikerinnen gar keine Kinder mehr bekommen. Es ist offensichtlich keine Frage des

Geldes, des Einkommens, denn das ist gerade bei den Akademikerinnen tendenziell hoch, es ist offenbar eine Frage der Verbindung von Beruf und Familie und da tun wir etwas.

(Petra Brinkmann SPD: Warum haben Sie denn keine Kinder?)

Kita, Ganztagsschulen, 30 Millionen Euro mehr im Bildungshaushalt in diesem Jahr – genau da tun wir etwas.

(Beifall bei der CDU)

Ebenfalls eine ganz wichtige Frage ist, wann man eigentlich mit der Ausbildung fertig ist.