Protokoll der Sitzung vom 19.01.2005

Ebenfalls eine ganz wichtige Frage ist, wann man eigentlich mit der Ausbildung fertig ist.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Nie, nie!)

Wer mit 29 Jahren mit seinem Studium fertig ist, möchte mit 30 Jahren keine Kinder bekommen, sondern arbeiten. Das weiß ich aus meinem eigenen Freundeskreis. Es ist völlig normal, dass man erst einmal drei, vier, fünf Jahre arbeiten möchte, bevor man dann irgendwann sagt, jetzt fühle ich mich reif und möchte gerne Kinder haben.

Von daher ist es richtig, die Ausbildungszeiten zu verkürzen. Genau das tun wir doch mit der Verkürzung von 13 auf 12 Jahre und mit der Hochschulreform. Genau das ist der Weg, den auch andere Länder gehen, damit wir dort Chancen haben.

(Beifall bei der CDU)

Und wir brauchen natürlich auch Allianzen zwischen Wirtschaft und Staat, wie sie mit der "Hamburger Allianz für Familien" in Hamburg gegründet worden ist.

Schauen wir uns zum Schluss einmal die Zahlen im Vergleich an: Deutschland minus 1 Prozent, Berlin minus 5,8 Prozent, Hamburg plus 1,6 Prozent bei den Geburten; das ist die Realität.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Blömeke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe CDU-Fraktion, ich glaube nicht, dass Sie Familienfreundlichkeit erreichen, indem Sie den Eltern solche haarsträubenden Geschichten erzählen, wie wir sie heute wieder hören durften. Natürlich zahlen die Eltern drauf und Sie verpacken Ihre Schulbücheraffäre unter dem Deckmantel, dass Sie die Wertschätzung der Schüler für die Bücher erreichen möchten. Wir Eltern müssen heute schon ganz viele Bücher kaufen, das klang bei Frau Boeddinghaus ganz richtig durch. Und entweder haben die Schüler durch die Lehrer oder Eltern gelernt, mit diesen Büchern sorgfältig umzugehen oder nicht. Aber das unter dem Deckmantel des Geldes zu verpacken, halte ich für nicht richtig. Es handelt sich hier einzig und allein um eine schlichte Sparmaßnahme.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Herr Heinemann, Mut kann auch unüberlegt und dumm sein und ein bisschen geht für mich Ihre Aktion in diese Richtung. Ich glaube, dass die Bildung ihrer Kinder den Eltern sehr viel abverlangt, denn da zahlen sie auf jeden Fall drauf. Sie zahlen aber nicht immer nur finanziell drauf – ich möchte hier einmal einen anderen Aspekt hineinbringen –, sie zahlen auch drauf, weil sie wie selbstverständlich ganz viele Aufgaben übernehmen, die gar nicht

direkt bezahlt werden. Ich denke da an die Ko-Lehrertätigkeit, die die Eltern zu Hause übernehmen, an die vielen ehrenamtlichen Eltern, die in den Gremien, in den Bibliotheken der Schule, in der Schulküche mitarbeiten, überall da, wo es notwendig ist. Das sind alles Tätigkeiten, die die Ressource Zeit verbrauchen und letztendlich natürlich ein Mittel, das die Eltern zur Verfügung stellen, ohne dass es direkt Geld kostet. Ich halte das für einen ganz wesentlichen Aspekt.

Und statt dass Sie die Eltern dafür belohnen, bekommen sie jetzt wieder einen auf den Deckel. Sie werden weiter zur Kasse gebeten, obwohl sie Klassenreisen und Tagesausflüge finanzieren, alles zum sozialen Miteinander, zum Wohle ihrer Kinder. Für mich wäre es aber zu einfach, diese verfehlte Familienpolitik nur im Bereich der Bildungspolitik zu suchen. Das zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Politikbereiche. Leider ist Frau Senatorin Schnieber-Jastram nicht da, denn Familienpolitik ist eigentlich ihr Thema und darauf möchte ich gerne noch einmal zu sprechen kommen.

2003 wurde Familienpolitik als Querschnittsaufgabe ausgerufen. Frau Senatorin Schnieber-Jastram hat ihr familienpolitisches Programm vorgestellt. Damals hat sie eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, relevante Planungen und Vorhaben auf ihre Familientauglichkeit hin zu überprüfen. Ich kann nur feststellen, dass diese Arbeitsgruppe eingeschlafen ist. Vielleicht wurde sie auch nie eingerichtet oder sie hat ihre Aufgabe nicht richtig verstanden.

(Beifall bei der GAL)

Familientauglich können die Maßnahmen der Schulbehörde wirklich nicht genannt werden und familientauglich war auch nicht das Gezerre um die Kita-Finanzierung. Auch hier haben letztendlich die Eltern mit ihren Ressourcen bezahlt, die da hießen: "Kämpfen, Demonstrieren, Protestieren", um erst einmal eine zumindest in etwa ausreichende Betreuung ihrer Kinder hinzukriegen. Diese Arbeitsgruppe hat nie den Mund aufgemacht – jedenfalls habe ich nie etwas gehört –, wenn es um die Kürzungen im Jugendhilfebereich ging. Es ist schon ganz richtig erwähnt worden, dass die Beratungsstellen eingespart werden. Es wird soweit bei den Beratungsstellen gekürzt, dass Arbeit kaum noch möglich ist. Die Hilfen zur Erziehung werden reduziert und die bestehende offene Kinder- und Jugendarbeit blutet aus. Kurzum: Für Familien wird es immer schwerer, sich bei Bedarf Rat und Tat zu holen.

Der Lieblingsspruch von Frau Senatorin SchnieberJastram "wer Hilfe nötig hat, bekommt sie auch" verliert angesichts der Einsparungen in der Familienpolitik und der zunehmenden Armut in Hamburg für mich zunehmend an Glaubwürdigkeit. Der Senat steuert seine Familienpolitik seelenruhig weiter in eine Zwei-KlassenFamilienpolitik. Auf der einen Seite sind die Eltern, die das Geld haben und draufzahlen können und somit die nötigen Versäumnisse der Familienpolitik ausgleichen können, auf der anderen Seite – und das ist der weitaus größere Anteil – sind die Eltern, die nicht zahlen können und die tagtäglich erleben müssen, wie bei ihnen und ihrem Umfeld an Familien gespart wird. In diesem Sinne halte ich auch die vor kurzem so hochgejubelte und hochgepriesene Einführung des Familienpasses eher für eine familienpolitische Kosmetik. Was nützt den Kindern ein ermäßigter Eintritt in das Schwimmbad, wenn es ihr Schwimmbad gar nicht mehr gibt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Was nützt den Eltern ein freier Eintritt in das Museum, wenn sie gar nicht wissen, wie sie im Alltag zurechtkommen sollen. Und was nützt es, Frau Senatorin SchnieberJastram, wenn Sie Geld in ein Projekt investieren, das praktische Hilfen rund um die Geburt bereit hält, aber hinterher lassen Sie die Eltern allein. Wir brauchen hier in Hamburg eine völlig neue Familienpolitik, die erst einmal die Rahmenbedingungen schafft, damit die Eltern ihre Verantwortung für die Erziehung ihrer Kinder auch wirklich übernehmen können.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss. Lassen Sie die Familienpolitik wirklich sichtbar in andere Politikfelder einfließen und nehmen Sie Ihr Versprechen ernst. Überprüfen Sie Ihre Vorgaben und Ihre Planungen nach der Familientauglichkeit,

(Glocke)

dann wäre manches Projekt im Vorwege schon gescheitert.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Weinberg.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich war ein bisschen überrascht. Ist das familienpolitische Strohfeuer der SPD schon erloschen? Es wurde auch relativ wenig dargestellt.

Frau Blömeke, wenn Sie reden, muss ich auch reden. Das wissen Sie doch. Wenn Sie etwas falsch darstellen, muss ich es richtig stellen. So haben wir unsere Rollen in diesem System.

(Beifall bei der CDU)

Das mache ich aber auch gern, weil Sie dieses Mal auch Dinge vorgebracht haben, die so nicht stehen bleiben können.

Frau Veit, kommen wir mal zu Ihrer Formalie. Das Amt für Gleichstellung wurde jetzt, formal richtig, aufgelöst. Frau Veit, wir haben seit 2001 das erste Mal in dieser Stadt eine Familiensenatorin. Das ist ein Fortschritt in diesem Bereich.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD: Wo ist sie denn?)

Dann debattiert die ganze Nation und Herr Schmidt von der SPD ist beim Thema Familienpolitik vorne mit dabei. Das war gestern auch in der FAZ zu lesen. Liebe SPD, nur wenn man sich in diesem Thema auskennt, kann man das auch zur Aktuellen Stunde anmelden. Wenn nicht, sollte man es lieber lassen.

(Michael Neumann SPD: Warum reden Sie denn?)

Dann stellt sich nämlich die Frage, Herr Neumann, was eigentlich der zentrale Punkt im Bereich der Familienpolitik ist. Frau Goetsch habe ich so verstanden, dass die CDU die Mütter wieder an den Herd holen will. Frau Veit sagt, dass Mütter zu Hause bleiben sollen. Frau Boeddinghaus sagt, dass die Politik grundsätzlich familienfeindlich sei.

Wir haben doch in diesem Jahr einen zentralen Punkt erreicht,

(Doris Mandel SPD: Nicht mal zugehört haben Sie!)

und zwar, dass es für die Berufstätigen in dieser Stadt einen Anspruch auf einen Kita-Platz gibt, Frau Mandel. Das hat es vorher nie gegeben. Das ist letztendlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die wir hier in Hamburg geschaffen haben.

(Beifall bei der CDU)

Dann kommt Frau Veit und kritisiert uns, dass wir die Elternbeiträge erhöhen. Frau Veit, Sie haben Recht, wir erhöhen die Elternbeiträge in der Gesamtsumme. Aber Sie wissen auch, wie die Elternbeiträge zurzeit aussehen. Zwei Drittel der Hamburgerinnen und Hamburger zahlen entweder den Höchst- oder Niedrigstbeitrag. Davon bezahlen wiederum zwei Drittel den Niedrigstbeitrag. Zusammengefasst zahlt man in Hamburg für die KitaBeiträge entweder fast alles oder fast gar nichts. Frau Mandel, die 48 verschiedenen Einteilungen für die Elternbeiträge haben Sie entwickelt. Es gibt Städte, in denen es drei Einteilungen gibt.

Jetzt kommt Folgendes: Wir haben den Kita-Ausbau betrieben, nämlich die Erhöhung von 300 Millionen auf 340 Millionen. Das ist zumindest nach meiner mathematischen Logik keine Einsparung. Diese Erhöhung muss finanziert werden. Daraufhin haben wir erklärt, was völlig richtig ist, Frau Veit, dass wir die Elternbeiträge in der Summe erhöhen, aber auch endlich gerechter staffeln, damit alle nach ihren jeweiligen Möglichkeiten beteiligt werden. Jetzt werfen Sie uns das als familienfeindlich vor. Ich möchte Ihnen nur eines sagen, Frau Veit, und das werden Sie wissen: Im Jahre 2001 lagen die Elternbeiträge ungefähr sieben Millionen höher als heute. Das heißt, dass wir vielleicht gerade die Beiträge von 2001 erreichen. Damals hat die SPD regiert. Es gab weder die Garantie auf einen Kita-Platz, noch gab es diesen massiven Ausbau. Jetzt kommen Sie und kritisieren uns drei Jahre später, nachdem wir diesen Ausbau geschaffen haben.

(Beifall bei der CDU)

Das heißt: Das Niveau der SPD im Bereich der Elternbeiträge werden wir insgesamt niemals erreichen.

Jetzt komme ich noch zu einigen Unwahrheiten. Jede Mutter oder jeder Vater muss jetzt 192 Euro für die Vorschule zahlen. Das ist einfach nicht wahr.

(Doris Mandel SPD: Das haben wir doch gar nicht gesagt!)

Es ist richtig, dass es eine Staffelung von 15 Euro bis 192 Euro gibt. Aber es gibt tatsächlich auch einen Grundsatz in dieser Stadt, den wir erklärt haben.

Erstens: Der Staat kann vieles leisten und der Staat wird auch vieles leisten. Aber der Staat kann nicht alles leisten, auch nicht im Bereich der Familienpolitik.

Zweitens: Diejenigen, die gute Angebote wahrnehmen, müssen auch im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten daran beteiligt werden.

Drittens: Diejenigen, die finanziell und sozial schwächer gestellt sind, müssen entlastet werden und die Kinder