[Antrag der Fraktion der SPD: Schutz vor EC-Karten-Betrug – Einführung von KUNO in Hamburg – Drucksache 18/1659 –]
Beide Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Wirtschaftsauschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Dräger, bitte.
Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Die Wirtschaftskriminalität, besonders auch in Hamburg, boomt. Wenn man sich die Schadensseite anguckt, sind über die Jahre ganz erstaunliche Zuwächse zu sehen. Addiert man alleine für
das Jahr 2003 – ich gebe zu, das ist ein Ausreißerjahr, ein Jahr mit einer ganz besonderen Schadenshöhe –, kommt man allein in Hamburg und allein mit den Dingen, die wir in der Große Anfrage abgefragt haben, auf eine knappe Milliarde Euro an Schäden, die durch Wirtschaftskriminalität entstanden sind.
Alleine in Hamburg, alleine in einem Jahr und alleine in dem, was man gemeinhin das Hellfeld nennt, also die Schäden durch Wirtschaftskriminalität, die angezeigt worden sind und von der Polizei bearbeitet werden konnten. Man kann also sehen, dass es nicht um Kleinigkeiten oder Peanuts oder so etwas geht, sondern um 1 Milliarde Euro Schaden. Wenn man sich überlegt, was hätten die Menschen, die da betrogen worden sind, was hätte die Stadt, was hätte man mit dem Geld anfangen können, wenn es eine vernünftige Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität geben würde.
Diese Tendenz unglaublicher Umsätze ist nicht allein ein hamburgisches Phänomen. Das bestätigt sich bundesweit. Es ist auch kein Wunder, dass fast alle Bundesländer in den letzten Jahren unter der Führung ihrer Innenminister und Innensenatoren spätestens 2001/2002 begonnen haben, sich bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität mit einer ganzen Reihe von Projekten, Einzelprojekten, gemeinsamen Projekten über Landesgrenzen hinaus, gemeinsam mit der Wirtschaft, gemeinsam mit den Interessenverbänden neu aufzustellen. Gehen Sie einmal ins Internet, suchen Sie sich eine Suchmaschine aus, aber nicht die der Polizei, die funktioniert nicht, aber eine andere, was es alles so gibt. Ich habe eben gesagt, dass es fast alle Bundesländer sind. Hamburg hat es komplett verschlafen.
In den letzten drei bis vier Jahren hat Hamburg die Neuaufstellung bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität nicht mitgemacht. Der Hamburger Innensenator hat die Kräfte der Hamburger Polizei vergeudet, nicht, weil er sie zur Bekämpfung der Kriminalität auf die Straße gebracht hat, sondern weil er ihnen eine komplett chaotische, immer noch nicht abgeschlossene Neuorganisation oder sagen wir besser Desorganisation aufgezwungen hat, die dazu geführt hat, dass niemand mehr neue Konzepte entwickeln konnte, dass sich bei der Hamburger Polizei nichts Neues mehr entwickeln konnte. Dieser Senator ist nicht in der Lage, sich der Herausforderung zu stellen.
Warum wäre es so wichtig, gegen die Wirtschaftskriminalität vorzugehen? Neben den immensen materiellen Schäden – ich habe sie angesprochen – gibt es eigentlich drei wichtige Gründe.
Ein Grund ist natürlich das Gerechtigkeitsproblem. Warum soll sich ein Unternehmer überhaupt noch gesetzeskonform verhalten, wenn er sieht, dass sich sein Mitbewerber mit illegalen Mitteln einen Vorteil verschaffen kann. Da sollten eigentlich die Wirtschaftsexpertinnen und -experten der CDU ganz hellhörig werden, zum Beispiel auch Sie, Frau Ahrons, denn das betrifft gerade auch mittelständische Unternehmen, die sich einfach gar nicht wehren können gegen betrügerische Machenschaften der anderen Unternehmen.
Eng damit verbunden ist das zweite Problem, das Vertrauensproblem. Eine Marktwirtschaft lebt doch davon,
dass die Menschen in sie vertrauen, dass sie wissen, dass der Staat im Zweifelsfall die Einhaltung von Verträgen überwacht und davon, dass die Informationen, die sie über den Markt erhalten, auch zutreffen.
Und damit dann das dritte Problem, das volkswirtschaftlich so schön das Allokationsproblem heißt, dass das Geld und die Ressourcen dahin fließen, wo sie effizient eingesetzt werden und nicht dahin, wo die meiste kriminelle Energie ist.
Hamburgs Senat verschließt die Augen vor der dramatischen Entwicklung. Es gibt nicht mal einen Lagebericht. Es gibt nicht einmal eine Übersicht darüber. Nichts wird vorgelegt. Andere Bundesländer sind da weiter, auch wenn man sich einmal die Publikationen der Polizeigewerkschaften anschaut. Auch die Beamten selber sagen, dass wir so etwas brauchen, damit wir eine Basis für die Bekämpfung dieses Phänomens haben.
Wenn ich mich als Hamburgerin oder Hamburger über die Tätigkeiten der Polizei bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität informieren will, dann – das habe ich schon gesagt – bloß nicht auf die Internetseite gehen. Da finde ich sowieso nichts. Da gibt es nämlich nichts. Da finde ich vielleicht Hinweise, wer mich zur Eigensicherung meiner Wohnung berät. Das ist wichtig. Aber wenn ich mir vorstelle, dass ich Unternehmerin oder Unternehmer bin und vielleicht einen diskreten Ansprechpartner für Probleme wie Korruption, Konkurrenzausspähung, Sabotage oder systematischen Diebstahl in einem Unternehmen suche, dann ist 110 nicht die richtige Telefonnummer.
Es ist kein Wunder, dass sich Unternehmen dazu lieber an private Firmen wenden, wie man es in den letzten Tagen in der Presse lesen konnte. In anderen Bundesländern ergänzen sie die Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft sinnvoll. In Hamburg müssen sie sie ersetzen und das ist falsch.
Kommen wir zum Stichwort Korruption. Der Senat hat uns im Haushaltsausschuss, als wir das Thema einmal angesprochen hatten, sehr ausführlich über die Arbeit des Dezernates Interne Ermittlungen berichtet. Das macht gute Arbeit, aber dort ist die Bekämpfung der Korruption nur ein verfolgter Tatbestand unter vielen. Wenn Sie sich die Große Anfrage, die wir in der letzten Legislaturperiode zu diesem Thema hatten, anschauen, sehen Sie, dass gerade mal 15, 16 Prozent der Fälle, die dort behandelt wurden, Korruptionsfälle sind und dann relativiert sich auch die Frage, wie viele Menschen in diesem Bereich eingesetzt werden.
In anderen Bundesländern gibt es sehr viel mehr. Zum Beispiel gibt es nicht nur eine wunderbare kostenlose Telefon-Hotline, die Sie eingerichtet haben. Die Hotline hatten wir eingerichtet, Sie haben sie kostenlos gemacht. Ein großer Erfolg. Dort gibt es zum Beispiel auch ein internetbasiertes Briefkastensystem, wo Menschen, die einen Verdacht haben, dass Korruptionsfälle auftauchen, sich melden können, wo man hinterher sogar noch anonym kommunizieren kann, um vielleicht weitergehende Hinweise zu bekommen. Die Antwort des Senats auf die Frage, ob Sie planen, so etwas einzurichten: Der Hamburger Senat hat sich mit diesem Thema nicht befasst. Das niedersächsische Innenministerium, das das gesponsert und eingeführt hat, sagt bereits nach vier Monaten, dass sie das in die reguläre Polizeiarbeit überneh
men. Warum? Aufgrund des sowohl quantitativ als auch qualitativ überraschenden Ergebnisses in kurzer Zeit. Das heißt, über dieses System sind innerhalb kürzester Zeit viele hilfreiche Anregungen und Anzeigen gekommen, die auch zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen geführt haben. Der Senat befasst sich damit nicht.
Stichwort Konkurrenzausspähung und Wirtschaftsspionage. Ich will jetzt gar nicht über die Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz reden. Das kann man vielleicht auch in den Gremien machen. Aber die Konkurrenzausspähung ist eben nicht ein Problem des Verfassungsschutzes, sondern ein Polizeiproblem. Der Senat sagt, dass Hamburger Unternehmen auch nicht mehr gefährdet sind als Unternehmen in anderen Regionen. Ja, das ist schön. Aber andere Regionen tun mehr gegen diese Gefahr als der Hamburger Senat.
Während der Hamburger Senat sich hinstellt und erklärt, warum das alles so schwierig ist und Globalisierung hier und Informationstechnik da, machen andere etwas. Gucken Sie sich an, was Baden-Württemberg macht, Nordrhein-Westfalen mit seinen Sicherheitspartnerschaften, mit seinen Angeboten für Unternehmen, um sich durchchecken zu lassen, was denn an Gefährdungspotenzial vorliegt. In Hamburg? – Fehlanzeige.
Apropos Fehlanzeige. Kommen wir zur Betrugsbekämpfung. Dazu haben wir auch einen Antrag vorgelegt. In einem anderen Bundesland, nämlich in diesem Fall in Sachsen, hat ein findiger Polizeibeamter ein wirklich beachtenswertes EDV-System entwickelt. Das hat eine schöne Abkürzung und heißt KUNO. Ich glaube, wir bleiben auch bei KUNO, denn das andere ist die Kriminalitätsbekämpfung beim Einsatz unbarer Zahlungsmittel durch Nutzung nichtpolizeilicher Organisationsstrukturen. KUNO ist da doch ein bisschen netter.
Ein ganz einfaches Prinzip: Der beklaute ECKartenbesitzer zeigt seinen Verlust bei der Polizei an, die Polizei schickt eine E-Mail an die beteiligten Unternehmen und damit kann die Karte nicht mehr verwendet werden. Das hat für die Benutzer, aber auch für die Unternehmen einen großen Vorteil. Allein in Sachsen ist die Rate innerhalb eines halben Jahres um 80 Prozent zurückgegangen, 80 Prozent weniger Fälle. Stellen Sie sich einmal vor, was das allein für eine Arbeitserleichterung für die Polizei ist, wie viel Personal sie dann plötzlich mehr hätten, das sich um andere Dinge kümmern könnte und den Bürgern sowie den Unternehmen wäre geholfen. Was sagt der Senat? – Der Hamburger Senat hat sich mit dieser Frage nicht befasst.
Legt Ihnen der Senat vielleicht ausschließlich Vorlagen über Kürzungsmaßnahmen und Uniformfarben vor? Nein? Kommt da auch einmal etwas anderes, irgend etwas, das diese Stadt bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität voranbringen würde? Oder beschränken Sie sich darauf, freundlich zu sagen, dass in allen anderen Bundesländern die Gefährdung auch groß sei und Hamburg zwar Wirtschaftsstandort, aber deswegen noch lange nicht irgendwie besonders zu schützen sei?
Wir haben den Antrag eingebracht, KUNO nach Hamburg zu holen. Das ist ein bewährtes System, das funktioniert und die Menschen wirklich schützt. Sie sehen, man könnte zu vielen Abschnitten dieser Großen Anfrage noch konkrete Beispiele anbringen, was andere auf die Reihe bringen und in Hamburg leider niemand auf die Reihe bringt, jedenfalls nicht dieser Innensenator.
Ich hätte mich gefreut, wenn wir diese Große Anfrage in beiden Ausschüssen hätten diskutieren können, im Innenausschuss und im Wirtschaftsausschuss. Leider ist der Wirtschaftssenator und ist auch sonst kein Vertreter der Wirtschaftsbehörde heute hier anwesend. Daran sieht man, dass die Zuständigkeit eigentlich bei der Innenbehörde liegt. Ich kann aber auch die CDU-Abgeordneten verstehen, die diesen Antrag nicht im Innenausschuss haben wollen, denn sie werden inzwischen begriffen haben, dass sie von diesem Innensenator auch nicht erwarten können, dass er auch nur eine einzige Anregung zu diesem Thema einbringt.
Deswegen wäre es auch völlig egal. Wir brauchen es gar nicht zu diskutieren. Wenn hinterher Senator Uldall die eine oder andere Anregung in den Senat einbringt, sodass dort endlich einmal eine Befassung mit diesem Thema stattfindet, dann ist uns ja auch geholfen. Das wäre dann über die Bande gespielt, aber vielleicht im Sinne Hamburgs. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die übliche engagierte Rede von Frau Dräger – nur, das Engagement alleine ist es manchmal nicht. Die Große Anfrage ist sicherlich nicht so ausgegangen, wie Sie es sich gewünscht hätten. In vielen Punkten haben Sie natürlich Ihre Interpretation ein wenig anders gelegt als die Tatsachen sich darstellen.
Das ist übliche SPD-Oppositionsarbeit. Das ist auch okay so. Nur, nichtsdestotrotz gilt es doch, die Erfolge einmal darzulegen. Diese sind eindeutig vorhanden.
Wenn man sich die Große Anfrage einmal durchliest, könnte man glatt sagen: Nein! Richtig ist – da gebe ich Ihnen völlig Recht –, dass ein immenser Schaden in diesem Bereich entstanden ist. Nur: Da fängt doch auch schon die Crux an. Sie fangen an mit Zahlen, im Jahr 2003 seien die und die Schadenshöhen entstanden, eine Milliarde Euro wird hier genannt.
Das ist letztendlich aber nicht das Ergebnis des Jahres 2003, sondern die Statistiken sind – das ist ja Ihnen auch bekannt – so zu lesen, dass 2003 der Abschluss der Verfahren stattfand und die Zahlen dann auch erst in die Statistik eingegangen sind. Das bedeutet, dass wir letztendlich davon ausgehen müssen, dass Rotgrün für den Schaden von einer Million Euro verantwortlich ist.
Der zweite Bereich, Ihre generelle Schelte – wieder einmal in diesem Bereich – gegen die Wirtschaft. Damit frönen Sie natürlich Ihren Vorurteilen.
Letztendlich ist es ein Problem, dass einzelne Deliktträger gegen die Wirtschaft vorgehen und deswegen dort einzelne Deliktbereiche zu bekämpfen sind. Die ständige technische Fortentwicklung in diesem Bereich macht es aber nicht einfach, diesem zu begegnen. Die Straftäter sind in der Lage, Lücken herauszusuchen. Darüber sind wir uns im Klaren. Manchmal ist die technische Entwicklung, der sich die Täter bedienen, deutlich schneller, als wir in vielen Bereichen hinterherkommen können. Daran muss man arbeiten und das wird auch getan.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einer Stadt stellen ebenso Bedingungen dar, die sie natürlich für gewisse Gruppen attraktiv machen, in der Hoffnung, hier vielleicht erfolgreicher Straftaten begehen zu können als anderswo. Wir sehen aber alleine an der Entwicklung der Fallzahlen in den unterschiedlichen Bereichen und Jahren – einmal plus 10 000 Prozent, einmal minus 1000 Prozent –, dass es nicht wirklich zu verifizieren ist, wo gerade zugeschlagen wird. Das macht die Arbeit bei der Bekämpfung dieser Schwerkriminalität nicht einfacher. Der Senat hat in der Vergangenheit – das wissen Sie auch – dem Thema "Bekämpfung der Schwerkriminalität" ein Hauptaugenmerk zugewiesen, das heißt, auch der schweren Wirtschaftskriminalität.
Seit dem 1. Dezember 2001 hat zum Beispiel eine Aufstockung der Mitarbeiterzahlen in den Dienststellen, die sich schwerpunktmäßig mit der Verfolgung und Aufklärung von Delikten der Wirtschaftskriminalität beschäftigen, um rund zehn Prozent stattgefunden.