Protokoll der Sitzung vom 03.02.2005

Es wird notwendig sein, dass wir im Wirtschaftsausschuss darüber reden. Es wird allerdings notwendig sein – ich glaube, das hat diese Debatte ganz deutlich gezeigt –, auch im Innenausschuss über dieses Thema zu reden. Auch der Innensenator sollte dieses Thema wesentlich ernster nehmen, als er dies eben in seinen Ausführungen getan hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann stelle ich zunächst fest, dass die Große Anfrage, Drucksache 18/1353, besprochen worden ist.

Wer stimmt nun einer Überweisung der Drucksachen 18/1353 und 18/1659 an den Wirtschaftsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Punkt 21 auf, Drucksache 18/1579, Antrag der GAL-Fraktion: Beweismittelsicherung bei Verdacht auf Drogendelikte.

[Antrag der Fraktion der GAL: Beweismittelsicherung bei Verdacht auf Drogendelikte – Drucksache 18/1579 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion federführend an den Innenausschuss und mitberatend an den Gesundheitsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Möller.

Damit Sie alle Zeit haben, den Raum zu verlassen – wenn Sie das möchten –, reguliere ich zunächst einmal die Höhe des Mikrophons.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Am 26. Januar war die Bremer Bürgerschaft gezwungen, sich mit dem Thema zu beschäftigen, das heute aufgrund des GAL-Antrages hier auf der Tagesordnung steht. In Bremen hat es eine tödlich verlaufende zwangsweise Vergabe von Brechmitteln gegeben. Die parlamentarischen Gremien mussten, wollten und hatten sich damit zu befassen.

Die große Koalition in Bremen stand kurz vor dem Auseinanderbrechen und hat sich möglicherweise nur deshalb – um wieder den Frieden in der Koalition herzustellen – entscheiden können, auf die zwangsweise Vergabe von Brechmitteln zu verzichten. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum man über dieses Thema reden muss.

Die zwangsweise Vergabe von Brechmitteln zur Beweissicherung bei Verdacht auf verschluckte Drogenkügelchen führt seit Jahren nicht nur in der Politik zum Streit, sondern auch bei Ärztekammer oder in der Justiz. Auch in der Bürgerschaft debattieren wir nicht zum ersten Mal darüber.

Vor fast genau drei Jahren starb auch in Hamburg ein Mann durch den Einsatz der Magensonde bei der

zwangsweisen Vergabe von Brechmitteln. Die Bandbreite der damaligen Debatte ging von – ich zitiere einmal frühere Pressemitteilungen – Äußerungen des damaligen Justizsenators Kusch, dass gewaltsame Eingriffe weiterhin vorgesehen seien, sonst würde gar nichts laufen, über die Kommentare des Instituts für Rechtsmedizin – das damals für diese Eingriffe zuständig war –, dass man die Polizei und die Justiz nicht im Regen stehen lassen könne, bis hin zur Ärztekammer, die sich damals schon sehr eindeutig gegen dieses Verfahren geäußert und es auch im Übrigen in dieser Woche wieder getan hat.

Die politische Diskussion dazu erspare ich Ihnen, die können Sie sich denken. Es ist richtig, dass Rotgrün damals mit der Vergabe von Brechmitteln begonnen hat. Das kann man als Dammbruch für Hamburg bezeichnen, aber die Diskussion ist weit darüber hinausgegangen.

Die zwangsweise Vergabe von Brechmitteln kann lebensgefährlich beziehungsweise tödlich für die Verdächtigen sein. Das ist etwas, was vor diesem Fall von vor vier Jahren so nicht bekannt war. Das macht es auch nötig, dass die Politik prüft, ob diese Maßnahme ein angemessenes Mittel zur Beweismittelsicherung ist oder nicht.

(Beifall bei der GAL)

Wir meinen, dass sie es nicht ist. Die natürliche Ausscheidung führt zu dem gleichen Ergebnis, nämlich dass die Beweismittel, die zu sichern sind, zum Vorschein kommen.

(Christoph Ahlhaus CDU: Nach 48 Stunden!)

Das ist richtig.

Um deutlich zu machen, wie die Situation in Hamburg aussieht, habe ich mich noch einmal mit der Statistik beschäftigt. Seit dem 29. März 2003 sind in circa 150 Fällen Brechmittel eingesetzt worden. Im Nachklapp dazu sind in weniger als 50 Fällen Anklagen erhoben worden. Hiernach kann man einschätzen, wie es mit der Verhältnismäßigkeit dieses Mittels insgesamt aussieht.

In einem Drittel der Fälle gab es im Übrigen keine Drogen, die durch das Erbrechen zum Vorschein gekommen sind. Viel entscheidender ist natürlich, dass in sieben der 150 Einsätze körperlicher Zwang ausgeübt und einmal die Magensonde angewendet wurde. Es gibt zwei Kategorien der zwangsweisen Vergabe. Lesen Sie das einfach noch einmal in der Kleinen Anfrage nach: In sieben Fällen wurde körperlicher Zwang und in einem Fall die Magensonde angewendet.

Daran sieht man natürlich, dass wir über die Verhältnismäßigkeit dieses Mittels sehr gut diskutieren können, ohne das Thema, dass damit die Beweismittelsicherstellung verhindert wird, überhaupt ansprechen zu müssen. Es gibt für den zwangsweisen Einsatz ein milderes Mittel. Das ist das, was wir mit unserem Antrag für Hamburg eingeführt sehen wollen. Dieses mildere Mittel ist im Übrigen in anderen Bundesländern – um einmal das immer beliebte Bundesland Bayern anzuführen – längst im Einsatz.

(Christoph Ahlhaus CDU: Das ist gefährlich!)

Zur Ergänzung der bundesweiten Lage sei gesagt, dass die Bundesländer Brandenburg, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt insgesamt auf den Einsatz von Brechmitteln verzichten.

(Viviane Spethmann CDU: Die haben nicht so vie- le Drogendealer!)

Das ist richtig, aber die entscheidende Frage ist nicht, wie viele Drogendealer wir haben, sondern welche Mittel zur Beweissicherung zum Einsatz kommen.

(Beifall bei der GAL)

Es ist zu einfach, meine Damen und Herren von der CDU, bei diesem Thema über die Anzahl der Drogendealer oder der Drogentoten – das sollte vielleicht mit der heutigen Pressemitteilung des Senats in diese Richtung gedrückt werden – zu reden. Wir reden hier über ein adäquates Mittel zur Beweissicherung, zur Unterstützung der polizeilichen Arbeit und der Justiz. Die zwangsweise Vergabe durch die Magensonde ist es nicht.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Ahlhaus.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Frau Möller! Auch die CDUFraktion hat den tragischen Todesfall eines mutmaßlichen Drogendealers in Bremen zum Anlass genommen, sich nochmals intensiv mit dem zwangsweisen Brechmitteleinsatz auseinander zu setzen. Im Ergebnis muss ich Ihnen sagen, dass aus unserer Sicht auch heute kein Bedarf besteht, an dem in Hamburg praktizierten Brechmitteleinsatz durch Zwangsmaßnahmen etwas zu ändern.

Der zwangsweise Einsatz von Brechmitteln wird von der Staatsanwaltschaft nach Paragraph 81 a Strafprozessordnung angeordnet und ist eine Maßnahme, die zwar von der GAL zuletzt Ende 2001/Anfang 2002 kritisiert worden ist, aber letztendlich haben sich bereits auch damals die guten und für jedermann nachvollziehbaren Sachargumente für die Fortsetzung zur Sicherung von Beweismitteln durchgesetzt. Auch heute stelle ich fest: Zu Recht. Ein Stopp der Brechmittelvergabe ist in Hamburg kein Thema.

(Beifall bei der CDU – Antje Möller GAL: Das ist auch nicht der Antrag!)

Zu Ihrem Antrag, Frau Möller, komme ich jetzt.

Der GAL-Antrag ist nach meiner Auffassung ein bisschen mit heißer Nadel gestrickt, denn es werden zu viele, bereits gewonnene Erkenntnisse außer Acht gelassen. Die Diskussion ist – Frau Möller, das haben Sie selbst gesagt – nicht neu. Gerade die von Ihnen immer wieder bezweifelte Verhältnismäßigkeit des Brechmitteleinsatzes

(Antje Möller GAL: Des zwangsweisen Einsatzes!)

steht nach unserer Auffassung außer Frage. Auch die des zwangsweisen Einsatzes.

Wie es oft bei solchen Schnellschüssen ist, vermisse ich hier ein bisschen gründlichere Nachforschungsarbeit. Schauen wir uns die Diskussion, wie Sie in den vergangenen Jahren oder Monaten geführt wurde, noch einmal genauer an.

Nach unserer Auffassung ist auch zukünftig eine konsequente Ausschöpfung der bestehenden rechtlichen Möglichkeiten geboten. Dazu gehört auch die Fortführung der Praxis, in letzter Konsequenz Brechmittel auch zwangsweise zur Beweismittelsicherung zu verabreichen. Dieses

Verfahren hat sich in Hamburg bewährt. Ich will die Zahlen, die Sie genannt haben,

(Antje Möller GAL: Das sind die Zahlen des Se- nats!)

nicht infrage stellen, aber ich möchte einmal die Zahlen aus einer anderen Perspektive nennen.

Bei 160 Einsätzen im Jahr 2002 wurde in fünf Fällen, bei 156 Einsätzen im Jahr 2003 in vier Fällen und bei 112 Einsätzen im Jahr 2004 in einem Fall eine zwangsweise Verabreichung der Brechmittel durchgeführt. Dabei – das haben Sie zu Recht erwähnt – waren 63 Prozent, also Zweidrittel, insoweit erfolgreich, als Drogen gefunden worden sind. Es zeigt sich also durch den Rückgang der zwangsweisen Einsätze, dass diese auch in der Hamburger Praxis nur ein letztes Mittel sind

(Antje Möller GAL: Aber es kann lebensgefährlich sein!)

und von einer übertriebenen Anwendung keine Rede sein kann.

(Beifall bei der CDU)

Aufgrund der konsequenten Haltung unserer Strafverfolgungsorgane haben Drogendealer – das werden auch Sie nicht bestreiten können – überwiegend erkannt, dass eine gewaltsame Behinderung der Sicherstellung von Beweismitteln nicht zum gewünschten Erfolg führt. Sie geben die Drogen mittlerweile freiwillig heraus oder nehmen die Brechmittel freiwillig ein. Die zwangsweise Verabreichung ist – wie wir an den Zahlen sehen – nur noch in den seltensten Fällen erforderlich. Das ist ein klarer Erfolg der Hamburger Praxis, den Sie jetzt zurückdrehen wollen.

(Antje Möller GAL: Das ist doch Unsinn!)

Der aus der Möglichkeit des zwangsweisen Brechmitteleinsatzes resultierende Verfolgungsdruck für die Dealer hat entscheidend zur Zerschlagung der offenen Drogenszene am Hauptbahnhof beigetragen und hilft dabei, die Entstehung neuer Drogenszenen zu verhindern.