Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die wachsende Stadt ist offensichtlich nicht nur eine Reklameparole, mit der die Stadt das Marketing nach draußen betreibt, sondern sie dient oder hat auch den Effekt der Autosuggestion im Senat selber. Mittlerweile fängt der Senat offensichtlich selber an, daran zu glauben, die Stadt würde wachsen; Herr Peiner hat es uns eben noch einmal demonstriert. Aber das ist ein Irrtum, das muss man hier einmal ganz klar deutlich machen. Es gibt keinen Wachstumstrend in Hamburg, es gibt alle Parameter der Bevölkerungsentwicklung, die grundlegend und stabil sind. Es gibt einen relativ hohen Sterbeüberschuss, der konstant ist, es gibt ein Geburtendefizit, das ziemlich konstant ist, und der Wegzug ist in Wirklichkeit ungebremst. Wir hatten eine Phase der Bevölkerungszunahme von 1986 bis heute mit einer leichten Delle Ende der Neunzigerjahre. Mitte der Neunzigerjahre – Herr Peiner hat es ausgeführt – lag die Wegzugsquote bei 9000 Einwohnern pro Jahr. Damals lag allerdings auch der Zuzug nach Hamburg wesentlich höher bei 10 000 bis 15 000 Einwohnern pro Jahr. Heute sind es 3000 Einwohner pro Jahr bei einem Wegzug von 6000 Einwohnern pro Jahr.
Damals wurden erhebliche Wohnungsbauprogramme bis zu 10 000 Wohneinheiten pro Jahr gefahren, um diesen Wegzug zu dämmen, denn natürlich gibt es bei einem solch starken Zuzug eine Wohnungsnot.
Die meisten Anwesenden können sich noch deutlich daran erinnern, welche Wohnungsnot in Hamburg damals bestanden hat. Deswegen sind viele Menschen aus der Stadt weggezogen, deswegen wurden viele Wohnungen gebaut. Das hat dazu geführt, den Wegzug zu dämpfen und das nicht erst seit 2001, sondern bereits in der rotgrünen Legislaturperiode zuvor. Das heißt, es gibt keine
Trendumkehr. Es gibt einen relativ entspannten Wohnungsmarkt in Hamburg und einen kontinuierlichen hohen Wegzug und dagegen hat der Senat kein Rezept gefunden. Er hat nur eine Reklameparole gefunden und den Trend nicht gebrochen, im Gegenteil. Wenn wir die Phase 1986 bis 2005 als Wachstumsphase anlegen und dann bis 2022 fortschreiben, wird bis dahin die Bevölkerung deutlich abnehmen; so lauten alle Prognosen. Dann gibt es auch keine Zuwanderungsgewinne aus dem Umland mehr, die uns bisher noch einen gewissen Überschuss gegeben haben.
Jetzt schaue ich mir einmal an, wie die Senatoren darauf reagieren. Herr Freytag hat in der "Welt am Sonntag" am letzten Wochenende in der HafenCity erklärt, worauf er hofft. Er sagte, der Hype komme noch, das Wachstum der Bevölkerung werde noch kommen. Er hat auf die Olympiade verwiesen, das olympische Feuer brenne noch.
Ich bin begeistert, er lebt Glaube, Liebe, Hoffnung. Das ist wirklich Phantasie und Utopie und nichts anderes.
Auch das muss man ihm wohl noch einmal klar sagen: Olympia ist für Hamburg eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit. Wenn es käme, würden wir uns wahrscheinlich alle freuen, aber wir haben vier europäische Bewerber für die Olympiade 2016 und einen außereuropäischen. Wenn es dieser eine außereuropäische Bewerber wird, dann hat Hamburg eine Chance, sonst nicht. Bei allen vorherigen Ausscheidungen hat sich Paris ziemlich dicht an die Austragung herangearbeitet.
Wir werden im Juli dieses Jahres erleben, wie die Entscheidung ist und dann müssen Sie Ihr olympisches Feuerchen erst einmal eine Weile in der Abstellkammer weiter brennen lassen; das zu Herrn Freytag und seinen Hoffnungen, wie er das Bevölkerungswachstum stimulieren will.
Herr Peiner hat am Montag im "Hamburger Abendblatt" ausgeführt, worauf er setzt, um die Familien in Hamburg zu halten, auf die Konversionsflächen. Herr Quast hat sehr richtig gesagt, dass da nichts passiert. Sogar Ihre eigene Fraktion, meine Damen und Herren von der CDU, hat einen Antrag gestellt. Die BSU hat dann erklärt, was man tun werde, nämlich nichts. Man werde eine Übersicht vorlegen – das sollte im ersten Quartal dieses Jahres passieren –, aber nichts ist geschehen. Sie haben städtebauliche Untersuchungen für die Röttiger-Kaserne eingeleitet. Die laufen seit 1999 bereits für die LettowVorbeck-Kaserne, das hat nichts mit Beschleunigung zu tun.
Und zu den Wohnungsbauleistungen, Herr Peiner: Von 2003 auf 2004 sind die Baufertigstellungen in Hamburg in den ersten zehn Monaten noch einmal um 20 Prozent zurückgegangen. Das sind die aktuellen Zahlen, das heißt, in 2004 gibt es ein Minus von 20 Prozent bei den Baufertigstellungen. Auch die Baugenehmigungszahlen bewegen sich auf einem absolut niedrigen Niveau und das, was heute genehmigt wird, wird frühestens in zwei Jahren fertig. Das heißt, wir werden auch in den nächsten
zwei Jahren keinen Anstieg der Wohnungsbauleistungen bekommen und damit ist es weiterhin Essig mit der wachsenden Stadt. – Vielen Dank.
Das dritte Thema ist mit dem ersten Thema weitgehend abgehandelt worden. Einen Bedarf, das dritte Thema der SPD-Fraktion extra aufzurufen, sehe ich auch nicht. Dann ist die Aktuelle Stunde beendet.
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Inneres – Drucksache 18/1725 –]
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Finanzbehörde – Drucksache 18/1726 –]
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl von drei Mitgliedern für den Vergaberat der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung – Drucksache 18/1727 –]
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Inneres – Drucksache 17/1785 –]
Wir haben vier Wahlen vorzunehmen. Es wäre nett, wenn die gerade ortsabwesenden Mitglieder dieses Hauses vielleicht daran teilnehmen und in den Raum kommen würden.
Die Fraktionen haben vereinbart, diese in einem Wahlgang durchzuführen. Die Stimmzettel liegen Ihnen vor. Sie enthalten bei den Namen jeweils ein Feld für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Sie dürfen bei jedem Namen ein Kreuz machen, aber bitte nur eines. Weitere Eintragungen oder Bemerkungen würden zur Ungültigkeit führen. Auch unausgefüllte Zettel gelten als ungültig. Bitte, nehmen Sie jetzt Ihre Wahlentscheidungen vor.
Sind alle Stimmzettel abgegeben worden? Dann schließe ich die Wahlhandlung. Die Wahlergebnisse werden nun ermittelt und Ihnen im Laufe der Sitzung bekannt gegeben.
Bevor wir zum Punkt 10 der Tagesordnung kommen, wäre es nett, wenn etwas Ruhe im Hause einkehren würde.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 10, Senatsmitteilung: Zweistufige Schulstandortplanung – breite Beteiligung von Anfang an.
[Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 26. Mai 2004 (Drucksache 18/245, Neufassung vom 18. August 2004) – Zweistufige Schulstandortplanung – breite Beteiligung von Anfang an – Drucksache 18/1576 –]
[Antrag der Fraktion der SPD: Rücknahme des Schulschließungsplans und Entwicklung eines fundierten Schulentwicklungsplans – Drucksache 18/1812 –]
Beide Drucksachen möchte die SPD-Fraktion an den Schulausschuss überweisen. Herr Buss, Sie bekommen das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Mai letzten Jahres hat Senatorin Dinges-Dierig die Stadt aufgeschreckt, als sie sagte, sie wolle jede siebte Hamburger Schule schließen, weil sie zu klein sei. Jetzt sind von den damals von Ihnen angedachten 60 Schulen gerade einmal 13 übriggeblieben, eine grandiose Bauchlandung als Papiertigerin, Frau Senatorin; Sie sind total gescheitert.
Es ist in der Tat notwendig, einen neuen Schulentwicklungsplan aufzustellen. Deshalb haben wir als Sozialdemokraten im Frühjahr auch dem CDU-Antrag für diese Sache zugestimmt, aber nicht wegen der Schülerzahlen, denn diese sind, das hat auch die Prognose gezeigt, nahezu unverändert geblieben, sondern weil es vor dem Hintergrund von PISA der Neuorientierung und Weiterentwicklung des Bildungssystems bedarf. Hamburg braucht ein strategisches Konzept mit dem Ziel der Qualitätssteigerung der Schulen. Die Probleme der Hauptschulen als Restschulen, der zu kleinen gymnasialen Oberstufen und die Verteilung der neuen Ganztagsschulen in den Regionen müssen angepackt werden. Aber dies haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, und Sie, Frau Senatorin, nicht getan und deshalb ist der heute vorliegende Plan nicht das Papier wert, auf dem er gedruckt wurde.
Wie kann man auch nur auf die Idee kommen, unter Qualitätsgesichtspunkten Schulen schließen zu wollen, die sich an den Projekten Club of Rome oder LERN-WERK der ZEIT-Stiftung beteiligen. Machen Sie sich doch einmal bewusst, meine Damen und Herren der CDU, wie viele Stunden ihrer Freizeit engagierte Eltern, Lehrer und Schüler dafür aufbrachten, um mit Unterstützung der
Ein Schulentwicklungsplan hat die Belange der Stadtteile zu berücksichtigen; das haben Sie auch nicht getan. Den 8000 Einwohnern des Stadtteils Hohenfelde haben Sie den letzten Verortungspunkt im sozialen Gefüge weggenommen. Sie schließen die Grundschule und schicken die Kinder über gefährliche Hauptstraßen. In wachsenden Stadtteilen wie Barmbek mit künftig 3000 Wohnungen mehr schließen Sie gleich vier Schulen, obwohl Ihnen jeder Wohnungswirtschaftler, gerade aus Ihrer Fraktion, sagt, dass für Familien unter anderem die Schulnähe ein entscheidender Faktor ist, ob sie in einen Stadtteil ziehen oder nicht.
Ein Schulentwicklungsplan hat gerade sozial schwächere Stadtteile nach vorne zu entwickeln; deswegen heißt er nämlich auch so. Ich muss also über Maßnahmen nachdenken, wie ich gerade dort mehr Kinder zu höheren Bildungsabschlüssen führen kann. Wenn bisher nur 25 Prozent der Schüler das Gymnasium besuchen statt hamburgweit 40 Prozent, dann muss ich mir, Frau Senatorin, doch Gedanken machen, wie ich das ändere. Sie aber schreiben einfach die bisherigen Anmeldungsquoten fort. In Barmbek werden zum Beispiel 3000 zusätzliche Wohnungen 300 Grundschüler mehr ergeben. Am Gymnasium kommen laut Ihrem Entwicklungsmodell aber nur 30 mehr an, also eine Übergangsquote von gerade einmal 10 Prozent.