In Rettenberg im Allgäu wird ab April dieses Jahres eine stationäre, ausstiegsorientierte Intensivbetreuung für gefährdete Mädchen angeboten. Dabei handelt es sich nicht um eine geschlossene Unterbringung, sondern um eine Intensivbetreuung. Durch eine intensive Betreuung, fernab von dem gewohnten negativen Umfeld, weg von dem Milieu, soll den ganz Schwachen aus unserer Gesellschaft, Mädchen zwischen zwölf und 16, die am Scheideweg zur Prostitution und Kriminalität stehen, geholfen werden, sodass sie am Ende tatsächlich wieder eine positive Perspektive für ihr Leben finden und sie sich bei ihrer Rückkehr nicht auch für eine Rückkehr in ihr altes geschädigtes Umfeld entscheiden werden.
Meine Damen und Herren! Im Januar dieses Jahres haben Abgeordnete der CDU und der SPD die Gelegenheit ergriffen, sich diese Einrichtung und die Umgebung anzuschauen. Auch ich habe mir vor Ort ein Bild gemacht. Die Lage dieser Einrichtung ist großartig und ich halte sie für geeignet. Die Anfahrt ist – zugegebenermaßen – speziell, idyllisch gelegen, fünf Kilometer geht es über Serpentinen nach oben. Weder der Fußmarsch nach unten noch der Weg nach oben dürfte sehr anhängliche Freier reizen, sich auf den Weg zu machen.
Nein, wir sind nicht im schlechten Film, wir wollen nur keine Besuche von irgendwelchen Leuten haben.
Die ländliche Gegend, die so ganz anders ist als die Gegend, in der die Mädchen jetzt leben, soll den Mädchen eine äußere Ruhe verschaffen, um dann auch innerlich zur Ruhe zu kommen und die Betreuung und das Therapieangebot besser nutzen zu können. Ich halte Rettenberg als Hilfsangebot für ausgesprochen geeignet.
Ich war von dem Bürgermeister dieses Ortes sehr beeindruckt, denn als ich dort hinfuhr, fragte ich mich, wie ein kleines bayerisches Dörfchen mit diesen Mädchen umgehen wird, das heißt, wie werden die Bewohner darauf reagieren. Aber der Bürgermeister war voller Mut und sagte, wir müssen für unsere Mitmenschen allgemein etwas tun. Das fand ich außerordentlich beachtlich. Insofern freue ich mich sehr, dass wir diesen Ort in Bayern gefunden haben.
Sicherlich handelt es sich für die Betreuer vor Ort um keine leichte Aufgabe, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass die Mitarbeiter der Ballin-Stiftung entsprechend vorbereitet sein werden, um diese Einrichtung erfolgreich zu führen.
Die CDU begrüßt das Hilfsangebot der Ballin-Stiftung. Allerdings muss dieses eingerahmt werden von einer ganzen Reihe weiterer Hilfsangebote. So müssen die Mädchen auch nach ihrer Rückkehr aus dem Allgäu weiter betreut und unterstützt werden. Außerdem müssen natürlich auch diejenigen aufgefangen werden, die nicht in das Konzept der auswärtigen Betreuung passen.
Wir sind optimistisch, dass die Behörde ein schlüssiges Gesamtkonzept zur Betreuung aller gefährdeten jungen
Mädchen schaffen wird, indem die Kooperation und Vernetzung zwischen den bestehenden niedrig schwelligen Hilfsangeboten, den Jugendämtern, dem FIT und den Trägern wie der Ballin-Stiftung in Hamburg verbessert wird. – Vielen Dank.
Erstens: Mit der hier zur Diskussion anstehenden, neu zu schaffenden Einrichtung der Rudolf-Ballin-Stiftung knüpfen wir das Netz von Hilfseinrichtungen in Hamburg ein Stückchen enger. Der Bedarf dafür ist vorhanden. Das haben die Behördenvertreter eindeutig nachgewiesen und wir selber hatten dieses Gefühl auch die ganze Zeit.
Zweitens: Die Rudolf-Ballin-Stiftung – Träger von Kinder-, Jugend- und Familienarbeit – ist uns sehr gut bekannt und hat einen ausgezeichneten Ruf in Hamburg.
Drittens: Die Zielgruppenbestimmung, die der Träger vorgenommen hat, betrifft ein relativ enges Spektrum, und zwar junge Mädchen in einem bestimmten Alter, in einer bestimmten Bedrohungssituation. In diesem Fall geht es um die Gefahr des Abgleitens in die Drogen- oder in die Prostitutionsszene. Ich glaube, es ist angemessen und richtig, diesen relativ schmalen Sektor zu nehmen. Wenn man die Zielvorstellung in diesem Bereich zu weit fasst, dann werden die Hilfen ungenau, nicht zielgenau. Es ist richtig, dass Sie diese Zielgruppenbestimmung so vorgenommen haben, wie Sie das getan haben.
Viertens: Die konzeptionellen Überlegungen, die wir mit dem Träger durchdiskutiert haben, die wir auch mit Fachleuten aus anderen Bereichen geführt haben, haben auch zu Veränderungen dieses Konzepts geführt. Ich sage einmal stellvertretend: Es hat Ergänzungen oder Veränderungen oder Präzisierungen im Bereich der schulischen Versorgung gegeben. Es ist das Problem der Evaluation durch Außenstehende, durch einen Beirat, positiv aufgegriffen worden. Die Überlegungen, die angestellt worden sind, zur Zusammenarbeit mit den Hamburger Dienststellen und sonstigen Hilfeeinrichtungen in Hamburg sind aufgegriffen worden. Sie haben das ganz ausführlich dargestellt. Auch das ist ausgesprochen positiv zu bewerten.
Im Übrigen ist der Ortswechsel gerade bei Mädchen, die in die Prostitutionsszene abgleiten oder bei denen die Gefahr besteht, sich dort zu verfestigen – raus aus dem Milieu, weg vom Kiez –, ein ausgesprochen probates und erfolgversprechendes Mittel, um eine Entfernung von ein paar hundert Kilometern zwischen dem Mädchen und dem Loddel oder wem auch immer zu legen. Deshalb ist auch das eine vernünftige Entscheidung.
Das Haus ist in der Tat ein Schmuckstück. Die Lage ist fantastisch. Für die kleinen Mädchen – obwohl klein wohl nicht so ganz passend ist – wird es durchaus ein Kulturschock sein. Die Möglichkeiten, die sie in dem Haus haben, sind hervorragend. Die Akzeptanz in der Gemeinde ist beeindruckend. Das ist bei Einrichtungen dieser Art keine Selbstverständlichkeit. Und in der Tat, dieser Bürgermeister ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Aber
Das Team selber, soweit wir es kennen gelernt haben, ist gut gemischt, engagiert, fachkundig und sich der Schwierigkeiten, die auf das Team zukommt, durchaus bewusst. Ich glaube, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hervorragend geeignet, diese schwere Arbeit zu machen.
Ich fasse das zusammen: Diese Einrichtung ist in der Lage, gute Arbeit zu leisten. Das müssen sie auch, sie bekommen keine Mädchen als Kontingent zugeteilt, sie müssen sich ihren guten Ruf in dieser Einrichtung in Hamburg erarbeiten. Die Mitarbeiter in den Sozialdienststellen werden genau gucken, ob diese Einrichtung mit diesen Ergebnissen, mit diesen Arbeitsmethoden genau die richtige ist für das Mädchen, das sie vor sich haben. Ich glaube, dieser Träger, dieses Konzept, diese Einrichtung ist in der Lage, sich zu behaupten. Deshalb bin ich guten Mutes. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich könnte ja alles so schön sein. Die CDU-Fraktion ist sich einmal wieder einig mit der SPD-Fraktion bei diesem Thema. Das haben wir im Jugendausschuss schon erlebt. Eine stille Eintracht, das Allgäu ist wunderschön, die Lage ist wunderschön, das Haus ist schön. Eigentlich wird alles gut.
An dieser Stelle habe ich eigentlich gedacht, die CDUFraktion steht hinter ihrem Angebot und klatscht, weil alles gut wird, aber vielleicht steht sie doch nicht so ganz dahinter.
Alles könnte so wunderschön sein, denken sich jetzt vielleicht einige Abgeordnete der CDU-Fraktion, wenn nicht die GAL-Fraktion doch ein Haar in der Suppe finden würde. Das tut sie, und zwar nicht nur einziges Haar, sondern ein ganzes Büschel von Haaren, sozusagen eine ganze Frisur.
Ich will Ihnen die einzelnen Punkte, die zu unserer Kritik an diesem Angebot führen, einmal näher darstellen. Wie ist es überhaupt zu dieser Entwicklung des Angebots gekommen? Den Anstoß dazu gab ein Antrag der CDUFraktion, der bereits im September 2004 eingereicht wurde und den Frau Straßburger auch eben erwähnte. Die CDU-Fraktion forderte ein verbindliches Angebot für kriminelle und sich prostituierende Mädchen. Ihre Begründung: Mädchen werden immer delinquenter, immer krimineller, hier muss etwas getan werden.
Daraufhin hat die GAL-Fraktion eine Große Anfrage gestellt, der Sie entnehmen können, dass die Behauptung pauschal so nicht richtig ist, Frau Straßburger.
Zum Zeitpunkt der Anfrage gab es in Hamburg lediglich neun so genannte Intensivtäterinnen. Das sind nur 0,26 Prozent aller tatverdächtigen Mädchen.
Herr Kienscherf, ich weiß, Sie brauchen das nicht zu schreien. Natürlich ist es richtig, diese neun Mädchen sind zu viel. Es ist auch unser Anliegen, denen zu helfen.
Es ist natürlich auch unser Anliegen, diesen Mädchen zu helfen. Ich möchte hier nur einmal wegkommen von der Behauptung, dass die Entwicklung besorgniserregend ist und Hamburg absolut aus dem Rahmen fällt. Das ist keinesfalls der Fall, denn Hamburg liegt völlig im Bundesdurchschnitt. Vielmehr beruhte die Annahme dieser besorgniserregenden Entwicklung darauf, dass einzelne Vorkommnisse sehr ausführlich öffentlich dargestellt wurden.
Für die oben genannten Mädchen und für die Gesamtzahl aller Mädchen, die auch Frau Straßburger genannt hat, bietet Hamburg bereits ein tragfähiges Netz an gut funktionierenden Jugendhilfeangeboten. Nur leider gibt es da das Problem, dass hier und da gekürzt wird. Darauf werde ich nachher noch weiter eingehen.
Etwa zeitgleich sorgte Sozialsenatorin Schnieber-Jastram durch die Kürzung bei den Kinderkuren für schwere Einschnitte bei manchen Hamburger Trägern, so auch bei der Ballin-Stiftung. Die musste daraufhin ihr Angebot an Kinderkuren drastisch zusammenstreichen und hatte nunmehr ein freies Haus im Allgäu. Wie passend! Da die Ballin-Stiftung ein bewährter Hamburger Träger ist, den man sicherlich auch nicht so gerne verliert, lag die Lösung nahe: Das Haus im Allgäu wird zum Mädchenheim umfunktioniert.
Das ist vielleicht von der Sachlage her gar nicht so problematisch, aber ich ärgere mich darüber, dass Bewährtes in Hamburg gekürzt wurde – Kürzungen bei BASIS e. V. und Cafe Sperrgebiet, die eben schon erwähnte wur- den –, dass Alternativen nicht genügend berücksichtigt wurden und dass andere Träger überhaupt keine Chance hatten, alternative Konzepte einzubringen, denn es war letztendlich die Sozialbehörde, die auf die Ballin-Stiftung zugegangen ist und gesagt hat, entwickelt einmal ein passendes Angebot für diese Mädchengruppe. Das alles lief sozusagen unter vier Augen ab, sodass wenig Chancen waren, Alternativen zu erstellen.
Kommen wir zum zweiten dicken Haar in der Suppe, das ist die Zielgruppe. Herr Schulz, das genau ist das Problem. Sie sprachen immer so niedlich davon, "wenn die kleinen Mädchen kommen" und die Zielgruppenbestimmung ist sehr wichtig, weil es sonst vielleicht zu Schwierigkeiten in dem Hilfsangebot führt. Genau da gebe ich Ihnen Recht, Herr Schulz. Sie haben völlig Recht, denn beim ersten Durchlesen des Konzepts der Ballin-Stiftung liest sich das alles noch ganz vernünftig. Da sollen Mädchen, die am Scheideweg stehen, die bedroht sind von Kriminalität und Prostitution, durch einen einjährigen Aufenthalt im schönen Allgäu wieder zurückgeführt werden zum Leben. Nur eigentlich ist dieses Konzept ziemlich überflüssig, weil sich, zumindest was die Zielgruppe
angeht, niemand daran hält. Unsere Debatte im Jugendausschuss und auch der vorliegende Bericht machen es deutlich, nach Einzelfallentscheidung der Behörde können auch durchaus ein Klientel junger, straffälliger Intensivtäterinnen oder auch Mädchen, die sich bereits im Prostitutionsmilieu verfestigt haben, in diese Einrichtung kommen. Es geht also nicht nur um Mädchen, die am Scheideweg stehen, es geht nicht nur um diese kleinen Mädchen, die sie hier so verniedlicht aufgeführt haben, sondern es geht um Mädchen mit einem langen Hintergrund, mit einem massiven Problemfeld. Das heißt, wir haben im Extremfall ein buntes Sammelsurium an Mädchen mit vielfältigen und unterschiedlichen Problemlagen, die sich im Extremfall negativ beeinflussen können.
Ein solch gemeinsames Betreuungsangebot von unterschiedlichen Zielgruppen lehnen wir aus fachpolitischer Sicht ab. Es ist wichtig, dass jede dieser Zielgruppen einzeln gesehen wird. Jede hat eine einzelne Historie, jede hat eine einzelne Geschichte für sich. Das müssen wir mit besonderen zielführenden Maßnahmen berücksichtigen. Ich möchte noch einmal die Gruppe der jungen sich prostituierenden Mädchen besonders erwähnen. Die haben in ihrer Vergangenheit so viel Gewalt und Druck erlebt, dass es für sie wichtig ist, erst einmal Vertrauen entstehen zu lassen. Vertrauen erwächst auf beiden Seiten und dafür bieten zum Beispiel die Einrichtungen wie BASIS e. V. oder Sperrgebiet besonders gute Maßnahmen an.