Protokoll der Sitzung vom 13.04.2005

(Michael Neumann SPD: Das macht Securitas auch nicht!)

Das ist nicht richtig, Herr Neumann, gucken Sie einmal in die Akten. Securitas hat zwei Aufgaben. Sie sollen die pädagogischen Fachkräfte schützen und auch unterstützen, wenn es zum Beispiel um Arztgänge geht.

Dann zu den Entweichungen. Es wurde immer wieder gesagt, was das denn für eine geschlossene Unterbringung sei. Sie sind doch indifferent. Sie wollen keine Mauern, aber wenn Sie Mauern haben, dann sollten sie dünn und sehr hoch sein. Das ist doch der Widerspruch der SPD, weil Sie zu der geschlossenen Unterbringung noch keine Position bezogen haben.

(Beifall bei der CDU)

Dann heißt es in der Presse, dass es 35 Entweichungen gibt. Für den Bürger ist klar, dass es 35 Fälle gibt, wo jemand die Flucht ergriffen hat.

Erstens: Wir haben eine Einrichtung der Jugendhilfe. Das ist kein Strafvollzug.

Zweitens muss man dann einmal differenzieren, Herr Böwer, und das werden wir auch tun. Was ist denn eine Entweichung?

(Michael Neumann SPD: Reden Sie es schön?)

Es gibt elf Fälle, in denen Kinder und Jugendliche weggelaufen sind, es gibt 14 Fälle, wo Kinder und Jugendliche nach dem Ausgang nicht zurückgekehrt sind.

(Michael Neumann SPD: Was heißt das?)

Sie sehen doch bereits an diesen Fällen, dass sich dann auch wieder sehr viel relativiert. Aber wir werden es debattieren.

Von der Opposition wurde auch vorgetragen, welche hohen Kosten diese geschlossene Unterbringung mit sich bringt. Richtig ist, dass es 250 Euro pro Jugendlichen am Tag sind. Das ist durchaus vergleichbar mit anderen Bundesländern und vor allen Dingen auch mit den Tagessätzen des betreuten Wohnens. Auch dieser Vorwurf wurde in der Öffentlichkeit immer wieder gemacht, wie viel Geld dort ausgegeben wird, Millionen für wenige Jugendliche. Das stimmt als solches nicht.

Herr Böwer, ich habe der Presse entnommen, dass Sie sich über die Gefahr für Leib und Leben geäußert haben und in diesem Atemzug auch noch einmal die Verantwortung und die fehlende Fürsorgepflicht der Zweiten Bürgermeisterin und des Staatsrates mit einbezogen haben. Ich möchte Sie nur davor warnen, immer diese Kombination zu schaffen, diese Kombination Gefahr für Leib und Leben und dann gleich auf eine Person zu zeigen, die Ihrer Ansicht nach – und das ist die Wiedergabe Ihrer Aussage – direkt betroffen ist. Das stimmt als solches nicht. Bitte hören Sie auf, immer persönliche Verantwortung zuzuschustern und immer, wenn man von Gefahr für Leib und Leben spricht, den Bezug zur Senatorin zu schaffen. Wir wollen es politisch aufarbeiten, Frau Dr. Hilgers.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Woher kommt das Geld?)

Herr Neumann, ich freue mich schon auf Sie im PUA.

Ich möchte noch etwas Ausführlicheres zum Antrag des Kollegen Hesse sagen. Sie sind doch der Aufklärer. Warum verweigern Sie sich denn jetzt dem Antrag? Sie sind doch derjenige, der gesagt hat, hier stimme etwas nicht. Warum sollen wir denn den Antrag des Kollegen Hesse abstimmen? Dazu kann ich nur sagen: Das ist nur unser Ansinnen. Wenn Sie der Aufklärer sind, gehen wir davon aus, dass Sie natürlich dann auch die …

(Zuruf: Zulässig muss er sein!)

Lieber Kollege, Sie müssen doch auch sehen, wie die Ursache zu erklären ist und welche Alternativen vorher zur geschlossenen Unterbringung bestanden. Deswegen: Seien Sie doch entspannter. Sie sind doch diejenigen, die eigentlich einen Aufklärungsbedarf haben. Ich behaupte, dass dies eine Möglichkeit für Sie ist, noch einmal eine Kampagne zu machen.

Was wird der PUA also mit sich bringen? Er wird beweisen, dass die Erkenntnisse bekannt waren. Heute hat Herr Böwer durch die ausführliche Darstellung klargemacht, dass er bereits über alle Vorgänge Bescheid weiß. Wir werden dann auch im PUA nachweisen, dass dieser als parlamentarisches Gremium, das jetzt Defizite aufklären soll, überflüssig war, und dann – das ist die Konsequenz – müssen Sie sich darauf gefasst machen, dass wir in einer längeren Debatte Ihre Konzeptlosigkeit an den Tag bringen, denn Sie waren bis heute nicht in der Lage, eine Alternative zu entwickeln. Insoweit werden wir Ihre Kampagne betreuen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Blömeke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie uns gleich zum Wesentlichen kommen. Es gibt wesentlich Schlimmeres als einen

Beinbruch – das ist es, was ich habe, um gleich Ihre Neugierde zu befriedigen. Ich danke Herrn Böwer für den Exkurs in die Arbeit der geschlossenen Unterbringung und ich widerspreche gleichzeitig Herrn Weinberg: Das waren keine Zitate aus der Vergangenheit. Sicherlich, wenn Sie die letzten 14 Tage als Vergangenheit bezeichnen, mag das richtig sein. Aber, das waren Zitate aus den Akten über die Arbeit der geschlossenen Unterbringung und die ist höchst aktuell, aktueller denn je.

Ich glaube auch nicht, dass wir – ich beziehe Ihren Vorwurf auf die gesamte Opposition – uns den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass wir das Ganze als Kampagne missbräuchten. Ich denke, es ist Aufgabe eines jeden Parlamentariers, solche unhaltbaren Zustände aufzuklären.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Marcus Weinberg CDU: Das wollen wir doch auch!)

Herr Böwer sprach so nett von Gemeinsamkeiten, insofern, als eine Sache gelobt wurde, während gleichzeitig in der geschlossenen Unterbringung Vorfälle passierten. Ich möchte gern ein Beispiel nennen und noch einen draufsetzen: Die GAL hat Mitte Januar eine Fachtagung zum Thema "Bilanz nach zwei Jahren geschlossener Unterbringung" gehalten. Auch dort saß der Behördenvertreter, Dr. Bange. Er hat die Einrichtung aufs höchste gelobt, während sich gleichzeitig ein Junge aus dieser Einrichtung entfernt hatte und nur unter Polizeieinsatz und unter wildesten Ausbrüchen wieder zurückgebracht werden konnte. Das alles passierte zur gleichen Zeit, in der die Einrichtung in den höchsten Tönen gelobt wurde. Das ist ein Widerspruch, denke ich, den wir immer wieder antreffen werden, solange wir diese Akten studieren.

In meinen Augen grenzt es schon an fachpolitischen Leichtsinn, wenn die CDU-Fraktion hier behauptet, nicht zuletzt durch ihre Große Anfrage – die einzige parlamentarische Initiative übrigens, die die CDU-Fraktion in dieser Legislaturperiode zum Thema Feuerbergstraße vorgelegt hat – sei jetzt alles geklärt und der PUA Feuerbergstraße sei überflüssig. Ihre Weisheit nimmt die CDU aus den Antworten der Behörde, die fein säuberlich auflistet, welche Biografien und welche Straftaten diese Jugendlichen bereits hinter sich hatten, als sie in die Feuerbergstraße gekommen sind. Das ist richtig, aber genau wie Herr Böwer gerade sagte, kann das für Sie doch nicht wirklich neu sein. Dass Sie aus dieser Erkenntnis heraus auch noch eine Pressemitteilung herausgeben, erstaunt schon sehr.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Noch mehr erstaunt mich aber die Äußerung des jugendpolitischen Sprechers, Herrn Hesse, …

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das ist Herr Weinberg!)

nein, Herr Hesse, es war Ihr Zitat.

… der die unhaltbaren Zustände in der Feuerbergstraße mit dem schlichten Satz abtut

"Diese Konflikte sind Bestandteil der Arbeit".

Hinter so einer Äußerung, Herr Hesse, steht weder die Verantwortlichkeit eines Jugendpolitikers noch das Interesse, die Probleme lösen zu wollen,

(Marcus Weinberg CDU: Hat es die vorher nicht gegeben?)

geschweige denn, Sie zunächst erst einmal wahrzunehmen. Kein Wort über den ständigen Personalwechsel. Kein Wort über die 20 Kündigungen in zwei Jahren. Kein Wort über den überdurchschnittlich hohen Krankenstand von 2270 Tagen in zwei Jahren. Kein Wort über Fehlbelegung. Keine Wort über die augenscheinlich unzumutbaren Arbeitsbedingungen. Kein Wort über die fragwürdige Vergabe von Psychopharmaka an die Jugendlichen. Kein Wort über die Fixierung und das Fesseln der Jugendlichen. Kein Wort über das starre Festhalten Ihrer Senatorin an einem Konzept, das von den eigenen Mitarbeitern der geschlossenen Unterbringung infrage gestellt wird.

(Beifall bei der GAL)

Deswegen ist ein PUA Feuerbergstraße nicht lächerlich und überflüssig, sondern selbstverständlich und notwendig. Wir brauchen diesen PUA geradezu, um die Mauer der Ignoranz

(Michael Neumann SPD: Des Schweigens!)

zum Thema Feuerbergstraße zum Einsturz zu bringen, mit der sich Senatorin Schnieber-Jastram und ihr Staatsrat, Herr Meister, umgeben. Aufgabe des PUAs wird es sein, die zahlreichen Ungereimtheiten und Widersprüche aufzuklären. Ich könnte noch einmal die vielen Vorkommnisse darlegen, aber ich finde, Herr Böwer hat diese so gut dargestellt, dass ich mich dort gar nicht einklinken möchte.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Ein bisschen skandali- sieren müssen Sie auch!)

Aufgabe wird es auch sein, unser Augenmerk auf fehlende Informationen zu richten. Dazu erlauben Sie mir einmal ein Beispiel. Es ist bei weitem nicht alles in den Akten zu finden, Herr Weinberg, wie Sie gesagt haben. Bei weitem reichen die parlamentarischen Initiativen nicht aus, um jegliche Auskunft zu erhalten.

Lassen Sie mich das am Beispiel der Psychopharmaka deutlich machen, die in der Einrichtung zum Einsatz kommen. Hier ist noch ein riesiges Graufeld, denn in den Akten ist darüber nichts zu lesen. In der Großen Anfrage der CDU wird das Wort "Psychopharmaka" oder "Neuroleptika" erst gar nicht erwähnt und das, obwohl zehn Jugendliche diese Medikamente regelmäßig einnehmen und etliche Jugendliche in Krisensituationen besondere Dosen dieser Medikamente erhalten. Neun von zehn Jugendlichen haben diese Medikamente erst mit Eintritt in die Feuerbergstraße erhalten. Sie erhalten sie dort zur Ruhigstellung. Die eigentlichen Ursachen ihrer Wutausbrüche – oder auch "akute Erregungszustände" genannt – werden nicht beseitigt. Hier müssen wir doch schnellstens klären – und das ist unsere Verantwortung –, ob die Vergabe und vor allem auch die Verlaufskontrolle wirklich immer und in jedem Fall über einen Jugendpsychiater erfolgt ist, ob die Jugendlichen oder ihre Vormünder in jedem Fall mit der Einnahme der Medikamente einverstanden sind und es vor allen Dingen immer waren, ob eine strenge zeitliche Begrenzung der Verabreichung erfolgt ist, denn die Medikamente sind nicht ohne Nebenwirkungen, …

(Klaus-Peter Hesse CDU: Ja, ja, ja!)

Sagen Sie nicht ja, ja, ja. Das sind Sachen, die in unserer Verantwortung stehen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

… ob die Behandlung nach der Entlassung weitergeführt wird oder ob sie nur für die Zeit der Feuerbergstraße erfolgte

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das entscheidet der Arzt, Frau Blömeke!)

und ob Jugendliche mit Diagnosen wie Persönlichkeitsstörung in der Feuerbergstraße überhaupt richtig untergebracht sind. Genau das sind viele Fragen, auf die wir bislang gar keine Antwort erhalten haben.