Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was Herr Nagel hier zu einer schlanken und effizienten Demokratie gesagt hat, war, gelinde gesagt, abenteuerlich,
denn für uns in der Opposition gilt ganz klar: Wir wollen hier in Hamburg eine wirkungsvolle Demokratie, wir wollen eine lebendige Demokratie und insbesondere eine lebendige direkte Demokratie in dieser Stadt. Sie wollen es nicht.
Auch ansonsten war ziemlich bemerkenswert, wie Sie Ihren Entwurf gegen alle fachlichen Stellungnahmen, gegen die Meinung der Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger, gegen jede politische Vernunft, auch Ihre eigene, und vor allem – darauf hat ja Herr Dr. Petersen hingewiesen – gegen Ihre eigene CDUPositionierung 2001 durchsetzen wollen. In der Tat, Sie brechen an dieser Stelle den Verfassungskonsens, den wir hier 2001 miteinander verabredet haben.
Bei der Anhörung, die hier vielfach zitiert wurde, ist ebenfalls eines interessant: Es gab immerhin eine Teilnehmerin, die Ihren Entwurf gelobt hat, nämlich Ihre eigene Parteigängerin, die ehemalige Bezirksabgeordnete Hermine Hecker aus Wandsbek, die Ihren Entwurf mit doch etwas fadenscheinigen Behauptungen verteidigt hat. Die Stellungnahmen aller anderen waren eine einzige Klatsche für Sie. Dass Sie nicht den Mut haben, da umzukehren, ist peinlich.
Auch das muss noch gesagt werden, weil das hier ja auch immer mitschwingt: Es waren nicht nur die aus Ihrer Sicht üblichen Verdächtigen, die sich dort beteiligt haben, aus Gewerkschaftskreisen und so weiter, also nicht die, die Sie immer gern bei so einer Gelegenheit diffamieren. Es waren nämlich auch Vertreter aus bürgerlichen Institutionen, der Patriotischen Gesellschaft beispielsweise, die nun wahrlich unverdächtig ist, eine Parteigängerin von Rotgrün oder der Gewerkschaften zu sein. Auch dort hat der Entwurf, den Sie vorgelegt haben, den Test bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht bestanden.
Ein weiterer Punkt kommt noch hinzu. Wenn Sie von diesem Gesetzentwurf so überzeugt sind, wie Sie es versucht haben darzustellen, habe ich einen einfachen Vorschlag für Sie: Legen Sie ihn doch einfach einem Volksentscheid vor. Lassen Sie doch die Bürgerinnen und Bürger darüber entscheiden, wie zukünftig in Hamburg abgestimmt wird. Dann werden wir sehen.
Wir haben nämlich bereits zwei Alternativen vorliegen, die beiden voraussichtlich erfolgreichen Volksinitiativen. Diese bewahren die vorbildliche und bewährte direkte Demokratie dieser Stadt und – das ist der zweite entscheidende Punkt – sie stärken den Volksentscheid so, dass er gegen Ihr konsequentes Hintergehen direktdemokratischer Entscheidungen immun wird. Diese Lücke wollen Sie natürlich beibehalten, damit Sie auch beim nächsten moralischen Verfassungsbruch, beim nächsten Übergehen eines Volksentscheides freie Hand
Was ist Ihre lapidare Antwort? Herr Dr. Jäger sagt im NDR zu dieser Frage, na ja, immer könne man so etwas jedenfalls nicht machen. So kann und darf in dieser Stadt mit dem Bürgerwillen nicht umgegangen werden.
Die Alternativen liegen auf dem Tisch, stellen Sie Ihre Initiative zurück. Haben Sie den Mut, Ihren Entwurf bei der Bundestagswahl 2006 als Alternative zum Entwurf der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt zur Abstimmung zu stellen. Die Bürger dieser Stadt sollen selbst entscheiden können, wie sie zukünftig abstimmen wollen.
Doch dafür sind Sie zu feige. Sie wollen lieber für laufende Verfahren die Spielregeln ändern; das ist unfair. Damit werden mutwillig die Möglichkeiten der Bürger torpediert, dieses bewährte System zu erhalten. Einmal mehr beweisen Sie damit, wie sehr Sie mit der direkten Demokratie dieser Stadt auf Kriegsfuß stehen. Dieses wird Sie einholen und deshalb ist es auch aus Ihrer Sicht politisch dumm, dieses hier heute durchzuziehen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte nicht mit dem Volksentscheid beginnen, sondern mit dem Sinn repräsentativer Demokratie.
Als die amerikanischen Verfassungsväter Hamilton und Madison das ausgearbeitet und in den Federalist Papers dargestellt haben, haben sie nie dahingehend argumentiert, dass es darauf ankäme, der Mehrheit zum entscheidenden Durchbruch zu verhelfen, sondern sie haben alle demokratischen Verfahren damit begründet, dass es darauf ankäme, der Urteilskraft, der Urteilsfähigkeit einer Gesellschaft zur maximalen Entfaltung zu verhelfen. Und darum waren sie dafür, dass es repräsentative Diskussionen in Parlamenten geben soll, an denen sich das Publikum zuhörend und untereinander debattierend beteiligen könnte, um zum besten gemeinsamen Urteil zu kommen über das, was dem Gemeinwesen frommt, Gemeinwohl als eine Sache, die aus einem so gelenkten Diskussionsprozess entsteht.
Wir haben heute eine Situation, in der dieser Mechanismus erkennbar so nicht mehr funktioniert. Worüber wir hier diskutieren, das nimmt kaum noch jemand wahr. Wir leben in einer Medien- und Eventgesellschaft und was von uns rüberkommt, ist die jeweils schrillste Bemerkung.
Was muss man sich in einer solchen Situation überlegen? Wir müssen daran arbeiten, dass die politische Aktivität und die Teilnahme an öffentlichen Diskussionen innerhalb der Gesellschaft wieder zunimmt. Das können
wir durch rein parlamentarische Verfahren nicht erreichen. Das können wir nur erreichen, wenn wir die Gegenstände, um die es geht, zu unmittelbaren Gegenständen der Bürgerauseinandersetzung machen. Beim Volksentscheid geht es deswegen nicht in erster Linie um das Entscheiden am Ende, um den formellen Akt, sondern es geht darum, eine möglichst breite Auseinandersetzung innerhalb der Gesellschaft zu erreichen. So sind auch die Schweizer Gesetze zur Volksgesetzgebung extra angelegt, nämlich mit langen Zeiträumen.
Das ist der Sinn der ganzen Geschichte. Sie reden jetzt von Verwaltungsnotwendigkeit der Entscheidung. Worauf es in einem Gemeinwesen ankommt, das sich auf Freiheit gründet, ist viel zentraler. Das ist die Urteilsfähigkeit und der Wille der Bürgerinnen und Bürger, für die Republik eintreten zu wollen.
Wir brauchen neben dem Parlament zusätzliche Instrumente, um die öffentliche Debatte anzuregen und möglichst viele aktiv einzubeziehen. Jetzt haben wir die Volksgesetzgebung in Hamburg und was streichen Sie nun daran? Just denjenigen technischen Bestandteil, der dazu führt, dass die Befürworter einer Volksabstimmung mit den Bürgerinnen und Bürgern die unmittelbare Auseinandersetzung bei der Sammlung von Unterschriften auf der Straße suchen.
Sie bekommen doch überhaupt keine Unterschrift, wenn sie nicht den Versuch machen, die Menschen von der Sinnhaftigkeit dieser Unterschrift zu überzeugen.
Jeder von uns, der schon einmal in solchen Sammlungssituationen gestanden hat, weiß, dass er gefordert wurde in Diskussionen, dass es darüber Auseinandersetzungen gegeben hat und Sinn der ganzen Geschichte ist, solche öffentlichen Auseinandersetzungen wieder in die Stadt zu bringen.
Jetzt sagen Sie, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Bayern machen das anders, die kennen nicht die direkte Unterschriftensammlung, sondern das Amtsverfahren. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass Sie eine Chance eines Stadtstaats verschenken?