Protokoll der Sitzung vom 14.04.2005

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Natürlich kann es nicht in ganz Bayern und NordrheinWestfalen, wo in verschiedenen Bereichen des Landes Vertreter der jeweiligen Initiative vielleicht gar nicht vorhanden sind, so sein, dass das im Wesentlichen durch die Initiative stattfindet; da muss eine öffentliche Instanz nachhelfen. Aber hier haben wir die Stadtrepublik, hier haben wir diese Möglichkeiten. Sie wissen doch selbst, dass eine Intrige nicht einmal mehr 23 Pfennig kostet; das ist alles viel billiger geworden.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Wir haben die öffentlichen Plätze, wir sind es gewohnt, uns darauf zu bewegen und Sie verschenken eine Chance der Stadt. Sie verschenken die Chance, dass sich Bürgerinnen und Bürger in diese öffentliche Auseinandersetzung hineinbegeben.

(Marcus Weinberg CDU: Bei St.-Pauli-Heimspielen sammelt man Unterschriften!)

Meinetwegen auch bei St. Pauli. Ich muss doch in Situationen sammeln, wo sich Menschen treffen.

(Wolfgang Beuß CDU: Die kommen doch nicht aus Hamburg!)

Doch, die kamen aus Hamburg. Wenn sie nicht aus Hamburg gekommen wären, wäre die Unterschrift gestrichen worden.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Dann sind Sie offenkundig mit dem Verfahren nicht vertraut. Es mussten Hamburger Bürgerinnen und Bürger sein, jemand anders wurde auf der Liste gar nicht akzeptiert. Dass man öffentliche Situationen nutzen muss, um Politik hineinzutragen, liegt doch auf der Hand, das machen Sie doch auch nicht anders. Und wenn Sie dann noch sagen, das Privileg des Wahltags solle nicht angegriffen werden, finde ich das ein besonders merkwürdiges Argument. Wir bekommen alle verhältnismäßig viel Steuergelder, damit wir zum Wahlkampf eine meistens ziemlich öde Propaganda machen können.

(Beifall bei Manuel Sarrazin GAL)

Und wenn sich dann Initiativen hinstellen und sagen, dann können wir doch bitte schön die Situation auch ausnutzen, um den Bürgerinnen und Bürgern bei diesem Anlass die Frage vorzulegen, seid ihr sachlich dafür oder dafür, so finde ich das eine sinnvolle Nutzung von Steuergeldern im staatsbürgerlichen Interesse.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Sie sagen dann noch, es werde durch diese ganzen öffentlichen Verfahren zu viel Druck auf den Einzelnen ausgeübt. Republiken leben davon, dass Menschen sich gegenseitig beeinflussen. Republiken bestehen nicht aus Einzelwesen und Monaden, die nicht aufeinander Einfluss nehmen, sondern wir wollen geradezu, dass sich unsere Bürgerinnen und Bürger untereinander beeinflussen, sonst bildet sich gar keine Vorstellung von Gemeinwesen. Wie soll denn das sein? Das hat man doch nicht in den Genen, das bekommt man auch nicht durch stilles Nachdenken oder frommes Beten, sondern das findet nur statt, indem wir uns streiten und auseinander setzen und indem es uns wieder gelingt, möglichst viele Menschen in diese Auseinandersetzungen einzubeziehen.

Sie greifen nun just die Elemente der Volksabstimmung ab, in denen solche Möglichkeiten stecken. Das finde ich so irrational und unvernünftig für unsere Demokratie, das kann ich überhaupt nicht begreifen. Dahinter ist bloß Daffke, dass Sie diese eine Volksabstimmung verloren haben und sie Ihnen ansonsten lästig vorkommt. Nicht umsonst spricht deswegen auch Herr Nagel von der notwendigen Verschlankung der Verfahren. Es geht bei der politischen Willensbildung nicht um schlanke Verfahren, bei der Verwaltung ja, aber politische Willensbildung kostet Zeit und ist notwendig, sonst kommen wir gar nicht zu einer Gemeinsamkeit.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Abgesehen von all den Fragen, die unsere gemeinsame Republik betreffen, leisten Sie sich Ihre bisher größte Dummheit als Regierungsfraktion und als Regierung. Sie wissen aus allen Umfragen, dass Sie in keinem sachlichen Politikbereich die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger hinter sich haben. Sie wissen, dass alles am OleFaktor hängt und Sie nehmen jetzt noch auf einem weiteren Feld, wo Bürgerinnen und Bürger ihre Rechte wahrnehmen können, erkennbar einen Eingriff vor, der Bewegungsmöglichkeiten wegnimmt. Die Bürgerinnen und Bürger lassen sich extrem ungern ihre Rechte wieder wegnehmen und das werden Sie spüren. Wir werden auch nicht nachlassen, immer wieder daran zu erinnern, nicht nur, weil wir natürlich gerne gegen Sie die Wahlen gewinnen wollen, sondern auch, weil wir die Republik in dieser Weise nicht schwächen lassen wollen. – Danke schön.

(Anhaltender Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Reinert.

(Jürgen Schmidt SPD: Ja, das war beeindruckend, nicht wahr, Herr Reinert!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Von meiner Eingangsbemerkung möchte ich Herrn Dr. Maier in einem Punkt ausdrücklich ausnehmen. Ansonsten gilt zu dem, was wir von Ihnen gehört haben, das gute alte Goethe-Wort: "Getretener Quark wird breit, nicht stark".

(Beifall bei der CDU und Oh-Rufe bei der SPD)

Was haben wir von Ihnen heute denn eigentlich an neuen Argumenten gehört?

(Christiane Blömeke GAL: Und von Ihnen kam ja gar nichts Neues!)

Das war eine schlichte Fehlanzeige. Es war teilweise das reine Recycling der Redemanuskripte aus früheren Debatten und das genügt nicht.

(Beifall bei der CDU)

Neu war für mich

(Doris Mandel SPD: Neu bei Ihnen war nur der Quark!)

in der Rede von Herrn Dr. Maier, dass er sinngemäß sagte, durch diese beabsichtigte Änderung des Volksabstimmungsgesetzes würde ein öffentlicher Diskurs, würde die Werbung für ein Volksbegehren unmöglich gemacht.

(Dr. Willfried Maier GAL: Schwieriger!)

Oder schwieriger. – Herr Dr. Maier, das ist wirklich weit unter Ihrem Niveau.

(Beifall bei der CDU – Katja Husen GAL: Wenn Sie so viel diskutieren würden wie wir, dann wüss- ten Sie, worum es geht! – Hans-Detlef Roock CDU: Es geht hier nicht nach Lautstärke! – Unruhe im Hause – Glocke)

Meine Damen und Herren! Ich bitte um etwas mehr Ruhe. Das Wort hat Herr Reinert.

Jeder Mensch in dieser Stadt kann für jedes Anliegen, das er hat, auf der Straße einen Diskurs vorantreiben, kann Werbung betreiben und alles Mögliche. Aber hier geht es um Anliegen, die sich an alle Bürger, an den Staat richten und wo in unserer Verfassung aus gutem Grunde steht: "Der Senat führt das Volksbegehren durch". Nichts anderes erreichen wir mit der Gesetzesänderung.

(Beifall bei der CDU)

Die historische Parallele, Herr Dr. Maier, die USA im 18. Jahrhundert,

(Zuruf von der CDU: Abenteuerlich!)

ist ein Thema, mit dem ich mich auch ein wenig befasst habe. Darüber sollten wir beide, ob öffentlich oder nicht öffentlich, einmal einen Diskurs führen. Aber Sie werden mir zugestehen, dass die Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten im Amerika des 18. Jahrhunderts andere waren, als sie es im Hamburg des 21. Jahrhunderts sind.

(Beifall bei der CDU – Dr. Till Steffen GAL: Des- wegen doch!)

Das immer wiederkehrende Argument in Ihren Reden war, wir würden die faktische Abschaffung der Volksgesetzgebung wollen.

(Zurufe von der SPD: Das ist doch so!)

Wenn wir dieses wollten, dann würden wir an die Quoren herangehen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das können sie gar nicht alleine!)

die bundesweit zu den niedrigsten gehören. Wir gehen aber nicht an die Quoren heran, sondern führen einige Änderungen im Verfahren ein, die an der Wirksamkeit der Volksgesetzgebung nichts ändern werden.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Zweidrittelmehrheit haben Sie ja Gott sei Dank nicht!)

Eines ist mir auch aufgefallen. Es kam heute kaum noch die Rede auf die Volksabstimmung, den Volksentscheid selbst, wo die Möglichkeit der Briefabstimmung so sehr erleichtert wird, dass das wirklich bundesweit als vorbildlich zu betrachten ist.

(Zuruf von Dirk Kienscherf SPD)

Herr Kienscherf, diese Briefabstimmung, die zukünftig beim Volksentscheid praktiziert werden soll, ist bei den Bürgerentscheiden auf Bezirksebene bei den letzten Malen schon so praktiziert worden und dieses Verfahren

ist – gucken Sie auf die Internetseite von "Mehr Demokratie" –

(Dirk Kienscherf SPD: Bis dahin kommt es doch gar nicht mehr!)