Protokoll der Sitzung vom 25.05.2005

Lassen Sie mich am Rande bemerken: Wie ich gehört habe, wollen Sie im September das von den Menschen in Hamburg beschlossene Wahlrecht wieder zurückholen; da werden wir nicht mitmachen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wenn Sie hier, Herr Reinert, von der Arbeitslosigkeit reden, gucken Sie doch erst einmal ins eigene Haus, bevor Sie nach außen schauen. Wie sieht es mit der Arbeitslosigkeit in Hamburg heute aus? Wir haben den größten Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit in allen Ländern.

(Christoph Ahlhaus CDU: Aber wir sind auch die einzigen, die neue Arbeitsplätze geschaffen ha- ben!)

Das ist Ihre Arbeitsmarktpolitik, das wird auf die Menschen zukommen.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen mit Ihrem Koalitionspartner die großen Risiken absichern. Wenn in Hamburg eine Frau von ihrem Partner zusammengeschlagen wird, ist das ein kleines Risiko, denn Sie schließen Frauenhäuser.

(Oh-Rufe bei der CDU – Bernd Reinert CDU: Wie viele denn?)

Das ist das kleine Risiko. Jeder muss auf sich selber achten, die Gemeinschaft und die Solidarität zählen nicht mehr.

Schauen wir einmal, wie Sie sich in Hamburg um die Kinder kümmern: Die Kita wird teurer, die Vorschule wird

kostenpflichtig, Schulbücher werden kostenpflichtig, die Ganztagsschule wird kostenpflichtig, Studiengebühren werden eingeführt und bei der Volkshochschule wird gekürzt. So sieht Ihre Familienpolitik aus, das werden wir den Menschen sagen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wir werden den Wählerinnen und Wählern ganz deutlich diese Alternativen aufzeigen und ich bin mir sicher, dass wir eine gute Chance haben und Sie sich noch wundern werden. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt Frau Goetsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wer zuletzt lacht...

Ich würde an dieser Stelle vorschlagen, Herr Reinert, dass wir alle und Sie auch zugeben müssen, dass bisher niemand befriedigende Antworten auf die Ängste und die große Unsicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland gefunden hat.

(Vizepräsidentin Bettina Bliebenich übernimmt den Vorsitz.)

Die hohe Arbeitslosigkeit und die Milliardenlöcher in den Haushalten sind Probleme, für die bisher keine Partei – alle, die wir hier sitzen – Patentrezepte hat; alles andere würde nicht der Wahrheit entsprechen.

Wenn Sie von der CDU zum Beispiel von Arbeit, Arbeit, Arbeit sprechen, dann meinen Sie in erster Linie, die Forderungen der Wirtschaft einlösen zu müssen, dem Vorrang zu geben anstatt den Arbeitsplätzen. Die Wirtschaft hängt das Stöckchen dann noch einmal höher und dann muss dem wieder nachgesprungen werden, ohne dass nennenswert Arbeitsplätze entstanden sind. Das ist weiß Gott nicht die Lösung.

(Beifall bei der GAL – Christoph Ahlhaus CDU: Aber die Wirtschaft schafft die Arbeitsplätze!)

Und mit den weiteren Steuersenkungen – unter Rotgrün hat es weiß Gott die größten Steuerentlastungen jemals in der Republik gegeben, das muss man hier auch einmal deutlich betonen – ist es trotzdem nicht getan, wenn der Kanzler weiter Steuern senken will, ohne zu wissen, wie die Gegenfinanzierung zu machen ist und wie die Einnahmeseite verbessert wird. Da frage ich mich, wie wir das alle hier den Bürgern noch vermitteln sollen.

(Beifall bei der GAL)

Trotz alle dem: Wir müssen die Gerechtigkeitsfrage beantworten, wahrscheinlich mit ehrlicheren und mutigeren Antworten als bisher. Dazu gehört ein echter Subventionsabbau. Es gehört auch dazu, darüber nachzudenken, ob wir Sozialsysteme vielleicht über Steuern – ähnlich anderer westeuropäischer Standards – finanzieren müssen, um sie überhaupt zu erhalten und den Faktor Arbeit zu entlasten.

(Beifall bei der GAL)

Deshalb geht es auch im Bund bei den Neuwahlen um wichtige Zukunftsfragen: Wo geht es hin mit Deutschland? Wo wollen wir hin? Das sind nicht irgendwelche

Wachstumsbremsen, sondern es müsste Ihnen klar sein, dass wir weg vom Öl müssen, wenn wir überhaupt eine Zukunft haben wollen.

(Zuruf von Barbara Ahrons CDU)

Wir müssen die Zukunftsenergien weiter betreiben. Klimaschutz, Frau Ahrons, ist ein Innovationsmotor für neue Arbeitsplätze.

Das ist nicht mein Zitat oder eines von den Grünen, sondern vom Vorstand von Vattenfall. Ich freue mich sehr, dass zum Beispiel BP, Esso, Total große Anzeigen für regenerative Energien geschaltet haben. Das ist der Weg. Denn die Antwort von vorgestern, die Sie geben wollen – sie ist noch nicht einmal von vorgestern –, ist der Wiedereinstieg in den Atomstaat. Das kann es nicht sein.

(Beifall bei der GAL)

Das Merkelsche Horrorszenario vom langen Weiterbetrieb und vom Bau neuer AKW ist ein Verbrechen an unseren Kindern und den künftigen Generationen.

(Beifall bei der GAL)

Wir Grüne stehen für den Atomausstieg und für den Ausstieg aus der Atomenergie.

Ein zweiter Punkt. Wir hatten 16 Jahre lang Kohlschen Stillstand.

(Ah-Rufe bei der CDU)

Es ist jetzt erst gelungen, bei den Bürgerrechten und in der Gleichstellung in den letzten zwei Legislaturen verkrustete Gesetze aufzubrechen, zu verändern und zu erneuern.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das ius sanguinis ist im neuen Staatsangehörigkeitsrecht abgeschafft worden. Die Tatsache, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, wurde endlich anerkannt. Da sind erste zarte Versuche, Einwanderung zu gestalten und zum Beispiel die Rechte der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften endlich anzuerkennen. In den letzten Legislaturen ist in die Politik eine andere Kultur im Umgang mit den Minderheiten eingezogen, die für die Zivilgesellschaft und für das Gemeinwesen unabdingbar ist.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Dass nun Informationsfreiheit und Antidiskriminierung im Stau stecken, ist bedauerlich. Diese Themen sind keine Luxusthemen, meine Damen und Herren von der CDU, sondern sie sind notwendig für die gesellschaftliche Modernisierung. Wir Grüne werden weiter für diese Themen streiten.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Über eines bin ich wirklich froh: Unser Land hatte im entscheidenden Moment eine Regierung, die sich nicht in das Abenteuer Irak-Krieg eingelassen hat.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wir werden uns weiter für das alte Europa und für den Beitritt der Türkei in die EU einsetzen. – Danke, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Weinberg.

(Michael Neumann SPD: Kandidat Weinberg!)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Goetsch! Die Rede hat eines bewiesen: Nach gerade einmal siebenjähriger Regierungsverantwortung sind Sie da wieder angekommen, wo Sie einmal angefangen haben, nämlich bei der Frage Klimaschutz und weg vom Öl. Ich bin froh, dass Sie sich von anderen Politikfeldern mittlerweile wieder distanzieren.