Ein besonders trauriges Kapitel, das wir in jeder Unfallbilanz bis jetzt gefunden haben, bleibt die erschreckend
hohe Anzahl von Unfällen, denen Kinder in Hamburg zum Opfer fallen. Sie mögen sich im Moment auf dem Stand ausruhen, dass 2004 nur ein Kind in der Altersgruppe von elf bis 14 Jahren tatsächlich getötet wurde. Wir lassen das jetzt einmal weg mit den Sonntagsreden, jedes Kind sei eins zuviel, das getötet werde.
Ach, Herr Hesse, Sie müssen mir nun wirklich nicht erklären, dass das stimmt. Aber wenn Sie so tun, als wäre hier alles in Ordnung mit Verweis auf irgendwelche Querschnitte, die Sie bilden, dann müssen Sie sich fragen, was an Ihren Sonntagsreden dran ist.
Auch wenn es nur – in Anführungsstrichen – ein Kind war, das getötet wurde, dann müssen wir uns ansehen, wie viele Kinder tatsächlich schwer verletzt wurden; das waren 65. Das Risiko, in dieser Altersgruppe schwer verletzt zu werden, liegt bei 105 von hunderttausend Kindern. Das ist bei weitem der Spitzenwert aller Altersgruppen. Natürlich geht es dabei überwiegend um Fußgänger und Radfahrer, als solche nehmen sie am Verkehr teil.
Dieses Risiko wollen wir einmal ganz genau beleuchten. Was heißt überhaupt "schwer verletzt"? Gestern ist ein vierzehnjähriges Mädchen in Eidelstedt von einem Sattelschlepper erfasst worden. Es hat den Bruch eines Fußes erfahren und natürlich einen großen Schock erlitten. Aber das ist eine Kleinigkeit, sie gilt als leicht verletzt. Es geht nicht um eine Schramme oder um die Beule. Schwer verletzt – um das einmal plastisch darzustellen – wurde zum Beispiel nach einem Zeitungsbericht, den ich gestern in einer Zeitung aus einer anderen Stadt gelesen habe, ein Rentner, der beim Überqueren einer Straße von einem Lastwagen überfahren wurde, wobei ihm beide Beine zerquetscht wurden, die wahrscheinlich amputiert werden müssen. Das ist die Kategorie – nämlich bleibende Schäden – im Bereich der Schwerverletzten.
Elf- bis Vierzehnjährige, die ein so hohes Risiko tragen, schwer verletzt zu werden, müssen mit den Folgen einer schweren Verletzung noch ihr ganzes vor ihnen liegendes Leben meistern. Dagegen müssen doch alle ernsthaft etwas tun wollen.
Um hier zielgerichtet etwas tun zu können, haben wir im Rahmen der Haushaltsberatungen 2004 und erneut bei den Haushaltsberatungen 2005/2006 eine umfassende Ursachenanalyse all dieser Unfälle eingefordert.
Wir haben diese Ursachenanalyse von Unfällen beantragt, weil wir nicht nur wissen wollen, was die Statistik genau auswirft, sondern welche Ursachen für diese Unfälle vorliegen. Wenn dort zum Beispiel steht, dass ein Radfahrer auf der falschen Straßenseite fährt, dann muss man doch fragen, welche Ursachen es gibt, dass so viel auf der falschen Seite gefahren wird. Es gibt Menschen, die sich diesem Problem ernsthafter nähern als Sie. Diese können auch tatsächlich Erfolge bei der Reduzierung von Unfällen mit diesen schweren Folgen für die Kinder erreichen und nachweisen. Das ist zum Beispiel in Kre
feld passiert. Wir wollen diesen Stand erreichen, den Krefeld vorzuweisen hat. Sie verweigern sich dem.
Das tun Sie in einer Situation, in der der Senat tatsächlich auf eine Große Anfrage von vor zwei Jahren und erneut auf eine ganz aktuelle Kleine Anfrage unserer Fraktion geantwortet hat, dass keine plausiblen Erklärungen vorliegen würden. Sie, Herr Hesse, erklären hier aber für die Regierungsfraktion, dass man die Ursachenanalyse nicht benötigen würde.
Das haben Sie im Rahmen der Haushaltsberatungen am 14. Dezember letzten Jahres von diesem Pult aus gesagt.
Sie erklären hier, dass man das gar nicht benötigen würde. Das bedeutet, dass Ihnen offensichtlich ein Wissen vorliegt, das nicht einmal der Senat hat. Hier muss man sich doch fragen, wo das herkommt.
Deswegen sagen wir noch einmal: Es wird ein umfassendes Konzept benötigt. Krefeld – die Stadt liegt in Nordrhein-Westfalen – hat beispielsweise ein solches entwickelt. Die Wahrscheinlichkeit – das zeigt sich aus den Krefelder Erfahrungen –, dass auf der Basis einer fundierten Ursachenanalyse ein umfassendes Konzept auch die für Sie so heiklen Themen Temporeduzierungen und bauliche Maßnahmen zum Schutz von unseren schwächsten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern erstellt werden muss, ist für Sie offensichtlich so groß, dass Sie sich schon der Ursachenanalyse entziehen. Das mag für die Beurteilung der Behörde ein Indiz dafür sein, dass sie falsche Schwerpunkte setzt, aber die CDU und der Senat den Willen zu dieser Analyse verweigern, ist schlicht unverantwortlich. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist Donnerstag und nicht Sonntag. Ich stehe trotzdem sehr gerne hier, Herr Lühmann, und unterhalte mich auch vor einem nicht so vollen Plenum zur Verkehrssicherheit. Ich denke, wir haben einen guten Grund, uns über die Verkehrssicherheit zu unterhalten, denn dieser Senat hat dafür schon sehr viel in dieser Stadt getan.
Herr Lühmann, aus der Großen Anfrage herauszulesen, der Senat würde behaupten, dass dies alles nicht so schlimm sei, dass es in dieser Stadt Tote und Verletzte geben würde, ist sehr makaber und schlimm und geht an der Realität vorbei, genauso wie Ihre gesamte Rede an der Realität in unserer Stadt vorbeigegangen ist.
Sie haben heute das Thema Verkehrstote in Hamburg mit der Hoffnung angemeldet, das politisch ausschlachten zu
können. Was sind Verkehrstote, wie entstehen Verkehrstote? Ich habe eigentlich ein bisschen gehofft, Herr Lühmann, dass Sie in den letzten Tagen die Zeitungen gelesen haben, dann hätten Sie feststellen können, wie es zu Verkehrstoten in unserer Stadt kommt.
Fangen wir einmal mit der "Welt" vom Montag, dem 23. Mai, an. Auf der ersten Seite stand, dass eine Dreiundfünfzigjährige im angetrunkenen Zustand auf die vierspurige Straße wankte, von einer Taxe erfasst wurde und noch an der Unfallstelle ihren Verletzungen erlag.
"Nach bisherigen Ermittlungen der Polizei war die Frau gemeinsam mit zwei Männern trotz Rotlichts über einen Fußgängerüberweg in Richtung Hachmannplatz gelaufen. Dabei erfasste ein Schnellbus der Linie 36 die drei Passanten auf der Busspur mit seiner linken vorderen Seite. Die Frau, deren Identität bis Montagnachmittag nicht abschließend geklärt werden konnte, starb noch an der Unfallstelle."
"an der Hamburger Straße auf dem Radweg stadtauswärts gefahren, allerdings auf der falschen Straßenseite und auf dem linken Radweg anstatt auf dem rechten. … Die Ermittler des Verkehrsunfalldienstes gehen derzeit davon aus, dass die Radfahrerin Schuld an dem Unfall hatte."
Ich will das hier nicht schönreden. Es sind drei ganz bedauernswerte und schlimme Vorfälle, die in dieser Stadt passierten und die sich auch garantiert in der Unfallstatistik widerspiegeln werden. Aber sie haben nichts mit der Verkehrspolitik in dieser Stadt und nichts mit diesem Senat zu tun, so wie Sie das eben darzustellen versucht haben, Herr Lühmann.
Sind Sie der Meinung, dass die Menschen, nur weil sie auf der falschen Seite gefahren sind, selbst Schuld daran haben, wenn sie angefahren werden oder tödlich verunglücken?
Ich habe deutlich gemacht, dass dieser Senat sehr viele Verkehrsmaßnahmen zum Schutze aller Verkehrsteilnehmer ergriffen hat, dass aber niemand, wirklich nie
mand in dieser Stadt dafür eine Gewährleistung übernehmen kann, dass es keine Unfälle und Verkehrstoten in dieser Stadt gibt. Wenn Menschen Fehler machen – was durchaus menschlich ist –, dann wird man ihnen nicht helfen können und es werden Unfälle passieren. Das wird die beste Verkehrspolitik nicht verhindern können. Dann müssen Sie schon den Verkehr ganz lahm legen – das war in Teilen auch einmal ein Ansatz der Grünen –, um so etwas zu verhindern. Aber wo sich Menschen im Verkehr aufhalten, passieren Fehler, leider auch tragische. Es gibt Tote, Frau Gregersen, die wir alle bedauern, aber dieses Thema hier anzumelden und zu sagen, dass der Senat schuld an diesen Toten sei, ist makaber und einfach schlimm.
Jetzt lieber nicht, Frau Gregersen, sonst gucken mich alle so böse an, weil meine Rede zu lange dauert, denn ich wollte Ihnen eigentlich noch einmal darstellen, was alles falsch an der Rede von Herrn Lühmann war.