Protokoll der Sitzung vom 08.06.2005

Es gibt aber auch positive liberale Punkte, die Sie gar nicht erwähnen. Hier hat die SPD gar nicht gemerkt, dass wir auch einmal liberal sein können. Berufsgeheimnisträger schützen wir mehr als es die SPD in ihrem Entwurf vorsieht.

(Beifall bei der CDU)

Sie sehen, dass wir nicht blindwütig durch die Gegend rennen und der Meinung sind, das schärfste Gesetz haben zu wollen. Wir sehen hier durchaus die Abwägung, dass Berufsgeheimnisträger eine wichtige Funktion in der Gesellschaft haben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist schwammig!)

Wir nutzen des Weiteren die Vorschriften aus; das hat der Senator eben schon erläutert. Wir stehen dazu, dass wir möglichst lange Fristen haben wollen.

Wir sehen nach den ausführlichen Beratungen keinen Grund, von dem vorgelegten Entwurf maßgeblich abzuweichen. Die CDU hat eigene Aspekte eingebracht. Wir werden das beste Polizeigesetz Deutschlands beschließen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat jetzt Herr Dr. Dressel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist doch schade, dass Sie bisher in der Debatte zu den wirklich zentralen Fragen, die angesprochen wurden, Antworten schuldig geblieben sind.

Zur Frage der vierzehntägigen Polizeihaft, die zuvor in Ihrem Vorschlag nur zehn Tage betrug. Wie kommt das? Sie stellen sich jetzt hier hin und sagen, dass es genauso

sein muss. Warum haben Sie vorher etwas anderes vorgeschlagen?

Das trifft auch für das Aufenthaltsverbot zu. Zunächst waren betrug es sechs Monate, dann wurde diese mal eben verdoppelt, weil wahrscheinlich irgendein Zuruf aus der Fraktion kam. Erklären Sie doch einmal diesen Sinneswandel und versuchen Sie hier keine Ablenkungsmanöver.

Zweiter Punkt: Telefonüberwachung. Hierzu sollten Sie einmal gelegentlich – ehe Sie uns hier Mutlosigkeit vorwerfen – in unseren Entwurf hineinsehen. Denn zur Gefahrenabwehr haben wir dieses auch vorgeschlagen, weil dies zur Gefahrenabwehr in Fällen von Lebensgefahr, von drohenden schweren Körperverletzungen und so weiter absolut richtig und sinnvoll ist. Darin sind wir uns im Grundsatz einig.

(Zurufe von der CDU: Wo?)

Sehen Sie gelegentlich in unseren Entwurf und machen Sie sich etwas kundiger, bevor Sie hier sagen, warum das alles mutlos und von vorgestern ist. Wir haben ganz klar gesagt, wir stimmen zur Gefahrenabwehr zu, zur Straftatenbekämpfung aber nicht. Sie sollten heute einmal sagen, dass Sie zur Straftatenbekämpfung von der Telefonüberwachung endgültig Abschied nehmen.

Die Anhörung hat es belegt. Der Generalstaatsanwalt aus Braunschweig hat gesagt, dass das an dieser Stelle sogar eine Gefahr für die Straftatenbekämpfung sei, weil es nicht mit der Strafprozessordnung abgestimmt ist. Das wurde hier auch einmal wieder ausgeblendet.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Bei den Kontrollbefugnissen sind wir uns durchaus einig, diese zu erweitern, insbesondere auch gegen Waffen. Es ist völlig klar, dass diese an Brennpunktbereichen – also St. Pauli, Reeperbahn – gebraucht werden. Wir wollen nur keine verdachtsunabhängige Kontrolle durch die Hintertür. Die lagebildabhängige Kontrolle, wie Sie sie vorgeschlagen haben – das hat der Datenschutzbeauftragte dargelegt –, hat eine gewisse Schwammigkeit, was das Lagebild angeht. Deshalb sagen wir, dass die lagebildabhängige Kontrolle an bestimmten Orten hinnehmbar, vernünftig und richtig ist, aber wenn sie überall und zu jeder Zeit in der Stadt durchgeführt werden soll, wollen wir das nicht.

(Beifall bei der SPD)

Bei der Videoüberwachung – das muss auch noch einmal gesagt werden – sind wir uns doch in der Frage einig, dass wir diese an Verbrechensbrennpunkten haben wollen. Warum schreiben Sie das nicht ins Gesetz? Sie müssen nicht einmal unsere Formulierung wählen, sondern der Datenschutzbeauftragte hat hierzu auch Vorschläge gemacht. Warum haben Sie das nicht übernommen? Das wäre eine präzise Fassung und würde genau das Ziel erreichen, worüber Konsens besteht. In diesem Fall vielleicht nicht mit der GAL, aber zwischen der SPD und der CDU ist das im Grundsatz Konsens. Warum schreiben Sie das nicht ins Gesetz? Was führen Sie hier im Schilde? Warum wollen Sie big brother in der ganzen Stadt nicht einfach einen Riegel vorschieben? Das tun Sie nicht und deshalb können wir hier Ihrem Entwurf nicht zustimmen.

Es wurde auch etwas zum Thema Freiheit, Sicherheit und Elfenbeinturm gesagt. Das alles sind sehr abstrakte Dis

kussionen, bei denen Sie wohl noch so ein bisschen mit Bayern verhaftet sind. Ich glaube, Freiheit und Sicherheit sind natürlich Punkte, bei denen wir Abwägungen brauchen. Man kann doch nicht so weltfremd sein – auch nicht in einer freiheitlichen und Weltstadt wie Hamburg – und sagen, dass man zwischen Freiheit und Sicherheit nicht abwägen muss. Das ist alles akademisch und abstrakt, darüber brauchen wir nicht zu reden. Natürlich muss es diese Abwägung geben. Das verlangt das Grundgesetz von uns als Parlament. Deshalb dürfen Sie sich vor dieser Abwägung nicht drücken, Herr Senator.

(Beifall bei der SPD)

Zu den Seitenhieben, dass wir Schwierigkeiten mit den Grünen hätten, uns darüber zu einigen, kann ich nur sagen: Dort oben sitzt mit dem Landesvorsitzenden der FDP ein Beweis, dass Sie in der letzten Wahlperiode beim Polizeigesetz einige Schwierigkeiten hatten. Damals haben Sie es nicht gebacken bekommen, dieses Gesetz vorzulegen, weil Sie sich nicht einigen konnten.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Sie haben 40 Jahre nichts getan!)

Sie regieren aber schon seit 2001. Sie können sich nicht herausreden. Der Senator hat gesagt, dieses Gesetz sei seit elf Jahren überfällig. Von diesen elf Jahren tragen Sie drei Jahre Mitverantwortung. Sie haben es nicht hinbekommen und jetzt stellen Sie sich hier hin und machen dicke Backen. Das ist schon etwas peinlich.

(Beifall bei der SPD)

Noch ein letzter Punkt. Warum können wir Ihrem Entwurf nicht zustimmen? Dafür haben wir überhaupt keine Veranlassung. Wir haben einen konkret ausformulierten Entwurf vorgelegt, der mutig ist. Wenn man das mit älteren SPD-Positionierungen vergleicht, wird man das sehen. Sie sollten sich wirklich gelegentlich die Zeit nehmen, um unseren Entwurf durchzulesen.

Unsere Position ist klar. Wir sagen Ja zu einem Entwurf, der eine maßvolle Novellierung vorsieht. Wir sagen Nein zu Ihrem Wettlauf zwischen den CDU-Bundesländern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Dr. Steffen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der Satz von Herrn Senator Nagel, dass es gar keinen Gegensatz von Freiheit und Sicherheit gäbe, ist ziemlich wichtig. Er macht deutlich, was hier nicht passiert, nämlich das genaue Nachdenken über das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit.

Ich halte diesen Satz tatsächlich für gefährlich, weil er suggeriert – das ist die Intention –, dass es, umso mehr Sicherheit es gibt, desto mehr Freiheit geben würde. Das ist das, was uns Senator Nagel sagen will. Dieser Satz ist historisch und auch im internationalen Kontext einfach falsch.

(Beifall bei der GAL)

Wir brauchen nicht unbedingt unsere eigene deutsche Geschichte zu bemühen. Es ist sicherlich schwer, hier einen Vergleich zu ziehen. Aber wenn man sich ansieht, wie die USA auf die Anschläge des 11. September rea

giert haben und was dann alles im Hinblick mit der Sicherheit begründet wurde, dann werden Ihnen viele US-Bürger sagen, dass das tatsächlich zu einer massiven Einschränkung von Freiheitsrechten geführt hat. Vieles, was die USA von uns unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit verlangen – wie etwa beim internationalen Flugverkehr –, wird von uns ganz einhellig abgelehnt. Deswegen darf man es sich nie so einfach machen zu sagen: Ein Gegensatz von Freiheit und Sicherheit gibt es nicht. Das ist gefährlich.

(Beifall bei der GAL)

Sie versuchen, diesen Gegensatz aufzulösen, indem Sie sagen, dass es das Verantwortungsbewusstsein bei der Polizei und der Justiz geben würde. Ich glaube an das Verantwortungsbewusstsein von Polizeibeamtinnen und -beamten und ich glaube auch an das Verantwortungsbewusstsein von Richterinnen und Richtern, weil ich mich mit beiden Berufsgruppen oft genug austausche. Ich weiß, dass unsere Polizei tatsächlich mittlerweile – in der gesamten Bundesrepublik hat die Polizei einen bestimmten Weg zurück gelegt, und zwar weg von der obrigkeitsstaatlichen Organ, hin zu einem Organ, wie es tatsächlich in einem demokratischen Staat gebraucht wird – diesen Weg gegangen ist, denn die Polizeiausbildung legt sehr großen Wert darauf.

Aber zwischen diesen beiden Berufsgruppen besteht ein großer Unterschied. Polizistinnen und Polizisten sind an Weisungen gebunden. Das heißt, dass es im Zweifelsfall überhaupt nicht darauf ankommt, was in dem Kopf des einzelnen Beamten vorgeht, was er für richtig oder falsch hält, sondern er hat eine Weisung auszuführen. In dieser Kette stehen ganz oben die politischen Verantwortungsträger.

Man muss überhaupt nicht weit in der Geschichte zurückgehen, auch nicht ins Ausland gehen und den bundesdeutschen Vergleich bemühen. Wir müssen nur einmal nach Hamburg schauen, was hier tatsächlich möglich gewesen ist und wie die Polizei für den politischen Meinungskampf unter dem Innensenator Schill instrumentalisiert konnte. Das ist genau der Punkt, an den man denken und wo man aufpassen muss, dass die Polizei keine unbeschränkten Befugnisse bekommen darf.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Dass bei einzelnen Polizeibeamten, die auch Führungsverantwortung haben, der Schillsche Geist noch nach wie vor weht, konnten wir vor einigen Wochen in Ottensen beobachten. Das ist meiner Meinung nach hoch problematisch, dass hier in die Versammlungs- und Kunstfreiheit so beliebig eingegriffen wird, indem man sagt, Punker in dem Stadtteil nicht haben zu wollen. Das ist ein bedenklicher Anfang. Diesem Vorgehen müssen Sie, Herr Senator, einen Riegel vorschieben, wenn Sie hier mit Ihrer Argumentation glaubwürdig bleiben wollen.

(Beifall bei der GAL)

Wir haben über die konkreten Befugnisse gesprochen, insbesondere über die Personenkontrollen, von denen Sie sagen, dass diese nicht verdachtsunabhängig seien. Wir haben auch über die Videoüberwachung gesprochen. Ich sage Ihnen, dass diese Personenkontrollen verdachtsunabhängig sind, weil sie unabhängig davon sind, ob gegen die Person, die kontrolliert wird, ein Verdacht vorliegt. Das ist ganz deutlich gesagt worden. Wir haben es nochmals – zum xten Mal – in der Stellungnahme des

Datenschutzbeauftragten nachgelesen; Herr Dressel hat es eben auch angesprochen: Es kommt nicht darauf an, ob gegen die Person ein Verdacht vorliegt, es kommt nur darauf an, ob für das Gebiet eine Lage vorliegt. Wenn diese Lage gegeben ist, dann kann innerhalb dieses Gebietes jede Person kontrolliert, ihre Identität festgestellt und sie auch durchsucht werden.

Zur Videoüberwachung ist auch deutlich gesagt worden, dass wiederholte Straftaten, Nötigungen auf einer Straßenkreuzung, Urheberrechtsverletzungen reichen, die in jedem Wohngebäude stattfinden können. Wer regelmäßig ins Kino geht, weiß, dass man beim Verstoß gegen das Urheberrecht für fünf Jahre ins Gefängnis wandern kann. Das ist wirklich eine Straftat. In jedem Mehrfamilienhaus ist es schon mehrfach zu solchen Straftaten gekommen. Hier wäre die Ermächtigung gegeben, eine Videoüberwachung in die Wohnung hinein – es ist kein öffentlicher Raum; hier würden Sie mir widersprechen – zu machen, wenn diese Straftaten wiederholt vorkommen.

Sie sagen, eine Videoüberwachung würde ganz klar einen Sicherheitsgewinn bringen. Wir haben in den Anhörungen eindeutig gehört, dass das so nicht richtig ist. Videoüberwachung bringt dann einen Sicherheitsgewinn, wenn an den Monitoren Personal sitzt, das dann veranlassen kann, dass Polizisten den Ort aufsuchen und einschreiten können, wo die Straftaten begangen werden. Unter den Bedingungen haben wir auch nichts dagegen, wenn das auf diese Fälle eingegrenzt würde, wo das möglich ist und wo tatsächlich solche Kriminalitätsschwerpunkte gegeben sind.

Sie schreiben aber in das Gesetz die Möglichkeit hinein, das überall zu machen. Man kann es nur wiederholen: Warum wollen Sie das? Es geht tatsächlich darum – das gilt für diese beiden Ermächtigungen, die ich beispielsweise herausgegriffen habe –, dass im Zweifelsfall die Polizei das tun kann, was sie selbst für richtig hält. Da ist es für die Bürgerinnen und Bürger eben nicht mehr nachvollziehbar, ob sie diesen Eingriff der Polizei über sich ergehen lassen müssen oder nicht.

Ich bin mir auch absolut sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger das als schwerwiegenden Eingriff empfinden, wenn sie, ohne dass sie in irgendeiner Weise gegen Gesetze verstoßen haben, Kontrollen ihrer Taschen über sich ergehen lassen und ständig befürchten müssen, durch Video überwacht zu werden. Es gibt in dieser Stadt sicherlich viele Bürgerinnen und Bürger, die vieles dagegen haben und die es überhaupt nicht einsehen, dass sie als unbescholtene Bürger diesen Kontrollen unterworfen werden.