Protokoll der Sitzung vom 23.06.2005

Die Begeisterung für dieses Projekt teile ich. Sie wissen, dass mir diese technischen Möglichkeiten sehr am Herzen liegen. Mich stört aber, wenn von dieser Stelle so getan wird, als könne man mit Internetbeteiligung einen Dialog mit allen Bürgern dieser Stadt führen, um ein repräsentatives richtiges Bild zu erhalten. Das stimmt nicht und das wissen Sie auch.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wenn Sie sich anschauen, wie in anderen Städten solche Bürgerbeteiligungsprojekte zum Thema Haushalt durchgeführt werden – in Nordrhein-Westfalen gibt es Kommunen, in denen das gemacht wird, dort gibt es Bürgerhaushalte –, dann ist das Erste, mit dem man so etwas beginnt, eine Informationskampagne und eine Offenlegung von Zahlen, Erläuterungen und dessen, was im Haushalt passiert. Deswegen auch unser Zusatzantrag. Wenn man so etwas machen will, muss man offen legen, was das Ausscheiden von 28 000 Menschen aus dem öffentlichen Dienst in den nächsten Jahren bedeutet, welche Aufgaben bisher von diesen Menschen mit welchem Aufwand geleistet werden und was das kostet. Alle diese Informationen sehen Sie gar nicht vor. Sie gehen

sozusagen mittenmang herein, stellen ein Forum ins Netz und glauben, das würde ausreichen, um einen echten Dialog zu initiieren. Das stimmt nicht.

Und noch einmal: Mit wem reden Sie eigentlich? Sie reden nicht mit allen. Ich bin begeistert vom Internet, ich nutze es, obwohl ich nicht in allen Attributen, die ich gleich aufzähle, dem typischen Internetbenutzer entspreche.

(Wolfhard Ploog CDU: Was macht der typische In- ternetbenutzer?)

Aber ich weiß, dass es nicht repräsentativ ist, dass der typische Internetbenutzer trotz aller Veränderungen immer noch derjenige ist, der männlich ist, der eher jünger ist als der Altersdurchschnitt, der eher besser gebildet ist als der Durchschnitt. Ihr ganzer Dialog findet nur mit einer ausgewählten Gruppe von Menschen statt. Das ist ein Problem. Sie haben, als Sie hier vorne standen, kein einziges Wort dazu gesagt, wie Sie mit diesem Problem umgehen wollen. Natürlich ist internetgestützter Bürgerdialog eine ganz phantastische Sache. Aber wenn man ihn führt, ist er ein Baustein in einem Konzept des Dialogs und er kann nicht alle anderen Kommunikationsformen ersetzen. Wer das glaubt, der irrt. Wir finden den Baustein richtig, aber an Ihrem Dialog und an Ihrer Beteiligungsart mit der Bevölkerung, müssen Sie noch ordentlich arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Maier.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Als ich die Überschrift des Antrags gelesen habe, habe ich gedacht, was ist denn nun los, die CDU für Bürgerbeteiligung, während wir ansonsten ständig Vorstöße haben, Bürgerbegehren zu erschweren. Dann habe ich den Antrag durchgelesen und mir gesagt, ach, so ist das, es ist eine Bürgerbeteiligung ohne rechtliche Bindung des Senats gemeint. Das ist das Geheimnis. Man darf mitreden, moderiert werden soll der Prozess und die Bürgerbeteiligung besteht darin, dass man darüber geredet hat.

Trotzdem werden wir zustimmen. Es ist interessant, dass an eine Bürgerbeteiligung gedacht wird, die nichts mit Entscheiden zu tun hat, sondern nur mit parallelem Quatschen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Dann beziehen Sie sich in Ihrer Presseerklärung auf das Beispiel des Bürgerhaushalts in Porto Alegre im Süden Brasiliens. Was ist denn da das Besondere?

(Wolfhard Ploog CDU: Schöner Hafen!)

Es handelt sich auch nicht um ein winziges Dörfchen, sondern um eine Stadt mit 1,3 Millionen Einwohnern. Da ist nicht die Rede von etwa 1000 Beteiligten, sondern allein in aktiven Foren sind 30 000 Menschen beteiligt. Das Interessante ist, dass diese aktiven Foren nach regionalen und thematischen Gesichtspunkten gegliedert sind. Die Zusammensetzung ist so, dass an den thematischen Foren faktisch Leute mit höheren Einkünften teilnehmen und an den regionalen auch Leute mit niedrigen Einkünften. Insgesamt ist aber bei den Verfahren tatsäch

lich die Gesamtbevölkerung – also alle sozialen Schichtungen der Stadt – einigermaßen repräsentativ beteiligt.

Zum Zweiten ist es so, dass das, was in einem sehr komplizierten Prozess an Bürgerentscheidungen herauskommt – die erstellen einen richtigen Haushalt –, den Stadtrat bindet. Er ist zwar nicht formell daran gebunden, aber noch nie hat ein Stadtrat riskiert, von dem abzuweichen, was aus dem Prozess herausgekommen ist.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL – Antje Möller GAL: Das wäre doch etwas!)

Eine solche Bindung haben Sie aber überhaupt nicht vor – im Gegenteil –, man soll einmal darüber geredet haben.

Des Weiteren ist dieser Prozess so gestaltet, dass im Zentrum nicht etwa die Betriebsausgaben stehen, weil die ausgesprochen komplex sind, sondern die großen Investitionen, beispielsweise Investitionen in den Hafen, in die Schulen oder in die Hochschulen, was relativ übersichtliche Thematiken sind. Sie würden weglaufen, wenn dieser Vorschlag käme, solche überschaubaren Themen in bürgerliche Entscheidungshände zu legen. Von wegen Vorbild Porto Alegre, Sie denken überhaupt nicht daran, sondern es klingt ein bisschen nach "wir haben ja die Bürger daran beteiligt".

Über die klassenmäßige Beschränkung des Zugangs zum Internet war jetzt eben schon gesprochen worden.

Trotzdem werden wir dem Antrag zustimmen. Wir akzeptieren auch, ihn an den Haushaltsausschuss zu überweisen, und finden das vernünftig. Wir haben allerdings noch gar keine Vorstellung davon, wer das im Haushaltsausschuss wie gestalten soll. Soll der Antrag an den Haushaltsausschuss überwiesen werden, damit man darüber reden kann, wie das gestaltet werden soll?

(Zuruf von der CDU)

Der Haushaltsausschuss soll es machen, aber er soll nicht darüber reden? Wie ist das Verfahren jetzt gedacht? Da beginnt die Mitarbeit schon etwas zu stocken.

Wir beschließen also die ganze Sache. Wir haben den Eindruck, es wird ein Mäuschen gestreichelt.

(Olaf Ohlsen und Wolfhard Ploog, beide CDU: Und dann legen wir los!)

Mal sehen, ob das Mäuschen springt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, kommen wir zur Abstimmung. Zunächst zum CDU-Antrag aus der Drucksache 18/2409 in der Neufassung.

Wer möchte diesen beschließen, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig angenommen worden.

Zu Ziffer 3 des Antrags bedarf es einer zweiten Lesung.

Stimmt der Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erkennen.)

Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Das ist nicht der Fall. Wer möchte den soeben in erster Lesung gefassten Beschluss in zweiter Lesung fassen, den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig angenommen. Das

ist auch in zweiter Lesung und somit endgültig beschlossen worden.

Wer stimmt dem SPD-Antrag aus der Drucksache 18/2460 zu, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist abgelehnt.

(Gesine Dräger SPD: Bloß nicht zu viele Informa- tionen!)

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 47, Antrag der CDU-Fraktion: Einbürgerungsfeiern auch in Hamburg einführen.

[Antrag der Fraktion der CDU: Einbürgerungsfeiern auch in Hamburg einführen – Drucksache 18/2411 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 18/2461 ein Antrag der SPD-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der SPD: Einbürgerungen – Fördern und Feiern! – Drucksache 18/2461 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Kraxner.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der uns heute vorgelegte Prüfantrag zur Einführung von Einbürgerungsfeiern in Hamburg greift ein Thema auf, das als Erfolgsmodell der Migrationspolitik – so auch die Meinung des Europäischen Forums für Migrationsstudien – gehandelt wird. Worum geht es im Einzelnen?

Integration ist das Leitmotiv der aktuellen migrationspolitischen Debatte.

(Antje Möller GAL: Aber nicht in Hamburg!)

Sie ist ein gesamtpolitischer Prozess, der jeden Einzelnen – wenn auch in unterschiedlichem Maße – betrifft. Man kann nicht einseitig über Integrationswilligkeit von Migranten und Migrantinnen reden, ohne zugleich die Integrationsfähigkeit von Staat und Gesellschaft einzufordern.

Integration ist weder ausschließlich Privatsache noch eine allein vom Staat zu bewältigende Aufgabe. Die Umsetzung von konkreten Integrationsangeboten ist zwar auf zivilgesellschaftliches Engagement und auf die Institution der Zivilgesellschaften angewiesen. Zwingend erforderlich ist jedoch – hier setzt die vorgelegte Initiative an – die Bereitstellung einer integrationsfördernden Infrastruktur durch Bund, Länder und Kommunen.

(Beifall bei der CDU)

Ein umfassendes staatliches Grundangebot zur Integration muss dabei die Zielsetzung verfolgen, sämtliche integrationsbegleitenden und integrationsfördernden Möglichkeiten auszuschöpfen.