Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf, die Drucksache 18/3070, Bericht des Sozialausschusses: Aufbruch in der Opferschutzpolitik, und: Opferschutz ernst nehmen.
[Bericht des Sozialausschusses über die Drucksachen 18/2096: Aufbruch in der Opferschutzpolitik (Antrag der GAL) 18/2149: Opferschutz ernst nehmen (Antrag der SPD) – Drucksache 18/3070 –]
Fangen wir mit dem Positiven beim Thema Opferschutz an: Nach mehrmonatiger Beratung haben wir uns im Sozialausschuss auf weiter Strecke auf eine überparteiliche Opferschutzinitiative einigen können. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, vor allem, weil es bei diesem Thema gut ist, dass wir in bestimmten Bereichen keinen Streit über Fraktionsgrenzen hinweg haben. Nichtsdestotrotz, nach monatelangem Auf-Zeit-Spielen haben Sie, Frau Spethmann, wenige Tage vor der Bundestagswahl – der Wahlkampf lässt grüßen – Ihre Fraktion auf Kurs gebracht. Ihnen persönlich nehmen wir das Engagement dort durchaus ab. Aber der Rest Ihrer Fraktion – so ist jedenfalls unsere Einschätzung – denkt, bei anständiger Kriminalitätsbekämpfung bräuchten wir keinen Opferschutz. Weit gefehlt, meine Damen und Herren.
Leider haben Sie vieles, was an Vorschlägen auf dem Tisch lag, verwässert und in folgenlose Berichts- und Prüfungsersuchen umgewandelt. Peinlich ist insbesondere Ihr Begehren, der Senat solle Finanzbedarf im Opferschutz ermitteln. Was soll das? Die Zahlen liegen alle auf dem Tisch. Wir wissen alle ganz genau, wo es Kürzungen gegeben hat. Da wäre von Ihrer Seite mutiges Gegensteuern gefragt gewesen. Es ist sehr traurig, dass Ihnen da der Mut gefehlt hat.
Kommen wir zu den noch weniger lobenswerten Dingen. Insofern ist es gut, dass die Sozialsenatorin dort auf der Senatsbank Platz genommen hat, denn sie ist ja seit knapp einem Jahr für den Bereich des Opferschutzes zuständig. Sie hat die Zuständigkeit vom Justizsenator übernommen. Nun könnte man ja sagen, es sei schon einmal gut, dass nicht mehr Roger Kusch für das Thema zuständig ist, denn er hat sich überhaupt nicht um das Thema gekümmert. Aber weit gefehlt: Auch bei diesem Thema, Frau Sozialsenatorin Schnieber-Jastram, haben Sie sich bislang ein rechtes Armutszeugnis ausgestellt. Bisher haben Sie es nämlich nur geschafft, in Ihrem Bereich die ministeriellen Kompetenzen im Opferschutz zu bündeln. Davon haben aber die Opfer von Straftaten
nichts. Diese wollen an die Hand genommen werden und zu Opferhilfe-Einrichtungen weitergeleitet werden. Bei der zentralen Aufgabe, um die es geht, nämlich die Lotsenstelle für den Opferschutz mit einer 24-Stunden-Hotline zu realisieren, haben Ihre Behörde, Sie als Senatorin und Ihr Staatsrat außer Sprechblasen bisher nichts vorzuweisen gehabt.
Das ist peinlich, vor allem, wenn man sich anschaut, dass dieser Antrag auch aus Ihrer Fraktion kam. Frau Spethmann wird sich an die Drucksache noch erinnern. Sie steht dort oben bei der beantragenden Fraktion ganz vorn. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie dies gegenüber dem Senat viel deutlicher eingefordert hätten.
Die Opfer von Straftaten und die Bürger insgesamt warten auf diese Lotsenstelle. Insofern kann man bei diesem Punkt nicht gerade das Gefühl haben, dass bei Ihnen das Thema Opferschutz wirklich in den richtigen Händen ist, Frau Senatorin.
Etwas mehr Opferschutzengagement – vielleicht nicht heute, da er gerade nicht da ist – kann man beim Kollegen Nagel feststellen. Er hat jetzt das Opferschutzkommissariat gegründet. Drei Jahre hat es gebraucht, bis es im LKA Wirklichkeit geworden ist.
(Bernd Reinert CDU: Wie viele Jahre hat es das also nicht gegeben? 44 Jahre! – Gegenruf von Petra Brinkmann SPD: Das ist doch bescheuert, was Sie da sagen!)
Darum geht es an dieser Stelle nicht, da dies eine Sache ist, die neu gebündelt wurde. Warten Sie ab, ich habe gerade sogar etwas Positives gesagt: dass Sie es jetzt endlich auf den Weg gebracht haben.
Die Frage ist, ob dieses Opferschutzkommissariat hält, was es verspricht. Dazu brauche ich gar nicht meine eigene Position vorzutragen, sondern nur, was der Bund der Deutschen Kriminalbeamten dazu gesagt hat. Dieser spricht nämlich von einer Mogelpackung. Bestimmte Sachen kann man nämlich einfach an der Organisation dieses Opferschutzkommissariats ablesen. Sie haben dort bestimmte Sachen mit einem neuen Türschild versehen, die bereits existierten. Auch an dieser Stelle sind also deutliche Differenzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit festzustellen.
Man könnte die Liste beliebig verlängern. Ihr Stillstand beim Ausbau von Zeugenbetreuungszimmern, Ihr Knausern bei der Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz und Ihr unwürdiges Gezerre um die Zukunft der rechtsmedizinischen Untersuchungsstelle sind nur einige Beispiele und das bei steigenden Opferzahlen. Herr Ahlhaus, Sie sagen immer, wir hätten weniger Opfer in Hamburg. Das stimmt nicht. Die Opferzahlen haben zugenommen, 2004 waren es 6,4 Prozent plus. Das ist eine Zahl, die Sie gelegentlich zur Kenntnis nehmen sollten.
Dazu gehört auch – damit komme ich zu unserem Zusatzantrag –, dass wir in Hamburg die Vorreiterrolle nicht verspielen dürfen, die wir bei der Bekämpfung häuslicher Gewalt innehatten, sondern sie verteidigen müssen. Deshalb haben wir einen Zusatzantrag eingebracht, der das Thema Gewaltschutz noch einmal in den Mittelpunkt rückt. Wir wollen damit Lücken, die zwischen dem Ge
waltschutzgesetz des Bundes und dem Hamburger Polizeirecht bestehen, nach dem Vorbild Rheinland-Pfalz schließen. Auch wenn wir das im Rahmen des Polizeirechtes schon einmal diskutiert haben – das ist richtig –, setzen wir dies so lange wieder auf die Tagesordnung, bis bei Ihnen der Groschen gefallen ist. Sie sollen sich noch einmal mit der Sache auseinandersetzen, denn die Zahlen sprechen für sich: Hamburgweit gab es im Jahr 2004 knapp 900 polizeiliche Wegweisungen eines Gewalttäters auf Basis des Polizeigesetzes. Allerdings stellten nur 238 Opfer im gleichen Zeitraum einen Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz. Hier muss das Opfer selbst aktiv werden. Dem Opfer wird auferlegt, selbst zum Zivilgericht zu gehen und diesen durchaus aufwändigen Antrag zu stellen. Wir sollten erwägen, ob wir dies nicht durch Instrumente im Polizeigesetz ergänzen, nämlich mit dem Kontakt- und Näherungsverbot, das im Gewaltschutzgesetz steht. Wir würden der Polizei noch zusätzliche Möglichkeiten gegen Schläger und andere Gewalttäter an die Hand geben, wenn wir dieses im Polizeigesetz implementieren würden.
Zu dem anderen Punkt möchte ich nichts weiter sagen. Das Berichtsersuchen spricht für sich. Nur zu den Zahlen möchte ich etwas sagen: 50 Prozent der Gewalttaten in Hamburg spielen sich im Familien- und Bekanntenkreis ab. Wir wollen mit unserem Berichtsersuchen umfassend Klarheit erhalten, wo wir in Verhältnissen sozialer Nähe ansetzen können, um präventiv etwas zu tun. Was passiert, was kann noch getan werden? Wir können uns vielleicht alle hinter dem Motto versammeln "Null Toleranz für Gewalt in der Familie". – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dr. Dressel, ich finde es erstaunlich, dass Sie bei medienwirksamen Auftritten dabei sind, die eigentliche Arbeit aber Ihre Frauen in der Fraktion machen müssen. Ich finde das ziemlich bezeichnend.
Bei der richtigen Arbeit, bei den einzelnen Initiativen und Opferschutzeinrichtungen habe ich Sie noch nie gesehen. Dort sehe ich immer nur Ihre Kolleginnen. Sie sind immer nur dort, wenn es um eine Pressemeldung geht oder darum, als erster zu reden. Die Fleißarbeit im Hintergrund aber machen Ihre Damen. Das finde ich bezeichnend für Ihre Einstellung zur Politik.
So ist auch der Opferschutz, den Sie betreiben. Opferschutz ist für Sie Medienarbeit, aber nicht mehr. Für uns ist es ein konstantes Arbeiten. In diesem Parlament arbeiten wir alle daran. Wir wollen mehr Opferschutz. Wir sind hier gar nicht unterschiedlicher Auffassung. Lassen Sie deshalb doch diese Effekthascherei, kommen Sie lieber zu den sachlichen Punkten.
Wir haben in den letzten Jahren häufig über dieses Thema beraten. Wir haben im Ausschuss lange und ausgiebig beraten. Wir haben sehr viel von den Behörden erfah
ren. Der Senat hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von Punkten umgesetzt, auch der rotgrüne Senat. Frau Peschel-Gutzeit hat auch bundesweit als Vorreiterin viel getan. Dieser Senat hat diese Arbeit fortgesetzt. Die CDU-Fraktion unterstützt diese Arbeit. Es gibt Punkte, die man noch verbessern kann. Ich komme aber auch auf vieles, das erfolgreich ist.
Erstens, in der Justiz: Das Opfer wird im Strafverfahren erheblich mehr geschützt als noch vor ein paar Jahren. Ich erinnere mich an Diskussionen vor zehn, 15 Jahren, da war das Opfer wirklich Opfer. Heute ist es Teil des Strafverfahrens. Es gibt den Opferanwalt. Es gibt die Videovernehmung. Es hapert vielleicht manchmal bei dem einen oder anderen Richter in der Umsetzung, da sie nicht verstehen, wie man so etwas technisch und menschlich am besten umsetzt. Es gibt die Zeugenbetreuung. Diese Zeugenbetreuung in Hamburg ist bundesweit einmalig. Wenn Sie dort von einem Ausbau sprechen, Herr Dr. Dressel, muss man sich fragen, ob es sich lohne, in einem Außengericht eine solche Vielzahl von Mitarbeitern vorzuhalten, wie Sie es fordern, oder ob das System nicht besser ist, das hier läuft. Im Bedarfsfall werden bei manchem kleinen Außengericht die Zeugenbetreuer erscheinen, aber nicht dauerhaft vorrätig gehalten werden. Ich halte diese Lösung für richtig und für kompatibel. Als Anwältin weiß ich, dass sie auch umsetzbar ist, da man jederzeit so etwas nach vorheriger Absprache machen kann. Gerichtsverhandlungen finden nicht spontan statt, sondern sind meistens planbar.
Es gibt Forderungen, über die man noch nachdenken kann: was die Nebenklage in Jugendverfahren angeht oder den Opferanwalt bei schweren Delikten. Ich weiß, da bin ich teilweise mit der GAL nicht einer Meinung, sonst sind wir dort oft einer Meinung.
ist eine große Ungerechtigkeit. Dieses Opferkommissariat besteht aus drei Sachgebieten, aber das Entscheidende ist das Referat Opferschutz. Es hat sechs Stellen. Davon ist eine nicht besetzt. Das ist die zukünftige Stelle des Leiters dieses Kommissariats. Es soll natürlich nicht ständig für Opfer zur Verfügung stehen, sondern die Mitarbeiter der Polizei schulen. Was gibt es Besseres, als wenn alle Mitarbeiter für Opfer sensibilisiert sind? Das ist doch das Entscheidende.
(Dr. Andreas Dressel SPD: Dann hat der Bund der Kriminalbeamten also gelogen! – Unmutsbekun- dungen bei der SPD)
Als nächstes: die Koordinierungsstelle bei der Behörde für Soziales. Die CDU hat dieses Referat gefordert. Es ist mit Senatsmitteln umgesetzt worden. Wir sind sehr froh darüber. Ein solches Opferschutzreferat ist einmalig in Deutschland. Wir danken dem Senat, dass es gelungen ist, dieses Projekt zu initiieren.
Dieses Opferschutzreferat hat nicht die Aufgabe, jede einzelne Aufgabe im Opferschutz zu lösen. Es soll auf rein ministrieller Ebene alles zusammenfassen. Es muss für den Senat eine Meinung bilden. Es war deshalb sehr wichtig. Dort findet sich Fachkompetenz. Die Mitarbeiter haben sich in vielen Opferprojekten bewährt, sind am Runden Tisch und an Arbeitskreisen beteiligt und sind im Arbeitskreis Stalking, aber auch bundesweit beteiligt. Es sind exzellente Mitarbeiter, die dort hervorragende Arbeit leisten können und alles zusammenfassen. Deshalb ist es auch richtig, diese Stelle in der Sozialbehörde anzusiedeln, weil dort die meisten Projekte laufen.
Sie haben es bestritten, Herr Dr. Dressel. Sie haben gesagt, es sei dem Justizsenator entzogen worden. Bei ihm sei es nicht richtig gewesen.