Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

Um es zusammenzufassen, man muss ein bisschen aufpassen, dass wir nicht bei den administrativen und repressiven Ansätzen hängen bleiben, sondern auch an die gesellschaftspolitischen und sozialen Aspekte von Gewalt und insbesondere häuslicher Gewalt in unserer Gesellschaft näher herankommen.

Meine Kritik richtet sich ein wenig an Ihren Antrag, Herr Dressel, weil ich der Überzeugung bin, dass eine Verschärfung des SOG, wie Sie sie vorschlagen, nicht wirklich hilfreich ist. Ich bin der Meinung, dass die Dinge, die Sie der Polizei übertragen wollen, eigentlich in richterliche Hände gehören und Sie öffnen das nicht nur zum Thema häusliche Gewalt, sondern auch für andere Gewalttaten. Hinsichtlich Befristung, Kontakt und Näherungsverbote ist alles viel zu offen, was aus meiner Sicht so nicht in Ordnung ist. Das ist eine Aufgabe, die ein Richter oder eine Richterin zu entscheiden hat und nicht die Polizei. Daher werden wir diesem Teil Ihres Antrags auf gar keinen Fall folgen.

Die Berichtsersuchen in Teil 1 Ihres Antrags kann man so durchführen, aber auch hier sehe ich, dass Sie eher einen Schwerpunkt auf repressive, polizeiliche Maßnahmen legen und der Anteil an Ideen zu sozialpolitischen Maßnahmen überaus gering ist. Ich finde, in dem Bereich müssen wir uns alle gemeinsam noch ganz heftig anstrengen, insbesondere natürlich der Senat, wenn er nicht will, dass das, was auf den Weg gebracht worden ist, nur

als Strohfeuer verpufft, sondern tatsächlich auch ein Dauerbrenner wird.

Gemessen werden Sie mit Sicherheit schon sehr bald, wenn Sie Ende des Jahres oder Anfang des nächsten Jahres Ihr Konzept zu den Frauenhäusern vorlegen. Hier wird sich dann zeigen, wenn Sie Vorschläge zur Frauenhaussituation unterbreiten, ob es Ihnen tatsächlich mit den Maßnahmen zur Hilfe der Opfer ernst ist und es möglicherweise nicht nur einseitig um Verfolgung von Tätern geht. Dann wird sich auch zeigen, ob es geeignete Kapazitäten, Finanzierungen und Qualität für Beratung und Unterbringung der Opfer von häuslicher Gewalt gibt und ob man auch den spezifischen Erfordernissen von Migrantinnen gerecht wird. Das sind genau die Fragen, bei denen Sie bisher noch keine ausreichenden Akzente gesetzt haben.

Ich glaube auch, dass man Opfer nicht noch zu Opfern von Sparzwängen machen kann. Das sollte man unter gar keinen Umständen tun und ich fordere Sie auf, auch auf dieser Ebene endlich Taten folgen zu lassen. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Brinkmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Spethmann, jetzt kommen die Frauen der Fraktion. Wir haben hier eine ganz klare Arbeitsteilung. Die rechtliche Position hat Herr Dr. Dressel vertreten und ich führe die sozialpolitische Diskussion. So war das von vornherein völlig klar abgegrenzt.

Ich denke, Sie haben auch Recht, Frau Spethmann, wenn Sie sagen, dass es viele Punkte gibt, in denen wir uns einig sind und dass in der letzten Zeit auch einiges passiert ist. Aber es bleiben für unsere Fraktion nach wie vor kritische Punkte und auch Anmerkungen.

Und ich kann es nicht unterlassen, dass ich zu dem Punkt Interventionsstellen noch etwas ergänzen muss, Frau Lappe. Sie haben zwar Recht, die Interventionsstelle ist nicht auf Forderung der Regierungsfraktion oder freiwillig und gern durch den Senat entstanden, sondern es gab ein Bundesgesetz der rotgrünen Bundesregierung, das so genannte Opferschutzgesetz. Danach waren die Länder einfach verpflichtet, diese Interventionsstellen einzurichten. Sie haben diese Stellen von den Frauenhäusern finanziert, indem Sie ihnen 200 000 Euro genommen haben. Dass Sie sich hiermit schmücken, finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD)

Es mag sein, dass wir vielleicht nicht genügend Ausdauer haben, aber uns gefällt es überhaupt nicht, wie die Arbeit in dem Ausschuss verlaufen ist. "Der Berg kreiste und er gebar eine Maus". So kann man die Arbeit in den letzten Monaten zu diesem Thema im Sozialausschuss beschreiben.

Schon während der ganzen Legislaturperiode haben die Oppositionsparteien den Senat und die Regierungsfraktion mit Anträgen zum Opferschutz konfrontiert. Seit April haben wir das Thema im Sozialausschuss gehabt. Dreimal haben wir das Thema auf Wunsch der CDU-Fraktion mit der Ankündigung verschoben, einen haushaltsrelevanten Antrag zu erhalten, der in der Fraktion intensiv

beraten und natürlich mit dem Senat abgestimmt werden musste.

Der so entstandene und lange angekündigte Antrag der CDU bringt als Ergebnis überhaupt nichts Neues. Es werden Forderungen aus den Anträgen der SPD und GAL genannt und der von der Opposition vorgeschlagene Landesaktionsplan, über den Sie vorhin auch noch einmal berichtet haben, wird dem Senat zur Umsetzung empfohlen. Die darin aufgeführten Punkte sind wiederum alles Forderungen der Opposition.

Wir begrüßen es natürlich, dass auch Sie sich endlich Gedanken zur Betreuung und Versorgung von Kindern machen, die mittelbar an den Gewalthandlungen beteiligt sind und häufig dadurch lebenslange traumatische Schäden erleiden müssen.

Aber, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, war es nicht Ihr Senat, der in den Frauenhäusern alle Psychologenstellen gestrichen und eingespart hat? Und ist es nicht die CDU-Fraktion, die die Bearbeitung des Themas psychisch kranker Kinder in den Ausschüssen jetzt seit Monaten, seit Mai, vertagt und immer weiterschiebt?

(Dirk Kienscherf SPD: So sind sie!)

Hier ist die Polizei schon ein ganzes Stückchen weiter. Die Polizei hat zum Opferschutztag eingeladen und schreibt dann in ihrer Einladung, die ich gerade heute erhalten habe und Ihnen gern vorlesen möchte:

"Ergänzend dazu meldet die Polizei regelhaft Sachverhalte an die Jugendämter, wenn bei einem Einsatz bei häuslicher Gewalt Kinder im Haushalt leben, denn was leider häufig vergessen wird, ist die Tatsache, dass Kinder Leidtragende von häuslicher Gewalt sind, da sie die Gewalt zwischen Eltern alltäglich erleben müssen."

Das sollten Sie sich einmal hinter die Ohren schreiben und dann sollten wir endlich einmal in diesem Punkt zu Potte kommen.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Verena Lappe GAL)

Es macht schon sehr nachdenklich, wenn Sie jetzt nach drei Jahren der Diskussionen und Kürzungen in diesem Bereich den Senat auffordern, den Finanzierungsbedarf zu ermitteln und zu prüfen, wie dieser gedeckt werden kann.

Sie sprechen in Ihrem Antrag auch das Modell der Stiftung an. Das hat die SPD-Fraktion schon 2002 in zwei Anträgen eingebracht und wir haben hierüber eine ausführliche Debatte geführt, in der Sie die Möglichkeiten der Finanzierung durch eine Stiftung vehement abgelehnt haben.

Schön, dass auch Sie die Chance erkannt haben und auf unseren Vorschlag zurückkommen. Schade, dass dieser Senat die seinerzeit vorhandenen Mittel aus der Gewinnabschöpfung heute in den allgemeinen Haushalt zurückfließen lässt und dass Ihnen heute hierfür gar kein Geld mehr zur Verfügung steht. Das ist auch schade für den Opferschutz in Hamburg, für den wir dringend eine gesicherte und verlässliche Finanzierung gebrauchen können.

Und ein letztes Wort an die Frau Senatorin. Heute hat das Spendenparlament Anträge beschlossen und in der Zeitung veröffentlicht. Es müsste Ihnen eigentlich zu

denken geben, dass über 90 Prozent der Anträge an Frauenberatungsstellen und an Frauenprojekte gehen, also überall an solche Projekte, an denen Sie massiv gespart haben.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Verena Lappe GAL)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Zunächst zum SPD-Antrag aus der Drucksache 18/3150. Diesen möchte die GAL-Fraktion ziffernweise abstimmen lassen.

Wer möchte Ziffer 1 des SPD-Antrages annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

Wer stimmt Ziffer 2 des SPD-Antrages zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit abgelehnt.

Nun zum Bericht des Sozialausschusses aus der Drucksache 18/3070. Hierzu hat die SPD-Fraktion eine ziffernweise Abstimmung beantragt.

Wer möchte Ziffer 1 der Ausschussempfehlung folgen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Wer stimmt Ziffer 2 der Ausschussempfehlung zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Wer möchte Ziffer 3 a der Ausschussempfehlung folgen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.

Wer stimmt Ziffer 3 b der Ausschussempfehlung zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist bei vielen Enthaltungen so beschlossen.

Dann kommen wir zum Tagesordnungspunkt 19, Drucksache 18/3006, Antrag der GAL-Fraktion: Konsensuale Streitschlichtung fördern, Gerichte entlasten, Rechtsfrieden stärken – Gerichtliche Mediation in Hamburg einführen!

[Antrag der Fraktion der GAL: Konsensuale Streitschlichtung fördern, Gerichte entlasten, Rechtsfrieden stärken – Gerichtliche Mediation in Hamburg einführen! – Drucksache 18/3006 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Rechtsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Dr. Steffen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Gerichtliche Mediation – das ist mit einem Fremdwort verbunden. Was bedeutet Mediation eigentlich? Und damit Herr Müller-Kallweit nicht an der Sprachbarriere scheitert, will ich das Thema mit einer kleinen Geschichte einführen, und zwar mit dem Wiesbadener Lampenstreit. Einige von Ihnen wissen, dass ich aus Wiesbaden komme. Dort hat sich in den letzten Jahren eine sehr interessante Geschichte zugetragen,

(Wolfhard Ploog CDU: Werden Sie da eigentlich vermisst?)

und zwar in einer Bungalow-Einfamilienhaus-Siedlung, die in den Siebzigerjahren entstanden ist, wo sich die Nachbarn lange Jahre kannten und einer von dem anderen wusste, was er tut. Dann zog ein neuer Nachbar ein. Der neue Nachbar war ein junger Beamter des Bundeskriminalamtes. Das Haus gehörte seinem Vater. Dem jungen BKA-Beamten fiel nichts Besseres ein, als zuerst einmal den Garten kräftig auszulichten. Das stieß bei den Nachbarn natürlich auf ein gewisses Erstaunen und auf einen gewissen Widerstand. Sein direkte Nachbar war ein Amtsrichter.

(Wolfhard Ploog CDU: Zivilrichter oder Strafrich- ter?)

Ein Zivilrichter, was wirklich wichtig für die Geschichte ist.

Dieser junge BKA-Beamte kam auf die Idee, an seinem Hauseingang eine Lampe mit 60 Watt zu installieren, wie es von der Polizei empfohlen wird. Von diesem Moment an war der Frieden in dieser Siedlung gestört. Der Nachbar fand keinen Schlaf mehr, weil ihm die Lampe direkt in sein Schlafzimmer und auf sein Gesicht strahlte.

(Wolfhard Ploog CDU: Die Kripo empfiehlt ja auch Außenrollläden!)

Was passierte also dann? Der Richter erhob Klage, was auch zu ganz großen Verwicklungen führte, weil seine Kollegin, die mit ihm im dienstlichen Umgang per Du ist, darüber entscheiden musste. Der Befangenheitsantrag, den sie gestellt hatte, wurde abgelehnt. Sie hat dann entschieden, dass 40 Watt ein Vorschlag wäre, mit dem man leben könnte. Hiermit war der Kläger nicht zufrieden und er ist in die Berufung gegangen. Die Berufungsinstanz, das Landgericht, hat dann entschieden, dass die Lampe entfernt werden muss.