Protokoll der Sitzung vom 07.12.2005

Deshalb argumentieren Sie hier immer betriebswirtschaftlich mit den Belangen der Deutschen Bahn. Für die ist es selbstverständlich ein Gewinn, wenn sie sich die Hochbahn, ihren stärksten Konkurrenten auf nationaler Ebene – nämlich dem zweitgrößten –, einverleiben kann. Wenn Sie auf dessen Unternehmensentscheidungen Einfluss nehmen können, dann ist das im Interesse der Bahn, aber nicht zwingend im Interesse Hamburgs.

(Beifall bei der GAL – Farid Müller GAL: Schon gar nicht der Bürger!)

Dieses Interesse Hamburgs gilt es doch noch einmal zu definieren.

Herr Reinert, es ist ja schön, dass Sie vorhin noch einmal das Wort ergriffen haben. Sie werden sich sicherlich daran erinnern, als Sie, Frau Duden und ich damals – in unseren Funktionen als verkehrspolitische Sprecher der Fraktionen – von der Bahn in den Bahnbeirat berufen

wurden. Sie werden noch wissen, dass wir mit der Bahn einen Streit über den Satzungszweck dieses Beirats hatten. Die Bahn schrieb nämlich, der Bahnbeirat habe den Zweck, die Interessen der Deutschen Bahn zu vertreten. Wir waren uns über Ländergrenzen – auch mit unseren Kollegen in Schleswig-Holstein – und über Fraktionsgrenzen hinweg sehr schnell einig, dass es nur das Interesse des Bahnbeirats und unserer Mitarbeit im Bahnbeirat sein kann, den Schienenverkehr zu stärken, dass es also einen Unterschied zwischen Schienenverkehr und Deutscher Bahn gibt. Das sind keine Synonyme, auch wenn die Deutsche Bahn 90 Prozent des Schienenverkehrs anbietet. Deshalb müssen wir, wenn wir den Schienenverkehr ernsthaft fördern wollen, mehr Wettbewerb erreichen.

(Glocke)

Ich habe das Licht gesehen.

Deshalb müssen wir den Nutzen für Hamburg über Wettbewerb erreichen und nicht den Wettbewerb einschränken. – Danke.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Hesse.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir heute in der Aktuellen Stunde erleben, ist ein schleichender Prozess des Davonstehlens der Opposition aus der Mitverantwortung für unsere Stadt.

(Beifall bei der CDU und Oh-Rufe bei der GAL)

Das mag Ihnen nicht gefallen, es trifft aber leider die Realität. Bei der GAL kennen wir das, das ist vorhin mehrfach dargestellt worden, bei wie vielen Punkten sie sich kontraproduktiv verhalten hat, wenn es um die Interessen unserer Stadt geht. Bei der SPD finde ich das eher bedenklich in dieser Frage.

Es ist bedenklich, wenn der Kollege Egloff in dieser Debatte von "lokalpolitischer Besoffenheit" gesprochen hat, denn es trifft die Sache, über die wir heute diskutieren, nicht, lieber Kollege Egloff. Warum will die Deutsche Bahn nach Hamburg kommen? Ich kann es Ihnen sagen, liebe Kollegen. Weil wir mit der HHLA und mit der Hamburger Hochbahn zwei hervorragend aufgestellte Unternehmen auf dem Markt haben, die genau zur Deutschen Bahn passen.

(Michael Neumann SPD: Auf welcher Lohnliste stehen Sie eigentlich?)

Da findet die Deutsche Bahn zwei Unternehmen, die wunderbar für ihre Zukunftsentwicklung und für ihren weiteren Fortschritt notwendig sein könnten, und sagt, wir möchten uns dort beteiligen. Was sagen Sie, Kollege Egloff? Sie sprechen von lokalpolitischer Besoffenheit dieses Senats. Das trifft es nicht. Hier geht es um ein Geschäft zum Wohle zweier Vertragspartner, der Stadt Hamburg und der Deutschen Bahn, bei dem beide gewinnen und beide Vorteile erlangen können. Insofern sollten wir dieses Geschäft – sofern es zustande kommen könnte – unterstützen, wie es nur geht.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch etwas zur Zentrale sagen. Welche Gründe gibt es für die Deutsche Bahn, mit ihrer Zentrale oder mit ihrem Unternehmen in Berlin zu bleiben? Das hat mir noch keiner gesagt. Es gibt aber gute Gründe, nach Hamburg zu kommen, denn die Logistik, die Hafenwirtschaft sind in Hamburg. Hier ist die Zukunft, wo sich die Deutsche Bahn positionieren kann, und dieses ist zum Vorteil der Deutschen Bahn.

(Jörg Lühmann GAL: Das ist nicht ein und das- selbe!)

Ich kann mir kein Orchester vorstellen, das in Hamburg Musik macht, aber sagt, der Dirigent soll in Berlin bleiben und von dort dirigieren. Das funktioniert nicht. Wenn die Deutsche Bahn fortschrittliche Politik machen will, dann muss sie mit Dirigent und mit Orchester nach Hamburg kommen.

(Beifall bei der CDU)

Zum Wettbewerb, lieber Kollege Lühmann: Der Wettbewerb auf der Schiene tobt bereits immens und mir ist die Deutsche Bahn als Investor, der sich hier engagieren möchte, lieber als irgendein ausländischer Investor, der mit gefüllten Kriegskassen nur darauf wartet, dass ausgeschrieben wird. Ich glaube, dass die Deutsche Bahn und auch wir eine große Chance haben, uns gemeinsam auf dem Markt zu positionieren und damit auch in naher Zukunft zu expandieren. Dies ist zum Vorteil der Deutschen Bahn und dies ist zum Vorteil von Hamburg.

Wir haben – auch was den Börsengang der Deutschen Bahn angeht, lieber Kollege Lühmann – die Notwendigkeit, dass die Deutsche Bahn sich auch hier aufstellt. Kein ausländischer Investor wird sich für die Aktie der Deutschen Bahn interessieren, wenn der Eindruck entsteht, dass politische Entscheidungen des Bundeskabinetts ausschlaggebend sind für die Unternehmenspolitik dieses Unternehmens. Deswegen, glaube ich, ist es vollkommen richtig, dass der Aufsichtsrat – das wurde mehrfach erwähnt – heute noch einmal eindeutig festgestellt hat, dass geprüft werden soll und dass anschließend auch die Umzugsfragen geklärt werden müssen. Da ist politisch noch gar nichts entschieden, denn dieses Unternehmen muss wirtschaftlich arbeiten und planen. Deswegen gehört dieses Unternehmen nach Hamburg und deswegen gehört auch die Beteiligung bei der HHLA und bei der Hochbahn dazu.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bahn kommt, ob Ihnen das gefällt oder nicht, ob Sie es wollen oder nicht. Ich würde mich freuen, wenn Sie in dieser Frage mehr die Interessen unserer Stadt vertreten, wenn Sie gemeinschaftlich mit uns und mit den Kolleginnen und Kollegen in Berlin Argumente über den Standort austauschen. Es ist mehrfach gesagt worden: Hamburg braucht die Deutsche Bahn nicht, aber die Deutsche Bahn braucht Hamburg.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das ist das Problem!)

Wenn dieses ein Geschäft ist, das zum Wohle der Deutschen Bahn und unserer Stadt ist, dann stellen Sie sich bitte nicht in den Weg, sondern helfen Sie uns mit gemeinsamen Gesprächen in Berlin, damit dieses Unternehmen nach Hamburg kommt, zum Wohle der Deutschen Bahn und zum Wohle unserer Stadt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Maier hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Herr Bürgermeister und Herr Peiner, ich habe mir die Debatte einigermaßen genau angehört. Ich habe ein einziges Argument gehört, mit dem Sie versuchten, den Bedenken in diesem Hause entgegenzuwirken: Sie würden auf jeden Fall die unternehmerische Verantwortung in Bezug auf HHLA und Hochbahn dahin gehend behalten, dass keine strategischen Entscheidungen gegen uns möglich sind. Das wollen Sie vertraglich sicherstellen.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Konsortialverträge!)

Meinetwegen über Konsortialverträge.

Mir fällt auf, dass der jahrzehntelange "Mister HHLA", Herr Peter Dietrich, der für die Entwicklung dieses Unternehmens verantwortlich ist und es zu diesem Erfolg geleitet hat, zwei Argumente vorträgt, die ich außerordentlich wichtig finde.

Erstens sagt er, es sei naiv anzunehmen, dass der HHLA-Vorstand die unternehmerische Selbstständigkeit behält, wenn die Bahn die Mehrheit hat. Wie man auf Dauer durch Konsortialverträge den Mehrheitseigner dominieren soll, ist vollständig unplausibel und das werden Sie hier auch nicht anders darstellen können. Ich traue da Herrn Dietrich aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung im Unternehmen mehr als jemandem, der hier den Konzernbildner machen will.

Herr Dietrich trägt ein zweites Argument vor: Wenn die Bahn die HHLA auf Pump kauft, dann wird sie danach das Geld aus der HHLA wieder herausziehen müssen.

(Werner Dobritz SPD: Wie beim LBK!)

Wie beim LBK.

Das ist aber in etwa das, was Herr Reinert mit anderen Worten sagte: Die Deutsche Bahn würde durch diese ganze Geschichte gestärkt

(Heiterkeit und Beifall bei der GAL und der SPD)

und HHLA und Hochbahn seien dafür die Blutspender. Das klingt sehr patriotisch. Mich hat die ganze Zeit gewundert, wie wichtig es war, dass die Deutsche Bahn Käufer ist, die sich aber gerade als internationaler Logistikkonzern etablieren will und diese deutschtümelnden Bindungen hinter sich lassen will.

(Bernd Reinert CDU: Ich finde es unfair, dass Sie Ihre Hörfehler als Zitat gegen mich verwenden!)

Warum man hier als Blutspender tätig werden soll, ist nicht richtig einzusehen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Bei Herrn Dietrich liegt ein ordnungspolitisches Argument zugrunde, wenn er sagt, die Bahn habe jetzt Konkurrenz und das sei gut für den Hamburger Hafen, denn wir würden von den Hinterlandverkehren leben, die wir billig anbieten können. Durch Konkurrenz würden die Preise sinken. Wenn Sie aber hier mit der Bahn ein Monopol schaffen – gerade in Bezug auf die Hafenhinterlandverkehre –, dann wird das schlecht für den Hafen sein. Wenn dieses ordnungspolitische Argument, das wir Grünen zum Beispiel immer vertreten haben, keine Gel

tung mehr hat, sondern stattdessen aus einer gedachten Unternehmerperspektive gehandelt wird – beispielsweise einen Großkonzern in Hamburg zu gründen –, ist Politik schlecht beraten, wenn sie den Versuch macht, staatsmonopolitischen Kapitalismus in Form von Konzentration und Konzernbildung statt vernünftiger Ordnungspolitik zu betreiben. Das machen Sie aber gegenwärtig. Sie treten hier auf als jemand, der mit staatlichen Mitteln einen neuen Konzern bilden will und wütend nach allen Seiten schlägt, gegen alle, die im Wege stehen, statt vernünftige Ordnungspolitik zu machen, sodass Konkurrenz auf der Schiene den Hafen in Hamburg billiger macht.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich sehe zum ersten Thema der Aktuellen Stunde keine Wortmeldungen, sodass wir zum zweiten Thema kommen. Von der SPD-Fraktion wurde angemeldet:

Fass ohne Boden: LBK verkauft, doch Hamburg zahlt weiter!

Wer wünscht das Wort? – Herr Zuckerer.

Meine Damen und Herren! Neben der Irrfahrt der Bahn durch den Hamburger Hafen war die zweite interessante Nachricht der letzten Woche der Jahresabschluss des Landesbetriebes Krankenhäuser, auf den wir so lange gewartet haben. Meine Damen und Herren von der CDU, da fiel uns doch eine gewisse Seltsamkeit auf. Zum ersten Mal hat nicht etwa der Landesbetrieb Krankenhäuser Asklepios selbst während einer Bilanzpressekonferenz etwas bekannt gegeben, auch der Senat gab den Jahresabschluss nicht bekannt. Nein, es war unsere CDU-Fraktion, die neuerdings die Bilanzpressekonferenzen für öffentliche Unternehmen per Presseerklärung abhält. Ich gratuliere Ihnen.