Protokoll der Sitzung vom 01.02.2006

Die Forderung, in jedem Hamburger Bezirk unter Einbeziehung der Bundesmittel ein solches Mehrgenerationenhaus zu errichten, wäre zwar durchaus wünschenswert, Frau Hilgers, dem stimme ich völlig zu, aber unrealistisch, jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt, denn die Familienministerin spricht selber von 30 Mehrgenerationenhäuser für ganz Deutschland. Wir haben 16 Bundesländer. Da kann man sich leicht ausrechnen, dass für jedes Bundesland nicht einmal zwei Mehrgenerationenhäuser kommen. Ich finde dann, so gerne ich es auch für Hamburg hätte, den Wunsch nach sieben Mehrgenerationenhäuser im Moment etwas unrealistisch. Das ist auch ein Punkt, über den wir noch reden müssen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Und – das ist mir noch der wichtigste Punkt – ich habe fast den Eindruck, dass wir dabei sind, uns zu verzetteln. Erst in der vorletzten Sitzung haben wir ziemlich einvernehmlich beschlossen, einen Antrag zur Weiterentwicklung von Kitas, die so genannten Familienzentren, die angelehnt an die englischen early excellent centres sind in den Jugendausschuss zu überweisen. Wir waren uns fast alle ziemlich einig, dass das ein gutes Konzept ist, Kitas weiterzuentwickeln.

Die einen wollen es in jedem Bezirk, die anderen in den sozialen Brennpunkten. Wir waren auf jeden Fall einstimmig der Ansicht, dass dies gut sei.

Diese Mehrgenerationshäuser sind grundsätzlich völlig anders konzipiert als diese Familienzentren, die englischen early excellence centres. Bei den letzteren steht nämlich die Kita im Mittelpunkt. Aus dieser Kita heraus schart sich ein breites Angebot um die Kita herum, sprich Elternberatung, Weiterbildung, alles mögliche, was man vielleicht auch in einem Mehrgenerationshaus finden würde. Nur, so ein Mehrgenerationshaus – so läuft es zumindest in Niedersachsen – ist eigentlich ein Gebäude, in dem viele Räume sind wie in einem erweiterten Stadtteilzentrum und was mit einer Kita kooperieren kann. Das ist auch nichts Schlechtes. Aber wenn ich meinen Schwerpunkt setzen muss – und ich muss mich erst einmal für ein Konzept für Hamburg entscheiden –, dann würde ich zumindest zuerst für die Weiterentwicklung der Familienzentren und die Entwicklung der Kitas entscheiden. Wenn dann Geld von der Bundesregierung kommt, das explizit für ein Konzept von Mehrgenerationshäusern vorgesehen ist – das ist klar –, führen wir diese in Hamburg ein. Was Sie jedoch in Ihrem ersten Punkt des Antrages ankündigen, ist schwer vereinbar: Mehrgenerationshäuser, die wie Familienzentren sind. Das vermischt sich, das geht nicht.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Aber der Strahlungs- bereich ist sehr groß!)

Das Konzept ist so breit gefächert, dass wir es übertragen können.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Also, also!)

Ich bin die letzte, die sagt, das Geld wolle ich nicht. Aber, Frau Hilgers, das Konzept kommt erst im Sommer. Darum finde ich es eine weise Entscheidung, diesen Antrag zu überweisen und ihn so lange ruhen zu lassen, bis wir das Konzept haben, damit wir entscheiden können, ob das nun der gangbare Weg sei oder ob wir nicht unsere gemeinschaftliche Kraft bündeln und die Weiterentwicklung der Kitas hier in Hamburg nach dem Vorbild der englischen early excellence centres fordern und das

bevorzugt in sozialen Brennpunkten. Damit tun wir hier in Hamburg etwas Gutes.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kommen wir zur Abstimmung. Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 18/3471 an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das war einstimmig. Damit ist dem Überweisungsbegehren entsprochen worden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 52 auf, die Drucksache 18/3547, Antrag der GAL-Fraktion: Externe Überprüfung des "Abschnitts Afghanistan" im Einwohner-Zentralamt.

[Antrag der Fraktion der GAL: Externe Überprüfung des "Abschnitts Afghanistan" im Einwohner-Zentralamt – Drucksache 18/3547 –]

Wer wünscht das Wort? – Frau Möller, bitte.

Ich bitte nochmals dringend um Ruhe und Aufmerksamkeit. Wer Gespräche zu führen hat, möge das bitte draußen tun.

(Zuruf von Jenspeter Rosenfeldt SPD)

Wenn Sie das wünschen, gehen Sie, Herr Rosenfeldt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vielleicht lag es ja an der Harmonie, dass es hier so unruhig war. Die werden wir jetzt ja wahrscheinlich aufbrechen.

(Wolfhard Ploog CDU: Ist Harmonie immer un- ruhig?)

Harmonie ist wahrscheinlich nicht grundsätzlich unruhig, aber vielleicht in der Bürgerschaft.

Meine Damen und Herren, die GAL-Fraktion bringt heute einen Antrag in die Bürgerschaft ein, der den Senat auffordert, eine externe Evaluation des neu eingerichteten Afghanistan-Abschnitts der Ausländerbehörde zu veranlassen. Wir kennen diese Bitten an den Senat aus anderen Zusammenhängen, meistens dann, wenn ein PUA oder ein Sonderausschuss vorausgegangen ist. Wir haben jetzt eine Situation, bei der angesichts der vielen bisher bekannten Einzelfälle, die in diesem Abschnitt bisher behandelt worden sind, eine Evaluation dringend notwendig ist.

Im Grunde ist es ganz einfach zu beschreiben: Um den martialischen Äußerungen des Senators vom Mai 2005 bezüglich der geplanten massenhaften Abschiebung nach Afghanistan nachkommen zu können, wurde ein neuer Abschnitt innerhalb der Ausländerbehörde eingerichtet. 21 Personen arbeiten nun auf Hochtouren daran, die gut 3000 Afghanen und Afghaninnen, die hier mit einer Duldung leben, und die knapp 2000 – 1800 sind es ungefähr – Menschen im Asylverfahren möglichst schnell abzuschieben. Das finden Sie möglicherweise zu platt formuliert, aber das ist genau der Eindruck, den man bekommt, wenn man sich mit den teilweise schier unglaublichen Vorfällen in diesem Sachgebiet beschäftigt.

(Beifall bei der GAL)

Nach den Vorgaben der Innenministerkonferenz vom Juni letzten Jahres soll – unterstützt durch eine Weisung, die jeweils in den Bundesländern individuell formuliert wurde – der neu eingerichtete Afghanistan-Abschnitt für Hamburg einerseits alle ausreisepflichtigen Afghanen und Afghaninnen erfassen, alle Anträge auf Aufenthaltserlaubnis bis Ende März abarbeiten und gleichzeitig andererseits die politisch gewünschten Abschiebezahlen erreichen. In Herrn Ahlhaus' Pressemeldung vom 18. Januar 2006 hieß es, dass die Fallzahlen durchaus noch ausbaufähig seien. Genau mit dieser Abschiebepraxis gerät diese Abteilung seit ihrer Einrichtung immer wieder ins Licht der Öffentlichkeit – nicht, weil sie kompetent und kundenorientiert die Bleiberechtsregelung umsetzen würde.

2000 Anträge auf Aufenthaltserlaubnis gibt es inzwischen immerhin. Bis 23. März 2006 müssen diese abgearbeitet sein. Bisher – Stand 1. Dezember 2005, das ist schon sechs Wochen her, man kann es aber hochrechnen – wurden übrigens 240 abgearbeitet, davon 44 positiv entschieden. Die Abteilung gerät vielmehr ins Licht der Öffentlichkeit, weil sie vorschnell, ohne Berücksichtigung der Details der Einzelfälle, Menschen zu Anhörungen einbestellt, Abschiebetermine ausgibt, Flugtickets bestellt und ohne Rücksicht auf Verluste abschiebt. Einzelne, hektische Abschiebemanöver im Stil der Überrumpelung und unter Missachtung humanitärer Grundsätze wurden öffentlich. Personen, die eine Rückkehrberatung wahrnehmen, sollen sofort auf alle Rechtsmittel verzichten. Selbst bei Anträgen auf Weiterwanderung, die noch bearbeitet werden, wird schon einmal ein Abschiebetermin gesetzt.

Die Details werden vielen von Ihnen nur wenig sagen, aber der Begriff des verlässlichen Verwaltungshandelns sicher doch und daran sollte Ihnen liegen.

Der politische Druck auf den Abschnitt führt zu fachlichen Fehlern, zur Vergeudung öffentlicher Gelder – Stornierungskosten zum Beispiel – und zu völlig unangemessenem, teilweise menschenunwürdigem Umgang mit geduldeten Afghanen und Afghaninnen.

Dies ist ja nicht die erste Debatte zum Thema Afghanistan. Wir haben über die Art und Weise, über die Möglichkeit von Abschiebungen hier schon häufig gesprochen und uns auch in der Regel darüber zerstritten. Immer dann – um es noch einmal ganz deutlich zu sagen –, wenn wir über die Rechte geduldeter Flüchtlinge und auch über Humanität im Umgang mit ihnen sprechen, mögen Sie diese Debatte nicht mehr, nun aber offenbar auch nicht, wenn es darum geht, dass die Vorgaben, die die zuständige Behörde erhält, zu derart absurden Szenarien führt, dass Hamburg inzwischen im bundesweiten Medieninteresse steht. Der Film "Abschiebung im Morgengrauen" wurde inzwischen zwölf Mal gezeigt, wohlgemerkt im Bezahlfernsehen, etwas ungewöhnlich für derartige Filme. Ich hoffe, Sie alle haben ihn inzwischen gesehen. Es lohnt sich, Sie sollten ihn ansehen. Im Mittelpunkt steht die Abschiebepraxis der Hamburger Ausländerbehörde.

Das gilt auch für die Berichte der Magazine "Mona Lisa" des ZDFs oder – ganz aktuell – von "Panorama". Die Abschiebung trotz eines Abschiebeverbots durch das OVG waren dort Thema. Sie befindet sich zurzeit in der staatsanwaltschaftlichen Klärung, deshalb von mir hier keine weitere Wertung dazu. Interessant ist dabei, dass die Staatsanwaltschaft auf der einen Seite ermittelt und

gleichzeitig der Anwalt Prinz – wer den eigentlich bezahle, habe ich mich dabei gefragt, aber die Antwort werde ich hier heute nicht erhalten – beauftragt wurde, gegen einzelne Äußerungen von "Panorama" vorzugehen.

Das will ich nicht weiter kommentieren. Mir reicht schon meine Kenntnis der Fälle, die wir im Eingabenausschuss vorliegen haben. Seit April wurden 32 Petitionen von Afghanen und Afghaninnen eingereicht. Darunter sind – um Ihnen deutlich zu machen, über welche beispielhaften Fälle wir berichten können – junge Männer, die hier studieren, die in der Ausbildung sind oder in einer EQUALMaßnahme. Es sind welche darunter, die kranke oder behinderte Verwandte versorgen oder in 400-Euro-Jobs arbeiten, auch zwei Männer, die hier Frau und Kinder haben, und denen nahegelegt wird – weil man ja die Familieneinheit nicht zerstören möchte –, die Frau und die Kinder, die jeweils schon längst einen dauerhaften Aufenthalt haben, doch zur Ausreise zu überreden, damit – wie gesagt –, der Familienzusammenhang erhalten bleibt. Das ist zynisch und menschenunwürdig.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Längst nicht alle Fälle erreichen im Übrigen den Ausschuss. Aber allein aus den uns bekannten Fällen ergeben sich vor allem Missstände bei der Überprüfung der Details der Einzelfälle, damit also bei der Prüfung der Frage, ob die Bleiberechtsregelung greife oder ob ein Abschiebung durchgeführt werden müsse oder könne, je nach dem. Gerade die zuletzt öffentlich gewordenen Fälle haben noch einmal deutlich gemacht, dass die Organisation und Umsetzung der Abschiebung humanitären Grundsätzen nicht gerecht wird.

(Beifall bei der GAL)

Die Menschen sollen eben einfach raus, so banal das auch klingt. Deshalb brauchen wir die Überprüfung des Abschnittes.

In allen anderen Bundesländern werden die IMKBeschlüsse selbstverständlich auch umgesetzt. Aus keinem Bundesland hört man auch nur annähernd ähnliche Vorfälle. Man kann diese ganzen Vorfälle natürlich mit der gewünschten politische Härte gegenüber den Afghanen und Afghaninnen in Hamburg erklären oder mit einem persönlichen Feldzug des Senators. Aber auch Sie von CDU können nicht zulassen, dass der Grundsatz von Treu und Glauben, der Vertrauensschutz, die Fürsorgepflicht der Behörde und vor allen Dingen die richterlichen Entscheidungen derart außer Acht gelassen werden.

(Beifall bei der GAL, bei Luisa Fiedler und bei Lutz Kretschmann-Johannsen, beide SPD)

Eine externe Evaluation der Entscheidungswege und Zuständigkeiten intern und gegenüber dem Landeskriminalamt oder der Bundespolizei ebenso wie eine Überprüfung der Gewährleistung der Rechte der einzelnen Betroffenen halten wir für notwendig. Die Fälle aller durch diesen Abschnitt bisher Abgeschobenen müssen überprüft werden. Den Ruf als Abschiebehochburg wird Hamburg deswegen nicht verlieren, aber das Vertrauen in die Rechtstaatlichkeit des Handelns der Verwaltung könnte wieder gewonnen werden. Selbstverständlich muss, solange die Evaluation dauert, auch die Abschiebung gestoppt werden. – Danke.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Herr Grapengeter hat jetzt das Wort und Herr Schwippert kann bestimmt seine Gespräche draußen führen. Er muss nicht einmal hier zuhören.

Herr Grapengeter hat jetzt das Wort und niemand anderes, weder rechts noch links noch in der Mitte noch hinten noch sonst wo, nur Herr Grapengeter.

Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin. Meine Worte werden schon zu verstehen sein.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die GAL-Fraktion beantragt hier heute mit der vorliegenden Drucksache eine Evaluation des AfghanistanAbschnitts der Innenbehörde wie auch eine Aussetzung der Abschiebung nach Afghanistan. Es wird zwei Fraktionen in diesem Hause nicht überraschen, wenn ich für die CDU-Fraktion feststelle, dass wir selbstverständlich den vorliegenden Antrag ablehnen.

(Werner Dobritz SPD: Aber das ist nicht schlüs- sig!)

Dies aus folgenden Gründen: Zum einen gab es im Innenausschuss nach Paragraph 53 Absatz 2 der Geschäftsordnung …

(Werner Dobritz SPD: Was steht da drin?)

Was war? Aber Herr Kollege, das ist doch überhaupt kein Problem. Darauf sind wir doch vorbereitet.

(Beifall bei der CDU)