Protokoll der Sitzung vom 02.02.2006

Wir haben also hier in einer einmaligen Situation für die Stadt verhandelt. Es ist nicht zu diesem Ergebnis gekommen, das ist vor allen Dingen von Nachteil für die Deutsche Bahn. Es ist für Hamburg nicht weiter schlimm, weil die HHLA natürlich weiterhin eine Perle bleibt.

Das Gleiche gilt für die Hochbahn und damit kommen wir zu einem anderen Thema. Auch hier ist es interessant, dass dieses Unternehmen immerhin ein von einem Sozialdemokraten geführtes Unternehmen ist. Das muss Sie doch stolz machen. Der hat auch noch die Unterstützung des CDU-Senats, das ist doch wieder toll. Da sagen wir, gut, die sollen auch expandieren, aber nicht à la Neue Heimat Städtebau mit Geld des Hamburger Steuerzahlers, sondern mit strategischen Partnern, das heißt in Tochtergesellschaften. Das ist ebenfalls eine vernünftige Angelegenheit. Man kann sich nur darüber freuen, wenn wir im öffentlichen Nahverkehr mit unserer Kompetenz weitere Unternehmen anschließen können.

(Michael Neumann SPD: Ihre Kompetenz faszi- niert sogar Ihre eigene Fraktion!)

Herr Neumann, solange Sie es für notwendig halten, mich zu unterbrechen, kann es nicht ganz verkehrt sein, was ich sage.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Jetzt klatschen sie!)

Sie machen sich immer zu viel Sorgen darum, dass ich Zustimmung bei meiner Fraktion habe.

Ich glaube, dass wir wieder die Situation haben, dass Sie mit den Größenordnungen dieser Stadt nicht klarkommen. Es wäre für die Stadt ein Gewinn gewesen, es wäre für Deutschland ein Gewinn gewesen, wenn wir diesen Deal möglich gemacht hätten.

(Uwe Grund SPD: Das sieht die Mehrheit der Stadt anders, sogar die Handelskammer!)

Das sieht die Handelskammer vielleicht anders. Ich finde es auch lustig, dass Sie uns immer auffordern, wir müssten immer auf die Handelskammer hören. Wir sind schon in der Lage, dies hier zu fahren, denn das haben wir getan.

Jetzt kommen wir auf einen weiteren Aspekt, die Parlamentsbeteiligung bei Ihrem Antrag. Sie haben diesen Antrag noch einmal kurzfristig geändert. Dagegen habe ich gar nichts. Sie haben mal eben ganz schlank die Vergabe von Buslinien eingefügt. Wir haben neulich eine Diskussion gehabt, in der Sie der Meinung waren, das Parlament würde nicht lange genug mit der Entwicklung der Stadt beteiligt. Es handelte sich um das Überseequartier. Da hatten wir vorher immerhin Diskussionen im Ausschuss und Ähnliches. Ihre Vorstellung von Parlamentsbeteiligung ist etwa eine Stunde.

(Michael Neumann SPD: Überweisen Sie den An- trag!)

Als ich ins Rathaus kam, habe ich diese Änderungen vorgefunden. Das kann doch wohl nicht ernst gemeint sein, dass Sie Ihren Antrag nur einmal eben angefettet haben und jetzt glauben, dass wir darüber schlank entscheiden.

(Zuruf von Michael Neumann SPD)

Wir haben einen eigenen Antrag eingebracht, das haben wir auch Ihnen zuliebe getan, weil wir es nicht für notwendig halten, dies hier noch einmal zu beschließen, weil der Senat sich immer um die Angelegenheit der Stadt kümmert und das Wohl der Stadt nach vorne stellt. Aber Ihnen zuliebe, Herr Neumann, tun wir das herzlich gern mit dem Spielraum, den jede Regierung braucht. – Danke.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Das ist sehr nett, Sie überweisen also beide An- träge an den Haushaltsausschuss!)

Das Wort bekommt Herr Kerstan.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben heute die skurrile Situation, dass sowohl die SPD einen Antrag präsentiert mit dem Titel "Sicherung der Hamburger Interessen …" und meint, dafür sei es notwendig, dass die Mehrheit an HHLA und Hochbahn nicht verkauft werden soll, und die CDU einen Antrag eingebracht hat mit dem gleichlautenden Titel "Sicherung der Hamburger Interessen …" und dort bejubelt, dass gerade dieser Mehrheitsverkauf von Hochbahn und HHLA die Hamburger Interessen sichert.

Das Gespenstische an dieser Debatte, meine Damen und Herren, ist, dass weder SPD noch CDU überhaupt sagen, was sie eigentlich meinen, wenn sie von Hamburger Interessen reden, und darum auch diese ganze Debatte relativ fruchtlos und sinnlos ist, denn wenn man keine klaren Kriterien benennt, in denen man die Interessen definiert, dann kann man natürlich überhaupt nicht beurteilen, welches dieser beiden Projekte den Interessen Hamburgs dient.

(Beifall bei der GAL)

Wenn man das allerdings macht und sich die Interessen Hamburgs im Hafen und auch die Interessen beim öffentlichen Nahverkehr betrachtet, dann kommt man ganz schnell zu dem Ergebnis, dass man beide Unternehmen nicht einheitlich beurteilen, sondern dass man keine pauschale Bewertung für die Situation beider Unternehmen abgegeben kann, sondern sie einzeln betrachten möchte. Das möchte ich auch tun, um etwas Sachliches in diese Debatte zu bringen.

Im Hafen hat Hamburg sicherlich strategische Interessen. Die Hafeninfrastruktur, die Bereitstellung von Flächen, die Höhe von Mieten und Pachten sind alles Entscheidungen, die in der Hamburg Port Authority gefällt werden, die zu 100 Prozent der Stadt gehört. Ich habe bisher noch nicht gehört, dass das jemand ändern sollte. Das ist gut so, das sollte auch in Zukunft so bleiben.

Der Containerumschlag allerdings, meine Damen und Herren, gehört mit Sicherheit nicht zu den Kernkompetenzen staatlichen Handelns.

(Beifall bei der GAL – Bernd Reinert CDU: Da hat er Recht!)

Darum gibt es auch keinen zwingenden ordnungspolitischen Grund, warum die Stadt unbedingt eine Mehrheit an der HHLA behalten müsste.

Auf der anderen Seite investiert die Stadt Milliardenbeträge in den Hafen, die teilweise den Haushalt zu sprengen drohen. Insofern ist es durchaus sinnvoll, für die nichtstaatlich notwendige Tätigkeiten, nämlich dem privaten Umschlag, privates Kapital zu akquirieren. Wenn man dann also sagt, wir wollen Teile der HHLA oder vielleicht die Mehrheit verkaufen, dann braucht man Kriterien, an denen man entscheidet, ob man die Mehrheit oder die Minderheit verkauft. Da kommen dann wieder Hamburger Interessen ins Spiel und die muss man definieren. Ich möchte Ihnen drei Punkte nennen.

Erstens: Ein zukünftiger Partner darf den Wettbewerb im Hafen sowohl bei Umschlag als auch bei der Verkehrshinterlandanbindung nicht einschränken.

(Beifall bei der GAL)

Zweitens: Man braucht einen finanzkräftigen Investor, der die Investitionen in den Umschlag finanzieren kann, ohne dass gleichzeitig zur Begleichung des Kaufpreises die HHLA finanziell ausbluten muss.

Drittens: Dieser strategische Partner darf keine gegenläufigen strategischen Interessen haben zu den Interessen des Hamburger Hafens.

Nur wenn eines dieser Kriterien oder auch alle Kriterien bei einem möglichen Partner gebrochen werden, dann ist aus unserer Sicht eine Mehrheitsbeteiligung, der Verkauf, nicht möglich.

Wenn man sich den Deal mit der Deutschen Bahn ansieht, dann stellt man fest, die Deutsche Bahn hat kein einziges dieser Kriterien erfüllt. Darum wäre es auch fahrlässig und unverantwortlich gewesen, die HHLA an die Deutsche Bahn zu verkaufen.

(Beifall bei der GAL)

Andererseits gibt es aber auch andere Investoren, bei denen das nicht unbedingt der Fall ist. Herr Peiner spricht immer von "strategischen Partnern", nämlich Finanzkapital-Sammelstellen, Venture Capital Firmen und Ähnliches.

Das erste Kriterien würden die erfüllen, sie schränken den Wettbewerb nicht ein.

Der zweite Punkt: Muss die HHLA zur Begleichung des Preises ausbluten? Da kann man schon große Zweifel haben. In der Regel wird dem Unternehmen der Kaufpreis als Kredit aufgebürdet, den es dann erwirtschaften muss.

Drittens, die strategischen Interessen: In der Regel wollen diese kapitalkräftigen Investoren eine sehr hohe Rendite erfüllen, die teilweise doppelt so hoch ist, wie sie die HHLA im Moment erwirtschaftet. Es sind dort also sehr starke Rationalisierungsmaßnahmen zu erwarten – kein guter Partner.

Was bliebe dann noch übrig für einen Partner, der die Mehrheit verkauft? Da gibt es eigentlich nur die Möglichkeit von amerikanischen oder angelsächsischen Pensionsfonds, die sich in das Management einer Firma nicht einmischen, die sich mit einer sicheren, aber geringen Rendite zufrieden geben. Wenn der Senat mit einem solchen Partner käme, dann könnte man darüber reden.

Wie Sie sehen, macht eine grundsätzliche Festlegung am grünen Tisch, per se ein Mehrheitsverkauf, keinen Sinn, er ist nicht im Sinne Hamburgs, er ist ein ungeeignetes Instrument, um die Interessen Hamburgs sicherzustellen.

(Beifall bei der GAL)

Kommen wir jetzt zur Hochbahn. Der öffentliche Nahverkehr ist ohne Zweifel eine staatliche Kernaufgabe. Es ist eigentlich nicht möglich, ein ausreichendes Angebot zu Preisen bereitzustellen, die sich jeder leisten kann, die durch den Markt bereitgestellt werden. Darum ist es in der Regel überall auf der Welt – auch in Deutschland – ein staatlicher Bereich.

In der Vergangenheit hat das dazu geführt, dass sowohl das Schienennetz als auch der Verkehrsbetrieb durch öffentliche Unternehmen erbracht werden, die in der Regel ein Monopol haben. Aber Monopolbetriebe haben gerade in den letzten Jahren in dem Bereich sehr deutlich dazu geführt, dass die Qualität und auch der Umfang des Angebots zu wünschen übrig lassen – ebenso die Kosteneffizienz bei der Bereitstellung –, sodass das teilweise die staatlichen Haushalte zu sprengen drohte. Das ist der Hintergrund der Debatte um die Deutsche Bahn, in der über eine Teilprivatisierung nachgedacht wird.

Letztlich wird dabei darüber diskutiert, ob man das Netz als Infrastruktur vom Betrieb trennt, das Netz beim Staat bleibt, aber der Betrieb durchaus von konkurrierenden Unternehmen – teilweise staatlich, teilweise privat – erfolgen soll.

Einen ähnlichen Fall haben wir bei der Hochbahn, ein integriertes Unternehmen, das im HVV den dominierenden Anteil hat. Was wären dort die Kriterien, die Hamburg erst einmal definieren müsste, um überhaupt entscheiden zu können, ob ein Mehrheitsverkauf infrage käme?

Der erste Punkt wäre schlichtweg und ergreifend: Hamburg müsste sicherstellen, dass der HVV strukturell gestärkt wird und in seiner Position als Besteller von Verkehrsdienstleistungen gestärkt wird, um dadurch Angebote und Preise sicherzustellen.

Zweitens darf ein solcher Mehrheitsverkauf den Wettbewerb im HVV nicht einschränken, wie es ohne Zweifel der

Einstieg der Deutschen Bahn, des Monopolisten, getan hätte.

Drittens, ich erwähnte es bereits, wäre die Trennung von Schienennetz und Betrieb zwingend notwendig.

Viertens, ein nicht unwesentlicher Punkt, der bisher noch fast überhaupt nicht diskutiert wurde: Bei öffentlichen Dienstleistungen werden häufig Verlustbringer und Gewinnbringer zusammengepoolt. In Hamburg haben wir dafür die HGV. In einer solchen Rolle sind dann in der Regel die Wasserwerke die Gewinnbringer und die Verkehrbetriebe die Verlustbringer. Das führt zu dem für die Stadt positiven Effekt, dass man schlicht und ergreifend Gewinne und Verluste verrechnet und keine Steuern zahlt. Wenn man jetzt den Verlustbringer verkaufen würde, dann bleiben nur noch die Gewinne übrig. Das kann gravierende steuerliche Nachteile auch zulasten des Hamburger Haushalts haben. Insofern muss bei einem Mehrheitsverkauf sichergestellt werden, dass solche Effekte nicht eintreten.

Ob all diese Kriterien jetzt zwingend erfordern, dass die Hochbahn im Hamburger Besitz ist, glaube ich, kann in diesem Saal beim Stand der Debatte niemand sagen. Auch bei der Deutschen Bahn ist es eine offene Debatte, ob man das Netz vom Betrieb trennt. Erste Erfahrungen mit Ausschreibungen lassen allerdings hoffen, dass dadurch Qualitätsverbesserungen möglich sind.