Protokoll der Sitzung vom 29.03.2006

Herr Dr. Dressel hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wir freuen uns total auf die Fußball-WM, das möchte ich für die SPD-Fraktion einmal besonders festhalten,

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

und auch auf die entsprechenden tollen Sicherheitskonzeptionen der Innenbehörde. Aber wir stimmen heute über einen doch ernsten Senatsantrag ab und da sollte man vielleicht einmal genau gucken, was eigentlich darin steht.

Wir haben uns in den letzten Tagen diese Mühe gemacht und wenn man das liest, dann denkt man, dass Hamburg als Austragungsort für die Fußball-WM erst seit wenigen Wochen feststehe, denn so ist der Detaillierungsgrad dieser Drucksache. Bei aller Übereinstimmung über die Frage, dass größtmögliche WM-Sicherheit gewährleistet werden muss, ist diese Finanzvorlage wirklich mit heißer Nadel gestrickt und an den entscheidenden Stellen reichlich nebulös. Es gibt Fragen über Fragen. Woraus ergeben sich denn nun konkret die Kosten, die hier eingestellt sind? Wieso sind es genau 2,7 Millionen für die Polizeivollzugsbeamten, wieso sind es genau 1,6 Millionen für die entsprechenden Sach- und Fachausgaben?

(Wolfhard Ploog CDU: Weil's berechnet wurde!)

Vielleicht wäre es sinnvoll, das gegenüber dem Parlament auch einmal darzulegen, Herr Kollege Ploog. Das ist allerdings in dieser Drucksache nicht passiert.

(Wolfhard Ploog CDU: Das können Sie sich doch denken, Sie sind doch lange genug dabei!)

Es geht hier nicht um Denken, sondern darum, dass das Budgetrecht des Parlaments ernsthaft wahrgenommen werden soll und dazu gehört, dass man diese Tatsachen auch auf den Tisch legt.

Der zweite Punkt: Was ist mit den Überstunden? Wir haben gelesen – das ist sehr zu begrüßen –, dass an der Stelle jetzt auch Überstunden vergütet werden sollen, und zwar zum einen außer der Reihe und dann im Rahmen des WM-Sicherheitspakets. Auch da stellt sich die Frage, wie viel konkret, in welcher Größenordnung oder ist das nur ein WM-Trostpflaster für die Kollegen? Das reicht an der Stelle nicht aus.

Das Thema WM-Knast ist auch so ein schönes Thema. Sie erwecken öffentlich den Eindruck, jetzt werde ein Polizeigefängnis in Hamburg installiert. Und dann werden alle möglichen öffentlichen Diskussionen darüber geführt, dass Hooligans gefälligst weggesperrt gehörten. Es besteht überhaupt kein Dissens, dass dann, wenn die Voraussetzungen vorliegen, auch Gewahrsam angeordnet werden muss, aber was wir nicht brauchen, ist ein völlig

neues eigenes Polizeigefängnis für den Dauerbetrieb in dieser Stadt, denn die Ingewahrsamnahmen für mehrere Tage sind Ihnen beim Gericht bisher zum überwiegenden Teil um die Ohren gehauen worden. Wir brauchen für bestimmte besondere Einsatzlagen durchaus eine solche Gewahrsam- oder Gefangenensammelstelle, das ist vernünftig, aber in dieser Drucksache steht nichts Genaues, wie Sie sich das konkret vorstellen und deshalb ist Ihre Vorlage deutlich nachbesserungsbedürftig.

Wir stimmen als SPD dieser Sache zu, weil es bisher bei der Frage der WM-Sicherheit durchaus Konsens zwischen den Fraktionen gab, Herr Warnholz. Das werden Sie auch aus dem Innenausschuss zur Frage WMSicherheitskonzept erinnern. Aber wir möchten, dass zum 30. September eine detaillierte Abrechnung vorgelegt wird, was genau wofür ausgegeben worden ist, und wir haben zum Zweiten gesagt, es müsse im Sinne der nachträglichen Überweisung noch einmal eine ausführliche Beratung im Innenausschuss geben. Das ist die Bedingung, denn einfache Blankoschecks werden wir als SPDFraktion hier nicht ausstellen.

(Beifall bei der SPD)

Zwei Dinge noch: Die Überstundenthematik, eine Sache, über die wir schon intensiv im Innenausschuss geredet haben. Ich bin deshalb auch sehr zufrieden, dass die CDU-Fraktion gesagt hat, sie wolle sich mit dieser Sache noch im Innenausschuss beschäftigen und unseren Antrag zu diesem Thema morgen auch entsprechend überweisen wird; das ist ein sehr positiver Punkt. Wir müssen von dem Fakt ausgehen, dass die Millionengrenze bei normalem Verlauf im Rahmen der Fußball-WM erreicht werden wird. Deswegen muss das ein Thema sein, da sind wir auch in unserer Fürsorgepflicht gegenüber der Polizei gefordert.

Zweitens, Herr Warnholz – da muss ich noch mal ein klein bisschen Wasser in den Wein schütten –, zu Ihren Ausführungen zum Thema "Die Welt zu Gast bei Freunden". Das ist in der Tat das Motto der Fußball-WM, aber man muss in der öffentlichen Darstellung Hamburgs bei diesem Thema doch aufpassen, das nachher nicht rüberkommt: "Die Welt im Knast bei Freunden". Das hat die "Bild"-Zeitung bei dem Thema getitelt. Sie müssen aufpassen, dass das Sport-Event deutlich im Vordergrund steht und nicht, dass wir an alle möglichen Punkte im Bereich Sicherheit gedacht haben. Es ist gut, dass wir daran gedacht haben, aber das Sport-Event sollte im Vordergrund stehen und das sein, worauf wir als Hamburgerinnen und Hamburger stolz sind.

Die andere Sache betrifft die Sicherheitsdienstleistung und nicht mehr und nicht weniger und deshalb müssen da die Verhältnisse wieder etwas gerade gerückt werden. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Frau Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Warnholz, zum Thema "Standards in Zellen" reden wir vielleicht gleich noch. Vielleicht haben Sie dann das Vergnügen, mit uns in die Debatte einzusteigen.

Der Bericht der Antifolterkommission hat ganz deutlich gemacht, dass sich trotz Ermahnung – Ermahnung viel

leicht in Anführungszeichen – an der Unterbringung in den hamburgischen Polizeizellen nichts geändert hat und es weiterhin für Personen, die über Nacht in Haft bleiben, keine Matratze und zum Teil auch keine Decken gibt. Das ist es allemal wert, nach den Standards des neu geplanten Polizeigefängnisses zu fragen.

(Beifall bei der GAL – Frank-Thorsten Schira CDU: Was hat denn das mit der Sache zu tun?)

Aber wir sind jetzt beim Gesamtthema WM und Sicherheit und mir ist das Wort Sicherheit inzwischen in der Diskussion, so wie die CDU sie führt, aber auch, wie man es in den Senatsmitteilungen nachlesen kann, quasi zu einer Phrase verkommen. Sie werfen mit diesem Wort um sich, ohne es in irgendeiner Form wirklich inhaltlich zu füllen und ohne zum Beispiel zu konkretisieren, für wen Sicherheit in dieser Stadt stattzufinden hat.

Was mich an dieser Drucksache am meisten irritiert, ist schlicht und einfach die Tatsache, wie man sich innerhalb der letzten Monate um satte 30 Prozent verschätzen kann, denn wir reden hier nicht zum ersten Mal über die Kosten, die die Sicherheit für die WM verursacht, sondern wir reden über zusätzliche 30 Prozent, nämlich knapp 3 Millionen Euro. Diese müssen auch noch ganz dringlich mit einer Drucksache nachgefordert werden, die aber nichts weiter beinhaltet, als so etwas wie einen Wunschkatalog, eine personelle und technische Aufrüstung der Polizei, die fachlichen und sachlichen Notwendigkeiten aber überhaupt nicht beschreibt. Es scheint, als fehle der Drucksache eine Seite, nämlich die, auf der beschrieben wird, aus welchen Titeln die Finanzierung erfolgen soll, welche Umschichtungen eigentlich stattfinden, wo die erwirtschafteten Personalmittel aus den Vorjahren denn eigentlich herkommen sollen. Sie haben eine ziemliche Summe genannt, die Sie tatsächlich erwirtschaftet haben wollen. Woher kommt die denn und wie passt das mit der Überstundendebatte zusammen, die wir hier geführt haben und die Sie als CDU-Fraktion durchaus erleiden mussten? Wo kommen denn die 2,9 Millionen Euro her, für die mit dem Satz "intern vorgenommene Mittelsperrungen in ausreichender Höhe" Vorsorge getroffen worden sein soll? Das klingt kryptisch und nicht nach Transparenz gegenüber dem Parlament. Die nachträgliche Befassung mit dieser Drucksache wird uns dann hoffentlich weiterbringen.

Das Beispiel Public Viewing eignet sich vielleicht auch, um Ihnen noch einmal deutlich zu machen, was eigentlich Inhalt dieser Drucksache ist. Auch hier gibt es plötzlich 30 Prozent Mehrkosten. Begründet wird das mit Videoüberwachung, …

(Glocke)

Entschuldigen Sie, Frau Möller, aber es ist wieder zu laut. Ich sehe da hinten wieder Gesprächsgruppen – Herr Kausch, den anderen kann ich nicht mal erkennen, weil er mir den Rücken zudreht – und Herrn Egloff konnte ich bis hierher hören, als er sich mit Frau Dräger unterhalten hat.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Mein Gott, wir sind doch nicht in der Schule, das ist doch ein Parla- ment hier!)

Regen Sie sich doch nicht auf, das ist ein Problem hier und es würde alles einfacher sein, wenn sich alle etwas mehr disziplinieren würden.

(Beifall bei Katja Husen GAL und Doris Mandel SPD)

Frau Möller, bitte weiter.

Danke schön.

620 000 Euro waren bisher alleine für die Ordnungsdienste und Sicherheitsmaßnahmen auf dem Fanfest vorgesehen. Jetzt sollen 220 000 Euro dazukommen, begründet – ich habe es eben schon gesagt, ich sage es noch einmal – mit zusätzlicher Videoüberwachung oder zusätzlichen Notwendigkeiten beim Rettungsdienst. Das sind aber erstaunlicherweise alles Mindeststandards …

(Glocke)

Also so geht das nicht. Ich sage das nicht aus Spaß, Herr Dobritz, es ist die ganze hintere Reihe.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Wolfhard Ploog CDU: Dobritz ist mir schon vorhin aufgefallen!)

Herr Ploog, das ist ja schön, dass Ihnen das aufgefallen ist. Sorgen Sie dafür, dass alle etwas stiller sind, dann haben wir weniger Probleme damit.

Können wir es jetzt noch einmal probieren? Frau Möller, bitte.

Das sind alles Mindeststandards, die das Merkblatt des Sicherheitsbeauftragten von vornherein für die Genehmigung an die Ausrichter jeglichen Public Viewings fordert. Das heißt, wir haben eine Aufstockung der Mittel um 30 Prozent, um Mindeststandards zu realisieren, so liest sich jedenfalls die Drucksache, die eigentlich schon mit der Genehmigung hätten garantiert werden müssen.

Ich bringe Ihnen vielleicht noch einmal in Erinnerung, wie die Finanzierung des Fanfestes eigentlich geplant war. Im November letzten Jahres gab es noch eine Kostenschätzung von insgesamt 3,1 Millionen. 1,6 Millionen wollte die Hamburg Marketing aufbringen, der Rest sollte von Sponsoren kommen. Von 15 Sponsoren hatten sich im November lediglich vier beteiligen wollen. Ich weiß, dass das Thema auch schon im Sportausschuss zur Sprache gekommen ist. Ich hatte es so verstanden, dass Frau Dinges-Dierig diejenige sein würde, die hier möglicherweise finanziell unterstützen würde. Jetzt scheint es mir so, als ob sich die Innenbehörde mit diesen zusätzlichen Mitteln an der Realisierung und Finanzierung des Fanfestes beteiligt. Das kann so nicht sein, das widerspricht dem, was vereinbart worden ist und das widerspricht auch dem, was die Genehmigung jeglichen Public Viewings überhaupt voraussetzt.

Aber noch einmal zu den Dimensionen der Gefährdungslage. Von Herrn Warnholz wurde eben schon beschrieben – so habe ich es jedenfalls verstanden –, dass es sich um Hooligans handele, die massenweise in der Stadt eintreffen würden und vielleicht auch massenweise in den Zellen unterkommen sollen. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir jährlich bei drei Dom-Events ungefähr 8,3 Millionen Besucherinnen und Besucher in dieser Stadt und auf dem Dom zu verzeichnen haben, dass jedes Alsterver

gnügen ungefähr 100 000 Vergnügungssüchtige anzieht. Der Welt-Astra-Tag – auch ein schönes Beispiel, er kommt vielleicht ein bisschen der Fußballstimmung entgegen, wenn ich das mal sagen darf, ich will es mir mit den Sportlerinnen und Sportlern aber nicht verderben – zieht jedes Jahr 80 000 Menschen an. Das HarleyDavidson-Treffen zieht 50 000 Motorräder an und die entsprechende Besatzung dazu. Das heißt, für diese Massen von Tagesgästen und zusätzlichen Menschen in unserer Stadt können wir ohne Probleme mit dem, was wir haben, Sicherheit gewährleisten.

Wo ist also das Problem bei einer 50 000-köpfigen Veranstaltung, die sich Fanfest nennt? Es gibt einen Professor, der an der Universität Hannover Soziologie lehrt und offiziell den wissenschaftlichen Titel, muss man fast sagen, Fan-Forscher hat. Er sagt, dass ein Klima der Angst produziert werde, das eher die Gewalt befördere, statt die Lage zu entspannen. Der WM drohe sozusagen das Gegenteil dessen, was Sie hier beschreiben.

(Olaf Ohlsen CDU: Wir wollen mal was Positives hören, Frau Möller!)

Im Übrigen droht auch, dass die WM zum Gegensatz zur Europameisterschaft in Portugal wird.

(Zurufe von der CDU)

Ja, Sie überweisen das an den Ausschuss, aber nachträglich, und dann muss man vorher schon ein bisschen die inhaltliche Debatte hier ertragen, lieber Kollege.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)