Nur haben uns die Ergebnisse gezeigt, das andere offensichtlich bessere Lernergebnisse erzielen. Daher muss die öffentliche Bildungspolitik eine viel deutlichere, in die Zukunft gerichtete Investitionspolitik werden, sonst laufen uns die privaten Bildungsinstitute sehr schnell den Rang ab.
Bildung muss sich lohnen. Dazu muss es klare Zielvorstellungen und intelligente Umsetzungsstrategien geben, die die Betroffenen mitnehmen, unmissverständliche Leistungsanforderungen, wirksame Evaluationen, Transparenz in den Strukturen und gezielte Fördermaßnahmen zum Ausgleichen von Milieunachteilen.
Das ist ein hoher Anspruch. Man kann ihm nachkommen, aber dafür braucht man gut ausgebildete und dem kontinuierlichen Lernen verpflichtete Lehrer.
Frau Koop, es ist Ihnen nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit zuteil geworden. Ich möchte gern dafür sorgen, dass dies der Fall ist. Vielleicht können bitte diejenigen Kolleginnen und Kollegen ihre Gespräche einstellen, die sie jetzt am Rande führen.
Ich stamme aus einer Familie, die seit über fünf Generationen Lehrer und Lehrerinnen stellt. Fünf sind davon verbrieft. Es soll also noch weiter zurückgehen. Dabei hat der Ausbildungsweg vom Kasernenhof bis in die Universität gereicht.
Dabei ist die Fachprofession immer größer geworden und leider die Praxisferne auch. Die Universitätsausbildung hat uns nicht in diesem Sinne eine stärkere pädagogische Kraft gegeben. Darauf müssen wir unser Augenmerk ganz besonders richten.
Wenn man heute von Profession redet, sollten wir lieber von Professionalität reden, denn wir haben es mit moderneren Menschen zu tun und auch mit moderneren Lehr- und Lernmethoden. Die Lehrer sollen sich in der nächsten Zeit eher als Lernbegleiter verstehen denn als Dozenten oder als Lehrende. Dafür muss das Angebot stimmen. Das wissen wir. Aber darüber können wir uns zu anderer Zeit unterhalten.
Was uns jetzt vorgelegt worden ist, ist eher ein Zwischenbericht denn ein Abschlussbericht – das liegt natürlich an dem Bologna-Prozess – und hat im Wesentlichen diese Erhöhung des Praxisanteils. Er hat außerdem verbindliche Kerninhalte. Er verkürzt die Ausbildung. Wir bekommen also rascher neue, gut ausgebildete Lehrer hinein. Wir haben eine Reform des Prüfungswesens, Vergleichbarkeit mit europäischen Studiengängen und – was ganz wichtig ist …
… gleichzeitig auch etwas, das deutlich macht, dass Studium, Vorbereitungsdienst und auch Weiterbildung eine Einheit sein müssen.
Der wichtigste Punkt ist aber der Praxisbezug. Je früher die Studierenden in die Berufswirklichkeit kommen, desto eher kann man ihnen ersparen – sagen wir es etwas freundlich –, die kränkende Erfahrung des eigenen Unvermögens zu machen. Diese hätte ich gern manch einem meiner Referendare erspart, der an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gekommen ist und auf diesem Wege seinen Idealismus verloren hat, aber bereits soweit im System war, dass er nicht mehr die Möglichkeit hatte, sich anderweitig beruflich zu orientieren.
Nach der Empfehlung der Hamburger Kommission zur Lehrerbildung soll ganz klar und deutlich die Ausbildung als Gesamtauftrag verstanden werden und nicht mit dem Moment aufhören, in dem man in den Schuldienst eintritt. Das ist sehr wichtig.
Das, was wir hier vorgelegt haben, hat diesen großen Praxisanteil. Mit dem Orientierungspraktikum ganz zu Anfang wird es dort in die richtige Richtung geleitet. Wer dies aus der Praxis kennt, weiß, dass es immer so ist, dass in dem Moment, da der Schulleiter sagt, er habe da ein paar Referendare oder Praktikanten, sich das Lehrerzimmer meist ruckartig leert und derjenige, der noch drin bleibt, dazu verdonnert wird. Das liegt natürlich daran, dass man vordringlich die Referendare oder Praktikanten als Belastung empfunden hat. Wenn es uns gelingt, diese Praktika und auch die Referendarzeit vom Landesinstitut gut zu begleiten, sollte sich das auch als eine attraktive Ergänzung des Schulalltages erweisen. Damit wäre beiden Seiten genüge getan, den Referendaren wie den Lehrern.
Diese Kerncurricula liegen nun nach langem Ringen und einem langen Weg vor. Es war ein weiter Weg. Sie werden ergänzt durch spezielle Themen, also prioritäre Ausbildungsthemen, neue Medien, Schulentwicklung und Heterogenität.
Bei den neuen Medien – das haben wir explizit angefangen – ist darauf zu achten, dass darunter nicht die Informatik verschwindet. Die Informatik liegt uns am Herzen. Wir sollten weiter daran arbeiten.
Diese Kerncurricula sind die verbindlichen Bausteine. Sie vermitteln die erforderlichen, zukunftsgerichteten Kompetenzen. Man hat gedacht, dass sie sich eventuell als retardierend in der Bologna-Entwicklung auswirken würden. Aber genau das Gegenteil ist der Fall, denn das, was dort gefordert ist, bringt geradezu die Voraussetzung für die Akkreditierung der neuen Studiengänge. Wir werden im Master- und Bachelor-Prozess noch weiter fortfahren und können dort auch noch Erfolge erzielen.
Wachsende Professionalität über den Schulalltag hinaus: Da kann man einmal eine Lanze für das viel gescholtene Lehrerarbeitszeitmodell brechen, denn wenn sich tatsächlich die Qualität des Angebotes im Landesinstitut so weiter verbessert, wie es jetzt bereits angefangen hat – das heißt, dass tatsächlich auf die Belange der Schule eingegangen wird und das Angebot an der Nachfrage orientiert wird und nicht mehr einfach nur angeboten –, wird auch die Wertschätzung wachsen. Dann muss man es vielleicht nicht mehr verordnen, sondern dann wird es selbstverständlich sein, dass man dort an einer Weiterbildung teilnimmt.
Dies gilt insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern, denn dort haben wir ein Defizit, das auch vom Landesinstitut allein nicht aufgefangen werden kann. Nun wollen wir aber hier nicht das Missverständnis hervorrufen, dass wir vorher nie gute Lehrer gehabt hätten und dass die Schule nicht gut gewesen wäre. Die Anforderungen waren jedoch anders. Man war dem eigenen beruflichen Ethos unterworfen. Heute haben wir einen verbindlichen Standard und auch vergleichbare Ergebnisse.
Skeptisch bin ich nach wie vor bei der euphorischen Einwerbung von Seiteneinsteigern. Ich habe es gerade letzten Freitag in Rostock erlebt, als wir im Rahmen der Kinderuniversität einen hoch ambitionierten jungen Physiker erlebt haben, der in einem gedrängten Programm von 30 Minuten die Kinder so verwirrt hat, dass sie nicht mehr wussten, was sich da vorn eigentlich abspielte, wo man nach fünf Minuten gesagt hat, so, Jung, nun mache eine Pause und binde einmal die Kinder mit ein.
Das ist eben, Frau Dr. Brüning, ganz entscheidend: dass die Fachdidaktik bei den Erziehungswissenschaften bleibt. Das ist auch eine Voraussetzung dafür, dass wir dann den Seiteneinsteigern die richtige Profession mitgeben, damit sie dann von den Kindern verstanden werden.
Gönnen Sie mir am Beispiel der Naturwissenschaften einen kleinen Moment der Kritik in der Euphorie des Ganzen, was die Naturwissenschaften begleitet, Herr Senator. Wir müssen uns davor hüten, dass wir Bildung als verzwecktes Lernen ansehen. Nun mag es an meinem Alter liegen – wie auch immer –, ich erinnere mich zumindest an Humboldt und die humanistische Bildung, auch wenn sie für den einen oder anderen nicht mehr opportun ist. Die Bestandteile dieses humanistischen Bildungsstandards sind nicht auszuwählen. Sie sind auch nicht in der Verfügungsgewalt der Lehrenden oder der Lernenden. Sie sind ganz einfach Kulturgut und haben etwas mit der Akzeptanz kultureller Niveaus zu tun. Das sollten wir bei aller Euphorie über die Naturwissenschaften nicht vergessen.
Dabei soll natürlich nicht vergessen werden, dass eine Effizienz der Ausbildung jederzeit hinterfragt werden muss und dass diese Effizienz allzu lange nicht auf dem Tapet stand und als systemfeindlich angesehen wurde. Aber das sind Entwicklungen, an denen wir auch noch mitarbeiten können.
Nun haben sich Schule und Hochschule in der Vergangenheit und zum Teil auch in der Gegenwart als sehr widerständige Systeme erwiesen. Deswegen muss man die eine oder andere Veränderung sicherlich mit Nachdruck vorantreiben. Man darf dabei allerdings nicht vergessen, dass auch diese Systeme ein gewisses Recht auf Widerstand haben, weil sie sich einem öffentlichen Diktat von Wirtschaft, Gesellschaft und auch der Politik widersetzen müssen, wenn sie diesen Humboldtschen Bildungsstandard zu ihrer Maxime machen.
Das Vertrauen in die öffentliche Bildung darf aber natürlich nicht weiter schwinden. Deswegen sind wir verpflichtet, dies voranzutreiben und eine bessere Schule zu ermöglichen. Die vorliegenden Vorhaben sind eine gute Grundlage für eine zukunftsgerechte Lehrerausbildung. Man kann einiges noch verändern. Wir werden daran arbeiten.
Lassen Sie mich mit einem Zitat aus den Annalen meines Urgroßvaters enden, seines Zeichens Dorfschulmeister in Friedrichskoog-Spitze, der seine eigenen Hilfslehrer ausbildete und uns ein Konvolut hinterlassen hat, in dem er die Ziele seiner Ausbildung aufgeschrieben hat. Das Erste war praxisorientiertes pädagogisches Geschick, das Zweite war fundiertes Fachwissen und das Dritte der Mut zur Veränderung, der Mut zum Wandel. Das verbindet uns alle.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Koop, ich kann nahtlos an das anknüpfen, was Sie gesagt haben, ohne dass ich alle Punkte wiederholen werde, die Sie sehr ausführlich dargestellt haben.
Auch die SPD-Fraktion begrüßt natürlich, dass es jetzt eine Reform der Lehrerausbildung gibt und dass der Entwurf eine Einheit zwischen Studium, Vorbereitungsdienst und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer darstellt. Das halten wir für sehr gelungen. Ich muss Ihnen Recht geben, eine gute Schule ist ohne gute Lehrerinnen und Lehrer nicht zu machen.
Ich kann an das anknüpfen, was Ihr Urgroßvater gesagt hat. Der Praxisbezug ist in diesem Entwurf ausgeweitet worden. Auch das begrüßen wir. Wir haben seit vielen Jahren darauf hingewiesen, dass Lehramtstudierende schon während des Studiums mehr Praxisbezug haben sollten. Das ist mit diesem Entwurf gelungen.
Sie haben darauf hingewiesen, dass die Reform der Lehrerausbildung ein gemeinsames Projekt aller Fraktionen sein könnte. Das finden wir auch. Dennoch möchte ich zwei Punkte nennen, die wir vonseiten der SPD gern noch mit Ihnen diskutieren und vielleicht auch verändern würden.
Einen Punkt haben Sie schon angesprochen, Frau Koop, das sind die Kerncurricula. Ich habe die Drucksache und auch unsere Anhörung so verstanden, dass die Kerncurricula in einzelnen Fachwissenschaften noch nicht beendet sind. Im Entwurf steht als Datum 2007. Auch die SPD ist der Auffassung, dass die Reform der Lehrerausbildung mit den Kerncurricula steht und fällt. Wenn es den Fachwissenschaften nicht gelingt, inhaltliche und methodische Bausteine speziell für künftige Lehrerinnen und Lehrer auszuarbeiten, dann wird auch die Reform insgesamt nicht gelingen.
Bei der Anhörung wurde vonseiten der Universität darauf hingewiesen, alles sei noch in Arbeit. Die Bürgerschaft sollte ohne Wenn und Aber darauf achten, dass die Kerncurricula bis 2007 fertig gestellt werden müssen.