Protokoll der Sitzung vom 26.04.2006

Ein Fußballfest vor der WM – öffentliche Übertragung des Saisonfinales HSV – Werder Bremen unterstützen! – Drs 18/4081 – 2857 D

Beschluss 2857 D

Antrag der Fraktion der GAL:

20 Jahre nach Tschernobyl: Für eine zukunftsfähige Hamburger Energiepolitik – Drs 18/4082 – 2857 D

Beschlüsse 2857 D

Antrag der Fraktionen der SPD und der GAL:

Nach der Entscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichts – Zum Verfassungskonsens von 2001 zurückkehren – Drs 18/4083 – 2858 A

dazu

Antrag der Fraktion der CDU:

Gesetz über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid – Drs 18/4167 – 2858 A

Beschlüsse 2858 A

A C

B D

Beginn: 15.02 Uhr

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.

Zunächst darf ich die Abgeordneten, die sich einen Sticker mit politischer Aussage angeheftet haben, bitten, denselben zu entfernen. – Das geschieht nicht. Ich unterbreche die Sitzung und berufe den Ältestenrat ein.

Unterbrechung 15.03 Uhr ______________

Wiederbeginn: 15.32 Uhr

Meine Damen und Herren! Nehmen Sie bitte wieder Platz. Die Sitzung ist wiederum eröffnet.

Ganz besonders herzlich möchte ich heute die diesjährigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung "Jugend im Parlament" begrüßen,

(Beifall bei der CDU, der SPD und der GAL)

die in dieser Woche in den Räumen der Bürgerschaft politischen Fragestellungen nachgehen und Lösungen vorschlagen wollen, mit denen wir uns dann noch zu beschäftigen haben werden.

Abweichend von der Empfehlung des Ältestenrates haben die Fraktionen vereinbart, dass die Tagesordnung um weitere Punkte ergänzt werden soll. Es handelt sich dabei um vier Wahlen, die als Tagesordnungspunkte 5 a bis 5 d nachträglich in die Tagesordnung aufgenommen wurden. Die dazugehörigen Drucksachen, 18/4150 bis 18/4153, haben Sie erhalten.

Darüber hinaus sind die Fraktionen übereingekommen, dass auch die Tagesordnungspunkte 9, 42 und 43 vertagt werden sollen. Es handelt sich dabei um die Große Anfrage der SPD-Fraktion aus der Drucksache 18/3827 sowie um zwei Anträge der CDU-Fraktion aus den Drucksachen 18/4076 und 18/4077.

Wir kommen sodann zur

Aktuellen Stunde

Dazu sind drei Themen angemeldet worden, und zwar von der GAL-Fraktion

20 Jahre nach Tschernobyl: Atomkraft nicht schon wieder!

von der CDU-Fraktion

Hamburgs Wirtschaft – Wachstumsmotor für eine erfolgreiche Entwicklung der Stadt

und von der SPD-Fraktion

Erfolg Airbus: Vorausschauende Industriepolitik für das 21. Jahrhundert!

Ich wende mich dem ersten Thema und der Wortmeldung von Herrn Maaß zu.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich darf diesen Sticker nicht tragen, aber ich darf

darauf hinweisen, dass inhaltlich 80 Prozent der deutschen Bevölkerung der Aussage zustimmen: Atomkraft? Nein danke. Das ist eine gute Feststellung.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

In den frühen Stunden des 26. April 1986 ist das passiert, was angeblich nie passieren konnte, das, was technisch angeblich praktisch ausgeschlossen war. Das, was es nicht geben durfte, und das, was angeblich nur in den apokalyptischen Schwarzmalereien von Umweltaktivisten möglich war, aber nicht in der Realität. Eine Kernschmelze in einem Atomkraftwerk, verbunden mit einer massiven Freisetzung von Radioaktivität.

Die Folgen dieses Unfalls sind bis heute nicht vollständig abschätzbar. Die Toten sind ungezählt. Sind es 90 000 Tote, die wir im Laufe der Jahre zu erwarten haben, wie die russische Akademie der Wissenschaften sagt? Sind es 9000, wie die WHO in den Raum stellt? Wie viele Hunderttausende Erkrankte und Verletzte hat dieser Unfall zur Folge? Wie viele Hunderttausende von den eingesetzten Liquidatoren, die im unmittelbaren Anschluss an den Unfall eingesetzt wurden, werden erblinden? Wir wissen es nicht.

Fest steht jedoch, dass jedes einzelne von diesen Opfern ein Opfer zu viel ist.

(Beifall bei der GAL, der CDU und der SPD)

Hunderttausende Menschen sind aus ihrer Heimat vertrieben worden, welche auf Jahrzehnte oder länger unbewohnbar geworden ist.

Das sind die Folgen eines Super-GAUs in einer dünn besiedelten Region wie der Ukraine. Es ist nicht vorstellbar – und ich möchte es mir auch nicht vorstellen –, wie es um unsere Stadt und um unsere Kinder stehen würde, wenn es zu einem vergleichbaren Unfall in Brunsbüttel, Brokdorf oder in Krümmel käme. Deswegen werden wir, die GAL, auch nicht stillhalten, bis diese Atomkraftwerke in Hamburg, um Hamburg herum und in Deutschland stillgelegt sind.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Was war die Reaktion auf Tschernobyl 1986? Was ist sie heute? Sie ähnelt sich in gewisser Weise. 1986, in der Sowjetunion, gab es zunächst die Reaktion der Vertuschung, der Verheimlichung. Auch in Deutschland gab es eine Beschwichtigung: Es gebe keine Gefahr, war in den ersten Tagen nach dem Unfall von der Bundesregierung zu hören, Desinformation durch staatliche Stellen und die AKW-Betreiber. Messergebnisse wurden verheimlicht. In der Folge hat es einen bis dato nicht bekannten Vertrauensverlust in die Politik gegeben. Die Reaktion der Politik wiederum war, dass überall im Land Umweltministerien gegründet wurden, insbesondere das Bundesumweltministerium.

Wo stehen wir heute? Es gibt – ich sagte es – in mancher Hinsicht Parallelen. Die Umweltministerien werden – wie in Hamburg gerade – wieder abgewickelt. Wieder hören wir Beschwichtigungsformeln. So etwas wie damals in Tschernobyl sei hier in Deutschland vollkommen unmöglich. Das könne bei uns niemals passieren. Wirklich nicht?

Was ist mit den Unfällen in Atomkraftwerken in Harrisburg, nun wirklich keinem Atomkraftwerk sowjetischer Bauart? Was ist mit dem Unfall 2003 in Paks in Ungarn,

wo auch Mitarbeiter westlicher Firmen an der Steuerung beteiligt waren? Was ist mit dem Unfall in Brunsbüttel, wo es nur wenige Meter vom Reaktorkern eine Knallgasexplosion gegeben hat? Da sind wir gerade noch einmal davongekommen. Davongekommen sind wir auch im September 2001. Es hat ja die Planung gegeben, dass es Terrorangriffe in den USA nicht nur auf die bekannten und dann auch ausgewählten Ziele geben würde, sondern auch auf ein Atomkraftwerk. Die Gefahren sind deswegen seit 1986, insbesondere seit dem 11. September 2001, gestiegen, denn kein Atomkraftwerk hält den gezielten Absturz einer großen Passagiermaschine aus. Wer heute eine Diskussion über die Laufzeitverlängerung führt oder sogar über den Neubau von Atomkraftwerken fabuliert, wie es Vattenfall unlängst getan hat, handelt deshalb gegen die Interessen und Sicherheitsinteressen der Menschen in Hamburg.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Lassen Sie uns deswegen aus Tschernobyl eine Lehre ziehen. Lassen Sie uns mahnen, dass nicht das technisch Machbare der Maßstab dafür sein darf, was wir tun, sondern das Verantwortbare und verantwortbar ist die Atomtechnologie mit Sicherheit nicht.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Engels.