Protokoll der Sitzung vom 11.05.2006

Wir kommen zum Punkt 4 der heutigen Tagesordnung, der Drucksache 18/3755, Große Anfrage der SPDFraktion: Energiepolitik in Hamburg.

[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Energiepolitik in Hamburg – Drucksache 18/3755 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion federführend an den Umweltausschuss und mitberatend an den Wirtschaftsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Dr. Schaal, Sie haben es.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich sehe gerade, dass die CDU-Fraktion offensichtlich kein Interesse an der Debatte hat.

(Olaf Ohlsen CDU: Wieso, ich sitze doch hier!)

Eine sichere, umweltfreundliche und wirtschaftliche Energieversorgung ist eine der wichtigsten Fragen, die wir für die Zukunft zu lösen haben. Da lassen wir Sie nicht aus der Pflicht.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Großen Anfrage, die wir jetzt diskutieren, haben wir erreicht, dass der Senat endlich das seit anderthalb Jahren fällige Energiekonzept vorgelegt hat, denn drei Wochen, nachdem wir unsere Anfrage eingereicht hatten, lag das Konzept auf dem Tisch des Hauses.

In Norddeutschland sind in den nächsten 20 Jahren 7800 Megawatt Kraftwerkskapazität abgängig. Der Senat stellt uns jetzt Investorenpläne für 2500 Megawatt vor. Da bleibt die Frage offen, wie viel Strom und Wärme wir einsparen können, um die Stromkosten zu senken und das Klima zu schonen. Außerdem werden keine derartigen Einspar- oder Versorgungziele formuliert. Deutschland könnte aber 30 Prozent …

(Glocke)

Entschuldigen Sie, Frau Dr. Schaal, die Unterbrechung. Frau Machaczek, vielleicht wäre es gut, wenn der Senat seine volle Aufmerksamkeit dieser Diskussion widmen könnte.

(Gerhard Lein SPD: Plappert die Senatsbank an!)

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Deutschland könnte ohne Zusatzkosten 30 Prozent seines Primärenergieverbrauches einsparen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher würden dann 80 Milliarden Euro weniger für Energie ausgeben müssen und es könnten 380 Millionen Tonnen CO2 vermieden werden, was für das Klima gut ist. Dies hat das Wuppertal-Institut ausgerechnet. Wenn Sie jetzt gähnen und sagen, solche Studien stapelten sich, sollten Sie schnell aufwachen. Die Wuppertaler sind nämlich dabei, für einen großen deutschen Kraftwerksbetreiber einen Vorschlag zu erarbeiten, wie man ein 800-Megawatt-Kraftwerk durch eine Mischung aus Effizienz, erneuerbarer Energie und anderen Maßnahmen wie Kraft-Wärme-Kopplung ersetzen könnte. 800 Megawatt sind die Hälfte der Leistung des Großkraftwerkes, das Vattenfall in Moorburg bis 2012 fertig stellen will.

Das Erstaunliche an dem Wuppertal-Konzept ist, dass die Rendite bei diesem integrierten Modell höher veranschlagt wird, als bei einem Kraftwerksneubau. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Energieeffizienz.

Bis jetzt schweigt der Senat über die Umweltfolgen des geplanten Kraftwerks in Moorburg. Theoretisch ist die Effizienz durchaus gut. Aber wenn die ausgekoppelte Fernwärme nicht genutzt werden kann – und es soll in Moorburg mehr Fernwärme erzeugt werden als jetzt in Wedel –, weil nicht genügend Anschlüsse vorhanden sind, ist die Effizienz auch zum Teufel. Der Senat will jedoch offensichtlich nichts unternehmen, um die Wärmeabnahme zu sichern, sei es über Bebauungspläne oder vielleicht auch Anschlusszwang. Das alles schadet dem Klima und den Stromkunden, die die Fernwärme bezahlen müssen, obwohl sie sie nicht bestellt haben und auch nicht erhalten. Das ist weder effizient noch innovativ.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Im Herbst hat der Senat die Energiewirtschaft vom Klimaschutz getrennt und meinte damit, der Wirtschaft einen Gefallen zu tun. Außerdem, wurde argumentiert, gehe es darum, den Klimaschutz so richtig zur Geltung zu bringen. Wie hoch der Senat den Klimaschutz bewertet, sieht man, wenn man auf die Senatsbank blickt. Der Umweltschutz ist dort nicht vertreten, nur die Wirtschaft. Das ist die "richtige" Emanzipation des Klimaschutzes.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Dabei denkt man in den Chefetagen der großen Konzerne doch längst anders. Große Mineralölkonzerne beschäftigen sich mit Solarenergie und die Kraftwerksbetreiber denken auch insgeheim schon darüber nach, welche Alternativen es gibt oder bauen innovative Kraftwerke.

Auch die Bundesregierung verfolgt Überlegungen, in der die Energieeffizienz eine zentrale Rolle spielt. Die Bundeskanzlerin ist offensichtlich fest entschlossen, während der Ratspräsidentschaft, die sie 2007 übernehmen will, ein europäisches "Top-Runner-Programm" auf den Weg zu bringen.

(Rüdiger Kruse CDU: Das ist ja 'ne gute Kanzle- rin!)

Das ist 'ne gute Kanzlerin.

Ich hoffe, dass sich dann auch der Senat bemüht, dieses Programm zu unterstützen, denn dann wird endlich das passieren, was wir uns schon lange wünschen, dass nur Haushaltsgeräte oder Autos auf dem Markt sind, die absolut klima- und umweltverträglich sind und alles andere unter diesem Level vom Markt genommen werden muss; in Japan geht das nämlich bereits. Das würde auch hier eine regelrechte Effizienzwelle in der Republik auslösen und das brauchen wir.

Auch die EU-Kommission stellt in ihrem Grünbuch, das jetzt im Bundesrat diskutiert werden soll, als wesentlichen Beitrag für die Versorgungssicherheit die Effizienz von Wettbewerbsfähigkeit und Umweltschutz heraus; ein Aktionsplan soll in Kürze folgen. Bei der Beratung des Grünbuchs im Bundesrat in der nächsten Woche stellt sich allerdings der Senat jetzt schon quer und schickt seine Vertreter mit der Marschrichtung in die nächste Bundesratssitzung: keine Vorschriften zum nationalen Energiemix, keine Eingriffe in nationale Kompetenzen.

Dass man sich vertagt, dafür habe ich Verständnis, aber dass man gleich Barrikaden gegen jede Veränderung auftürmt, ist ein Beleg für Ihre ideologische Voreingenommenheit, Herr Uldall.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Und so geht es auch zu Hause. Neues wird nur angekündigt, wie zum Beispiel das Wasserstoffbrennstoffzellencluster, eine Richtung ist aber überhaupt nicht erkennbar. Die zentrale Frage nach der Effizienz der Wasserstofftechnik bleibt unbeantwortet. Die neuen Wasserstoffbusse, die in Hamburg fahren, sind alleine noch kein Programm und wenn man bedenkt, dass ein Wasserstoffbus 100 Liter Diesel als Energieäquivalent braucht, dann ist das sicher nicht sehr effizient.

(Beifall bei der SPD und bei Christian Maaß GAL)

Ein Handlungskonzept zu den erneuerbaren Energien wird uns seit Monaten angekündigt und nichts kommt. Der Senat schätzt erneuerbare Energien als Standortfaktor, denn es ist eine Wachstumsbranche mit Wachstumsraten von 30 Prozent, wovon andere Industrien träumen, aber die Produkte sollen lieber anderswo installiert werden. Der Senat fährt zwar die bewährten Klimaschutzprogramme seiner Vorgänger weiter, entzieht ihnen jedoch langsam, aber sicher immer mehr Mittel. Gestern wurde zwar ein neues Programm vorgestellt, Klimaschutz durch Bioenergie, aber ich bin gespannt, was dafür noch gekürzt wird.

Das Energiekonzept des Senats hat einen entscheidenden Strukturfehler. Es fehlen die Einsparziele und es fehlt die Koordination und Abstimmung der einzelnen Elemente aufeinander. Ein Beispiel dafür ist die HafenCity, da wird das besonders deutlich. Hier steht ein Heizkraftwerk für die Nahwärmeversorgung, das ist gut. Neben den geplanten Anschlussleitungen werden aber auch gleich zwei Blockheizkraftwerke eingeplant, die bekanntlich Strom und Wärme produzieren, und neben der Heizzentrale wird zusätzlich eine Brennstoffzelle aufgestellt. Das Ganze wird getoppt mit solarthermischen Anlagen auf dem Dach und auf der anderen Seite der Elbe steht das Großkraftwerk, das seine Fernwärme nicht los wird. Das finde ich irgendwo unwirtschaftlich. Die einzelnen Elemente sind sicher effizient und innovativ, aber zusammen ist das weder effizient noch wirtschaftlich.

(Beifall bei der SPD)

Wir sehen gerne, dass der Senat Unternehmen dabei berät und ihnen hilft, Energie einzusparen, Verbraucherinnen und Verbraucher haben aber bei diesem Senat das Nachsehen. Bei der Verbraucher-Zentrale wird so weit gekürzt, dass die Energieberatung nicht mehr kostenlos sein kann. Dabei wäre es volkswirtschaftlich und auch für jeden einzelnen so wichtig zu lernen, wie und was man sparen kann im Haus, ohne dass das Bier warm wird,

(Bernd Reinert CDU: Was?)

die Stube kalt wird und der Fernseher schwarz bleibt. Sie wollen doch immer so exzellent sein, Herr Senator, dann starten Sie doch eine Exzellenzinitiative, bei der Hamburg auch einmal den ersten Preis bekommt; das würde uns freuen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Engels.

Meine Damen und Herren! Wir hatten vor acht Wochen eine Energiedebatte

(Michael Neumann SPD: Ne, zwei!)

warten Sie einmal ab, da hatten wir auch schon eine – und vor vierzehn Tagen erst recht, an die sich alle noch hervorragend erinnern können. Insofern bin ich etwas erstaunt, dass die SPD sich bei ihren zwei Debattenwünschen erneut eine Energiedebatte aussucht.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Schwerpunktsetzung!)

Schwerpunktsetzungen, Sie könnten auch einmal neue Ideen haben, das wäre viel besser.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Das ist uns wichtig!)

Zum ersten Vorwurf von Frau Dr. Schaal, die CDU habe kein Interesse: Natürlich hat die CDU ein sehr intensives Interesse an der Energiepolitik, das hat sie vor 14 Tagen auch sehr deutlich gezeigt. Sie hat aber kein Interesse – das hatte ich schon einmal gesagt –, wie bei einer Schallplatte, in der eine Rille kaputt ist, sich ewig dasselbe anzuhören

(Ingo Egloff SPD: Sie erwähnen doch auch immer dasselbe!)

und das kann ich auch gut verstehen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von Dr. Mathias Petersen SPD)

Ich darf es wenigstens sagen, ich werde mich allerdings auf das Wesentliche konzentrieren, Herr Petersen. Ich halte nicht viel davon, nur einfach herumzusitzen und zu schweigen. Es muss aber wenigstens ausgesprochen werden, was ein großer Teil dieses Hauses denkt, nämlich dass ein dauerndes Wiederholen eines Themas das Thema nicht besser macht.

(Beifall bei der CDU)