Das zweite Übel ist in der Tat das Grundübel – Frau Goetsch und andere haben es dargestellt, Herr Lieven auch –, die Finanzierung. Wenn Sie Investoren den Auftrag geben, für eine Refinanzierungskaltmiete von 8 Euro ein interessantes Bauwerk hinzusetzen, das gleichsam die Nutzung ermöglicht, die nicht merkantil ist, dann bekommen Sie dies raus. Ich finde, es ist unerträglich, dass der Senat selbst dort, wo er einziehen möchte, nämlich am Überseezentrum, 50 000 Quadratmeter für zehn bis zwanzig Jahre für eine Kaltmiete von 15 Euro vertraglich anmietet und hier will er nicht mehr als 8 Euro bezahlen. Das ist nicht in Ordnung.
Meine Damen und Herren! Dann muss dem Investor eine Lösung einfallen und die Lösung ist die, die Sie präsentieren. Ich sage mal salopp: Im Grunde ist das jetzt so gebaut für die Nachnutzung für Hennes & Mauritz oder Hertie, Damenober- oder -unterbekleidung. Das ist das Ziel und daran haben Sie gedacht.
Meine Damen und Herren! Dieses Projekt ist gescheitert. Wir werden nachher mit dem Antrag scheitern, aber Sie werden mit dem Projekt scheitern.
Was ist das Ergebnis? – Alle haben Schuld, nur dieser Senat nicht. Die Bürger haben Schuld, weil sie zu spät aufgewacht sind, die Architekten haben Schuld und natürlich das Parlament. Herr Senator Freytag hat das gesagt.
Ich sage Ihnen ganz klar: Diese Art und Weise, zum Parlament zu sagen, entweder ihr kommt zu diesen Bedingungen mit oder ihr bleibt zuhause, ist nackte Erpressung.
Meine Damen und Herren, Herr Senator Freytag! Zu spät aufgewacht, man hätte reden können. Als die erste Kritik nach der Entscheidung aus dem Bezirk Mitte kam, haben Sie sofort evoziert. Das war Ihr Angebot zum Gespräch.
Im Übrigen, meine Damen und Herren, wenn das Modell auf eine neue Finanzierungsgrundlage gestellt wird, dann sind 20 000 bis 25 000 BGF und damit rund 10 000 BGF weniger möglich.
Herr Abgeordneter, ich muss gerade den Chef der Senatskanzlei in Schutz nehmen. Vielen Dank. Fahren Sie bitte fort.
Wenn es eine neue Finanzierungsgrundlage gibt und der Senat sich entscheidet, dieses Projekt alleine zu realisieren, dann ist auf diesem Gelände nicht nur interessante Architektur, sondern auch ein Gebäude mit 8000 bis 10 000 Bruttogeschossfläche weniger möglich und wir kommen alle unter, weil dann nämlich nach der Nutzung gebaut wird, die auch gewünscht ist.
Meine Damen und Herren! Schon heute lästern – ich habe das schon einmal an anderer Stelle gesagt – die Hamburger über dieses Projekt und dieses Ergebnis. Das ist traurig und erinnert mich auch an eine Entwicklung, die man erlebt hat und die man sich dann später genüsslich hat darstellen lassen. Sie kennen dieses berühmte Gebäude in Ostberlin Unter den Linden, worüber die Bürger später gesagt haben "Erichs Lampenladen". Ich sage Ihnen eines: Wenn die Bürger das eines Tages "Oles Lampenladen" nennen, dann haben Sie die Schuld.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dobritz, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass dieser Entwurf, über den Sie eben hergezogen sind, nicht vom Hamburger Senat stammt, sondern der Entwurf eines der international renommiertesten Architektenbüros ist. Ich finde, es ist eine Unverschämtheit, dass Sie renommierte Architekten in der Hamburger Bürgerschaft beleidigen. Das finde ich nicht in Ordnung.
Es geht hier doch nicht um unseren persönlichen Geschmack, sondern darum, dass wir zulassen, in unserer Stadt moderne Architektur zu diskutieren und dann müssen wir auch akzeptieren, dass es unterschiedliche Positionen gibt. Wir müssen auch akzeptieren, dass es kontroverse Entwürfe eines renommierten Architekturbüros, wie Auer + Weber, für den Domplatz gibt. Diese Architekten haben bedeutende, preisgekrönte Bauwerke realisiert. Sie können sich hier nicht hinstellen und diese fach
lich hoch qualifizierten Baumeister, die nicht für Senatspolitik verantwortlich sind, in dieser Weise abqualifizieren. Das ist Kleinstadtniveau, meine Damen und Herren.
Herr Lieven, Ihre Argumentation, man könne doch dieses Projekt nicht mit dem Centre Pompidou oder dem Guggenheim Museum in Bilbao vergleichen, ist nicht nachzuvollziehen. Als diese Projekte gebaut werden sollten, sind genau Kritiker wie Sie aufgestanden und haben gesagt, das könne man doch nicht mit internationaler Architektur vergleichen, das muss auf jeden Fall als für den Ort unpassend verhindert werden. Und, meine Damen und Herren, als in Hamburg das Kontorhausviertel gebaut wurde, als das Chilehaus gebaut wurde, gab es massive öffentliche Kritik. Sie können doch nicht sagen, dass das Chilehaus zu den architektonischen Peinlichkeiten der Stadt gehört,
nur weil damals die Stadtväter und -mütter durchgehalten und die Kontroversen ausgehalten und schließlich gebaut haben. Unsere aktuelle Debatte ist richtig. Es ist gut, wenn wir über Architektur streiten können …
Herr Neumann, als Sie regiert hatten, konnten wir über gar nichts streiten, weil die schlafende Schöne Hamburg geschlafen hat. Das sagt selbst Helmut Schmidt, meine Damen und Herren.
Ich freue mich, meine Damen und Herren, dass wir heute die Speicherstadt haben. Wir hätten die Speicherstadt nicht, wenn man Kritikern damals auf den Leim gegangen wäre. Wir hätten das Chilehaus nicht, meine Damen und Herren, wir hätten das Kontorhausviertel nicht, weil genau mit der Argumentation, die Sie hier anführen, Herr Lieven, versucht worden ist, dieses zu verhindern. Nein, meine Damen und Herren, wir können uns darüber freuen, dass die besten Ideen der klügsten Köpfe hier in unserer Stadt realisiert werden. Sie müssen nicht immer unserem persönlichen Geschmack entsprechen. Ich persönlich möchte nicht in einer Stadt leben, in der die Opernhäuser oder die Theaterhäuser das spielen, was dem Geschmack des Senats entspricht.
Deshalb ist das, was in der Kultur stattfindet, nicht der Geschmack des Senats, deshalb ist das, was in der Architektur stattfindet, nicht der Geschmack des Senats. Wo kämen wir hin, wenn wir uns zu den Zensoren der Stadtarchitektur machen.
(Michael Neumann SPD: Sie haben Kriterien vor- gegeben, die einen guten Entwurf unmöglich ge- macht haben! – Erste Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)
Ich finde es gut, über möglichst viele Ideen zu sprechen. Es ist gut, wenn sich möglichst viele gute Architekten um die besten Lösungen unserer Stadt bemühen und sie tun es in unserer Stadt, meine Damen und Herren. Unsere
Stadt wächst. Es wächst auch die Freiheit des Geistes. Für die treten wir ein und nicht für das kleine Karo.
Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Ich finde, es gibt drei Probleme bei dem Projekt auf dem Domplatz. Zum einen das Raumprogramm, zum zweiten die Finanzierungsform und -höhe und zum dritten die Gestalt des Baus.
Zunächst zum Thema Raumprogramm. Da muss man zugestehen, dass dafür nicht der Senat alleine verantwortlich ist. Dafür sind wir mitverantwortlich, denn das Raumprogramm ist auch durch die Bürgerschaft mit erweitert worden.
Nachdem wir die Entwürfe gesehen haben, können alle wahrnehmen, dass das, was auf dem Wege der Kompromissbildung an Volumen aufgeschaukelt worden ist, wozu dann vom Bezirk Hamburg-Mitte noch der Wohnungsbau kam, schlicht zu viel für diesen Platz ist. Das ist in allen Entwürfen erkennbar, denn keiner der Entwürfe ist richtig gut. Die ganze Projektierung lief unter einem zu vollen Raumprogramm, das durch Konsensbildung zustande kam; dafür sind wir mitverantwortlich.
Für die Finanzierungsform und die Finanzierungshöhe sind wir nicht verantwortlich. Dafür ist der Senat verantwortlich und da hat er eine falsche Entscheidung getroffen, denn wenn man ein Gebäude in Auftrag gibt mit der Maßgabe, in 20 Jahren müsse es allen möglichen Zwecken genügen, dann kann man nicht erwarten, dass der kulturelle Inhalt dieses Gebäudes auch in die Form auskristallisiert wird, sondern dann muss es auch ein Bürogebäude tragen können, das heißt, man bekommt unter solchen Bedingungen kein spezifisches Kulturgebäude. Da hat der Senat einen Fehler gemacht.
Drittens haben wir jetzt einen Entwurf, den ein renommiertes Architekturbüro unter falschen Rahmenbedingungen, also falschem Programmvolumen und falscher Finanzierungsart, hergestellt hat; dafür ist nicht das Büro verantwortlich. Ob es aber unter veränderten Bedingungen den besten Entwurf liefert, wissen wir nicht, weil es die veränderten Bedingungen ja nicht gegeben hat; also muss getestet werden, ob es das gibt. Allerdings kann die Sache nur klar entschieden werden, wenn in der Bürgerschaft an einem reduzierten Raumprogramm festgehalten wird, in dessen Zentrum die HÖB, die Zentralbibliothek dieser Stadt steht, und nicht wieder herumgeeiert wird.
Natürlich soll auch ein Bürgerschaftsforum in dem Sinne hinein, dass dort ein Treffpunkt mit Bürgern existiert, nicht aber in dem Sinne, dass die Bürgerschaftskanzlei und die Fraktionsbüros da sitzen. Das sind die nichtöffentlichsten Tätigkeiten, die wir überhaupt haben, die müssen nicht in diesem Gebäudeteil sein.