Entscheidend ist für mich aber – und darüber müssen wir auch diskutieren –, ob wir hier einen Paradigmenwechsel einführen, das heißt weg von den direkten Fördermaßnahmen hin zu indirekten Förderungen zum Beispiel von Kindertagesheimen oder auch Vorschule. Das heißt, das Geld wird nicht mehr auf die Konten der Familien und Sorgeberechtigten transferiert, sondern wir möchten gerne, dass die Kinder gefördert werden. Das ist das Entscheidende: Wir müssen die Kinder fördern.
Bei meinem Mittagstisch sagen mir die Kinder dann deutlich, dass ihre Eltern natürlich mehr Geld haben für Alkohol, Nikotin und andere Dinge. Damit lassen sie es nicht ihren Kindern zugute kommen. Das heißt, nachdem sie dann bei uns gefördert werden im Mittagstisch, bekommen sie zu Hause gar kein Essen mehr. Das macht deutlich, dass wir hier ansetzen müssen. Das heißt, wir wollen die Kinder fördern und nicht ihre Eltern.
Hamburg gibt insgesamt 150 Millionen Euro, Frau Dr. Hilgers, allein für weitergehende Rechtsansprüche aus. Das ist bundesweit top und das finde ich ganz hervorragend, weil wir versuchen, den Kindern Bildungschancen für ein eigenverantwortliches Leben zu offerieren, indem wir Sprachförderung anbieten, indem wir die Ganztagsschulen ausgebaut haben. Die Behörde für Bildung und Sport hat angekündigt, im Jahre 2007, 2008 elf neue Ganztagsschulen in Hamburg zu etablieren. Mit den vier, die wir in 2006 und 2007 dazubekommen haben, hat Hamburg dann 70 neue Ganztagsschulen. Das ist top und das können Sie nicht mehr toppen, weil Sie das in Ihrer Regierungszeit nicht hinbekommen haben.
Wir kommen zur Bildung. Frau Veit und Frau Gregersen haben auch die Bildung angesprochen; ich will einmal mit einem Gerücht aufhören. Die PISA-Studie, die wir seit vielen Jahren in dieser Stadt diskutieren, stammt aus dem Jahre 2000. Ich kann mich erinnern, dass im Jahre 2000 noch Rotgrün regiert hat und nicht Schwarz.
Wir haben etwas geändert. – Hamburg gibt nicht nur 6660 Euro pro Schüler im Jahr aus, sondern unsere Senatorin hat jetzt Maßnahmen eingeleitet,
damit die Kinder besser gefördert werden und das Leistungsprinzip in unseren Schulen wieder Vorrang hat.
Herr Dr. Petersen, Rang 13, den Sie uns hinterlassen haben in der PISA-Studie, hat ursächlich natürlich auch ein sogenanntes Stadtstaatenproblem, das wir immer diskutieren. Die Großstadt hat einen höheren Anteil von Migranten und in der Tat einen höheren Anteil von Stadtteilen mit sozialen Problemlagen. Die PISA-Studie hat auch ergeben, dass Hamburg, wenn man die Menschen mit Migrationshintergrund ausnehmen würde, wesentlich
besser dastehen würde. Das heißt, wir werden in Zukunft in Gebieten mit sozialen Problemen stärkere Sprachförderung durchführen.
Wir tun das bereits in den Kindertagesstätten und der Senat wird erneut ein Programm auflegen, um genau diese sozialen Brennpunkte stärker zu fördern.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Senatorin, was Sie vorhin gesagt haben, dass es den Familien und den Kindern noch nie so gut ging wie heute, ist reiner Hohn, das glaubt Ihnen keiner. Und dass es eine Herzenssache Ihrerseits ist, sich um Familien und diese Kinder zu kümmern, glaubt Ihnen erst recht keiner in dieser Stadt.
Aber – meine Kolleginnen und Kollegen haben schon darauf hingewiesen – es gibt nicht nur die Hochglanzbroschüren, die Senator Uldall immer hochhält, sondern es gibt auch Zeitschriften, die sich mit der anderen Seite unserer Stadt befassen und da kommen wir auf das bekannte und hier schon angesprochene "Zeit"-Dossier. Es ist beispiellos in der Geschichte dieser Stadt, dass einem solchen Magazin, einem solchen Journalisten, der insgesamt drei Monate mit allen möglichen Leuten in dieser Stadt gesprochen hat, mit Verbänden, mit Parteien, diese beiden Personen – der eine ist medienwirksam bei der Trauerfeier von Jessica aufgetreten, hat Monate später verkündet, kein Kind dürfe mehr durchs Rost fallen, besucht Suppenküchen besucht und fährt nachts durch Hamburg,
um sich das Elend anzugucken, was er angerichtet hat, und die andere, die fachpolitisch als Senatorin dafür zuständig ist, die auch Kaffeekränzchen mit Kindern in Kitas abhält –, dass diese beiden Personen es wochenlang bis zum Schluss abgelehnt haben, dieser Zeitschrift ein Interview zu geben.
Frau Senatorin, da können Sie sich auch nicht herausreden. Das ist nicht die Zeitung "Neues Deutschland" gewesen oder sonst was, die "Zeit" ist eine sehr seriöse und anerkannte Zeitung. Und gerade wenn es eine Herzenssache gewesen wäre, dann hätten Sie Stellung beziehen müssen und das vermissen wir zu Recht.
Diese angebliche Herzenssache nimmt Ihnen nicht einmal mehr der Unternehmensverband Hamburg ab. Auch diese Mitglieder, die eher konservativ sind, haben erkannt, dass die Familienpolitik nicht mehr den Stellenwert hat, den sie eigentlich haben müsste in dieser Stadt.
Frau Senatorin, Sie haben angesprochen, dass Sie viel getan hätten, unter anderem im Kita-Bereich; auch Ihr Kollege hat das eben angesprochen. Aber er hat auch angesprochen, dass vielen Familien und Eltern die Erziehungskompetenz fehlt und das ist auch richtig. Deswegen
hat sich, was Sie gemacht haben und was im Sonderausschuss auch deutlich wurde, die Streichung der Ganztagsplätze in den sozial schwierigen Stadtteilen fatal auf die Kinder ausgewirkt.
Auch Ihr Konzept "Hamburg schützt seine Kinder" ist Stückwerk, denn wir haben alle nicht vergessen, dass Sie es waren, die monatelang die ASD-Aufstockung blockiert hat. Sie waren es, die anfänglich immer davon gesprochen hat, dass alles gut in dieser Stadt sei und der Bürgermeister hat Sie dann dazu bewegt, darüber nachzudenken, das eine oder andere nachzubessern. Aber die Strukturreform, die wir im Bereich Jugendhilfe, im Bereich ASD brauchen, haben Sie bis heute nicht auf den Weg gebracht und dafür tragen Sie die volle politische Verantwortung.
Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten vier Jahren erlebt, dass das Thema Kinder, dass das Thema Familie und dass das Thema Armut immer ausgeblendet werden soll. Sie haben jahrelang die Armutsberichterstattung abgelehnt, Sie haben es jahrelang abgelehnt, sich offensiv mit dem Thema zu befassen. Es geht gar nicht darum, eine Schuldzuweisung zu betreiben und zu sagen, ausschlaggebend sind die letzten zwei oder anderthalb Jahre oder was auch immer. Es geht darum, dass wir den Kindern eine Zukunft ermöglichen und das heißt, dass wir alle gemeinsam dieses Problem erkennen und wahrnehmen und auch lösen wollen und diese Lösung wollen Sie nicht, Frau Senatorin.
(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL – Stefanie Strasburger CDU: Das letzte stimmt nicht!)
Kinder haben jedenfalls in Form der Senatorin keine Anwältin, sie werden nicht gefördert. Hier wird über Leuchtturmprojekte gesprochen und auf der anderen Seite müssen wir in Jenfeld private Essensküchen betreiben, damit die Kinder überhaupt satt werden. Das sollten Sie, Frau Strasburger, einmal wahrnehmen, da sollten Sie einmal hinfahren.
Schade. – Frau Senatorin, Sie haben vier Jahre lang Familien und Kinder vernachlässigt. Damit muss jetzt Schluss sein, ziehen Sie die Konsequenzen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dietrich, Sie haben eine gute Steilvorlage gemacht, Sie haben sich in Widersprüche verwickelt. Große Grundschulklassen zum Beispiel sind sicherlich nicht gerade förderlich für diese Kinder.
Frau Schnieber-Jastram, es geht hier nicht darum, einen Schlagabtausch zu machen, wer besser ist; die Zahlen
sprechen für sich. Erinnern Sie sich an die Debatte des Zukunftsrats, den HEINZ-Bericht, den wir hier diskutiert haben? Die Zahlen haben Bände gesprochen und auch in vielen anderen Debatten sind die Zahlen so eindeutig, dass wir leider Gottes davon sprechen müssen, dass Sie, wenn Sie so weitermachen, Armut in dieser Stadt reproduzieren.
Lassen Sie mich, gerade auch wegen der Ignoranz dieses Senats, noch einen weiteren Aspekt in die Armutsdebatte werfen, der weitgehende Folgen für unsere Gesellschaft, für die Wirtschaft und die Volkswirtschaft insgesamt hat. Es geht um die Frage der Risikoschüler, der Looser unserer Gesellschaft, der Schulabbrecher, die in aller Regel in bildungsfernen Familien vorkommen und diese bildungsfernen Familien leben in aller Regel in benachteiligten Stadtteilen. Risikoschüler sind diejenigen Schüler, die aufgrund ihrer schulischen Leistungen kaum eine Chance auf Arbeit, geschweige denn auf einen Ausbildungsplatz haben, die in der Regel kein eigenbestimmtes Leben in der Gesellschaft führen. Das ist sinngemäß die Interpretation in den PISA-Berichten.
Es gibt eine neue erste Regionalanalyse in Hamburg, die ich in der Enquete-Kommission in Auftrag gegeben habe und diese Regionalanalyse wurde uns vorgestellt. Die Bildungschancen dieser Kinder korrelieren eins zu eins mit den Benachteiligungen ihrer sozialen und kulturellen Herkunft in den benachteiligten Stadtteilen. Exemplarisch an Beispielregionen in Hamburg sind aufgrund der LAU9-Daten, der Bildungsstudie, in dieser Regionalanalyse einige Hamburger Postzustellbezirke mit hohem Anteil an Risikoschülern untersucht worden: Billstedt, Bahrenfeld, Wilhelmsburg-Ost, Wilhelmsburg-West.
Ich möchte Ihnen einige Daten nennen. Dass die Arbeitslosigkeit in Billstedt und Wilhelmsburg doppelt so hoch ist wie in ganz Hamburg, ist bekannt. Beim Anteil der Schülerinnen ausländischer Nationalität – damals hat man noch nicht die gesamte Definition genommen – ist der nächste Widerspruch, Herr Dietrich. Wenn Sie die Migranten herausrechnen wollen, haben Sie gut zu tun. 45 Prozent aller Jugendlichen unter 18 Jahren sind Kinder mit Migrationshintergrund. Auch in dem Punkt liegen Sie also vollkommen falsch.