Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

dern geben soll. Das ist völlig unbestritten, das ist die Umsetzung, Herr Schäfer hat es gerade schon erläutert, eines Bundesverfassungsgerichtsurteils von 1994. Die Umsetzung erfolgt, wenn sie im Jahre 2006 – und auch erst Ende des Jahres 2006 – angegangen wird, reichlich spät.

Es stimmt, dass ein Gutachten des Max-Planck-Instituts besagt, dass es in den verschiedenen Ländern eine unterschiedliche Praxis der Rechtsprechung gibt. Das hätte man – ehrlich gesagt – auch ohne das Max-PlanckInstitut-Gutachten wissen müssen, da es schon seit längerer Zeit einen Streit vor allem zwischen Bayern – mit einer sehr restriktiven Praxis – und den eher liberaleren Ländern des Nordens gibt.

Um vielleicht mit einem Missverständnis aufzuräumen – der Paragraf, über den wir hier reden, ist nicht der einzige Paragraf im Betäubungsmittelgesetz, der die Möglichkeit eröffnet, Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen. Es gibt sehr wohl auch noch den Paragrafen 29, wie Herr Lüdemann uns im Zweifelsfall sicherlich gleich noch zu berichten weiß.

Das Entscheidende an dem Paragrafen 31 a Betäubungsmittelgesetz ist, dass er ganz explizit voraussetzt, dass es eine geringe Schuld des Täters und das Fehlen eines öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung geben muss. Jetzt möchte ich schon noch einmal dazu kommen, wem das wehtut, wenn die Grenzwerte abgesenkt werden.

(Olaf Ohlsen CDU: Ja, das tut weh!)

Der Paragraf 31 a ist alleine in Hamburg in den Jahren 2003, 2004 und 2005 13 000 Mal angewendet worden.

(Wolfhard Ploog CDU: Ja, das ist eine ganz schöne Menge!)

Das war 1992 übrigens auch der Hintergrund der Hamburger Initiative, diesen Paragrafen überhaupt in das Betäubungsmittelgesetz aufzunehmen. Hamburg hatte nämlich das Problem, dass die Polizei diejenigen verfolgen musste, die sie mit Haschisch oder CannabisProdukten erwischte. Die Gerichte waren völlig überlastet – aber leider mit den Kleinkonsumentinnen und Kleinkonsumenten, die man überhaupt nicht unbedingt erreichen wollte –, nämlich mit denen, um die es hier geht, die nur eine geringe Schuld auf sich geladen hatten und bei denen ein Fehlen des öffentlichen Interesses der Strafverfolgung vorausgesetzt werden konnte. Hamburg hat damals, um seine eigenen Strafverfolgungsorgane vor diesen ganzen Verfahren zu schützen, die anderen Bundesländer darum gebeten zuzustimmen, diesen Paragrafen in das Betäubungsmittelgesetz aufzunehmen. Hamburg hat damit gute Erfahrungen gemacht. 13 000 Verfahren in drei Jahren sind umgerechnet ungefähr etwas über 4000 Verfahren im Jahr. Das sind Verfahren, die vor Gericht nicht stattgefunden haben, weil die Staatsanwaltschaft rechtzeitig die Notbremse gezogen hat und – natürlich nach einer Prüfung des Falls – beschlossen hat, dass es nicht zu einer Strafverfolgung oder zu einem Prozess kommen muss.

Mit dieser Erläuterung ist übrigens auch schon ganz klar abgebildet worden, dass dies natürlich auch den Kinder- und Jugendschutz beinhaltet. Es ist ganz klar, dass in dem Moment ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung existiert, in dem eine Fremdgefährdung durch den Konsum und Besitz vorausgesetzt werden kann.

Diese Fremdgefährdung – das ist schon relativ einheitliche Rechtsprechungspraxis in den einzelnen Ländern – kann immer dann vorausgesetzt werden, wenn Kinder und Jugendliche durch den Ort, durch die Art des Konsums oder durch die Funktion des Konsumenten oder der Konsumentin beeinträchtigt sind, das heißt, wenn es sich zum Beispiel um Jugendgruppenleiter oder Lehrerinnen oder ähnliche Personen handelt. Das heißt, das Einzige, was Sie mit der Verschärfung dieses Paragrafen erreichen wollen, ist, dass Hamburg nur mitzieht, weil andere Bundesländer – da muss ich es doch noch einmal sagen – aus ideologischen Gründen an diesen 6 Gramm festhalten. Es gibt keinen Grund zu sagen, man muss an den 6 Gramm festhalten.

(Wolfhard Ploog CDU: Doch!)

Hamburg könnte selbstbewusst hinausgehen und sagen: Wir wollen, dass es 10 Gramm sind.

(Wolfhard Ploog CDU: 60 Gramm!)

Nein, warum nicht 10 Gramm?

Wir haben 10 Gramm, wir haben damit gute Erfahrungen gemacht. Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung festgestellt, dass 10 Gramm tatsächlich eine geringe Menge sind.

(Wolfhard Ploog CDU: Das ist ungesund!)

Dass es ungesund ist, Herr Ploog, das zeigt nur, dass Sie überhaupt nicht verstanden haben, was der Sinn des Rechtsstaates ist.

Der Sinn des Rechtstaates ist es nämlich nicht, Sie vor Ihrer eigenen Gefährdung zu schützen. Dann müsste er Ihnen auch verbieten, zu viel Fett zu essen und vielleicht sogar Politik zu machen.

(Beifall bei der GAL – Wolfhard Ploog CDU: Oder Ihnen zuzuhören!)

Sie können immer schlauer werden, wenn Sie mir zuhören, Herr Ploog, glauben Sie mir.

(Wolfhard Ploog CDU: Könnte sein!)

Der Sinn des Rechtsstaates ist es, im Zweifelsfall andere vor ihrem Verhalten zu schützen. Deshalb ist so entscheidend, dass drinsteht: … wenn keine Fremdgefährdung vorliegt. Nur dann kann das Verfahren überhaupt eingestellt werden. Das ist der rechtsstaatliche Grundgedanke.

Ich möchte Sie auf noch etwas hinweisen. Das Bundesverfassungsgericht hat sehr eindeutig festgestellt, dass es in Bezug auf den Besitz von Cannabis eine Grenze geben muss, bei der der Besitz von Cannabis und die Strafandrohung verhältnismäßig sind, und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nur durch die Tatsache, dass es den Paragrafen 31 a gibt, das gesamte Betäubungsmittelgesetz in Bezug auf Cannabis überhaupt für verfassungsgemäß hält.

(Olaf Ohlsen CDU: Bei diesen Debatten hätte ich gerne einmal ein bisschen Cannabis!)

Es ist ganz klar aus dem Urteil ablesbar, dass die Tatsache, dass man Verfahren einstellen kann, wenn die Täterin oder der Täter nur eine geringe Schuld auf sich geladen hat und das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung fehlt, dass nur diese Hintertür die Möglichkeit

eröffnet, Cannabis genauso zu behandeln wie beispielsweise Heroin oder Kokain.

Deshalb möchte ich Sie noch einmal bitten, unseren Antrag gründlich zu lesen, vor allem das Petitum gründlich zu lesen. Die Begründung muss Ihnen ja nicht gefallen. Sie werden in den Strafverfolgungsbehörden in Hamburg, sowohl bei der Polizei als auch bei der Staatsanwaltschaft und erst Recht bei den Gerichten keine Leute finden, die für eine Absenkung dieser Eigenbedarfsmenge sind, da sie genau wissen, dass damit eine Verfahrenswelle auf sie zurollt, die sie überhaupt nicht gebrauchen können, wenn sie sich denjenigen zuwenden sollen, die eine nicht geringe Schuld auf sich geladen haben und bei denen es ein klares öffentliches Interesse an der Strafverfolgung gibt. Deshalb führt Ihr Antrag zu mehr Bürokratie und zur Kriminalisierung vieler Kleinkonsumentinnen und Kleinkonsumenten,

(Wolfhard Ploog CDU: Überhaupt nicht!)

bei denen es bisher jedenfalls kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung gegeben hat. Wo Sie dieses öffentliche Interesse plötzlich hernehmen, bleibt völlig schleierhaft. Das ist der Grund, weshalb Ihr Antrag ideologisch ist. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort erhält jetzt Herr Senator Lüdemann.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Erinnern Sie sich noch an die Legalisierungskampagne der GRÜNEN JUGEND aus dem Jahr 2002?

(Dirk Kienscherf SPD: Von der FDP!)

"Durch Deutschland muss ein Joint gehen", lautete die Forderung, die sogar von der Bundesvorsitzenden, Claudia Roth, unterstützt wurde.

Wenn Sie mich fragen, ob durch Deutschland oder durch Hamburg ein Joint gehen muss, kann ich nur eine Antwort auf diese Frage geben und die lautet ganz klar: Nein.

(Beifall bei der CDU)

Die Drogenpolitik des CDU-geführten Senats ist ganz eindeutig. Null Toleranz gegenüber der Drogenkriminalität ist das einzig richtige Signal einer verantwortungsvollen Regierung und eines verantwortungsvollen Umgangs.

Wir werden auch zukünftig unseren konsequenten und erfolgreichen Weg bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität fortsetzen und dabei falsch verstandener Toleranz eine klare Absage erteilen.

(Beifall bei der CDU)

Demgegenüber hat sich heute gerade eben wieder die GAL für eine weitestgehende Straffreiheit bei illegalen Drogen eingesetzt

(Katja Husen GAL: So ein Schwachsinn!)

und fordert eine entsprechende Regelung gemäß Paragraf 31 a BtMG, also über eine Norm, über die wir heute reden wollen.

Wenn Sie in diesem Zusammenhang sagen, es ginge dabei um Bürokratieabbau, dann sage ich nur: Von Büro

kratie zu sprechen, wenn es um Drogenbekämpfung und Bekämpfung von Drogenmissbrauch geht, ist ein Irrsinn. Dann können wir auch sagen: Wir verfolgen die leichte Körperverletzung nicht mehr. Eine kleine Ohrfeige hat noch niemandem geschadet. Das ist zusätzliche Bürokratie, da muss die Staatsanwaltschaft nicht mehr ansetzen – absoluter Blödsinn.

(Beifall bei der CDU)

Das Einzige, was Sie wollen, das haben Sie auch ganz deutlich in Ihrer Pressemitteilung geschrieben, ist die Entkriminalisierung des Suchtmittelkonsums. Da werden Sie mit uns überhaupt keine Einigung finden. Wir wollen genau das Gegenteil.

Um auf die Norm einzugehen: Gemäß Paragraf 31 a Betäubungsmittelgesetz kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung gewisser Vergehen nach dem BtMG absehen, Frau Husen sagte es auch schon, wenn der Täter das Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch und in geringer Menge besessen hat. Was allerdings eine geringe Menge ist, das sagt das Gesetz nicht. Deswegen wurde schon viel entschieden und erklärt. Diese berühmte Entscheidung aus dem Jahr 1994 sagt: Ihr müsst das in den Ländern jetzt endlich einmal einheitlich festlegen. Dass wir diese einheitlichen Regeln brauchen, die sagen, was eine geringe Menge ist, darüber herrscht Konsens in allen Parteien. Nur, die wichtige Frage ist: In welche Richtung geht das, auf welchen Wert wollen wir uns festlegen? Da ist man dann unterschiedlicher Meinung.

Der Wille des Staates, Straftaten zu verfolgen, drückt sich auch und insbesondere bei einer Norm wie der des Paragrafen 31 a aus, in einer Norm, die besagt, in diesen Fällen kann man auch einmal ein Auge zudrücken, also auch einmal darüber hinwegsehen. Frau Husen hat es bezeichnet: Da kann die Staatsanwaltschaft die Notbremse ziehen. Die entscheidende Frage ist also, ob die Strafverfolgungsbehörden in der Regel wegsehen, wenn ein BtM-Konsument mit Drogen angetroffen wird. Also genau die Formulierung: Wann und wie kann man über die Anklage hinwegsehen? Mit einem – so wie Sie es wollen – allzu großzügigen Wegsehen ist niemandem geholfen, insbesondere den Konsumenten nicht. Denn diese sind Opfer ihrer Sucht, aber nach unserer Rechtsordnung auch Täter. Die GAL sieht das zwar anders, Sie sehen das als falsches Signal, aber Straftaten müssen auch weiterhin konsequent verfolgt werden. Wir haben in den letzten Jahren bei der Verfolgung dieser Straftäter schon eine Menge erreicht.

Frau Husen, wenn Sie in Ihrer Pressemitteilung sagen, im Jahre 2005 hätte die Staatsanwaltschaft insgesamt 10 000 BtMG-Verfahren gehabt, dann ist das schlichtweg verkehrt. Es muss 2000 heißen und nicht 2005, da müssten Sie Ihre Pressemitteilung noch einmal korrigieren. Im Jahr 2000 erledigte die Hamburger Staatsanwaltschaft 10 000 Verfahren, dabei hat sie 43 Prozent der Fälle eingestellt. Im Jahre 2005 sind nur noch 29 Prozent der Fälle nach Paragraf 31 a eingestellt worden. Wir haben also unter diesem CDU-Senat einen deutlich höheren Verfolgungsdruck aufgebaut.