Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

(Petra Brinkmann SPD: Mit Glauben hat das nicht viel zu tun!)

Kommen wir zu den Inhalten. Zum einen bin ich überrascht, mit welcher Akribie Sie Zahlen und Einstellungen aus allen möglichen Bereichen abfragen. Das geht bei der Schule los, geht über Sport, das Personalamt bis zur Polizei. Es sollen ein Riesenwust von Daten gesammelt und alle Bereiche akribisch abgefragt werden.

(Lutz Kretschmann-Johannsen SPD: Das ist an- ständige Arbeit!)

Zwei Dinge sind für mich wesentlich. Sie wünschen sich, alles in allem zu erfassen. Ich brauche da ein gesamtes Bild. Würden wir anfangen, mit derselben Akribie zu diesem Thema Fragen zu stellen, würde es wieder heißen, es würden doch ein bisschen zu viele Daten gesammelt und wir kämen wieder in die Nähe, zuviel wissen zu wollen über den einen oder anderen.

(Lutz Kretschmann-Johannsen SPD: Wo sind denn Ihre Anfragen? Da ist doch nichts!)

Ich würde mir auch einmal die Diskussion im Rechtsausschuss angucken, wo es nämlich darum ging, welche Daten eigentlich über Strafgefangene erhoben werden. Da sind wir genau an dem Punkt, einen Bereich zu haben, wo es, wenn man sehr eng in einer Zelle lebt, für den Strafvollzug sehr wichtig sein kann zu wissen, wo eventuelle Konfliktfelder liegen könnten. Diese Debatte wird allerdings anders geführt, als Sie sie hier intonieren. Ich bitte dann doch darum, das richtig zu justieren.

Was haben wir herausbekommen? Als ich mich heute noch einmal intensiv mit der Senatsantwort beschäftigt habe und auch dem einen oder anderen Freund, Bekannten, Schwulen oder Lesbe gesagt habe, das Thema sei heute Diskriminierung, da wurde ich interessiert angeguckt und man sagte mir, dass sich die Mehrheit der Schwulen und Lesben in Hamburg nicht diskriminiert fühle. Das ist erst einmal festzuhalten; zu den von Ihnen angesprochenen Einzelfeldern komme ich gleich. In Hamburg fühlt sich kaum ein Schwuler, kaum eine Lesbe diskriminiert, sondern die allermeisten fühlen sich hier wohl und leben gerne in Hamburg.

(Farid Müller GAL: Wo haben Sie denn das her?)

Es gibt allerdings – da sollten wir an dieser Stelle auch ins Detail gehen – Bereiche, in denen es sehr schwierig ist, mit dem Thema umzugehen; Sie haben diese Bereiche angesprochen. Die Bereiche Schule und Jugendhilfe sind zwei solcher sensiblen Felder, bei denen wir sehr genau hingucken müssen, wie wir dort agieren und die Antwort des Senats hat an der einen oder anderen Stelle aus meiner Sicht noch mal einen Nachfragebedarf aufgeworfen. Wir folgen nicht dem Grundtenor – das möchte ich hier noch einmal sicherstellen –, dass Schwule und Lesben in Hamburg schwerster Diskriminierung unterliegen und der Senat diesem Vorschub leistet,

(Beifall bei der CDU)

sondern die 26 Seiten zeigen sehr deutlich, dass man sich mit dem Thema sehr wohl befasst. Nur weil es kein Senatsamt mehr gibt, sondern eine Eingliederung in die Sozialbehörde stattgefunden hat, bedeutet das nicht, dass man diesem Thema weniger Bedeutung beimisst,

sondern es bedeutet sehr wohl, dass man es in ein normales Arbeitsumfeld überführt hat. Die Antworten zeigen, dass eine sehr intensive fachliche Debatte zu den verschiedensten Themen stattfindet. Der Senat hat sich seit 2004 sechsmal in seinen ach so kurzen Senatssitzungen mit dem Thema Schwule und Lesben in Hamburg befasst.

(Petra Brinkmann SPD: Das ist ja super! Sechs- mal!)

Er hat sich – das zeigt die Anfrage auch – mit dem Thema Migration befasst, mit dem Thema Diversity-Marketing, Gewalt in gleichgeschlechtlichen Paarbeziehungen, mit der vielfältigen Umgehensweise in der Jugendarbeit, mit Lesben im Alter. Die Handreichung der Schulbehörde, über die Sie hier schon referiert haben, ist bei uns fachlicher geprägt und auf eine deutliche Sachebene verlagert, als Sie es gerne hätten. Aber das ist der richtige Weg, den wir an der Stelle gehen.

Nichtsdestotrotz steht auch ein anderer Ansatz dahinter und da sind wir in der Diskussion. Es gibt auch eine Passage in dieser Anfrage, die das Personalamt beantwortet hat. Sie fragen in der Fragestellung 4.4, welche Maßnahmen das Personalamt getroffen habe, damit sich Mitarbeiter outen, ob es unterstützt werde, dass sie sich outen. Die gleiche Fragestellung sehen wir im Sportbereich. Die Antwort des Senats, die ich und auch die CDU-Fraktion sehr wohl mittragen, zeigt einen deutlichen Unterschied bei der Herangehensweise. Der Senat ist der Auffassung, dass er sich grundsätzlich nicht für die sexuelle Orientierung seiner Beschäftigten zu interessieren hat, sofern sich daraus keine Benachteiligung ergibt. Ob sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ihrer sexuellen Orientierung bekennen, ist ihre Privatangelegenheit.

(Olaf Ohlsen CDU: So ist es!)

Diese Position teilen wir voll und ganz.

(Beifall bei der CDU)

Ich gebe Ihnen recht, ich würde mir auch in der eigenen Fraktion – deswegen befasse ich mich auch mit dem Thema – einen offeneren Umgang an der Stelle wünschen. Vielleicht gibt es aber den einen oder anderen, der für sich eine andere Entscheidung getroffen hat; das gilt es zu respektieren. Wir können dann unseren Anteil dazu beitragen, dass solche Themen offen angegangen werden und keine Abduckung stattfindet.

Genau deshalb überweisen wir diese Große Anfrage an den Sozialausschuss, weil wir glauben, dass es Themen gibt, die wir dort gerne diskutieren würden, auch unter dem Gesichtspunkt, dass es unterschiedliche Ansätze gibt.

Der Bereich Gewalt ist für uns ein Bereich, wo wir ganz klar sagen, wenn es dort Dinge gibt, wo wir handeln müssen, dann tun wir das. Wir haben siebeneinhalb Stellen bei der Polizei mit entsprechender Ausbildung. Wenn es dort Ansätze gibt, wo man sagt, da muss man etwas tun, dann sollten wir das diskutieren. Wir können sicherlich über die Jugendhilfe diskutieren, darüber, wie die Umsetzung in den Lehrplänen stattfindet, wo das Thema in der 9./10. Jahrgangsstufe vorgeschrieben ist, wie das Institut für Lehrerfortbildung aufgestellt ist.

Diese Diskussionen führen ich und auch meine Fraktion gerne mit Ihnen im Ausschuss. Das ändert für mich aber nichts – das möchte ich am Ende noch einmal klarstellen

an der grundsätzlichen Auffassung. Die meisten Schwulen und Lesben leben gern in Hamburg, sie fühlen sich in Hamburg wohl und es ist für uns klar, dass wir Diskriminierung an dieser Stelle entgegenzutreten haben, aber für uns ist auch klar, dass dieser Senat definitiv nichts dazu beiträgt, dass Schwule und Lesben in dieser Stadt diskriminiert werden. Ganz im Gegenteil, er schafft Lebensumstände, wo die Bürger sich wohlfühlen und die weltoffene liberale Großstadt genießen dürfen und das tun sie auch.

(Beifall bei der CDU)

Dann bekommt das Wort der Abgeordnete Müller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wollen wir doch der Märchenstunde der CDU noch ein bisschen die Hamburger Realität gegenüberstellen.

(Wolfhard Ploog CDU: Hör' auf!)

Es leben in dieser Stadt circa – man vermutet es, genau gezählt ist es natürlich nicht – 70 000 bis 100 000 Lesben und Schwule.

(Wolfhard Ploog CDU: Macht doch nichts!)

Viel zu viele von ihnen müssen leider immer noch ein Doppelleben führen, weil sie beim Job Nachteile für ihre Karriere befürchten müssen, wenn es herauskommt. Weil wir gerade die China-Wochen eröffnet haben, will ich Ihnen auch gern sagen, dass gerade dieser Bereich, dass gerade der Hafen und die chinesischen Firmen diese Firmen sind, in denen Lesben und Schwule sich auf keinen Fall outen können, wenn sie ihre Karriere dort nicht gleich beenden wollen.

Diese Freiheit, sein zu können wie man ist, hat dieses Land endlich mit einem Antidiskriminierungsgesetz beantwortet, das dabei helfen soll, diese Realität auch herzustellen. Die CDU im Bund hat das auch verstanden und es beschlossen. Die Hamburger CDU hat mit Händen und Füßen im Bundesrat und in den Monaten davor gegen dieses Gesetz gekämpft

(Barbara Ahrons CDU: Das war auch gut so, Herr Müller! Wir kämpfen für alles, was über diese Richtlinie hinausgeht!)

und hat insbesondere dagegen gekämpft, dass Lesben und Schwule drin stehen. Das ist das Zynische, was dabei herausgekommen ist, und die Lesben und Schwulen haben das mit sehr viel Bitternis in dieser Stadt zur Kenntnis nehmen müssen. Mit so einem Verhalten ist man keine Metropole, damit ist man hinterwäldlerische Provinz.

(Beifall bei der GAL)

Diese Große Anfrage bringt ans Licht, was wir alle schon ahnten und was auch das Gefühl draußen ist: Diesem Senat sind Lesben und Schwule egal. Ich habe das Gefühl, dass sie Ihnen, wenn man Ihre Antworten auf die Große Anfrage liest, nicht nur egal sind, sie sind Ihnen auch irgendwie peinlich, man geniert sich bei dem Thema.

(Olaf Ohlsen CDU: Reden sie doch keinen Un- sinn!)

Mehr als betretenes Schweigen habe ich bisher von diesem Senat zu dem Thema nicht gehört. Wir haben inzwischen mehrheitlich CDU-regierte Länder und wenn man sich Hessen anguckt – Herr Koch ist nicht gerade eine Ausgeburt von Liberalität –, ist das Thema auch da wesentlich anders angegangen worden. Dort wurde nämlich nicht die Gleichstellungsstelle abgeschafft und das Referat produziert wesentlich mehr, was nicht viel heißt, weil hier kaum etwas produziert wird, für Lesben und Schwule und deren Lebensumstände in Hessen, als Sie es hier wahrscheinlich jemals hinkriegen werden.

Man fragt sich natürlich, was denn nun das Problem der Hamburger CDU mit diesem Thema ist. Es gibt viele Spekulationen und es kann wahrscheinlich nur ein Senatsmitglied letztendlich sagen, was denn wirklich das Problem ist,

(Wolfhard Ploog CDU: Ihr Problem! – Klaus-Peter Hesse CDU: Ich habe damit kein Problem!)

warum man sich so geniert, warum es irgendwie peinlich ist. Ich finde es ganz toll, dass diese Anfrage von der SPD gekommen ist und sehe da nicht nur Stillstand, Herr Kretschmann. Stillstand ist an einigen Stellen noch das Positive, ich sehe Rückschritt.

(Petra Brinkmann SPD: Ist es auch!)

Bei Stillstand würde man noch sagen, da hat sich einmal nichts zum Schlechteren verändert. Das ist doch die Realität, die wir seit 2001 hier zu beobachten haben.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und bei Doris Mandel SPD)

Ich weiß nicht, wo Sie die Mär hernehmen, Herr Kollege von der CDU, zu glauben, dass Hamburger Lesen und Schwule sich nicht diskriminiert fühlen würden. Ich weiß nicht, wo Sie es herhaben, vielleicht haben sie es in der Kirche geglaubt, die Realität ist das jedenfalls nicht. Wenn Sie als Abgeordneter ein offenes Ohr in Bürgersprechstunden für die Menschen in dieser Stadt hätten, dann wüssten Sie auch, dass das nicht so ist.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Fühlen Sie sich diskri- miniert? Erzählen Sie mal wo!)

Manchmal ja, aber meine Wahrnehmung, Herr Hesse, spielt hier keine Rolle. Ich habe mich schon lange geoutet und habe einen Beruf in einer Branche gehabt, wo das kein Problem war. Aber ich habe viele andere erlebt, wo es ein Problem war und wo diese Menschen – das können Sie sich gar nicht vorstellen – ein Doppelleben führen mussten.

(Wolfhard Ploog CDU: Das wissen wir!)

Das ist kein schönes Leben. Das werfe ich Ihnen jetzt nicht persönlich vor, aber es ist ein Missstand, der nicht von alleine weggeht und der auch nicht dadurch weggewischt werden kann, dass wir inzwischen ChristopherStreet-Day-Demos haben, die sehr fröhlich sind. Ein Großteil der Menschen geht nämlich dorthin, weil sie an diesem einen Tag einmal so sein können, wie sie selbst eigentlich sonst im Alltag kaum sein können.

(Zuruf von der CDU)

Doch, sprechen Sie einmal mit den Menschen dort, dann werden Sie das auch herausfinden. Das ist keine spezielle private Interpretation von Herrn Müller; Lutz Kretschmann und ich haben den CSD hier mit aufgebaut.