Zu Ihrem Antrag möchte ich Folgendes bemerken: Nur den Trägern der Kindertageseinrichtungen ist bekannt, in welchem Umfang und in welchem Zeitraum keine Elternbeiträge gezahlt wurden. Es ist im Rahmen der Beantwortung Ihrer Schriftlichen Kleinen Anfrage versucht worden, eine Befragung durchzuführen. Hier ist aber festzustellen, dass auch repräsentative hamburgweite Aussagen nicht möglich sind. Auch wenn man einmal davon absieht, dass für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage nur wenig Zeit zur Verfügung steht, ist auch kaum damit zu rechnen, dass mit mehr Zeit und Aufwand dort bessere Ergebnisse zustande kommen, weil die Kindertageseinrichtungen nicht zur Meldung verpflichtet sind.
Es stellt sich auch die Frage, ob es allen Eltern recht ist, dass ihre finanzielle Situation weitergegeben wird. Was
hinzukommt, sind die Fragen: Wie sollen die Angaben auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft werden und wer soll das machen? Wer verwaltet sie? Wer soll dann wen unter welchen Voraussetzungen informieren? Insofern erscheint das Ganze, so wie Sie es vorgeschlagen haben, ungeeignet.
Zu den Punkten 2 und 3 ist es selbstverständlich und gängige Praxis, dass die bezirklichen Jugendämter und auch die Kindertageseinrichtungen den Eltern beratend zur Seite stehen. Insofern stellt es sich sicherlich nicht so, wie Sie es dargestellt haben, als Problem dar. Das Anliegen des Antrages ist sicherlich ehrenwert, aber von der konkreten Umsetzung her erscheint es wenig wahrscheinlich, dass so, wie Sie es vorgeschlagen haben, den Menschen wirklich geholfen wird. Wir wollen natürlich auch, dass keine Kinder aus den Kindertageseinrichtungen herausgehen müssen. Es besteht auch die Möglichkeit, den Elternbeitrag ganz oder teilweise zu erlassen, wenn die Gefahr besteht, dass die für ein Kind dringend notwendige Betreuung zu scheitern droht, weil die Eltern zur Zahlung des Beitrages nicht in der Lage sind. Das ist auch gegenwärtig schon Stand der Dinge, insofern ist da auch nicht mehr erforderlich.
Zusammenfassend: Ihr Antrag ist gut gemeint und wenig sinnvoll. Daten sammeln nur der Daten wegen hilft keinem. Was wir wollen, ist ein leistungsstarkes Angebot für viele Kinder und ihre Familien. Individuelle Probleme bedürfen individueller Lösungen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr von Frankenberg, dieses Zahlensüppchen kochen, wie Sie das ironischerweise sagen, das denke ich, wäre eigentlich Aufgabe der Behörde gewesen – sich über diese Zahlen einmal Auskunft zu verschaffen. Ich finde es bedauerlich, dass Sie es hier derart ironisch darstellen, dass wir allein durch die SPDAnfrage überhaupt einmal Zahlen besitzen. Wie sieht es denn in den sozialen Brennpunkten aus? Meiner Ansicht nach hat die Senatorin etwas versäumt.
Vor Kurzem hat das Kita-Gutscheinsystem hier in Hamburg seinen dritten Geburtstag gefeiert, Anlass genug, um vielleicht einmal einen kleinen Streifzug durch die Entwicklung dieses Gutscheinsystems zu machen. Erinnern wir uns. August 2003: Der damalige Bildungssenator Lange gibt die ersten Gutscheine aus und verspricht, dass Kinder von berufstätigen Eltern einen Kita-Platz erhalten. Aber das Modell, das sich in der Theorie so überzeugend anhörte, führte in der Praxis schnell ins Chaos, das erinnern wir alle noch. Die Nachfrage war größer als geplant, das Kita-Budget schnell verbraucht und es standen immer noch Tausende von Kindern auf der Warteliste. Millionen Euro mussten nachgesteuert werden, damit das Kita-Gutscheinsystem nicht gleich untergeht.
Diese Probleme gehören der Vergangenheit an. Inzwischen hat sich nach einigen Veränderungen das Kita
Gutscheinsystem für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bewährt. Herr von Frankenberg, hören Sie gut zu. Ich kritisiere nicht, ich stelle fest, was gut läuft. Kinder, deren Eltern beide berufstätig sind, erhalten heute sofort einen Gutschein. Die Anzahl der betreuten Kinder, da haben Sie völlig Recht, ist in den letzten drei Jahren um 4000 gewachsen. Betrachtet man nur diese Entwicklung, dann kann durchaus von Erfolg gesprochen werden, wie Senatorin Schnieber-Jastram es öffentlich gerne immer wieder tut, so zum Beispiel auf der Bilanzpressekonferenz im Juli 2006, Zitat:
"Die große Sorgfalt, mit der wir die Kinderbetreuung in unserer Stadt neu gestaltet haben, hat sich für alle gelohnt, besonders aber für Hamburgs Eltern und Kinder."
Aber das ist doch nur die halbe Wahrheit. Denn wo es Gewinner gibt, gibt es auch Verlierer. Verlierer sind die Kinder von Arbeitslosen und Migranten. Sie wurden auf eine Halbtagsbetreuung herabgestuft oder mussten die Kita ganz verlassen. In trauriger Weise beeindruckend ist die Entwicklung in den sozialen Brennpunkten, die sich in der SPD-Anfrage widerspiegelt. Im Krippenbereich hat die Zahl der betreuten Kinder in den sozialen Brennpunkten um 10 Prozent abgenommen, gegenläufig aber in den anderen Stadtteilen um 23 Prozent zugenommen. Auch der Hortbereich verzeichnet in den sozialen Brennpunkten eine Abnahme von 5 Prozent. 20 Prozent aller Kinder in den sozialen Problemlagen sehen vor der Einschulung überhaupt keine Kindertagesbetreuungsstätte. Bei den Ganztagesplätzen im Elementarbereich der Drei- bis Sechsjährigen gibt es ein Drittel weniger Kinder als in den übrigen Stadtteilen.
Das ist alarmierend, denn im selben Maße, wie der Anteil an Arbeitslosen oder Sozialhilfeempfängern in einem Stadtteil steigt, sinkt der Anteil an betreuten Kindern mit Krippen- oder Ganztagesplatz. Das Resümee nach drei Jahren heißt also: Das Kita-Gutscheinsystem hat sich zu einem unsozialen und ungerechten Instrument entwickelt, das nach dem Motto "Wer nichts verdient, verdient auch keinen Kita-Platz" funktioniert.
Dabei geht es auch ganz anders, vielleicht darf ich Ihnen das sagen. Auch nachfrageorientierte Gutscheinsysteme können sozial ausgewogen gestaltet werden. Bundesländer wie Berlin und Bayern machen es uns vor.
In Berlin können beispielsweise schon Zweijährige ohne spezielle Bedarfsprüfung fünf Stunden lang betreut werden. Gerade Kinder aus Familien, in denen nicht überwiegend deutsch gesprochen wird, wie bei Migranten, haben einen Mindestanspruch auf einen Halbtagesplatz. So geht das in Berlin bei einem nachfrageorientierten Gutscheinsystem.
Und Hamburg? Hamburg muss damit klarkommen, dass der angestrebte Wettbewerb zwischen den Kitas gar nicht stattfinden kann. Gute, begehrte Kitas führen oft lange Wartelisten. Gerne genommen werden dort die Eltern mit
den Achtstundenplätzen, denn das bringt Geld. Aber in den sozialen Brennpunkten sammeln sich die Familien und die Eltern und Kinder, die nur den Rechtsanspruch haben – fünf Stunden. Das bedeutet in der Folge, dass in diesen Kitas das Personal reduziert werden muss, denn der Personalanteil richtet sich nach dem Anteil der Kinder, die dort betreut werden, und nach den Stunden.
Das ist ein Weg, der in eine gesellschaftliche Katastrophe führt. Ich kann nicht verstehen, warum wir nicht alle gemeinsam – auch Sie, meine Damen und Herren der CDUFraktion – "Halt!" schreien und uns dieser Entwicklung entgegenstellen. Es darf und kann nicht sein, dass wir es zulassen, bereits in der Kita eine neue Generation von Verlierern zu produzieren. Zu diesen Verlierern gehören übrigens auch die Kinder, deren Eltern sich so hoch verschuldet haben, dass sie ihre Kita-Beiträge nicht mehr zahlen können oder wollen. Die Folge ist, wir haben es gehört: Eltern melden ihre Kinder selber ab, da sie das Problem der Verschuldung nicht in den Griff bekommen und die Situation ihnen peinlich ist.
Das wissen wir von unseren Besuchen in den Kitas. Wenn Sie in die Kitas gehen und mit den Kita-Leitern sprechen würden, würden Sie es auch erfahren, Frau Strasburger.
Kinder werden auch von den Trägern zwangsabgemeldet, da die Eltern keine Beiträge mehr zahlen. In beiden Fällen, ganz egal wie, sind die Kinder die Leidtragenden. Darum ist es überhaupt nicht nachzuvollziehen, dass die Sozialbehörde hierzu lediglich lapidar äußert: Die Eltern haben die Leistung der Kindertagesbetreuung eingekauft und müssen dafür auch zahlen. Eine solche Antwort, finde ich, ist einer Fachbehörde nicht würdig, ebenso wenig wie die Antwort auf meine Senatsanfrage, die in vielen Punkten einfach gar nicht beantwortet wurde, obwohl uns nachweislich Informationen der Träger vorliegen.
Nun kann ich Frau Strasburger vielleicht einmal sagen: Wenn auf meine Anfrage geantwortet wird, es sei nicht bekannt, wie hoch die Auslagen der Träger sind, um das Geld der Eltern, die nicht zahlen, auszulegen, dann liegen mir drei Zuschriften von Kita-Trägern vor, die der Behörde geantwortet haben, die aber erstaunlicherweise in meiner Anfrage nicht aufgeführt worden sind. Das heißt, wir haben Unterlagen, wir haben die Daten, nur in meiner Anfrage erschienen sie aus irgendwelchen Gründen nicht. Gerade die Kita-Träger sind durch die zunehmende Verschuldung der Eltern in Bedrängnis geraten. Wollen sie die Kinder nicht hinauswerfen, so müssen sie selber draufzahlen und das Geld an anderer Stelle einsparen.
Vielleicht nur für Sie als Beispiel: Allein der Kirchenkreis Blankenese hat in zwei Kitas in den letzten zwei Jahren 16 000 Euro für ausstehende Elternbeiträge auslegen müssen. Das ist eine Menge Geld, das an anderer Stelle eingespart wird.
Nein, die Behörde hat damit gar nichts zu tun. Es geht darum, das Problem zu erkennen, die Augen zu öffnen und sich zusammenzusetzen.
Genau das ist mein Appell an Sie. Sie sehen also: Die Probleme liegen vor uns auf dem Tisch. Jetzt gilt es doch nur, dass Sie als Mehrheitsfraktion sich dieses Problems einmal annehmen. Das heißt als Erstes für unseren Antrag in der Tat: Überweisung, damit wir überhaupt erst einmal eine solide Datenlage bekommen
und gemeinschaftlich im Ausschuss überlegen können, wie man dieses Problem beseitigen kann. Diese schlichte Verweigerungshaltung von Ihnen "Nein, das überweisen wir alles nicht." spricht nicht gerade für Ihre Fachkompetenz.
(Beifall bei Thomas Böwer SPD – Stefanie Strasburger CDU: Was hat das mit Fachkom petenz zu tun, wenn Sie immer gleich überweisen wollen?)
Was die notwendigen Veränderungen im Kita-Gutscheinsystem angeht, habe ich vor drei Tagen in der "Bild"-Zeitung gelesen, dass Ole von Beust mit Berlin flirtet. Ich hoffe, dass der Bürgermeister ganz intensiv flirtet, denn in der Flirtphase ist man immer offen für etwas Neues und warum nicht auch für die sozial gerechte Gestaltung eines Kita-Gutscheinsystems nach Berliner Vorbild. Also, warten wir einmal ab.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Blömeke, es ist bei den Kitas wie in vielen anderen Bereichen auch. Wer bestellt, bezahlt. Derjenige, der die Leistung erbringt, muss sich auch um den Einzug kümmern. Das ist nun einmal in diesem Bereich so. Wir haben hier keine staatlichen Einzugssysteme,
Wenn ich mir diese Große Anfrage ansehe, dann werde ich das Gefühl nicht los, dass manch einer den Wald vor lauter Betrachtung einzelner Bäume überhaupt nicht mehr sieht, Frau Dr. Hilgers. Das ist jedenfalls der Eindruck, der sich aufdrängt, wenn man sich Ihre Einlassungen der vergangenen Wochen und Monate in Pressemitteilungen und in Kleinen und Großen Anfragen vergegenwärtigt.
Allein die Anfrage, die wir heute debattieren, umfasst mit den dazugehörigen Antworten immerhin 89 Seiten. Ab Seite 18 finden Sie schier endlos scheinende Tabellen mit umfangreichem Zahlenmaterial zu den fein ziselierten Detailfragen zum Kita-Gutscheinsystem. Diese Schriftliche Kleine Anfrage ist ja nicht die erste mit solch einem Strickmuster, meine Damen und Herren, und eine neue –