Protokoll der Sitzung vom 27.09.2006

Hamburg hat die Strompreissenkungen der Bundesnetzagentur zu verdanken und nicht Herrn Senator Uldall. Vattenfall ist im Übrigen zur Weitergabe dieser Netzkostensenkung verpflichtet und auch das ist nicht das Verdienst von Senator Uldall.

Vattenfall muss die Preissenkungen nicht nur an die Endkunden weitergeben, sondern auch denjenigen andienen, die auf den Markt wollen, um hier Strom zu verkaufen,

sodass auch Lichtblick, Greenpeace, die Flensburger Stadtwerke oder wie sie alle heißen hier günstiger anbieten können. Dadurch wird der Wettbewerb in Hamburg erleichtert.

Aber beim Strom haben wir keine wirklichen Marktpreise, weil es kaum Konkurrenz gibt. Die vier großen Anbieter haben sich den Strommarkt in Deutschland aufgeteilt und es ist tatsächlich so, wie Werner Marnette gern formuliert, dass es hier vier Besatzungszonen gibt, in denen die Großen schalten und walten, wie sie wollen und vor allem die Preise diktieren.

(Bernd Reinert CDU: Und die wurden von Gerhard Schröder eingerichtet!)

Vattenfall fährt insbesondere in Deutschland Rekordgewinne ein. Es ist zwar legitim, Gewinne zu machen, aber die Monopolgewinne, Herr Reinert, dürfen die Wirtschaft nicht ruinieren und auch nicht die Verbraucherinnen und Verbraucher schädigen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und der GAL)

Eine warme Wohnung sowie Licht und Strom zu Hause dürfen nicht zu einem unerschwinglichen Luxus werden. Wenn wir die Spielregeln dieses Systems ernst nehmen, muss mehr Wettbewerb her.

Auch bei einem von wenigen Konzernen beherrschten Markt sind Verbraucherinnen und Verbraucher nicht wehrlos. Sie können ihrerseits durch Nachfrage die Preise beeinflussen und vor allem auch ihre eigenen Kosten steuern. Man kann weniger Strom verbrauchen beziehungsweise Strom einsparen, ohne dass die Stube kalt und der Fernseher schwarz wird oder wir im Dunkeln stehen. Ich könnte Ihnen jetzt im Handumdrehen sagen, wie man 350 Euro in einem Jahr einspart. Aber das können Sie auch bei der Verbraucherzentrale nachlesen.

Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben aber noch eine viel entscheidendere Macht, als die Senkung ihrer Stromkosten. Sie können den Stromanbieter wechseln und können sich sogar aussuchen, welcher Strom bei ihnen aus der Steckdose kommen soll. Ich kann nur alle Verbraucherinnen und Verbraucher aufrufen, sich genau zu überlegen, ob sie Strom aus erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung kaufen oder Atomstrom. Es ist ein Ammenmärchen zu glauben, dass Atomstrom die Preise senke. Atomstrom mag zwar billiger produziert werden, aber wer sagt uns denn, dass die Energiekonzerne diese günstige Kostenmarge auch an die Verbraucher weitergeben? Das ist doch überhaupt nicht beabsichtigt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Mit abgeschriebenen Atomkraftwerken kann man halt noch mehr Geld verdienen und das ist das Ziel derjenigen, die jetzt die Verlängerung der Laufzeiten, wie die RWE für Biblis A, beantragt haben. Auf dieses Spielchen sollten sich die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht einlassen, denn es ist längst erwiesen, dass auch Strom aus erneuerbaren Energien günstiger wird und teilweise auch günstiger ist, als der konventionelle Strom aus Atomkraftwerken, abgesehen von den ganzen Problemen, die wir mit der Endlagerung von Atommüll haben, die nicht gelöst sind.

Meine Damen und Herren! In Hamburg haben erst 8 Prozent der Stromkunden davon Gebrauch gemacht, den Anbieter zu wechseln. Dabei ist es ganz einfach,

bringt persönliche Vorteile und stärkt den Wettbewerb. Noch etwas ist wichtig. Vattenfall will seine Preise, anders als die anderen Anbieter, erst ab 2007 anheben. Dann aber entfällt die Strompreiskontrolle durch die Bundesländer.

(Glocke – Bernd Reinert CDU: Wissen Sie, was das bedeutet?)

Sie sehen das rote Licht.

Dann kann es für Vattenfall besonders günstig sein und darum bin ich gespannt, ob der Hamburger Wirtschaftssenator die Initiative seiner Kollegen aus Nordrhein-Westfalen unterstützt und weiter für die Strompreiskontrolle durch die Länder kämpft. – Danke.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Maaß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Ahrons, mir ist auch nach Ihrer Rede noch ein bisschen unklar, warum Sie dieses Thema hier zur Debatte angemeldet haben, denn für mich sind Erfolge der CDU Hamburg oder auch des Wirtschaftssenators nicht wirklich erkennbar. Was ich allerdings zu erkennen vermag, ist in dreifacher Hinsicht auch ein gewisses Versagen des Wirtschaftssenators.

Fangen wir doch einmal mit dem Grundproblem an; Sie haben es selber geschildert. Der Geburtsfehler bei der Liberalisierung des Strommarktes lag doch darin, dass man ein natürliches Monopol, das Monopol der Netze, in die Hände von Privaten gelegt und nicht gleichzeitig eine wirksame Wettbewerbskontrolle eingeführt hat. Die Energieversorgungsunternehmen haben das auch ziemlich schamlos ausgenutzt und ihr Monopol als Gelddruckmaschine auf Kosten der Verbraucher missbraucht. Die Politik hätte das bereits damals besser wissen können, denn es ist eine ökonomische Binsenweisheit, dass man solche Monopole nicht ohne ganz harte Wettbewerbskontrolle in die Hände von Privaten geben darf, weil sonst kein Wettbewerb entsteht.

Aber was ist die Ursache dafür, dass das damals so gelaufen ist, noch zur Endzeit der Regierung Kohl, als Herr Uldall im Bundestag gesessen hat und auch seine Hand für das mit diesem Geburtsfehler behaftete Gesetz gehoben hat?

Gucken Sie sich doch einmal die personelle Verflechtung an, die zwischen den großen Parteien und den Energieversorgungsunternehmen besteht. Wenn ein Laurenz Meyer, ein ehemaliger CDU-Generalsekretär, Energiepolitik im Bundestag betreibt und von den RWE bezahlt wird, dann muss man sich nicht wundern, wenn solche Dinge zustande kommen. Wenn ich mir angucke, wie jemand aus einem großen Energieversorgungsunternehmen auf den Posten des Wirtschaftsministers der Bundesrepublik gehoben wird und dann gleich wieder zurück in ein Energieunternehmen geht, dann macht das deutlich, dass hier der Grund dafür liegt, dass wir keinen wirksamen Wettbewerb haben und die Politik hieran eine große Mitschuld trägt, Frau Ahrons.

(Beifall bei der GAL)

Das Problem ist auch, dass Herr Uldall in seiner Zeit in Bonn und Berlin dabei mitgespielt hat und er auch heute nicht den Energieversorgungsunternehmen, dem hiesigen Monopolisten Vattenfall, wehtun will.

Der zweite Fehler ist, dass Herr Uldall – Frau Schaal hat es bereits dargestellt – nicht genau hinguckt, wenn ihm Stromtarife zur Genehmigung vorgelegt werden. Es hat mehrere Strompreiserhöhungen gegeben, die allesamt ohne große Prüfung durchgewunken wurden. Ich glaube, da hat mitgespielt, dass Herr Uldall vielleicht auch eine gewisse Angst vor einer Klage von Vattenfall gehabt hat, zumindest wurde das im Wirtschaftsausschuss deutlich. Andere Wirtschaftsminister haben diesen Mut gehabt. Der Kollege in Hessen hat die Strompreiserhöhung nicht genehmigt und es hätte Hamburg gut angestanden, wenn auch ein hiesiger Wirtschaftssenator den Mut gehabt hätte, einem Energieversorgungsunternehmen einmal die Stirn zu zeigen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Herr Uldall, ich nehme Ihnen das in gewisser Weise auch nicht ab. Sie beklagen sich über hohe Strompreise in Deutschland, über den Wettbewerbsnachteil, den wir dadurch in Deutschland haben, und gleichzeitig winken Sie die Erhöhung der Strompreise ohne große Prüfung einfach durch. Das ist nichts weiter als eine Beihilfe zur Wegelagerei durch die Stromversorgungsunternehmen in Deutschland.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Frau Ahrons sagte, es habe bei der letzten Strompreiserhöhung die Auflage gegeben, bei einer Entscheidung der Netzagentur, die Netzentgelte zu senken, dies auch an die Verbraucher weiterzureichen. Großartig! Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass man so einen Missbrauch, wenn er denn von staatlicher Seite festgestellt wird, natürlich nicht noch länger dulden kann; insofern ist das vollkommen normal.

Was Sie nicht gemacht haben, was man aber hätte erwarten können, Herr Uldall, ist, durch eine Auflage zu sichern, dass das, was Vattenfall in der Zwischenzeit durch zu Unrecht überhöhte Strompreise verdient hat, in die Portemonnaies der Verbraucher zurückgeht und das haben Sie nicht sichergestellt. Dieses Geld sitzt jetzt im Haushalt des Staates Schweden und nicht mehr in den Portemonnaies der Verbraucher in Hamburg und das ist Ihre Mitverantwortung, Herr Senator.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Auch das haben Sie gemacht, weil Sie mit Vattenfall eine gütliche Einigung haben wollten; das haben Sie auch in der Presse verlautbart. Aber wenn ich einen Sumpf trockenlegen will, dann darf ich doch nicht die Frösche fragen, ob es auch genehm ist, diesen Sumpf trockenzulegen. Sie nehmen diesen Spruch sehr ernst, wenn es um Naturschutz geht, um echte Sümpfe, wenn es hingegen um den Sumpf der Energieversorger geht, dann tanzen Sie zum Froschkonzert des Energieversorgers, Herr Uldall.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Senator Uldall.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ahrons hat in ihrer Rede den Sachverhalt absolut richtig dargestellt. Das muss von dieser Stelle nicht weiter kommentiert werden.

(Hans-Christoff Dees SPD: Die ist ja auch von der Behörde gebrieft worden!)

Völlig falsch liegen Frau Schaal und Herr Maaß. Beide wissen, wie die eigentliche Argumentationskette laufen müsste. Wir können feststellen, dass die Strompreise jetzt um 7,8 Prozent sinken. Damit wird die letzte Preiserhöhung vom Mai mehr als zurückgenommen. Um über 2 Prozent sinken die ursprünglichen Strompreise. Sie sind enttäuscht darüber, dass dieses Ergebnis erzielt wurde. Sie sollten sich lieber darüber freuen, dass diese Entwicklung jetzt in Hamburg eingetreten ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe mich aber zu einem Aspekt der Strompreispolitik zu Wort gemeldet, der für Hamburg von außerordentlicher Bedeutung ist. Wir haben im vergangenen Herbst erleben müssen, dass die drei Altgesellschafter der Hamburger Aluminiumwerke, Alcoa in den USA, Norsk Hydro in Norwegen und Amag in Österreich, beschlossen hatten, die Hamburger Aluminiumwerke stillzulegen. Diese Stilllegung erfolgte am 1. Januar dieses Jahres und bedeutete für viele Hundert Menschen, die bis dahin bei den Aluminiumwerken gearbeitet hatten, den Verlust ihres Arbeitsplatzes und die Arbeitslosigkeit. Es haben dann über Monate sehr intensive Gespräche und Verhandlungen zwischen meiner Behörde und den Altgesellschaftern stattgefunden, um die Altgesellschafter dazu zu bewegen, ihren ursprünglichen Beschluss wieder zurückzunehmen. Ich kann Ihnen heute die erfreuliche Mitteilung machen, dass heute Nacht eine Einigung dahingehend erzielt wurde, dass in einem Letter of Intent die drei Altgesellschafter erklärt haben, dass sie bereit seien, einem Verkauf und damit einem Wiederanfahren des Werks zuzustimmen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Angesichts der großen Probleme, die die Schließung dieses Werks hervorgerufen hat, können wir uns freuen, dass wir vielen Hundert Menschen in Finkenwerder wieder eine Zukunftsperspektive eröffnen und für 300, 400 Familien in Finkenwerder wieder eine gesicherte Zukunft schaffen. Ich bedanke mich beim Betriebsrat, dass er mit uns in den vergangenen Monaten sehr engagiert und sehr hart an dieser Lösung gearbeitet hat.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollen uns als Hamburger aber nicht nur darüber freuen, dass die Menschen wieder Arbeitsplätze bekommen werden, sondern auch darüber, dass die Bedeutung des Industriestandortes Hamburg durch diese Entscheidung unterstrichen wird. Es ist wichtig, dass eine Stadt wie Hamburg einen gesunden Mix von verschiedenen Wirtschaftszweigen hat. Wir haben eine sehr erfolgreiche Medienszene, wir haben einen erfolgreichen Bereich Logistik und Hafen, wir haben Life Sciences, wir haben Tourismus, aber wir müssen auch das Augenmerk auf die industriellen Arbeitsplätze richten.

(Dr. Monika Schaal SPD: Hätten Sie das nicht frü- her machen können, Herr Senator!)

Mit dem Rückgängigmachen dieser Entscheidung ist es uns gelungen zu unterstreichen, dass auch die schwierige Grundstoffindustrie in Deutschland und speziell in Hamburg eine Chance hat, denn die Strompreise sind ein bestimmender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit dieser genannten Branche. Wir freuen uns deswegen, dass wir diesen Durchbruch heute erzielen konnten.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte abschließend nur eine Bitte an alle richten, die sich in den kommenden Tagen an der Debatte beteiligen werden. Ich bitte sehr darum, den Blick nicht zurückzurichten und zu fragen, warum damals geschlossen worden ist. Die drei Gesellschafter, die damals diesen Beschluss gefasst haben, haben ihre Meinung revidiert. Wir alle wissen, wie schwer es in Konzernen ist, eine einmal getroffene Entscheidung wieder rückgängig zu machen. Wir sollten jetzt nicht zurück-, sondern nach vorne schauen. Wir sollten uns mit den betroffenen Menschen freuen, die wieder eine Zukunftsperspektive erhalten.

(Beifall bei der CDU)