Protokoll der Sitzung vom 31.01.2007

Wenn man bisher nur das eine aber nicht das andere gezählt hat – jetzt zählt man beides –, dann ist es nach jedem mathematischen Gebot mehr als das, was wir vorher gehabt haben.

(Beifall bei der CDU – Dr. Willfried Maier GAL: Hartz IV hat statistisch gesenkt!)

Das Wichtige ist aber, Herr Kollege Maaß, dass sich bis zu dem Zeitpunkt zu Beginn 2005 keiner in der Stadt richtig darum gekümmert hat, die arbeitslosen Sozialhilfeempfänger wieder in Arbeit zu bringen. Die waren weitestgehend sich selber überlassen. Sie wurden durch die Sozialämter betreut, aber dass sie an die Hand genommen wurden, um sie dahin zu bringen, dass sie wieder selber für ihren Lebensunterhalt sorgen konnten, wurde bei weitem nicht so ernsthaft betrieben, wie wir es heute versuchen zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Auch in einem anderen Punkt stimmen wir überein, nämlich, dass die Wachstumsrate nicht Selbstzweck ist. Die Wachstumsrate ist aber notwendig, um überhaupt zu einem Arbeitsplatzaufbau zu kommen. Sie bekommen keinen Beschäftigungszuwachs, wenn Sie nicht ein positives Wachstum in der Volkswirtschaft verzeichnen können. Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen, wir dürften nicht auf Kosten kommender Generationen leben – das gilt im weitesten Sinne –, sondern müssten mit unseren Ressourcen und mit dem, was wir an Belastung auf nachfolgende Generationen übertragen, vorsichtig umgehen. Aber ohne Wachstum bekommen wir unsere Beschäftigungsprobleme in Deutschland nicht gelöst. Darüber sollte eigentlich Konsens zwischen uns bestehen.

(Beifall bei der CDU)

Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte, richtet sich an Sie, Herr Egloff. Es ist falsch, wenn gesagt wird, hier würde überhaupt nichts getan. Frau Kollegin Köncke hat auch gesagt, es würde überhaupt nichts für die Langzeitarbeitslosen getan. Nichts könnte falscher sein als diese Aussage. Es gibt keine andere deutsche Stadt, in der pro Kopf so viel für einen Arbeitslosen ausgegeben wird wie bei uns in Hamburg. Da können Sie sich doch nicht hinstellen und sagen, hier würde nichts getan.

(Beifall bei der CDU)

Es geht um zwei Dinge, die notwendig sind. Wir müssen sehen – da stimme ich Ihnen voll und ganz zu, Frau Köncke –, dass Arbeitslose, die längere Zeit arbeitslos gewesen sind, nicht einfach so vermittelt werden können. Sondern denen muss Beistand gegeben werden, um sie innerlich wieder zu motivieren, damit sie einen Arbeitsplatz voll übernehmen können. Wir müssen ihnen Qualifizierungsmaßnahmen auf beruflicher Ebene geben. All dies ist notwendig und geschieht in einem sehr viel stärkeren Umfang mit sehr viel höheren Fallzahlen, als das früher der Fall gewesen ist. Aber dieser Punkt, in dem wir deckungsgleich sind, darf nicht alleine stehen bleiben, sondern der junge Menschen oder auch der ältere Arbeitssuchende darf nach einer Betreuung nicht sich selbst überlassen bleiben, indem wir ihm sagen: Wir haben Dich jetzt geschult, wie Du Dich bewerben kannst. Wir haben Dich qualifiziert, wir haben Dir einen Sprachkursus vermittelt. Du bist trainiert worden. Nun such' Dir bitte selber einen Arbeitsplatz. Arbeitsplätze gibt es aber nicht.

Dieses ist ungerecht gegenüber denjenigen, die einen solchen Kurs durchlaufen haben und sich bemüht haben, sich selbst voranzubringen, und mit großen Zukunftserwartungen aus diesen Umschulungsmaßnahmen herausgehen. Wir müssen ihnen auch Arbeitsplätze an

A C

B D

bieten können. Hier ist der Kernunterschied zwischen uns beiden. Sozialdemokraten und Grüne konzentrieren sich auf die notwendigen Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. Wir sagen, dass das richtig ist aber nicht reicht. Wir brauchen zusätzlich auch neue Arbeitsplätze. Darum kümmern wir uns. Nur so helfen wir den Arbeitssuchenden bei uns in Hamburg.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Maier.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Wenn Sie schon den Vorlesungsreigen zur Wirtschaftspolitik eröffnen, sage ich dazu auch noch etwas.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Muss aber nicht!)

Es sind im Wesentlichen drei Gründe, die Sie jetzt jubeln lassen. Zum einen hat die Konjunktur in der ganzen Republik einen Aufschwung. Zum zweiten hat Hamburg eine Sonderkonjunktur, weil wir als Hafenstadt die Globalisierungsgewinner der Republik sind.

(Olaf Ohlsen CDU: Das ist ja auch in Ordnung!)

Nirgendwo kommt die Globalisierung so an wie bei uns mit den Containern. Das ist nun einmal so. Daran, dass hier der Hafen ist, haben Sie aber nicht viele Verdienste. Drittens hilft Ihnen und uns allen auch noch ein bisschen der wunderbare Januar, der dazu geführt hat, dass alle Außentätigkeiten ordentlich weiterliefen und die Arbeitslosenzahlen nicht gestiegen sind. Das sind die drei Gründe. Für alle diese drei Gründe wird man den Senat nicht so recht verantwortlich machen können. Ich glaube, Sie haben nicht erklärt, das Wetter sei Ihr Verdienst, es sei denn, ich hätte bei Herrn Mattner etwas überhört.

Es bleibt die Frage, was eigentlich jenseits dieser Sachen passiert, die uns glücklicherweise zuwachsen. Ist die Republik, ist Hamburg eigentlich gerüstet, um in einem Umfeld zurechtzukommen, das immer konkurrenzbetonter wird? Da fand ich einen Bericht ganz interessant, den das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung vor Kurzem herausgebracht hat. Er trägt den Titel "Innovationsfähigkeit: Deutschland braucht mehr Schwung". Es mangelt der deutschen Wirtschaft an Innovationsfähigkeit. Ich glaube, Herr Senator, neue Arbeitsplätze finden Sie nicht dort, wo es die alten gegeben hat, sondern wo neue entstehen und Kreativität im Gange war, um neue zu schaffen.

Wenn Sie sich anschauen, wie die Republik bei der Frage dasteht, wie gut es in einem Land heute und in absehbarer Zukunft gelingt, einen kontinuierlichen Strom von Innovationen zu erzeugen, beständig Wissen zu schaffen und dieses in neue Produkte und Dienstleistungen umzusetzen, dann steht die Republik insgesamt nicht besonders gut da und Hamburg steht noch ein bisschen schlechter da. Das DIW schreibt, wir befänden uns im Mittelfeld. Die USA steht ganz vorne. Finnland, Schweden, Dänemark, die Schweiz und Japan liegen deutlich vor Deutschland. Wir liegen so im gemäßigten Mittelfeld. Dann wird auch festgehalten, woran das wohl liegt – an welchen Indikatoren das gemessen wird.

(Dr. Andreas Mattner CDU: Das liegt an dem schlechten Ausbildungssystem über viele Jahre, an Voscherau und Runde!)

Seit vielen Jahren. Das hat alles schon Adenauer verschuldet. Das ist schon über 50 Jahre her.

Es wird gemessen an den Themen Bildung, Forschung und Entwicklung, Finanzierung von Innovationen, Vernetzung der Innovationsakteure, Umsetzung von Innovationen am Markt und innovationsfreudige Regulierung und Nachfrage. Das DIW stellt bei seiner Analyse im internationalen Vergleich fest, dass die Republik insgesamt gut sei bei der Umsetzung von Erfindungen, schlecht aber beim Entstehen von Erfindungen und dem Produzieren von neuer Erfindungsfähigkeit. Am besten ist die Republik in der Umsetzung von Erfindungen im süddeutschen Raum, im Bereich mit mittelständischen Betrieben der Maschinenbauindustrie um Stuttgart herum oder auch in spät industrialisierten Gebieten in Bayern. Hamburg ist da ganz hinten dran. In der Umsetzung von Neuerungen in der Industrie ist Hamburg langsam. Wenn es aber um die entscheidende Frage geht, was eigentlich Innovationsfreudigkeit produziert, schreibt das DIW interessanterweise folgenden Satz, den ich insbesondere auch der Bildungssenatorin gerne zur Kenntnis gebe:

"Die größte Schwachstelle ist das Bildungssystem."

Es ist in fast allen Belangen des in diesem Jahr verbreiteten Messkonzepts, nämlich Finanzierung, Bestand und Neuzugang der Absolventen mit tertiärer Bildung, Qualität der Sekundärausbildung, Niveau der Universitäten sowie Weiterbildung im internationalen Vergleich hochentwickelter Länder unterdurchschnittlich.

(Dr. Andreas Mattner CDU: Aber nicht seit Adenauer!)

Hamburg ist noch einmal ein bisschen unter dem Durchschnitt der Republik, insbesondere im Hochschulwesen. Das heißt, wir finanzieren besonders wenig in Bezug auf das Hochschulwesen innerhalb der Republik. Solange Sie, Herr Wirtschaftssenator, nicht begreifen, dass die Grundlagen Ihres Geschäfts nicht bei Ihnen gelegt werden, sondern im Wissenschafts- und Schulressort, und dahin ein Großteil Ihrer Gelder wandern müsste, sondern immer nur erzählen, dass Sie alles in den Hafen stecken wollen, wird die Stadt in diesem Punkt nicht vorankommen. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL und bei Thomas Böwer und Rolf-Dieter Klooß, beide SPD)

Das Wort bekommt Herr Pumm.

Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Herr Senator Uldall, ein Thema beschäftigt uns schon seit Jahren. Das ist das Thema Langzeitarbeitslosigkeit. Es gab in den Parteien unterschiedliche Strategien, wie man Langzeitarbeitslosigkeit bekämpft. Eine Strategie wurde für nicht besonders erfolgreich gehalten, die Qualifizierung und Weiterbildung. Deswegen wurde nicht nur in Hamburg, sondern in vielen Städten der Republik die Weiterbildung massiv heruntergefahren, und zwar mit dem Argument, dass kurze Trainingsmaßnahmen genauso erfolgreich seien wie teure Weiterbildungsmaßnahmen. Das war auch laut einer Studie die Auffassung der Bundesanstalt für Arbeit.

In dieser Woche hat sich herausgestellt, dass dies eine totale Falschinformation war. Es ist nämlich keineswegs so, dass Trainingsmaßnahmen genauso erfolgreich sind

wie Weiterbildungsmaßnahmen. Sondern es ist so, dass die Integrationsquote bei Trainingsmaßnahmen 30 Prozent und bei Weiterbildungsmaßnahmen 60 Prozent beträgt. Das ist eine neue Erkenntnis, die jetzt auch untermauert ist. Von daher, Herr Senator Uldall und Herr Staatsrat Bonz, würde ich Sie bitten, sich mit der Thematik zu beschäftigen, denn Weiterbildung würde Hamburger Langzeitarbeitslosen helfen, in den ersten Arbeitsmarkt zu gelangen.

Das Zweite ist: Herr Senator, ich finde es gut, dass Sie am Freitag mit der IG Metall für die Arbeitsplätze demonstrieren. Das ist für Sie ja eine Premiere. Sie können dabei für die Tarifverhandlungen in der Metallindustrie üben. Da können Sie dann weitermachen. Ich weiß nur nicht genau, was Sie da sagen werden. Frau Hochheim, Sie haben heute ein schönes Redemanuskript gehabt. Ich würde Ihnen in Bezug auf den Kündigungsschutz empfehlen, dem Senator Uldall Ihre Rede zu geben. Und dann gehen Sie mit Herrn Uldall zu Airbus und der kann dann das, was Sie zum Kündigungsschutz hier heute vorgetragen haben, dort vortragen. Ich bin auf die Reaktionen gespannt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich sehe keine Wortmeldungen mehr zum ersten Thema der Aktuellen Stunde.

Dann kommen wir zum zweiten Thema, von der SPDFraktion angemeldet:

Sprachförderung mit Widersprüchen – Chaos für Vorschule und Kita beenden

Wer wünscht das Wort? – Frau Dr. Hilgers, bitte.

Verehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CDU, haben in den Haushaltsberatungen im Dezember ein ziemliches Chaos angerichtet. Ich hatte Sie im Dezember bereits darauf hingewiesen, dass Sie auch das Kleingedruckte in Ihren eigenen Anträgen lesen sollten, das haben Sie nicht oder aber es war Ihnen egal. In Ihrem Antrag zur Sprachförderung vom Dezember haben Sie beschlossen, dass Eltern von Kindern mit besonderem Sprachförderbedarf keine Vorschulgebühren mehr bezahlen müssen. Wenn man bedenkt, dass Sie die Vorschule erst im August 2005 für alle Eltern gebührenpflichtig gemacht haben, klingt das nach einer feinen Sache, so ist es aber nicht, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Denn das Kriterium Sprachförderbedarf teilt die Gruppe der fünfjährigen Kinder jetzt in vier ungleiche Teile. Gruppe A, Fünfjährige mit Sprachförderbedarf in Vorschule: Eltern müssen keine Vorschulgebühr bezahlen. Gruppe B, Kinder mit Sprachförderbedarf in der Kita: Weil die Eltern wollen, dass ihr Kind in der Kita bleibt, müssen sie erstens einen komplizierten Antrag stellen und zweitens weiter Gebühren bezahlen. Das war das Kleingedruckte, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDUFraktion. Die Gruppen C und D, Kinder ohne Sprachförderbedarf in Vorschule und Kita: Beide müssen weiter Gebühren zahlen. Eltern von Kindern mit Sprachförderbedarf, die keinen Betreuungsortwechsel für ihre Kinder wollen, werden also nicht nur benachteiligt, sondern auch

in ihrer freien Entscheidung unzulässig eingeschränkt – was für ein hanebüchener Unsinn.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Den Kitas, die in puncto Sprachförderung erhebliche Anstrengungen unternommen haben, wird einmal eben so beschieden, dass sie das nicht könnten. Wo ist eigentlich der Beweis dafür? Gibt es dazu eine empirische Studie? Wenn ja, dann legen Sie sie bitte auf den Tisch. Beide, Kita und Vorschule, haben integrative Sprachförderung, beide haben additive Sprachförderung. Wo ist also das ausschlaggebende Argument, Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion?

Geht das überhaupt – eine Vorverlagerung der Schulpflicht für einen Teil der Fünfjährigen? Selbst wenn man von einer Bildungspflicht für alle fünfjährigen Kinder ausgeht – warum werden Kitas von dieser ausgeschlossen? Schließlich gibt es hier vertraglich festgelegte verpflichtende Bildungsempfehlungen inklusive Sprachförderung und staatlich geprüfte Sozialpädagoginnen und -pädagogen und Erzieherinnen.

Im letzten Jahr beliefen sich die Einnahmen aus Elterngebühren auf 15 Millionen Euro für die Fünfjährigen. Ist es wirklich nötig, die Fünfjährigen und ihre Eltern so, wie Sie es beabsichtigen, in zahlende und nicht zahlende Gruppen nach einem bestimmten Förderbedarf auseinanderzudividieren und die Kinder damit zu stigmatisieren? Können wir uns den von Ihnen schon mehrfach angekündigten Einstieg in die Gebührenfreiheit für alle Eltern der Fünfjährigen wirklich nicht leisten? – Wir, die SPD-Bürgerschaftsfraktion, meinen: Ja, wir können das. Dazu haben wir im Dezember einen entsprechend ausfinanzierten Antrag vorgelegt.

Aber nun zurück zu den Kindern mit Sprachförderbedarf: Geht man davon aus, dass gut 10 Prozent der Fünfjährigen einen Sprachförderbedarf haben und von den circa 15 000 Kindern dieses Jahrgangs etwa ein Drittel in der Vorschule sind, gibt der Senat für die selektive Bevorzugungsmaßnahme etwa 500 000 Euro aus. Wenn die Eltern wiederum wollen, dass ihre Kinder in der Kita bleiben, weil sie diese gut finden, weil der Betreuungsumfang besser und flexibler ist oder weil sie vermeiden wollen, dass aufgebaute Beziehungen abgebrochen werden, dann müssen sie zahlen und der Senat spart sich so 1 Million Euro. Würde der Senat allen Eltern von Kindern mit besonderem Sprachförderbedarf die Gebühren erlassen, und zwar unabhängig von der besuchten Einrichtung, so würde das mit 1,5 Millionen Euro weniger als die Hälfte des prognostizierten jährlichen Betriebskostendefizits von 3,6 Millionen für die Elbphilharmonie ausmachen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Marita Meyer-Kainer CDU: Das musste ja kom- men!)

Warum werden Eltern und Kinder diesem Wirrwarr ausgesetzt? Warum beschließen Sie nicht – um in Ihrer Logik der selektiven Bevorzugung von Sprachförderkindern zu bleiben – einen gerechten Gebührenerlass zumindest für alle Sprachförderkinder? Kommen Sie da auf einen anderen Kurs.