Protokoll der Sitzung vom 31.01.2007

Es beginnt mit dem Urteil des Landgerichtes zur Kita Marienkäfer – dazu ist schon einiges gesagt worden, auch zum Inhalt dieses Gesetzes – und geht dann über in unseren ersten gemeinsamen Gesetzentwurf, Frau Strasburger. Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern. Sie haben den Gesetzentwurf aus der Drucksache 18/3033, den die GAL erarbeitet hat, hier gegeißelt. Ich möchte einmal darauf hinweisen, dass auf dieser Drucksache auch die CDU als Antragstellerin steht. Es ist ein interfraktioneller Antrag und insofern wundert es mich, dass Sie Ihren eigenen Antrag, den Sie damals gestellt haben, in einer solchen Form kritisiert haben. Das heißt für mich, dass Sie nach eineinhalb Jahren in einigen Bereichen noch von großer Unkenntnis geprägt sind.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Bernd Reinert CDU: Ne, wir sind klüger geworden, Sie nicht!)

Es geht doch darum, dass wir einen Ansatz verfolgen wie ihn die Bayern auch schon gewählt haben. Das war damals die möglicherweise etwas originelle, aber in der Sache zutreffende Idee. Die Bayern haben sich gesagt, wir in Bayern wollen unsere Biergärten schützen. Weil es dort auch Lärmkonflikte zwischen Biergärten und Anwohnern gibt, haben sie eine Verordnung geschaffen. Die wurde einmal aufgehoben. Dann haben sie eine neue Verordnung gemacht, die rechtssicher ist. Was den

Bayern ihre Biergärten sind, sollten uns Hamburgern unsere Kindergärten sein.

(Beifall bei Jens Kerstan GAL)

Danke schön. Schließlich geht es doch darum, unsere Zukunft zu schützen und nicht nur das pure Vergnügen. Wir haben über diese Drucksache und diese Idee im Ausschuss beraten und im Grundsatz gehört, dass man das so machen kann und nach dem Vorbild der bayerischen Biergartenverordnung vorgehen kann, aber dass wir am besten die Föderalismusreform abwarten mögen, weil wir dann noch mehr Regelungsfreiheiten bekommen würden.

Ich muss ein paar Worte zu dieser Föderalismusreform sagen, denn es ist in der Tat eine ziemlich verrückte Geschichte, die sich dort abgespielt hat und sich tatsächlich ganz konkret zulasten des Kinderschutzes in Hamburg ereignet hat. Man war sich in Berlin eigentlich bis zwei Tage vor Verabschiedung der Föderalismusreform über eine Formulierung einig, die im Wesentlichen besagt hat, dass Kinderlärm und Lärm von Anlagen mit sozialer Zweckbestimmung von den Ländern geregelt werden soll. Das war der Konsens.

Dann gab es zwei Tage vor der Abstimmung einen überraschenden Antrag der großen Koalition, der diesen Wortlaut umgeworfen hat. Da wurde die entscheidende Formulierung im Grundgesetz geändert, und zwar in einer Art und Weise, wo eigentlich jedem Umweltrechtler klar sein musste, dass diese Formulierung bedeutet, dass der Kinderlärm nicht mehr von den Ländern geregelt werden dürfe. Um das mit anderen Worten auszudrücken: Der Bundestag wollte ursprünglich A sagen und hat dann schließlich B gesagt und dann aber behauptet, mit B meine er eigentlich A, denn in der Begründung zu B stand, es handele sich um eine redaktionelle Änderung dazu. Es gebe sozusagen eine neue verfassungsrechtliche Interpretation des Begriffs B, die darauf hinausläuft, dass A gemeint sei. Was das Wichtige für unsere heutige Diskussion ist, ist, dass man sich auf eine solche Art und Weise, wie hier mit Gesetzgebungskompetenzen für die Länder umgegangen wird, nicht stützen kann. Deswegen ist es erforderlich, dass man über diese Grundlage hinaus, die die Föderalismusreform nur in äußerst umstrittener und sehr schwieriger Weise geschaffen hat, noch eine Rechtsgrundlage aus dem Bundesimmissionsschutzgesetz heranzieht. Darum geht es auch in unserem GAL-Entwurf.

Die CDU gibt wenigstens zu, dass diese Föderalismusreform an dieser Stelle tatsächlich ein Desaster war und sich für die Kinder nicht wirklich viel verbessert hat. Aber die Konsequenzen, die die CDU jetzt daraus zieht, nämlich dann lieber gar nichts zu tun,

(Stefanie Strasburger CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

können wir nicht teilen, denn wir haben die Möglichkeit, das zu tun, was die Bayern nach der alten Rechtslage getan haben, auch weiterhin nach der geltenden Rechtslage zu tun.

Wir sind uns in vielen Punkten mit der SPD einig, aber man kann sich nicht hinstellen und bestreiten, dass die eigene große Koalition in die Grütze gegriffen hat und einfach behaupten, das sei rechtlich alles klar geregelt. Sich dann auch noch auf denjenigen als Kronzeugen zu berufen, der dieses Ding wirklich in die Grütze gefahren

hat und zu sagen, das ist jetzt aber die maßgebliche Auslegung, das ist, glaube ich, auch nicht das, was man machen sollte, denn das würde letztlich zu mehr Rechtsunsicherheit führen und es würde ein Kinderlärmgesetz erlassen werden, bei dem die Gefahr besteht, dass es vom nächsten Gericht aufgehoben würde.

Man kann deswegen festhalten, dass es zumindest stark umstritten ist, wie die Gesetzgebungskompetenz ist. In dieser Situation hilft es nicht, den Kopf in den Sand zu stecken, wie das in gewisser Weise beide Entwürfe tun. Wir brauchen hier ein Höchstmaß an Rechtssicherheit und dieses kann ich in den beiden anderen Entwürfen nicht erkennen.

Ein Wort zu Frau Strasburger. Sie hatten in Ihrem Zwischenruf noch einmal gesagt, es würde nicht stimmen, dass nichts geregelt werden solle. Aber warum haben wir dann in dem Workshop diese Aussage vom Senat bekommen, dass es dem Senat am liebsten wäre, wenn es überhaupt kein Kinderlärmgesetz geben würde, weil doch eigentlich alles so wie es ist ganz gut laufen würde. Das ist doch eine ganz wichtige Frage. Wenn man dann sieht, dass man damit politisch und in der Öffentlichkeit nicht durchkommt, dass man gar kein Gesetz macht, dann macht man eben ein Gesetz, das praktisch ohne Inhalt ist.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Strasburger?

Ja, bitte, Frau Strasburger!

Stimmt das, was von der Behörde im Workshop gesagt wurde? Ich denke, Herr Huber aus dem Rechtsamt war es, der dazu Stellung genommen hat. Stimmt das?

(Zurufe von der GAL und der SPD)

Ja, das stimmt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Trifft es zu, dass auch begründet wurde, weshalb man keine technische Regelung machen möchte?

(Dr. Mathias Petersen SPD: Das ist jetzt peinlich!)

Das wurde begründet und hat mich nicht überzeugt. So ist es.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Frau Strasburger, wenn wir einmal feststellen, dass wir jetzt eineinhalb Jahre über dieses Gesetz beraten haben und am Ende nicht mehr als ein bisschen kinderliebes Gesäusel herauskommt, dann ist das zu wenig.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Inhaltlich stimme ich mit dem Gesetzentwurf der SPD weitgehend überein. Mir wäre es lieber, man würde noch eine zusätzliche Rechtsgrundlage heranziehen. Weil Ihr Entwurf es versäumt – was ich bis heute nicht verstehe, warum –, sich auf eine weitere Rechtsgrundlage zu berufen, die das Ganze rechtssicherer machen würde, werden wir uns auch gegenüber Ihrem Antrag enthalten.

Es wäre besser gewesen, wenn wir diesen Weg, den wir am Anfang mit einem interfraktionellen Antrag zusammen beschritten haben, gemeinsam zu Ende gegangen wären. Ich wäre glücklich gewesen, wenn wir uns darauf hätten einigen können, einen Weg zu wählen, der sich erstens auf eine landesrechtliche Kompetenz beruft und zweitens aber auch hilfsweise auf das Immissionsschutzrecht. Schließlich wünsche ich mir, dass meine Befürchtungen, die ich habe, nämlich, dass dieses CDU-Gesetz den Kindern nicht helfen wird und auch den Kindergärten vor Gericht nicht weiterhelfen wird, nicht eintreten. Wenn es eintreten sollte, dann trägt Ihre Fraktion die Verantwortung hierfür, weil sie den Weg des Konsenses, den wir weiterhin wollen, leider nicht beschritten haben. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält Senator Gedaschko.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Hamburg verfügt über 950 Kindertagesstätten, 950 Kindertagesstätten mit Nachbarn. Jetzt überlegen Sie sich einmal, wie viel Nachbarn gegen diese Kindertagesstätten geklagt haben. Ich denke, zu einem Punkt sollten wir auch etwas sagen, nämlich zu den 948 Kindertagesstätten, wo es die Nachbarn als ganz selbstverständlich und normal empfinden, dass dort Kinder spielen, dass Kinder auch Lärm machen und dass sie nicht klagen. Diesen Nachbarn gebührt ein Dankeschön.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Es ist dem Grunde nach höchst bedauerlich, dass wir uns überhaupt an dieser Stelle Gedanken darüber machen müssen, wie wir ein Gesetz auf den Weg bringen, um dieses Problem, das aktuell bei zwei Kindertagesstätten in Hamburg besteht, lösen zu können.

Das viel zitierte Urteil des Hamburger Landgerichts zur Schließung des Kindergartens Marienkäfer war, wenn man nicht von einem Fehlurteil sprechen will, so doch ein sehr interessantes Urteil. Lassen Sie mich einmal ausführen, was dieses Gericht alles so gemacht hat.

Erstens: Das Gericht hat keinen Ortstermin gemacht. Das ist schon einmal ungewöhnlich.

Zweitens: Das Gericht hat ein Gutachten verwertet, das auf der sogenannten TA Lärm beruht. Diese TA Lärm wird allerdings von allen Experten für die Bewertung dieser Frage, nämlich von Kinderlärm, TA Lärm – Kinderlärm, als abwegiger Maßstab anerkannt. Das heißt, das Gericht hat die falsche Bemessungsgrundlage für das Urteil herangezogen.

Drittens: Selbst wenn das Gericht zur Überzeugung kommt, dass es dieses TA Lärm-Gutachten heranziehen kann, ist natürlich die Frage, ob man deshalb gleich das schwerwiegendste Mittel der Schließung ergreifen muss. Das nennt sich im Juristengebrauch "mit Kanonen auf Spatzen schießen" und man lernt im ersten Semester, dass man so etwas nicht macht. Das ist ungefähr so, als ob Sie während einer von Ihnen veranstalteten Party unerlaubt laut sind und Ihnen dann die Wohnung gekündigt wird.

A C

B D

(Jörg Lühmann GAL: Wenn das nicht das erste Mal ist!)

Es ist also ein eklatanter Fehlgriff und die Konsequenzen müssen wir jetzt juristisch ausbaden.

Sehr verehrte Damen und Herren! Heute geht es um den geeigneten Weg zur Rechtssicherheit.

(Vizepräsidentin Dr. Verena Lappe übernimmt den Vorsitz.)

Wir können feststellen, dass das, was der römische Gerichts- und Geschichtsschreiber Tacitus wusste

"Früher litten wir an Verbrechen, heute an Gesetzen",

leider immer noch zutrifft, auch in Hamburg.

(Beifall bei der CDU)

Herr Maaß, ich muss Ihnen recht geben, ich mache das öffentlich nicht so gerne, aber wenn wir uns die Ergebnisse der Föderalismusreform in diesem Punkt angucken, dann ist das natürlich schon eine atemberaubende Performance, die in Berlin aufs Parkett gelegt wurde und wo da die Grundübel liegen, weiß ich nicht. Aber das ist schlicht und ergreifend in die Hose gegangen, das muss man so deutlich sagen.

(Beifall bei der GAL)