Protokoll der Sitzung vom 31.01.2007

In den anderthalb Jahren der Beratungen haben wir uns allerdings über die Frage entzweit, welcher Weg der richtige ist, um dieses Ziel zu erreichen. Es darf nicht passieren, dass wir heute ein Gesetz beschließen, das die Kitas in der Praxis schlechter darstellt als bisher.

(Beifall bei der CDU)

Eine Lärmschutzverordnung oder ein Kinderlärmgesetz würde eher die Umgebung der Kindertagesstätte schützen als diese vor der Umgebung. Ich möchte Ihnen dies anhand von zwei Beispielen erläutern.

Die Klagemöglichkeit eines Nachbarn geht weiterhin über die Anwendung des Paragrafen 906 BGB. Im ersten Absatz, Satz 1, steht:

"Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von... Geräusch insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt."

Und jetzt Paragraf 906, Absatz 1, Satz 2 BGB:

"Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte... nicht überschritten werden."

Der Antrag der SPD sieht schon gar keine Grenz- und Richtwerte sowie Ermittlungs- oder Bewertungsverfahren im Sinne des Paragrafen 906 BGB vor, sodass eine Regelbindung für die Zivilgerichtsbarkeit fehlt. Frau Dr. Schaal, Sie schreiben in Ihren Gesetzesformulierungen zum Beispiel:

"Unvermeidbare Geräuschimmissionen sind grundsätzlich auf ein Mindestmaß zu beschränken."

Aber wer definiert das Mindestmaß? Die Kitas wären in einer Einzelfallbewertung von der Behörde abhängig und nicht mehr von der Bewertung eines Richters. Wo bitte ist da die Verbesserung?

Michael Schäfer schrieb in seiner Stellungnahme zur Drucksache 18/3033, dass es rechtliche Bedenken gebe, wenn die geplante Kinderlärmverordnung keine grundsätzlich geltende Höchstgrenze für Immissionsrichtwerte vorsehe. Dies gilt gleichermaßen für ein Kinderlärmgesetz. Andererseits würde die Aufnahme von Immissionsrichtwerten in ein Kinderlärmgesetz dazu führen, dass potenzielle Kläger zukünftig die Kindertagesstätte in der Nachbarschaft auf Einhaltung dieser Richtwerte überprüfen lassen würden.

Da sind wir dann bei den Biergärten, Herr Maaß, für mich ist es nicht ein unwesentlicher Unterschied. Ich habe kein Problem bei einem Biergarten, der geschützt werden will, zu sagen, du bist geschützt, aber bis zu der Obergrenze, die auch für die Nachbarn einklagbar ist. Bei Kindern hätte ich mit so einer Formulierung ein Problem.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch zwei Aspekte darstellen, warum die von uns gewählte Lösung pragmatischer und rechtlich fundierter ist. Die Aufnahme einer Regelung in das Ausführungsgesetz zum SGB VIII hat zwei entscheidende Vorteile. Der Paragraf 29 des SGB VIII regelt die Vorhaltung von Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit in den Stadtteilen und ist somit die richtige Stelle, etwas für den Betrieb der Kindertagesstätten zu regeln. Zudem ist Hamburg als Landesgesetzgeber zuständig. Ein weiterer entscheidender Vorteil für diese gewählte Regelung ist, dass dadurch die Bewertung von Kinderlärm als erheblich im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder im Sinne des Paragrafen 906 Absatz 1 BGB wesentlich erleichtert wird und ein ermessensleitender Gesichtspunkt für eine richterliche Entscheidung gewährt wird. Wir wollen keine weiteren staatlichen Reglementierungen, die im schlechtesten Fall zu weiteren Nutzungseinschränkungen führen. Daher ist es für uns der falsche Ansatz, durch eine Lärmschutzverordnung vor der Lärmquelle und nicht diese selbst zu schützen.

Wir haben in den anderthalb Jahren der Diskussion viele Fachleute gehört und unterschiedliche Bewertungen erhalten. Sie kennen das: drei Anwälte, vier Meinungen. Leider sind die drei Fraktionen bei der Bewertung des Gehörten zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen gekommen. Zu unserem Gesetzesvorschlag berichtet das "Hamburger Abendblatt" über den Umweltrechtsexperten Michael Schäfer am 12. Januar wie folgt:

"In unserem Rechtssystem wird Kinderlärm bisher gleichgestellt mit anderen Lärmquellen wie Verkehrs-, Flug- oder Industrielärm. Das war ein dringend korrekturbedürftiger Fehler, so Schäfer. Mit der Rechtsänderung werde sich der Beurteilungsmaßstab in den Verfahren nun deutlich zugunsten der Kindereinrichtungen verschieben, ohne den konkreten Einzelfall außer Acht zu lassen."

Dieser Bewertung habe ich nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Maaß hat das Wort.

(Olaf Ohlsen CDU: Ich würde nicht mehr auf Zeit spielen jetzt! Es reicht!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte noch ein Wort zu den Eingangsworten des Senators sagen, dass es nur ein geringes Problem sei und quantitativ nur wenige Kitas Ärger mit den Nachbarn hätten und vor Gericht landen würden. Ich darf aber auf eine Umfrage hinweisen, die eine große hamburgische Tageszeitung unter den Kindergärten durchgeführt hat und wo das Ergebnis war, dass etwa 40 Prozent der Kitas Ärger mit den Nachbarn haben. Nicht jeder Ärger endet vor Gericht, aber es zeigt zumindest, dass hier ein sehr, sehr großes Potenzial an Konflikten ist, die potenziell auch vor Gericht enden können.

Wenn Sie einmal den Begriff Kinderlärm in eine juristische Datenbank eingeben, dann werden Sie Dutzende Urteile von Zivilgerichten und Verwaltungsgerichten finden. Das zeigt schlicht, dass wir hier sehr wohl ein großes praktisches Problem haben und man nicht sagen kann, ohne eine rechtliche Grundlage wird es schon prima weiterlaufen, weil die bisherigen rechtlichen Grundlagen eigentlich ausreichen und in der Praxis so etwas auch selten vor Gericht landet. Das ist schlicht nicht zutreffend und muss einmal klargestellt werden.

(Beifall bei Dr. Heike Opitz GAL und vereinzelt bei der SPD)

Bei Ihrer Feststellung, die Föderalismusreform sei in die Hose gegangen, sind wir uns tatsächlich einig. Aber was die Konsequenzen daraus angeht, sind wir uns wirklich nicht einig, denn die Konsequenz, nichts zu tun oder nur symbolisch zu handeln, teile ich schlicht nicht. Wenn Sie sagen, es bleibe immer ein Rechtsrisiko, egal wie man handele, trifft dies natürlich einerseits zu, aber man kann trotzdem in der Art und Weise, wie man handelt, schon bestimmen, ob dieses Rechtsrisiko größer oder kleiner ist. Wenn man einen Weg wählt wie Sie, nämlich vollkommenes Neuland betritt und irgendwo in einer Dunkelnorm im Ausführungsgesetz zum SGB VIII eine kleine politische Aussage unterbringt, dann beinhaltet das ein großes Risiko rechtlicher Natur. Wenn man hingegen politischen Mut aufbringt wie die Bayern, die ihre Biergärten mit einer eigenen Verordnung geschützt haben, dann ist das etwas, das letztendlich auch vor den Gerichten in der zweiten Verordnung, die dann erlassen wurde, Bestand gehabt hat. Man muss einfach feststellen, dass Bayern den Mut gehabt hat, seine Biergärten zu schützen, die CDU-Mehrheit aber nicht den Mut aufbringt, die Kindergärten in Hamburg richtig zu schützen.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Michael Neumann SPD: Schäbig!)

Schließlich noch eine Bemerkung zu der Behauptung von Herrn Gedaschko, der Workshop habe gezeigt, dass das CDU-Gesetz der richtige Weg sei. Nun soll es Ihnen nicht zum Nachteil gereichen, dass Sie selber nicht auf dem Workshop waren, das fiel damals nicht in Ihre Zuständigkeit, aber man hat Ihnen schlicht etwas Falsches aufgeschrieben. Der CDU-Entwurf lag noch nicht vor, als dieser Workshop stattgefunden hat. Wie kann denn da die Behauptung stimmen, dieser Workshop habe ergeben, dass der CDU-Entwurf schon der richtige Weg sei?

(Manuel Sarrazin GAL: Vorsehung!)

Das müssen Sie mir einmal erklären, Herr Gedaschko.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das ist überhaupt das Problem. Sie kommen kurz vor Toresschluss nach anderthalb Jahren Beratungen – in den Sitzungen des Umweltausschusses hat sich nie ein Experte dazu geäußert – mit einem Gesetzentwurf und huschen den hier durch. Das Problem ist doch, dass Sie es in anderthalb Jahren nicht geschafft haben, einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, der auch einer externen Begutachtung standhält. Das ist ziemlich schlecht, was Sie hier geleistet haben.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Michael Neumann SPD: Nicht nur ziemlich!)

Zu Ihrer Behauptung, anlagenbezogene Gesetze könne man nicht machen, zunächst eine erste Feststellung: Auf dem Workshop gab es zwei externe Experten. Beide haben ein anlagenbezogenes Gesetz vorgeschlagen und uns auch Gründe dafür genannt. Der Grund liegt nämlich darin, ob man das will oder nicht, ob man das gut findet oder nicht, dass Kindergärten sogenannte nichtgenehmigungsbedürftige Anlagen nach dem Immissionsschutzrecht sind; das ist schlicht so. Damit findet dieses Gesetz auch weiterhin Anwendung.

Jetzt geht es doch gerade darum zu sagen, wir konkretisieren dieses Gesetz für eine spezielle Art von Anlagen auf eine Art und Weise, die bestimmte Anlagen privilegiert und das machen Sie eben nicht. Sie setzen irgendwo eine Dunkelnorm in das Ausführungsgesetz zum Sozialrecht und gleichzeitig bleibt das Immissionsschutzrecht natürlich weiterhin bestehen und die hamburgischen Behörden, die Bezirksämter müssen selbstverständlich auch nach dem derzeitigen Zustand kontrollieren, ob das Immissionsschutzrecht eingehalten wird. Von daher läuft dieses Argument schlicht völlig ins Leere. Ich rate Ihnen, noch einmal nachzuarbeiten, denn wir sehen uns hier wieder, wenn das Verfahren Kokopelli tatsächlich zum Nachteil des Kindergartens ausgehen wird.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Herr Klooß hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

(Wolfgang Beuß CDU: Wie haben Sie denn ge- stimmt?)

Es ist notwendig, noch ein paar Bemerkungen zu machen, insbesondere zu den Ausführungen des Herrn

Senators. Ich muss schon sagen, Herr Senator Gedaschko, das war unter Ihrem Niveau, ich hätte mehr erwartet.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Sie haben hier in einer nach Effekt haschenden Weise mehrere Dinge aufgespießt, die sich aber bei näherem Hinsehen als falsch erweisen.

(Wolfhard Ploog CDU: Das sollen Sie mal begrün- den!)

Sie werden das hören.

Sie haben das Problem bagatellisiert und es so hinzustellen versucht, als seien das zwei Einzelfälle. Das könne sich doch gar nicht so ereignen und darum gebe es gar kein Bedürfnis nach einer gesetzlichen Regelung. Das ist falsch, Herr Senator.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Sie kennen die in diesem Bereich bestehende Dunkelziffer nicht; ich selbst könnte Ihnen einen Kindergarten nennen. Meine Kinder waren in einem Kindergarten, der von Nachbarn bedroht war.

(Olaf Ohlsen CDU: Was?)

Der Kindergarten ist verklagt worden, hat aber zum Glück obsiegt, übrigens vertreten durch den gleichen Anwalt, der dann später die Kläger gegen den Kindergarten "Marienkäfer" vertreten hat.

(Michael Neumann SPD: Das sind Rechtsan- wälte!)