Protokoll der Sitzung vom 18.04.2007

Das LI bietet regelmäßig Fortbildungen an. Da würden wir uns eine größere Teilnahme der Lehrerschaft wünschen, wenn ich mir die Teilnehmerzahlen angucke. Von daher ist die Frage, ob wir nicht auch eine paar Plakate mehr in die Lehrerzimmer hängen sollten, berechtigt. Die Sozialbehörde kooperiert mit Elternbeiräten und bietet Veranstaltungen an, um an dieser Stelle aktiver zu werden.

Das bedeutet nicht, dass wir hier keinen Handlungsbedarf sehen. Das bedeutet aber, dass wir glauben, dass es sich nicht in einer Plakatkampagne erschöpft, dieses sensible Thema anzugehen. Deswegen haben wir zugesagt, dass wir diesen Antrag an den Schulausschuss überweisen. Wir wollen das umfassend diskutieren und vor allen Dingen auch wissen, ob das, was in dieser Stadt bereits passiert, vernünftig verzahnt ist. Wenn ich mir das anschaue, macht es vielleicht Spaß - und wir werden es gleich von Herrn Müller wieder hören -, unsere Politik an dieser Stelle als nicht wirklich fortschrittlich und eher hinterwäldlerisch, ja gar feindlich gegenüber Schwulen und Lesben darzustellen. Sie ist dies sicher nicht, sie ist fortschrittlicher als die Opposition an dieser Stelle denken will. Wir glauben, dieses auch beweisen zu können. Von daher wollen wir eine fachliche, sachliche Diskussion im Schulausschuss führen. Es gibt den Bedarf. Wir müssen aber schauen, dass es mehr Beteiligte gibt als nur Menschen, die Plakate lesen. Da müssen wir über die Lehrer, aber auch über die Elternschaft reden. Wir freuen uns auf eine konstruktive Diskussion dazu mit Ihnen im Schulausschuss. Ich denke, da kann man das Thema sinnvoller und umfassender behandeln als es eine Plakatkampagne, wie es sie in München gab, getan hat. Ich würde mich freuen, wenn Sie dem dann auch zustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Müller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch von dieser Stelle und im Namen meiner Fraktion die besten Genesungswünsche an Lutz Kretschmann-Johannsen, der tatsächlich recht schwer erkrankt ist.

Bevor wir auf das eigentliche Thema kommen, möchte ich einen kurzen Einblick geben, warum wir zurzeit ein Paradoxon in der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland und gerade in den Großstädten haben. Auf

der einen Seite zeichnet sich eine breitere Akzeptanz von lesbischen und schwulen Lebensweisen ab, nicht zuletzt durch das Lebenspartnerschaftsgesetz und das Antidiskriminierungsgesetz. Auf der anderen Seite hat sich die größere Sichtbarkeit von lesbischen und schwulen Menschen - im Übrigen überall und erfreulicherweise - auch dazu geführt, dass es Gegenreaktionen auf diese Sichtbarkeit von Homosexualität gibt.

Dieses Paradoxon der gesellschaftlichen Entwicklung erleben wir zurzeit. Auf der einen Seite in den Schulen, in denen das Coming-out früher stattfindet als vor 20 Jahren, weil das Thema insgesamt nicht mehr so tabuisiert wird, weder in den Medien noch im Freundeskreis. Auf der anderen Seite stehen die Jugendlichen mit ihrem Coming-out - im Übrigen auch die Lehrer und Lehrerinnen - in den Schulen weitgehend alleine da, weil weder die Eltern auf ein frühes Coming-out vorbereitet sind, aber auch die Lehrer und die Schulleitung im Grunde genommen eher hilflos agieren.

In diesem Zusammenhang muss man die Plakatkampagne und die Aktion in München verstehen, die meine Fraktion und ich sehr unterstützen. Zu dem Vorwurf, der von der Regierungsfraktion kommt, das wäre nur ein Instrument, das der ganzen Situation nicht gerecht werden würde, sage ich, Herr Kollege, wenn Sie ein Konzept für nötig befunden hätten, dann hätte ich es gerne einmal gesehen, denn Sie regieren. Ich habe es nicht gesehen und, ich finde, man kann mit der Plakatkampagne sehr wohl jetzt und heute anfangen, wenn man es will. Da darf dann auch gern einmal geklatscht werden vonseiten der beantragenden Fraktion.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der SPD - Olaf Ohlsen CDU: Meinen Sie!)

Ich will Ihnen ganz offen sagen, warum wir glauben, dass es jetzt notwendig ist, anzufangen, Herr Kollege Heintze. Letzte Woche hatte das JungLesbenZentrum - für die Kollegen, die jetzt nicht so ganz im Thema sind: Das ist die Beratungsstelle, die die Stadt fördert und junge Mädchen im Coming-out berät- neunjährigen Geburtstag und hatte die Abgeordneten zum Geburtstag in ihre Beratungsstelle eingeladen. Dort konnten die Abgeordneten mit den Jugendlichen über ihre Probleme sprechen. Die waren da und haben berichtet, wie ihnen die Beratungsstelle in dieser Stadt im Leben geholfen hat. Wenn Sie dagewesen wären, was Sie jetzt noch nachholen können, dann hätten Sie erfahren, was in dieser Stadt passiert. Es ist zwar hilfreich, einmal nach München und Berlin zu schauen, aber auch in dieser Stadt gibt es bereits dokumentierte Erfahrungen. Ganz erschütternd war ein Bericht von einem jungen Mädchen, was es an einer Schule erlebt hat, dass eine Freundin von ihr, als herausgekommen war, dass sie im lesbischen Coming-out ist, von ihren Mitschülerinnen von einer Treppe hinuntergestoßen wurde. Das ist nur ein Beispiel, bei dem nicht nur verbale Gewalt, sondern auch tätliche Gewalt immer noch stattfindet - sicher auch in Hamburg.

Ich finde, das reicht völlig aus zu sagen, dass hier die Mehrheitsgesellschaft, die Bürgerschaft und auch der Senat tätig werden müssen. Es kann nicht sein, dass wir uns in Sonntagsreden die Weltoffenheit gegenseitig vorhalten. Wir merken, dass wir eine andere Situation in den Schulen und in der Gesellschaft haben. Durch die erhöhte Sichtbarkeit von Lesben und Schwulen gibt es eine negative Gegenreaktion, gerade auch an den Schulen. Wörter wie schwul, Schwuli - das wissen wir alle - sind

immer noch äußerst negativ belegt und ernstgemeint. Ich muss ehrlich sagen, dass ich froh bin, dass wir jetzt im Ausschuss darüber reden, Herr Heintze, aber ich wünsche mir auch, dass das Thema dort nicht beerdigt wird, sondern ich wünsche mir Taten, denn - Sie haben es selber auch gesagt - die Jugendlichen sind allein gelassen, auch in Hamburg.

Was wir im Lehrplan haben, Frau Senatorin, ist eine gute Papierlage, aber die Situation in den Schulen selbst, ist nicht wirklich evaluiert und geprüft. Das Einzige, was wir wissen, ist, dass die Lehrer zunehmend große Angst haben, das Thema in den Schulen und in den Klassen überhaupt anzusprechen.

(Hartmut Engels CDU: Wie kommen Sie denn dar- auf!)

Das hat unterschiedlichste Gründe. Damit wir ihnen auch helfen können und sie in die Fortbildung gehen, denn sie haben die Sorge, was sie in den Fortbildungen sollen, weil sie es ja gar nicht erst ansprechen wollen und wissen, dass es Ärger an der Schule gibt, müssen wir richtige Antworten auf die Problematik finden. Ich möchte nicht, dass noch ein weiterer Jugendlicher in dieser Stadt wegen seiner sexuellen Orientierung körperliches oder verbales Leid erfährt. Ich glaube, da sollten wir in diesem Hause Konsens haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drs. 18/6023 an den Schulausschuss zu? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Damit ist die Sitzung beendet. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.

Schluss: 19.50 Uhr

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Hinweis: Die mit * gekennzeichneten Redebeiträge wurden in der von der Rednerin beziehungsweise vom Redner nicht korrigierten Fassung aufgenommen.

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In dieser Sitzung waren nicht anwesend: Präsident Berndt Röder sowie die Abgeordneten Hans-Christoff Dees, Karin Eggers, Lutz Kretschmann-Johannsen und Wolfhard Ploog.