Protokoll der Sitzung vom 17.06.2004

(Zurufe von der SPD)

Besonders interessant fand ich aber einen Satz im Antrag zur Generaldebatte:

"Angesichts der Bildungsausgaben pro Hamburger Schülerin und Schüler" – hier hätte vermutlich das Wort "dürfen" hineingehört – "weitere qualitative Fortschritte nicht allein mehr Geld bedeuten, sondern vor allem auch, mehr aus den bereits bereitgestellten Mitteln zu machen."

Das war ein etwas verquerer Satz, aber genauso ist es.

Bei den Schüler-Lehrer-Relationen hat Hamburg nach wie vor mit die besten Werte in Deutschland. Noch "besser" – in Anführungsstrichen – liegen wir bei den Kosten pro Schüler. In allen Schulformen geben wir in Deutschland mit Abstand am meisten Geld aus. Nach den letzten vorliegenden Zahlen haben wir fast 25 Prozent mehr pro Schüler und Jahr ausgegeben als das Bundesland, das uns als nächstes folgt. Bei allen schmerzlichen Einschnitten, die jetzt in einigen Bereichen notwendig sind und die uns auch wirklich nicht leicht fallen, müssen wir sehen, dass wir es mit diesen Spitzenausgaben bisher leider nicht geschafft haben, in Deutschland auch leistungsmäßig an die Spitze zu kommen. Alle inhaltlichen Veränderungen haben daher das Ziel, das vorhandene Potenzial, das da sein muss und das da sein wird, besser auszunutzen, um Hamburgs Schülerinnen und Schüler optimal zu fördern.

(Beifall bei der CDU)

Dies funktioniert nur, wenn die einzelne Schule mehr Verantwortung übertragen bekommt, diese Verantwortung für sich und ihre Schüler auch wirklich übernimmt und der Staat durch zentrale Prüfungen, eine Schulinspektion und andere Maßnahmen überprüft, was vor Ort konkret geleistet wird. Die hier bereits angeschobenen Maßnahmen weiterzuentwickeln, gehört daher für die nächsten vier Jahre ebenso zu den vordringlichen Aufgaben wie die notwendige Grundlagenarbeit.

Die Bildungssenatorin hat unter nicht leichten Ausgangsbedingungen bereits wesentliche und zukunftsweisende Entscheidungen getroffen. Mit der Analyse der Lehrerbedarfe bis 2008 und den darauf aufbauenden Entscheidungen hat sie den Schulen endlich Planungssicherheit für die nächsten Jahre gegeben. Dabei wurde nicht der Rasenmäher angesetzt, sondern es wurden ganz gezielt

Prioritäten gesetzt. So wurden die Hauptschulen von allen Frequenzerhöhungen ausgenommen, in der Beobachtungsstufe konnten die Frequenzen sogar gesenkt werden. Mit solchen und anderen Maßnahmen wird es uns gelingen, die Zahl der Schulabbrecher noch weiter zu senken, als es uns in den ersten Jahren schon gelungen ist.

(Beifall bei der CDU)

Gleichzeitig hat die Schulsenatorin eine Stellenreserve geschaffen, um Übergangslösungen zu ermöglichen, weil natürlich die Schülerinnen und Schüler, die jetzt zum Beispiel in den bestehenden zwölften Klasse sind, nicht einmal eben in Klasse 13 anders organisiert werden können.

Die Vertretungsreserve wird zudem verdoppelt, um den Unterrichtsausfall endlich wirksam zu bekämpfen. Endlich wird in Hamburg auch wieder strategisch über Schulstandorte nachgedacht.

Mit der Schulentwicklungsplanung wird ab Herbst die Grundlage für eine solide Standortpolitik geschaffen. Gleichzeitig haben wir eine breite Beteiligung aller Betroffenen geplant, die es so in dieser Form noch nicht gegeben hat.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt!)

Die Bildungssenatorin hat auch den Mut gehabt, Entscheidungen ihres Vorvorgängers in den Fällen zu korrigieren, wo sie dies für notwendig hielt. Ich nenne nur die Nachbesserungen beim Lehrerarbeitszeitmodell, das neue Ganztagsschulkonzept sowie die eingeführte Flexibilität bei der dritten Sportstunde. Bei der Organisation der Gymnasien als offene Ganztagsschulen hat die Senatorin bereits signalisiert, dass wir zum 1. August erst einmal ein funktionierendes System brauchen, dass es aber auch dort noch Optimierungsbedarf gibt.

(Gudrun Köncke GAL: Das kann man wohl sagen!)

Zum Thema Ganztagsschule noch ein paar Worte. Bitte vergessen Sie nicht, dass Sie früher eine magere Ganztagsschule pro Jahr geschaffen haben. Wir konnten in den letzten Jahren das Tempo schon verdreifachen.

(Michael Neumann SPD: Deswegen wird um 60 Prozent gekürzt!)

Wenn wir jetzt Dutzende neue Ganztagsschulen schaffen, kostet das nicht nur zusätzliche Investitionsmittel aus dem Hamburger Haushalt in Höhe von 8 Millionen Euro, sondern wir erhöhen auch den Essensgeldzuschuss für die bedürftigen Schüler und wir stellen den Ganztagsschulen nach Abzug der Gegenfinanzierung netto 150 zusätzliche Lehrerstellen zur Verfügung. Dass wir dabei bei den bestehenden Ganztagsschulen Einsparungen vornehmen mussten, bestreitet ja gar keiner. Aber wenn man in den aktuellen Bericht des Rechnungshofs guckt, kann man lesen, dass die nachmittäglichen Angebote der Ganztagsschulen weit überwiegend dem Bereich der Freizeitgestaltung zuzuordnen sind. Zitat:

"Anstelle von Lehrkräften sollten hierfür in größerem Umfang Sozialpädagogen, Erzieher und Honorarkräfte eingesetzt werden. Neben strukturellen Änderungen der Angebote hat der Rechnungshof eine deutliche Reduzierung des Anteils der Lehrkräfte gefordert."

(Beifall bei der CDU)

Derzeit wird fast die Hälfte des Angebotes durch Lehrkräfte bestritten, aber nur 15 Prozent durch Honorarkräfte. Das liegt natürlich daran, dass Ganztagsschulen in Hamburg bisher eher die Ausnahme waren und auch die Kooperationen mit Vereinen und Institutionen zum Teil noch in den Kinderschuhen stecken. Wir streben hier künftig ein Verhältnis von 30 Prozent Lehrkräften, 30 Prozent Erziehern und Sozialpädagogen und 40 Prozent außerschulischen Fachkräften auf Honorarbasis an. In eine ähnliche Richtung, Frau Ernst, geht auch Ihr Antrag.

Die Senatorin hat aber auch den Mut bewiesen, notwendige Entscheidungen zu treffen, die verständlicherweise nicht auf Gegenliebe bei den Betroffenen stoßen konnten. Dazu gehört auch die Konkretisierung der seit langem – und von Ihnen angesprochenen – festgelegten Einsparung im Bereich der Weiterbildung.

Ich kann ganz klar sagen: Auch die CDU ist über diese Einsparung nicht glücklich. Aber offenbar sehen SPD und GAL ebenso wie wir keine alternativen Sparmöglichkeiten, sonst hätten Sie diese heute vorlegen können.

Eine weitere richtige Entscheidung war, zum 1. August an mehreren Schulen keine neuen Klassen einzurichten. Sie sind zwar immer mit uns der Meinung, dass man theoretisch und so ganz allgemein natürlich dringend größere und stärkere Schulen braucht und dafür auch Schulen schließen muss. Im konkreten Fall heißt es aber dann immer: Nein, diese Schule natürlich nicht. Ich sage Ihnen heute schon voraus – obwohl Sie einer Schulentwicklungsplanung zugestimmt haben –, dass Sie im Herbst gegen jede konkrete Maßnahme wettern werden, die sich daraus ergibt.

Die Bildungssenatorin hat in enger Zusammenarbeit mit der CDU-Fraktion in ihren ersten hundert Tagen bereits nicht nur wichtige Entscheidungen getroffen, sondern sie ist auch für die Hamburger Schullandschaft wesentliche Themen angegangen, die uns in den nächsten Monaten noch beschäftigen werden. Hier nenne ich – gerade auch vor dem Hintergrund von PISA – die Lehreraus- und -fortbildung und das Überdenken der bisherigen Förderkonzepte.

(Beifall bei der CDU)

Wenn es uns gelingt, in Hamburg nicht nur weiterhin sehr viel Geld – immerhin zusammen mit dem Wissenschaftsbereich 30 Prozent des Haushaltes –, sondern gemeinsam mit Lehrern, Eltern und Schülern auch neue Gedanken und Konzepte in die Bildung zu investieren, dann freue ich mich schon auf das Abschneiden der Hamburger Schülerinnen und Schüler beim nächsten internationalen Vergleich.

Eine Bitte habe ich allerdings, Frau Goetsch. Ersparen Sie uns bitte nach jahrelanger, nach jahrzehntelanger Schulformdebatte deren Neuauflage unter dem Stichwort: Neun macht klug. Diese Diskussion hat in der Vergangenheit – das erleben wir jetzt – nur den Blick von dringenden Reformen abgelenkt und verkennt auch vollkommen das hohe und wichtige Gut des Elternwahlrechts, das Sie einfach abschaffen wollen.

Lassen Sie uns lieber gemeinsam daran arbeiten, die verschiedenen Schulformen – jede für sich – so erfolgreich wie möglich zu machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Goetsch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Heinemann, Ihr Wort in Gottes Ohr.

Die Turbulenzen in der Schulpolitik, die wir in den letzten drei Monaten erlebt haben, übertreffen teilweise die aus der Ära Beust-Schill-Lange. Drei Monate jagten sich die Schlagzeilen, die sehr „zukunftsorientiert“ waren. Um nur einige zu nennen: Schulschließungen, größere Klassen, Maulkorberlass. Je heftiger es wurde, desto öfter wurde ich gefragt: Welchen Kurs schlagen die denn ein?

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Es ist egal!)

Ich konnte immer nur antworten: Was da gemacht wird, ist leider ein Kürzen ohne Konzept.

Herr Heinemann, es geht nicht – um das hier richtig zu sagen – um eine Lehrerstellenunwahrheit, sondern es geht darum, dass natürlich 1000 Stellen fehlen, wenn man neue Maßnahmen durchführt und die Schülerzahlen steigen. Das ist dann keine Lüge oder keine Unwahrheit.

Zum Kürzen ohne Konzept. Schauen Sie sich die Beispiele an. Die Sprachförderung wird gestrichen; Begründung und Konzept folgt später. Schulentwicklungsplan: Schulen werden geschlossen; den Schulentwicklungsplan reichen Sie später nach. Hier mussten wir Sie – die SPD und die Grünen gemeinsam – zum Jagen tragen.

Die Lernmittelfreiheit wird abgeschafft; das Konzept und die Schulgesetzänderung kommen irgendwann. Die Vorschule bekommt einen Tod auf Raten; es fehlt aber ein verbindliches vorschulisches Konzept wie zum Beispiel das Bildungsjahr 5 plus, das wenigstens ein Ersatz in der Kita wäre. Das gibt es aber nicht.

Eine Zeitung titelte sogar: Weiß die Senatorin gar nicht, was sie tut? Ich meine, es wurde einfach zu schnell gehandelt und vorher zu wenig nachgedacht.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

100 Tage Amtszeit in allen Ehren. Dabei ist zum einen ein Rettungsplan für das Abitur nach zwölf Jahren, ein Notprogramm für die Ganztagsschulen und die Absicht herausgekommen, bis Dezember einen Schulentwicklungsplan aufstellen zu wollen. Es überzeugt aber nicht, dass es sich bei all dem um Qualitätssteigerungen handeln soll, wenn die Klassen größer werden, die alten Ganztagsschulen 60 Prozent weniger Mittel bekommen, die Sprachförderung gekürzt wird oder wenn die Vorschule Gebühren kostet.

Die GAL hat sich seit langem auf einen anderen Weg gemacht, und zwar mit einem Ziel: Wenn eine Reform angegangen wird, muss man auch wissen, wohin man will. Herr Heinemann, Sie sprachen von Reformen, aber ohne zu sagen, wo es denn eigentlich hingehen soll. Auch wir wollen mit den Ressourcen im Schulbereich sparsam umgehen; das ist sicherlich dringend nötig. Wir wollen das Abitur nach zwölf Jahren, aber die Schüler, die Eltern und die Schulen brauchen die entsprechende Zeit für die Umsetzung. Dann könnten nämlich auch die Ressourcen besser eingesetzt werden.

Auch wir wollen Ganztagsschulen. Aber weil wir nur solche wollen, die diesen Namen auch verdienen, wollen wir nicht so viele auf einmal. Es geht um Qualität und nicht

um Masse. Und das ist ehrlicher. Ehrlichkeit bringt mehr Qualität.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Vor allen Dingen benennen wir ehrlich die Mittagstische an den Gymnasien als Mittagstische. Schauen Sie sich doch einmal unseren Ganztagsschulantrag an. Die eine Kollegin oder der andere Kollege von mir sagt, dass darin vorab sehr viele konzeptionelle Inhalte enthalten seien. Dieser Antrag ist überschrieben mit: "Mehr Zeit zum Lernen, mehr Zeit für Schülerinnen und Schüler, mehr Chancen für alle Kinder."

Sie finden dort ein Konzept und eine solide Finanzierung. Besonders will ich an dieser Stelle – neben Autonomie, Stadtteilöffnung und so weiter, bei denen wir eventuell im Konsens sein könnten – die verbindliche Kooperation zwischen den staatlichen und den Freien Trägern der Jugendhilfe hervorheben, denn diese würde eine immense personelle Entlastung in den Ganztagsschulen bringen.

Stellen Sie sich einmal vor, wir würden verbindlich 30 Prozent des Personals für Jugendhilfe vormittags im Unterricht in einer Schule vor Ort in präventiver Schulsozialarbeit arbeiten lassen. Allein die rechtzeitige Intervention beim Schuleschwänzen wäre dann wesentlich leichter. Das sind konzeptionelle Vorschläge, von denen ich von Ihnen nichts höre, sondern Sie haben Mittagstische geschaffen, aber keine Ganztagsschulen mit einem Konzept.