Deswegen ist es auch wichtig, dass wir hier für die Kinder eine Schwerpunktbildung haben. Die ist ganz klar da, aber wir müssen auch das immer im Auge behalten, das ist gar keine Frage.
Aber ich möchte noch weitere Bereiche nennen: Das 100Millionen-Euro-Programm "Lebenswerte Stadt" erreicht auch die Bildungswende in Hamburg. Es ist ein Thema, das dort von Bedeutung ist. Es wird ab kommendem
Schuljahr kleine Klassen in sozialen Brennpunkten oder Gebieten, in denen wir meinen, dass es sinnvoll ist und Grundschulklassen mit nur 18 Kindern geben. Das gibt es nirgendwo im Bundesgebiet, frühkindliche Förderung und Sprachförderung sind weitere Bereiche, die von Bedeutung sind.
Es gibt zu dem Thema sicherlich noch vieles zu sagen. Auch wir sehen es als sinnvoll an, die Drucksachen zu überweisen. Wir wollen die Drucksachen für eine Zwischenbilanz nutzen und auch gerne mit Ihnen darüber sprechen. Sinn und Zweck der Sache ist es, dass wir nicht nur im Ausschuss ritualisiert Pingpong spielen, sondern wir stellen uns das so vor, dass wir dort versuchen, Punkt für Punkt sachlich abzuhandeln. Ich hoffe, dass sich vielleicht das eine oder andere Gemüt im Ausschuss wieder abgekühlt hat. Dann kommen wir mit Sicherheit weiter.
Ich möchte aber heute schon das Fazit vorwegnehmen: Das konsequente Handeln des Senates hat zu einer deutlichen Verbesserung des Kindeswohls und des Kindesschutzes in Hamburg geführt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr von Frankenberg, in einer Sache muss ich Ihnen aber ganz energisch widersprechen: Nicht Ihre Regierungsübernahme hat Sie dazu getrieben, sich um den Kinderschutz zu kümmern, sondern der tragische Tod des Mädchens Jessica war es.
Aber ich kann Ihnen in einem Punkt sogar zustimme, denn ich finde nicht, dass sich das Thema Kinderschutz für eine politische Auseinandersetzung eignet, denn viel zu betroffen haben uns in der Vergangenheit die Fälle von Kindern gemacht, die gefährdet oder sogar zu Tode gekommen sind. Aus jedem dieser Einzelfälle haben wir, haben der Senat und das Parlament gelernt und uns das Ziel vereint, hier Abhilfe zu schaffen.
Aber, meine Damen und Herren, auch der CDU-Fraktion, damit hört es mit den Gemeinsamkeiten leider schon auf, denn ich muss an dieser Stelle klipp und klar sagen, dass das, was Sie uns in der Drucksache "Hamburg schützt seine Kinder" vorstellen, nicht ausreichend ist, um unser gemeinsames Ziel zu erreichen.
Herr von Frankenberg hat es gerade erwähnt: 20 Maßnahmen, 19 davon beschäftigen sich mit der Optimierung von Handlungsabläufen. Neue Meldebögen, Richtlinien, Dienstanweisungen, Formblätter, Handlungsleitfäden, Rahmenvereinbarungen und so weiter sind Ihr viel gepriesenes Maßnahmenbündel. Doch so, baut Ihre Senatorin, die heute nicht da ist, aber Sie können es ja weitergeben, nur einen ungeheuren Papiertiger auf, aber den Kindern ist damit noch nicht geholfen.
Ein optimiertes Management verändert leider nicht die prekären Lebenssituationen von Kindern und Familien. Ein optimiertes Management ersetzt auch nicht die Menschen, ersetzt nicht die Fachleute, die in die Familien reingehen und vor Ort helfen. Ein Netzwerk Kindeswohl wie wir Grünen uns das vorstellen, muss wesentlich umfassender sein als das, was Sie uns hier präsentieren.
Die Optimierung von Handlungsabläufen, Dokumentation in ein verbindliches Meldewesen, ist sicherlich eine Masche im Netzwerk Kindeswohl, aber erst die Verknüpfung mit den praktischen Hilfen kann ein solides Netzwerk zum Schutz vor Kindesvernachlässigung bilden. Daran fehlt es in Ihrem Maßnahmenkatalog und deshalb kann man ihn auch nicht so hochloben.
Sieben Familienhebammen mehr - das steht auch in Ihrer Drucksache - ist ein Schritt in die richtige Richtung, weil das Hilfe ist, die in der Familie ankommt. Aber wer in Ihrem Konzept weitere Maßnahmen sucht, der kann lange suchen, da stehen nämlich keine drin.
Meine Damen und Herren! Wer Kinder schützen will, muss früh anfangen. Das beginnt aus Sicht der GALFraktion mit einer Meldekette, die schon mit den routinemäßigen Säuglingserstbesuchen stattfinden würde, wenn sie denn wieder gewollt wären. Die hatten wir vor 20 Jahren schon einmal - das ist richtig -, aber die würden uns auch heute gute Dienste tun.
Diese Meldekette setzt sich fort mit einer personellen Aufstockung bei den Mütterberatungsstellen. Dort sind die Öffnungszeiten im Moment so etwas von unzureichend, dass da kaum jemand Rat sucht. Auch Hausbesuche können aufgrund der personellen Knappheit nicht stattfinden. Nicht zuletzt setzt sich diese Meldekette über einen Ausbau der aufsuchenden Arbeit im Wohnquartier der Familien fort. Neue Probleme, wie wir sie jetzt haben, erfordern auch neue Lösungsansätze. Es reicht einfach nicht aus, Herr von Frankenberg, eine Kinderschutz-Hotline einzurichten, unter der Meldungen für Kindeswohlgefährdung eingehen können. Im Gegenteil. Aus der Praxis wird berichtet, dass sich Eltern, die in etwas prekären Lebenssituationen leben, jetzt erst recht zurückziehen, weil sie Angst vor einer Meldung haben. Viel wichtiger ist es doch, dass wir mehr aufsuchende Arbeit im Quartier machen, dass wir den Familien in ihrem Wohnumfeld begegnen, dort, wo sie sich aufhalten. Das können auch ganz neue Orte sein, Supermärkte, Kneipen. Das kann vor dem Bahnhof sein, das kann auf Wochenmärkten sein. Wir müssen doch Kräfte einsetzen, dass die Menschen dort aufgesucht werden, wo sie sich befinden.
Leider findet sich keine dieser präventiven Maßnahmen in dem Sachstandsbericht zur Umsetzung der Maßnahmen Kinderschutz. Da ist die große Lücke. Aber es lassen sich noch weitere Lücken finden - und da will ich auf meinen Vorredner, Herrn Kienscherf, eingehen -, zum Beispiel in der Stellenausstattung der Allgemeinen Sozialen Dienste, die in ihrem Netzwerk Kindeswohl eine zentrale Rolle einnehmen, denn sie sind schließlich die erste Anlaufstelle, wo alle Fäden zusammenlaufen. Hier hat der Senat seine Aufgabe eindeutig nicht erfüllt. Zwar versucht der Senat immer wieder, diese Stellenausstattung bei den Allgemeinen Sozialen Diensten schönzureden, aber die Praxis sieht anders aus. Ich möchte Ihnen das gerne anhand eines Beispieles in Bergedorf schildern.
In Bergedorf ist die Personalsituation der sozialen Dienste auch nach zwei Jahren intensiver Diskussion immer noch angespannt. Die vakanten Stellen - das haben wir gehört - sind dort alle besetzt worden, aber die Grundausstattung der Mitarbeiter vor Ort hat sich nicht verändert. 14,6 Mitarbeiter sind immer noch für 120 000 Einwohner zuständig. Machen Sie sich das einmal klar.
Das ist ein Mitarbeiter des ASD für 8500 Einwohner, Herr Böttger. Das können wir jetzt ausrechnen. Im Durchschnitt muss sich ein Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes in Bergedorf mit 90 Fällen zeitgleich beschäftigen. Das ist unverantwortlich. Ich kann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort verstehen, die jetzt schon wieder ihren Bezirksamtsleiter Überlastungsanzeigen schreiben, in denen sie deutlich machen, dass sie Schutz und Hilfsauftrag nicht ausreichend nachkommen können. Solch eine Situation zu tolerieren, Herr von Frankenberg, ist unverantwortlich. Da nützt Ihre ganze Schönrederei nicht. Es ist angesichts dieser Zustände völlig unverständlich, dass sich auch der Senat zurücklehnt und sich lediglich darin sonnt, die vakanten Stellen besetzt zu haben und zusätzlich acht Stellen für diese sogenannte Task Force Kinderschutz geschaffen zu haben. Auch diese acht Stellen Task Force oder Koordinatoren für Kinderschutz, wie sie jetzt heißen, sind keine Menschen, die in die Familien reingehen, sondern die übergeordnete Koordinierungstätigkeiten wahrnehmen. Es fehlt die Hilfe in der Familie.
Was also endlich fehlt, sowohl beim Senat als auch bei der CDU-Fraktion, ist der Blick auf die reale Situation. Die Antwort auf ein erhöhtes Fallaufkommen - das haben wir alle einstimmig festgestellt, dass wir es haben - kann nicht nur die Optimierung von Handlungsabläufen sein, die die Mitarbeiter sogar zum Ausfüllen von zehnseitigen Formblättern an den Schreibtisch zwingt, nein, die Antwort muss doch lauten, eine deutliche Reduzierung der Fallzahlen pro Mitarbeiter zu erreichen, um wirklich sicherzustellen, dass keine Familie die Hilfe benötigt, und kein Kind, das Unterstützung braucht, durch die Maschen fällt.
Nicht zuletzt können die Maßnahmen vom Kinderschutz nicht von der Debatte um die Kindertagesbetreuung losgelöst werden. Das haben Sie auch gerade erwähnt. Sie rühmen sich damit, im Jahr 2006 rund 760 Gutscheine der sogenannten Priorität 1 - das sind die besonderen sozialen Bedürfnisse - vergeben zu haben. Aber, meine Damen und Herren, diese Zahl muss uns doch erst recht aufrütteln. 760 Scheine der sogenannten Prio 1, da können wir uns doch nicht bequem zurücklehnen, sondern da muss es doch heißen, dass wir hier umfassendere Konzepte brauchen, nämlich den Rechtsanspruch ab dem ersten Lebensjahr und endlich mehr Ganztagesplätze, gerade auch für die Kinder aus benachteiligten Familien.
So würden Konzepte aussehen, die Kinder schützen würden. Doch anstatt die bedürftigen Kinder in die Kita reinzuholen, lassen Sie sich vor der Tür stehen. Aufwendige Anträge sind notwendig, wenn sie überhaupt reinkommen. Der Senat muss meiner Ansicht nach endlich dafür Sorge tragen, dass aus diesen benachteiligten Familien Kinder von Anfang an das Anrecht auf Betreuung und Bildung haben. Auch das ist praktizierter Kinderschutz.
Bleibt als Fazit festzustellen: Die Maßnahmen des Senats sind einseitig und unzureichend. Von einem vielfältigen Maßnahmenbündel, wie darin so schön geschrieben wird, und umfassenden Konsequenzen kann wirklich nicht die Rede sein. Zeitnah, Herr Kienscherf, da gebe ich Ihnen völlig recht und widerspreche Herrn von Frankenberg, ist wirklich etwas anderes, wenn man nach zwei Jahren einen Maßnahmenkatalog vorstellt. Aber über Zeit haben wir vielleicht eine unterschiedliche Vorstellung.
Man kann feststellen, dass der Senat mit seinen Maßnahmen nach zwei Jahren auf halber Strecke einfach stehen bleibt. Das ist mehr als enttäuschend und kein ausreichender Beitrag für den Schutz der Kinder in Hamburg. Ich erwarte da einfach noch mehr.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kinderschutz ist und bleibt eines der wichtigsten Anliegen des Senats. Das möchte ich zunächst einmal feststellen.
Herr Kienscherf, zu Ihren Ausführungen möchte ich sagen, dass der große Unterschied zu Ihnen vielleicht darin besteht, dass wir nicht reden, sondern handeln.
Vielleicht ist es noch ein großer Unterschied, dass wir nicht endlos rechnen und diskutieren, wie Sie es eben vorgeschlagen haben, sondern dass wir erkennbare Lücken sofort entschlossen schließen. Das haben wir getan.
Für den Fall, dass Sie es bisher noch nicht mitbekommen haben, dass wir im Bereich des Kinderschutzes Vorreiter in Deutschland sind. Wir sind es auch bei vielen Gesundheitsthemen. Deshalb ist es absolut notwendig, dass Frau Schnieber-Jastram heute bei der GesundheitsministerKonferenz ist, um unsere Vorreiterrolle für ganz Deutschland wahrzunehmen.
Frau Blömeke, nun zu dem, was Sie gesagt haben. Sie sprachen davon, dass der Bericht nur eine Optimierung von Handlungsabläufen vorsieht. Ich weiß nicht, ob Sie und ich denselben Bericht gelesen haben. Ich habe ein bisschen mehr daraus gelesen, aber ich will Ihnen eines zu den Handlungsabläufen sagen. Wir haben 2005 - und das war das Datum, über das Sie debattiert haben, ob es früh genug und schnell genug war - festgestellt, dass in den Handlungsabläufen immense Lücken waren. Miss
verständnisse zwischen den verschiedenen Ämtern und handelnden Personen waren an der Tagesordnung. Dann ist es nur konsequent, diese als erstes festzustellen und umgehend zu schließen und darüber hinaus die anderen Maßnahmen darauf aufzubauen.
Deshalb ist der Ihnen jetzt vorliegende Bericht ein Zwischenbericht. Es ist eine erste Bilanz. Ich denke, diese zwei Jahre sind notwendig. Wenn Sie sich einmal diese letzten zwei Jahre vor Augen halten: Am 1. März 2005 war der tragische Vorfall von Jessica, im April 2005 haben wir den Schulzwang beschlossen, im selben Monat ist die Projektgruppe eingesetzt worden, um Arbeitsabläufe und zusätzliche Maßnahmen zu prüfen. Die sind in der Zwischenzeit alle auf die Spur gesetzt worden. Auch die von Ihnen immer wieder angekreideten nicht besetzten Stellen im ASD, die zu rot-grünen Zeiten schon nicht besetzt waren, sind jetzt mehr als besetzt.