Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Die von Ihnen vorgenommene Privilegierung des geschlossenen vor dem offenen Strafvollzug ist ein Ausdruck dieser veränderten Vollzugswirklichkeit. Bezeichnenderweise findet sich in Ihrer Gesetzesbegründung kein einziger Satz, warum der geschlossene Vollzug nunmehr Regelvollzug sein soll. Die Ausführungen von Frau Spethmann waren eher ein hilfloser Versuch, dieses hier nachzuholen.

Was versprechen Sie sich davon, außer dass Sie sich an den Stammtischen als konsequenter Bestrafer brüsten können? Was Sie machen, ist an vielen Stellen alberne Schaupolitik. So streichen Sie beispielsweise den Begriff Urlaub und sprechen nunmehr von Freistellung von der Haft. Das ist eine Veralberung der Wähler, denn Sie geben dem Kind nur einen anderen Namen.

Genau an dieser Stelle erkennt man, dass Sie von Ihrem eigenen Konzept, wenn man es denn so nennen will, nicht einmal selbst überzeugt sind. Alle Expertenanhö

rungen und Aufschreie der Fachverbände haben doch gezeigt, dass Lockerungen, Urlaub, Freistellungen oder wie Sie das immer nennen wollen, als Mittel und Werkzeuge einer sozialen Integration der Gefangenen unverzichtbar sind.

(Niels Böttcher CDU: Das kann man doch nicht im Ernst glauben!)

Sie haben in Ihrer Drucksache erklärt, Sie hätten die Verbände sprechen lassen, was angeblich zu Korrekturen geführt hat. Aber Sie lassen uns das nicht nachprüfen. Sie haben den Satz, der auf eine Anlage Bezug nimmt, worin diese Verbandsstellungnahmen enthalten sein sollen, gerade durch einen unschuldigen kleinen Zettel wieder ausgestrichen. Wir sollen das also nicht sehen. Das halte ich für einen Skandal.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

In den letzten Jahren mussten wir feststellen, dass vor allem die Jugendkriminalität auf dem Vormarsch und zu der neuen großen Herausforderung der Rechts- und Innenpolitik geworden ist. Am Ende ist es der Strafvollzug, der sich mit den minderjährigen Tätern auseinandersetzen muss. Das Bundesverfassungsgericht hat verlangt, dass der Strafvollzug an Jugendlichen auf eine eigene, gesetzliche Grundlage gestellt wird.

Die SPD-Fraktion hat daher in diesem Jahr bereits einen eigenen Gesetzentwurf zum Jugendstrafvollzug vorgelegt, in dem die Grundlagen und Regeln für einen modernen und humanen Strafvollzug gelegt werden. Der Senat hat sich diesem Vorhaben, welches von insgesamt neun Bundesländern getragen wird, nicht angeschlossen und in seinem heute zur Debatte stehenden Entwurf für ein neues hamburgisches Strafvollzugsgesetz die Regeln für den Jugendstrafvollzug hineingewurstet. Das führt dazu, dass der verfassungsmäßig vorgeschriebene Erziehungsauftrag in der Jugendhaft eingeschränkt und unter das Diktat der Sicherheit und Ordnung der Anstalt gestellt wird. Die Anstalten, die nach Ihren Vorstellungen und nach Ihrem neuen Gesetz geführt werden, werden zukünftig höhere Rückfallquoten produzieren. Das prophezeie ich Ihnen.

Eine beschämende Rolle hat die CDU-Fraktion gespielt. Sie hat den Gesetzentwurf der GAL und vorher den der SPD ohne Debatte und ohne Ausschussberatung schnöde abgelehnt. Es wird Ihnen aber nichts nützen, denn die Inhalte werden in den anstehenden Ausschussberatungen zur Sprache kommen. Das verspreche ich Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der GAL - Christian Maaß GAL: Schlicht unparlamentarisch!)

Der Senat setzt mit seinem Antrag seinen Sonderweg fort, der Hamburg rechtspolitisch isoliert. Die Zersplitterung des Strafvollzugsrechts in Deutschland wird weiter vorangetrieben. Der Endpunkt ist deutlich sichtbar, und zwar privatisierte Haftanstalten, in denen sich auf Gewinnmaximierung fixierte Unternehmen daran versuchen dürfen, aus gefährlichen Straftätern bessere Menschen zu machen. Mit der Übertragung des Maßregelvollzugs im AK Ochsenzoll auf den privaten Betreiber Asklepios hat dieser Senat bereits den Anfang gemacht. Weiteres wird folgen. Das muss man befürchten, auch wenn Sie das heute noch in Abrede stellen werden.

Ich kann Ihnen daher eines sicher voraussagen.

(Viviane Spethmann CDU: Spinnen Sie nicht so rum!)

Dieses Gesetz werden wir wieder einkassieren, wenn wir Sie im Februar von der Senatsbank jagen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Steffen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Nüchtern betrachtet ist es doch so, dass wir die Debatte bereits zum dritten Mal führen und es daher logischerweise so gut wie keine neuen Argumente geben kann. Das hat man an der Rede von Frau Spethmann gemerkt, die ziemlich hastig heruntergeleiert wurde. Daher will ich hier auch gar nicht den großen Bogen machen. Ich denke, dass wir die Debatte zunächst einmal intensiv im Ausschuss führen werden. Wir werden eine Expertenanhörung vornehmen, aus der wir dann hoffentlich alle schlauer hervorgehen und dann werden wir hier im Plenum die Debatte wieder aufnehmen.

Daher will ich nur auf drei Punkte eingehen, die soeben noch einmal angesprochen worden sind, auch wenn ich mich wiederholen muss.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Aber das ist offenkundig notwendig, weil bestimmte falsche Behauptungen wiedergegeben worden sind.

Punkt 1 - Geschlossener oder offener Vollzug als Regelvollzug: Sie reden immer über das Zahlenverhältnis. Das Zahlenverhältnis ist in den Gesetzentwürfen, die vorgelegt worden sind, überhaupt nicht angesprochen. Es geht überhaupt nicht darum, wie viele Leute am Ende im geschlossenen oder offenen Vollzug sind. Es geht um die Entscheidung im Einzelfall. Es geht um die Frage: Was ist genauer zu begründen?

Erstens die Entscheidung, ob der zuständige Vollzugsbedienstete für denjenigen, der in den offenen Vollzug gegeben werden soll, hierfür extra eine Begründung verfassen muss oder ob zweitens im umgekehrten Fall eine gesonderte Begründung vorliegen muss, wenn jemand in den geschlossenen Vollzug gesteckt wird. Das ist die einzige Frage, der Sie sich stellen müssen. Warum muss eine gesonderte Begründung gegeben werden, wenn jemand in den offenen Vollzug kommt?

Wir sagen ganz klar: Das logische Verhältnis ist, dass eine besondere Begründung gegeben werden muss, wenn ein tieferer Grundrechtseingriff vorliegt. Das ist ganz normal und ist bei jedem Verwaltungsakt so. Je tiefer man in die Grundrechte eingreift, desto mehr muss man das begründen. Das ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip, wie es in unserer Verfassung verankert ist. Davor drücken Sie sich. Sie wollen tatsächlich Fälle gar nicht stattfinden lassen, in denen der offene Vollzug durchaus angebracht ist, weil der damit zusätzliche Aufwand gescheut wird.

Das ist auch aus dem Grunde falsch, weil es sich zeigt, dass diejenigen, die im offenen Vollzug ihre Freiheitsstrafe verbüßen, zu einem geringeren Teil rückfällig werden. Es ist also praktizierter Opferschutz, wenn man den

offenen Vollzug sinnvoll einsetzt und ihm den Vorrang gibt, soweit es möglich ist. Alle Entwürfe, sowohl von der SPD als auch von uns, die dem offenen Vollzug den Vorzug geben, sagen aus, dass es den geschlossenen Vollzug dann gibt, wenn es im Einzelfall geboten ist. Genauso ist es richtig, weil man dann die notwendigen Möglichkeiten hat, einen Straftäter dann auch im geschlossenen Vollzug zu behalten, wenn von ihm konkrete Gefahren ausgehen.

Punkt 2 - Kein Gesetzentwurf einer Landesregierung drängt die Resozialisierung derart zurück, wie der Hamburger Entwurf. Man kann das wirklich in synoptischen Betrachtungen genau sehen. Das gilt sowohl für die allgemeinen Ziele des Strafvollzugs, als auch für die konkreten Maßnahmen. Wir können also festhalten: Der Justizsenator Lüdemann gefällt sich in der Rolle des Rechtsaußen in der bundesdeutschen Justizlandschaft. Das ist tatsächlich Traditionspflege à la Kusch, die er auch jetzt in das Gesetz gemeißelt haben will.

Viel gravierender ist, dass die Zurückdrängung der Resozialisierung zulasten künftiger Opfer von Straftaten geht. Ich finde das schlimm.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Punkt 3 - Chancenvollzug: Ich halte es wirklich für realitätsfern, zu erklären, dass man besonders intensiv mit den Gefangenen arbeitet, die von sich aus kommen und willig sind, etwas tun. Warum sind die Leute im Vollzug? Sie haben sich selbst die Antwort gegeben, Frau Spethmann, weil viele andere Maßnahmen nicht gegriffen haben. Ich sage auch gar nicht, dass das Ihre Schuld ist. Aber wenn man etwas bewirken und diese Zeit nutzen will, dann muss man sofort mit Maßnahmen loslegen und nicht warten, bis die Leute vielleicht irgendwann einmal ankommen. Das ist doch total realitätsfern. Wenn wir im Strafvollzug nur solche Leute hätten, die an ihrer Situation etwas ändern wollen, dann bräuchten wir keinen Strafvollzug.

(Beifall bei Antje Möller GAL)

Wie bereits ausgeführt, haben wir an dieser Stelle nicht viel Neues gehört. Warum die CDU-Fraktion jetzt diese Debatte angemeldet hat, erschloss sich auch nicht aus der Rede von Frau Spethmann. Ich gehe daher davon aus, dass der Justizsenator jetzt nicht seine vorbereitete Rede halten wird, die wir bereits dreimal gehört haben, sondern diese in der Tasche lassen wird. Das würde uns Zeit sparen, die wir dann gut in den intensiven Beratungen des Rechtsausschusses brauchen können.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Dr. Dressel.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir konnten heute bereits einen interessanten Vorgang beobachten. Eine der Bürgerschaft vorgelegte Senatsdrucksache wurde an einem nicht ganz unentscheidenden Punkt geändert. Die entsprechende Berichtigung ist gerade zur Sitzung auf unsere Tische geflattert.

In dem ursprünglichen Text der Drs. 18/6490 steht unter dem Punkt Verbandsbeteiligung Folgendes, ich zitiere:

"Der Gesetzentwurf ist von den genannten Verbänden und Institutionen unterschiedlich - in Abhängigkeit von den eigenen Interessensphären und Standpunkten - kommentiert worden. Als Folge wurde an verschiedenen Stellen des Gesetzentwurfes Änderungen vorgenommen. Anderen Empfehlungen und Anmerkungen konnte dagegen insbesondere mit Blick auf die Schwerpunkte des Gesetzentwurfes nicht gefolgt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage "Verbandsbeteiligung" Bezug genommen."

Im Rechtsausschuss haben wir dann alle fleißig geblättert und nichts gefunden. Das ist an der Stelle auch kein Wunder. Sie werden das hier gleich als Redaktionsversehen abtun. Aber in Wahrheit ist Ihnen schlichtweg peinlich, dass Ihr Gesetz in der gesamten Fachwelt durchgefallen ist.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Und das auch nicht ohne Grund. Nehmen wir einmal drei Punkte heraus.

Punkt 1 ist das Thema Bewaffnung im Jugendstrafvollzug. Hierbei denkt man erst einmal, ob das wirklich in Ordnung ist, dass Wärter bewaffnet sein können, wie das im erwachsenen Strafvollzug ohne Ausnahme gehandhabt werden darf. Hier gibt es sehr ernstzunehmende Bedenken, die von verschiedenen Seiten geäußert worden sind.

Beispielsweise lesen wir im "Hamburger Abendblatt" von der neuen Richtervereinigung, die erklärt, dass eine derartige Handhabung gegen die Regelungen der Vereinten Nationen verstößt und das Bundesverfassungsgericht geäußert habe, dass das auch hier in Hamburg logischerweise zu beachten sei. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Diesen Punkt haben wir in unserem SPD-Entwurf differenzierter geregelt. Aber Sie wollen uns diese Frage und letztlich das, was in der Stellungnahme enthalten ist und wie Sie das bewertet haben, vorenthalten.

Der zweite Punkt ist die Sozialtherapie. Ein Beispiel Ihrer Regelung wurde bereits vorhin ausgeführt. Sie haben im Gesetz das Wort "Eigene Anstalten", wie es im Paragrafen des Bundesstrafvollzugs geregelt war, in "Abteilung" geändert. Das ist ein Beispiel dafür, wo Sie das Gesetz Ihrer rechtswidrigen Vollzugspraxis angepasst haben.

Der dritte Punkt - und damit würde ich dann auch schließen wollen, weil alle diese Dinge im Einzelnen noch in der Anhörung zu diskutieren sind - ist: Was ist überhaupt Ihr Verständnis in Bezug auf Strafvollzug? Was ist Ihr Verständnis in Bezug auf Umgang mit Gerichtsentscheidungen, wenn man vom Gericht gesagt bekommt, dass es anders gehandhabt werden muss, als es die Vollzugspraxis vorgibt?

Hier hat das Oberlandesgericht in einem wirklich bemerkenswerten Beschluss von 2004 eine Erklärung abgegeben, als es eine Entscheidung Ihrer Vollzugsbehörde aufgehoben hat. Ich würde vorschlagen, dass Sie sich das noch einmal ganz genau vor Augen führen sollten. Ich zitiere:

"Es kann und muss vielmehr erwartet werden, dass sich die Beschwerdegegnerin, also die Justizbehörde, als Bestandteil der vollziehenden Gewalt, ihrer sich aus Artikel 20 Absatz 3 ergebe