Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

nen Bindung an Recht und Gesetz bewusst ist und daher auch gerichtliche Entscheidungen umsetzt."

Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Hier wird die Justizbehörde verurteilt, mit einem einzelnen Strafgefangenen anders umzugehen, weil sie rechtswidrig mit ihm umgegangen ist. Und dann wird dieser Beschluss einfach ignoriert.

(Uwe Grund SPD: Renitent!)

Man muss sagen, Ihr Strafvollzug hat sich in diesen Bereichen wirklich zum renitenten Rechtsbrecher entwickelt. Das ist schlimm und peinlich für eine Justizbehörde.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Deshalb kann es nicht angehen - Herr Klooß hat es schon gesagt -, dass Sie mit dem Gesetz jetzt rechtswidrige Zustände legalisieren wollen. Das ist der eine Punkt. Es kann nicht sein, dass Sie ein Gesetz fernab von jeglichem Sach- und Fachverstand machen. Wir können es uns in einem so hoheitsintensiven Bereich wie dem Strafvollzug nicht leisten, Verfassungsrisiken einzugehen. Deshalb folgen Sie den Vorschlägen, die von der Opposition gekommen sind. Sie werden in der Sachverständigenanhörung schon sehen, was Sie von Ihrem Entwurf haben. Wir wagen sehr zu bezweifeln, dass Sie fünf Sachverständige finden werden, die Ihr Gesetz gut finden. Da sind wir ziemlich sicher. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt Senator Lüdemann.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Steffen, Sie haben gesagt, ich solle nicht meine vorbereitete Rede zum Strafvollzug halten. Natürlich werde ich zum Strafvollzug reden. Ich weiß nicht, was Sie wollen. Soll ich meine letzten Urlaubsdias zeigen, oder was erwarten Sie?

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD und der CDU)

Mit dem Entwurf zum Strafvollzugsgesetz haben wir in der Tat einen kompakten Gesetzentwurf präsentiert, in dem wir den Erwachsenen- und den Strafvollzug zusammen regeln werden. Mit nur 130 Vorschriften haben wir nun deutlich weniger als bisher. Wir meinen auch, dass insbesondere dieses in der Tat neue Verfahren für alle Beteiligten und Mitarbeiter im Strafvollzug sehr viel einfacher handhabbar ist. Man wird in dem Bereich, in dem man sich gerade befindet, immer sehen, ob es um Lockerungen, ähnliche Entscheidungen oder darum, was die Besonderheiten für den Jugendstrafvollzug sind, geht. Man wird also nicht mehr so wie bisher mit einer Vielzahl von Querverweisen arbeiten müssen und immer zwei oder drei Gesetzbücher nebeneinander haben müssen.

Sehr deutlich und sehr neu in diesem Gesetzentwurf ist auch, dass wir bei den Vollzugszielen eben nicht mehr nur den Täter im Auge haben und es nicht nur um die Resozialisierung des Täters geht, sondern selbstverständlich - und das ist sehr wichtig - vor allen Dingen auch um die Sicherheit der Bevölkerung. Das muss auch ins Gesetz hineingeschrieben werden.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben es angesprochen: Der geschlossene Vollzug soll der Regelvollzug werden. Das schreiben wir so hinein. Natürlich gibt es ein Argument dafür - das ist nicht das einzige Argument, ich gehe gerne auf Ihre Argumentationen ein -, dass man sagt: Das ist die gängige Praxis und nicht nur die Praxis in Hamburg, von der Sie sagen: Die ist durch den CDU-Senat gekommen. Schauen Sie sich die Zahlen bundesweit an. Fast jeder Neunte ist im geschlossenen Vollzug untergebracht.

Was Sie zur Umkehr vom Regel-Ausnahme-Verhältnis gesagt haben: Genau das ist von uns gewollt. Wir wollen die umgekehrte Begründung. Denn wenn ein Richter einen Täter verurteilt und sagt: "Ich halte Dich für so gefährlich. Ich gebe Dir die Strafe, dass Du in Haft sollst, in Freiheitsstrafe", dann gehört er in Haft und gehört zunächst einmal weggeschlossen. Genau das muss die Reaktion und die Folge eines solchen Urteils sein.

(Beifall bei der CDU)

Dann kommt irgendwann die Begründung, wenn er im geschlossenen Vollzug ist und er sich bewährt hat und man es verantworten kann. Dann kommt irgendwann die Begründung: Jetzt wollen wir ihn nicht mehr nur wegschließen, sondern jetzt darf er auch heraus. Sie wollen genau den anderen Weg. Sie wollen jemanden, der verurteilt ist, in den Vollzug schicken, aber erst einmal in den offenen Vollzug. Erst wenn das ein weiteres Mal schief geht,

(Dr. Till Steffen GAL: Das stimmt ja gar nicht!)

dann kommt die Begründung, dass er in den geschlossenen Vollzug soll. Das ist genau der verkehrte Weg. Deswegen ist bewusst gewollt, das Regel-AusnahmeVerhältnis umzustellen.

(Beifall bei der CDU)

Zu dem Oberbegriff "Chancenvollzug": Natürlich ist es illusorisch bei der Klientel, die im Vollzug ankommt - das sind Leute, die sagen, sie bräuchten ein Recht auf Bildung, weil sie jetzt ihren Latein-Leistungskurs machen und sich fortbilden wollten. Natürlich ist das eine schwierige Klientel. Aber man muss den Leuten auch sagen: Du musst in irgendeiner Form mitarbeiten. Das ist auch Motivation.

(Zuruf von Dr. Till Steffen GAL)

- Herr Dr. Steffen, wir machen es schon längst so. Und es funktioniert bei den Leuten auch.

Sie wissen ganz genau, was für Vorteile sie bekommen können, wenn sie selbst an sich arbeiten und mitwirken. Aber jemandem, der sich hinsetzt, zurücklehnt und sagt: "Ich mache hier überhaupt nichts mehr", zu sagen: "Du bekommst aber alles, was Du haben willst, weil Du einen Anspruch darauf hast. Wir geben Dir das alles", ist der verkehrte Weg, die Leute in irgendeiner Weise zu motivieren, sich einzubringen, mitzuarbeiten, in die Therapie zu gehen oder irgendetwas zu machen. Gleichwohl werden wir auch die Leute, die schwierig sind und sich verweigern, immer wieder ansprechen, motivieren und ihnen natürlich auch das Grundangebot geben, das wir ihnen geben müssen. Nur, man muss auch wissen: Wenn man mehr mitarbeitet, kann man mehr bekommen und mehr Freizeitgruppen besuchen als derjenige, der sich total verweigert. Ich weiß nicht, warum man denjenigen, der sich total verweigert und zurücklehnt, genau so belohnen

soll wie andere, die wirklich an sich arbeiten wollen. Das ist kein sinnvoller Weg.

(Beifall bei der CDU)

Das gilt genauso für die Vollzugslockerung und für den Urlaub. Wieso soll ich jemanden nach Billwerder in ein Sicherheitsgefängnis hinter 6 Meter hohe Betonmauern mit elektronischer Außensicherung bringen und ihm sagen: "Wir bringen Dich hierher und bringen Dich hundertprozentig sicher unter", wenn er hineingeht, das Gesetz durchliest und sagt: "Aber ich habe hier Anspruch auf drei Wochen Urlaub. In der Zeit müsst ihr mich herauslassen." Das ist doch keinem zu erklären. Wie soll man das in irgendeiner Weise plausibel machen? Man sollte den Leuten auch gar nicht erst vorgaukeln, dass sie diesen Anspruch wie selbstverständlich haben, drei Wochen in Urlaub zu gehen.

Wir meinen: Wir müssen die Leute dazu bringen, mitzuarbeiten, im Vollzug zu arbeiten und an sich selbst zu arbeiten, und ihnen sagen: "Genau wie draußen hast Du dann, wenn Du hier arbeitest, auch einen Anspruch auf arbeitsfreie Zeit." Draußen nennt man das Urlaub, wir wollen es bewusst nicht Urlaub nennen, weil es ein unterschiedlicher Weg ist zu dem, wie wir draußen vorgehen wollen. Dann hat er sich also seine - was draußen Urlaub ist - Freistellung von der Arbeit, diese arbeitsfreien Tage, verdient und erarbeitet und dann muss man entscheiden, ob er das in der Anstalt nehmen muss oder man aus Sicherheitsgründen auch sagen könnte, dass er nach draußen aus der Anstalt gehen darf. Aber es darf nicht selbstverständlich sein, so etwas wie drei Wochen Urlaub zu haben. Das geht einfach nicht.

Wir haben weitere Punkte aber wir sprechen auch noch ausführlich darüber: Wir brauchen Sicherheit bei Ausführungen. Da brauchen wir die gesetzlichen Grundlagen insbesondere dafür, dass wir eben nicht mehr eine besondere Fluchtgefahr darlegen müssen, um jemanden zu fesseln. Sondern wenn wir Anhaltspunkte dafür haben, dass Fluchtgefahr besteht, dann muss allein der Tatbestand, dass Fluchtgefahr besteht - nämlich die einfache Fluchtgefahr - für uns ausreichend sein, um Sicherungsmaßnahmen durchführen zu können, um schlicht Handschließen anzulegen.

Sie sind auch dafür - wie Sie jetzt endlich gesagt haben - den Datenaustausch, die geheime Sexualstraftäterdatei für die Sicherheitsbehörden einzuführen. Wir brauchen dafür aber, Herr Dr. Dressel, die gesetzliche Grundlage, die wir bislang noch gar nicht haben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ein Paragraf!)

Auch die schaffen wir mit diesem Gesetz - die Grundlage, um eine Sexualstraftäterdatei zu erstellen.

(Beifall bei der CDU)

Noch ein Wort zu dem, was immer gesagt wird, dem einzigen Schlachtwort, das der Opposition einfällt: Es handelt sich nur um Verwahrvollzug. Das ist einfach Quatsch. Das ist nur ein Argument, was Herrn Klooß immer aufgeschrieben wird. Die Frage beim Verwahrvollzug ist doch: Was machen wir mit den Leuten im Vollzug? Wie arbeiten wir mit ihnen? Beschäftigen wir sie? Bilden wir sie aus, bieten wir Fortbildungsangebote? All das haben wir. Das ist wichtig für Resozialisierung. Resozialisierung kann doch nicht heißen, möglichst viele möglichst früh wieder draußen herumlaufen zu lassen. Damit

bekommen Sie auch keine Leute resozialisiert. Auch das ist der verkehrte Weg.

Über die Bewaffnung im Jugendstrafvollzug können wir gerne reden. Darüber werden wir auch bei der Expertenanhörung sprechen. Es ist ja nicht so, dass unsere Mitarbeiter im Jugendvollzug immer bewaffnet herumlaufen, auch nicht im Erwachsenenvollzug. Es geht schlechthin um die Frage, ob in der Anstalt Waffen vorhanden sind, die gegebenenfalls unter den engen rechtlichen Voraussetzungen auch eingesetzt werden können. Im Jugendvollzug muss man einmal sehen, dass die Jugendlichen, die dort sitzen, im Durchschnitt 20 Jahre oder älter sind. Nun muss man sich nur einmal vorstellen, dass es auf irgendeine Weise gelingt, eine Waffe in die Anstalt hineinzuschmuggeln, sodass diese Leute mit einer Waffe durch die Anstalt gehen. Da brauchen unsere Mitarbeiter, unsere Bediensteten, einfach die Gelegenheit, sich dagegen zu verteidigen. Das muss möglich sein. Deswegen schreiben wir die rechtliche Möglichkeit mit ins Gesetz. Aber auch das können wir noch erörtern.

(Beifall bei der CDU)

Ein Letztes, Herr Dr. Dressel, vielleicht nehmen Sie es einmal an: Sie enttarnen sich hier eigentlich immer als derjenige, der vom Strafvollzug und vor allen Dingen von der Praxis im Strafvollzug überhaupt keine Ahnung hat - wirklich absolut keine Ahnung hat -, denn die Vollzugsbediensteten, die bei uns im Vollzug arbeiten, legen sehr viel Wert darauf, dass sie korrekt bezeichnet werden. Sie möchten allesamt als Vollzugsbedienstete bezeichnet werden. Sie haben hier andauernd nur von Wärtern gesprochen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist alles, was Ihnen dazu einfällt!)

Das ist das, wogegen sich unsere Mitarbeiter am meisten wehren. Das spricht nur dafür, dass Sie von der Praxis überhaupt keine Ahnung haben.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Klooß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ein paar Bemerkungen müssen nach den Worten des Senators erlaubt sein. Wenn hier immer vom offenen und geschlossenen Vollzug die Rede ist und der Hamburger Vollzug gerühmt wird, weil er angeblich schon den geschlossenen Vollzug zu ungefähr 80 Prozent vollzieht, dann dürfen wir nicht vergessen, dass diese Lage hergestellt worden ist durch den Senator Kusch,

(Viviane Spethmann CDU: Das war doch bei Ihnen auch schon so!)

der die Praxis geändert hat und aus einer als offene Anstalt geplanten JVA Billwerder eine geschlossene gemacht und sie zu einer gigantischen Fehlplanung geführt hat, die zur Hälfte leer steht, den Steuerzahler Millionen kostet und nichts zum Rechtsfrieden beiträgt.

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht sind Sie enttäuscht, dass die Richter nicht so viele Menschen in Freiheitsstrafe verurteilen, aber so ist es nun einmal. Sie versuchen jetzt den geschlossenen Vollzug als das allein selig Machende darzustellen, damit

Sie wenigstens die Anstalt in Billwerder halb voll bekommen.