Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der von der CDU eingebrachte Antrag sieht auf den ersten Blick ganz hübsch aus. Ich sage Ihnen auch gleich, dass wir ihn trotz seiner offensichtlichen Schwäche annehmen werden.
Meine Damen und Herren von der CDU! Den oberen Teil Ihres Antrags - Herr Krüger hat ihn eben noch einmal vorgetragen -, also die Begründung, kann ich voll unterschreiben.
Fast alles, was im Sinne einer niedrig schwellig zu erhaltenden Information und sich daraus gegebenenfalls anschließender Hilfeeinleitung zur Gesundheits- und Familienförderung an die Menschen gebracht werden kann, kann förderlich sein. Grundsätzlich sollte jede Chance ergriffen werden, um Familien auf Hilfsprojekte aufmerksam zu machen.
Es ist gut und richtig, dort hinzugehen, wo die Menschen sind, und nicht darauf zu warten, dass sie von alleine kommen und um Hilfe nachsuchen. Wir wissen nur zu genau, dass viele Menschen aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage, sich Hilfe zu holen.
Dieses alles beschreiben Sie zutreffend in der Begründung Ihres Antrags, aber leider wird dieser Teil des Antrags, Herr Krüger, nicht beschlossen.
Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dieses ist einer der netten Anträge über Vorhaben, die noch nicht in "trockenen Tüchern" sind. Da hatte jemand eine Idee und normalerweise, wenn wir uns nicht im Vorwahlkampf befänden, wäre diese Idee lediglich in einer Pressekonferenz vorgestellt worden. Für diese These spricht, dass Sie die Finanzierung aus dem Wahlkampftopf des Senats - hier: Sonderinvestitionsprogramm "Hamburg 2010" - vornehmen werden.
Mit dieser Strategie versuchen Sie medienwirksam, die Defizite der letzten sechs Jahre vergessen zu machen. Der Senat und die CDU-Fraktion haben einen Flickenteppich geschaffen, dessen Einrichtung personell so schlecht ausgestattet ist, dass Sie keine Möglichkeit haben, vernetzt zusammenzuarbeiten. Ein Beleg dafür, Herr Krüger, ist der, den Sie eben selbst genannt haben,
- Dann gucken Sie sich das aber noch einmal ganz genau an, wie Sie sie ausgestattet haben, und zwar mit halben Stellen.
Eine Familienhebamme hat in der Woche die Möglichkeit, 17 Stunden zu arbeiten. Sie können sich einmal überlegen, was man damit erreichen kann. Das reicht vorne und hinten nicht.
(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL - Klaus-Peter Hesse CDU: Bei Ihnen gab es gar keine!)
Busse scheinen bei Ihnen ja Konjunktur zu haben, ich hatte gerade im Pressespiegel gelesen, dass Sie im Bereich der Polizei auch einen Bus einsetzen wollen. Mit diesen Aktionen versuchen Sie offensichtlich, Löcher zu stopfen. Wie unausgegoren das Ganze ist, wird deutlich, wenn man sich das Petitum ansieht. Da kommt einem ganz norddeutsch in den Kopf: Na und? Wat nu? Sie beantragen gleichzeitig, zu prüfen und Geld zur Verfügung zu stellen. Also, entweder lassen Sie prüfen, ob das Gesundheits- und Familienmobil in der beschriebenen Weise zustande kommen kann, oder Sie stellen die Summe Geld bereit, die gebraucht wird. Ich verstehe Ihre ganz eigene Logik nicht, erst einmal zu prüfen, obgleich man weiß, dass und wie viel Geld benötigt wird. Deshalb wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie dazu noch ein paar erklärende Aussagen machen könnten. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Verehrter Herr Krüger, man kann jetzt nicht sagen, dass der Funke richtig übergesprungen ist, als Sie Ihren Antrag vorgestellt haben.
Das ist aber auch kein Wunder, denn dieser Antrag ist eindeutig ein "Show-Antrag", da muss ich Frau RogalskiBeeck Recht geben, er geht in Richtung Wahlkampfversprechen nach dem Motto "wir tun hier und da etwas Gutes". Normalerweise bringen Sie diese Art Anträge nur zur Abstimmung und debattieren sie nicht. Dieses Mal - um es mit dem Kollegen Zuckerer zu sagen - sind Ihnen wahrscheinlich die Anträge ausgegangen und irgendetwas musste angemeldet werden. Da haben Sie dann diesen Antrag genommen, das kann ich verstehen. Aber, Herr Krüger, wenn Sie über Familienfreundlichkeit reden wollen, dann tun Sie es auch. Reden Sie und handeln Sie, nehmen Sie zum Beispiel das Büchergeld zurück, dann wären wir uns darin einig, dass Sie wirklich etwas für Familienfreundlichkeit tun würden. Wenn Sie über Familien debattieren wollen, dann tun Sie das, aber dann lassen Sie uns an der Stelle darüber reden, wo es genau bei den Familien mangelt. Sie haben das eben nur ein bisschen an der Oberfläche angesprochen. Diese Anträge in Richtung "Weihnachtsmannmanier", einmal hier und da 100.000 Euro aus dem Sonderinvestitionsprogramm zu nehmen und es dorthin und dahin zu
packen, sind nur Trostpflaster, die Sie obendrauf kleben für all das, was Sie sonst an Familienunfreundlichkeit in dieser Stadt fabrizieren.
Wir stimmen heute über Ihren Antrag ab. Wenn ich nur Ihren Antrag gelesen hätte, dann hätte ich dafür votiert, ihn abzulehnen. Nun habe ich mir die Mühe gemacht und mit Herrn Hinrichs vom Kinderschutzbund gesprochen. Da klang dieses ganze Vorhaben schon etwas greifbarer - hier muss ich Frau Rogalski-Beeck ein bisschen widersprechen -, weil es konkrete Projekte gibt. Es hört sich alles ganz vernünftig an, wie dieses Mobil fahren soll.
Sie wollen das Familienmobil in die Kindertagesstätten holen, um an die benachteiligten Kinder, die man sonst schwer erreicht, zu kommen. Lieber Herr Krüger, Kinder unter drei Jahren sind zum Bespiel gar nicht in einer Kita, das wissen Sie, die sind mit ihren Eltern außen vor. Sie werden auch an den Schulen kein Elternteil erwischen, das freiwillig zu Ihrem Mobil kommt und sich über Ernährung und Schwangerschaftsvorsorge informieren wird. Aber - das klang wiederum beim Kinderschutzbund ganz vernünftig - natürlich ist die aufsuchende Arbeit vor Ort wichtig. Der Kinderschutzbund will mit dem Info-Mobil zu Wochenmärkten fahren, zu Stadtteilfesten. Das ist insoweit in Ordnung.
Aber im Umkehrschluss sieht es so aus, dass Ihre Politik genau das andere betreibt. Was wir für diese Familien brauchen, sind langfristige Hilfen. Es muss sich erst eine Bindung aufbauen. Das wird man durch ein Gesundheitsmobil nicht erreichen. Genau das Gegenteil passiert. Es wird zum Beispiel bei den Mütterberatungsstellen gespart. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können gar keine aufsuchende Arbeit mehr machen, obwohl sie die richtigen Ansprechpartnerinnen wären, um in diese Familien hineinzugehen. Ich kann auch wieder die Allgemeinen Sozialen Diensten nennen. Auch sie sind immer noch nicht in der Lage, ausreichend aufsuchende Arbeit zu machen, genau die Arbeit, die wir haben wollen, nämlich vor Ort in den Familien. Und dann haben wir noch die Straßensozialarbeiter und, und, und.
Dieses Info-Mobil für Gesundheit und Familie, was Sie jetzt draufpacken wollen, ist nichts anderes als ein Trostpflaster für Ihre einseitig ausgerichtete Familienpolitik für die Bessergestellten in dieser Stadt. Deswegen werden wir diesem Antrag auch nicht zustimmen, sondern wir werden uns enthalten, weil wir diese Bedienermentalität aus dem Investitionsfonds, hier und da einfach 100.000 Euro zu nehmen, nicht gutheißen können. Es fehlt die Gesamtheit, die Sie uns hier nicht liefern. Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein, Sie decken das oben schön ab und alles andere gehen Sie nicht an. Sie verstecken sich hinter diesen Trostpflastern, aber das wird Ihnen nicht gelingen, denn es gibt immer wieder Punkte, die wir ansprechen können.
Noch ein abschließender Satz: Ich war erfreut, dass Frau Schnieber-Jastram in einem Interview in der Zeitung "Die Welt" gesagt hat, dass sie den Betreuungsanspruch auf das zweite Lebensjahr vorziehen will, mit der Begründung, sie erhoffe sich, dass Kinder vor allem in sozial schwierigen Stadtteilen früher den Weg ins öffentliche Betreuungssystem finden. Das ist wunderbar, Frau Senatorin, darüber haben wir dreieinhalb Jahre geredet, jetzt hat es langsam gefruchtet. Vielleicht schaffen Sie es jetzt nicht mehr vor der Wahl, vielleicht wäre es aber auch ein gutes Wahlversprechen. Aber das ist ein Schritt in die richtige Richtung, den Betreuungsanspruch - wir wollen ihn ab dem ersten Lebensjahr - wenigstens etwas vorzuziehen. Damit bekommen Sie genau die Kinder in Betreuungseinrichtungen, die Sie in Ihrem Info-Mobil haben wollen. Da werden wir die Kinder auch gesundheitlich sehen und wenn wir die Familienbildungsstätten beziehungsweise die Early Excellent Center weiterhin ausstatten, haben wir auch die ganzheitliche Beratung für diese Familien. Schaden kann Ihr Antrag zum Info-Mobil nicht. Sie machen es ja sowieso.
Wer möchte dem CDU-Antrag aus Drs. 18/6856 seine Zustimmung geben? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist bei einigen Enthaltungen einstimmig so beschlossen.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 32, Drs. 18/6869, Antrag der SPD-Fraktion: Arbeitslosengeld II alle zwei Jahre auf Angemessenheit hin überprüfen - Kinder und Familien vor Armut schützen.
[Antrag der Fraktion der SPD: Arbeitslosengeld II (SGB II) alle zwei Jahre auf Angemessenheit hin überprüfen - Kinder und Familien vor Armut schützen - Drs. 18/6869 -]
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem Sommer dieses Jahres diskutiert Deutschland über das Thema Hartz IV, diskutieren wir über die Bedeutung von Armut der Familien und die Betroffenheit gerade von Kindern in diesem Lande. Gerade in Hamburg haben wir erleben müssen, dass die Zahl von Kindern, die in Armut beziehungsweise in sogenannten Bedarfsgemeinschaften leben müssen, in den letzten Jahren drastisch angestiegen sind.
Fast jedes vierte Kind - oder besser gesagt: 64.000 Kinder - in dieser Stadt lebt an der Armutsgrenze. Sie sind von Armut und den negativen sozialen Folgen dieser Situation betroffen. Frau Schnieber-Jastram hat in den letzten Jahren immer wieder versucht, dieses Thema totzuschweigen. So können wir nicht weitermachen, sondern wir müssen uns dieser Diskussion stellen.
Es haben sich auf Bundesebene verschiedene Ministerpräsidenten - auch einige von der CDU - mit dieser Thematik auseinander gesetzt. Auch in Hamburg ist diskutiert worden, was Armut, besonders wenn es um gesunde Ernährung geht, für Kinder bedeutet. Es gibt eine Studie, die darauf hingewiesen hat, dass die Regelleistung, die es heute gibt - 206 Euro pro Monat für ein Kind bis 13 Jahren -, nicht ausreicht. Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, dass dieses Thema auch in dieser Stadt endlich eine Rolle spielen muss. Deswegen haben wir das Thema heute angemeldet.
Frau Senatorin, Ihre Behörde hat es sich relativ einfach gemacht. Es gab ein Interview des Staatsrats Wersich, der gesagt hat, mit "zwei Euro etwas" könnte man eine gesunde Ernährung sicherstellen; ansonsten gebe es Eltern-Kind-Zentren, die Eltern müssten sich dort informieren und dann wird das schon irgendwie werden.
Das ist zu kurz gesprungen. Als Sozialsenatorin sind Sie gefordert, auch bundespolitisch in diese Diskussion einzusteigen. Es ist bezeichnend, dass zum Beispiel gestern der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt noch einmal darauf hingewiesen hat, dass sich im SGB II-Bereich etwas zu tun muss. Wir Sozialdemokraten unterstützen das ausdrücklich.
Wir meinen, dass es Hamburg gut anstehen würde, mit diesem Thema auch bundespolitisch Akzente zu setzen. Dass es in diesem Bereich keine einfachen Antworten gibt, wissen wir. Dass es auch einen Zusammenhang zwischen dem Thema Mindestlöhne auf der einen Seite und dem Thema Hartz IV-Leistung auf der anderen Seite gibt, was unter anderem auch Ihr Kollege in SachsenAnhalt gestern noch einmal deutlich gemacht hat, müssen wir in dieser Stadt endlich diskutieren. Wir dürfen es nicht weiter totschweigen.
Wir Sozialdemokraten sagen nicht einfach, wir müssen die Regelleistung für Kinder um 20 oder 30 oder 40 Euro anheben und dann sei die Welt in Ordnung, sondern aus unserer Sicht sind zwei Dinge notwendig: Wir werden langfristig nicht drum herumkommen, dass wir Leistungen im Kindergartenbereich anbieten, die erstens eine gute Bildung beinhalten, zweitens aber auch eine gesunde Ernährung ermöglichen. Wir sind der Auffassung, dass den Kindern, die zu Hause keine gesunde Ernährung bekommen - natürlich wissen wir, dass die Eltern dafür die Verantwortung tragen -, dieses in den Kindergärten ermöglicht werden muss. Dieses außerordentlich wichtige Ziel sollten wir alle gemeinsam unterstützen. Aber bis es so weit ist, müssen wir uns um die finanzielle Ausstattung dieser Familien kümmern. Wenn man sich anschaut, wie häufig der Bedarf statistisch ermittelt wird, dann fällt auf, dass dieses alle fünf Jahre geschieht. Aus unserer Sicht ist dieser Zeitraum zu lang. Wir müssen dazu kommen, dass wir den Bedarf alle zwei Jahre ermitteln, die Preissteigerungsraten entsprechend abbilden und dann berücksichtigen. Von daher ist unsere zentrale Forderung an Sie, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass es eine Umstellung dieser Berechnungsgrundlage gibt. Das würde zu einer Entlastung dieser Familien führen.