Das sind die großen Themen der christlichen Demokraten. Auch wenn Sie darüber lachen, das weiß ich, das
wusste ich vorher, wir stehen dafür. Wir wollen in der großen Koalition in Berlin - da spreche ich einmal für die Freunde dort mit, Sie ja nicht - gemeinsame Lösungen finden, die den Menschen helfen und hier nicht Populismus im Vorwahlkampf treiben.
Nein, Herr von Frankenberg, das ist kein Bundesthema, das ist ein Hamburger Thema. Wir haben die Zahlen, glaube ich, eindeutig genannt. Herr Uldall, es ist schade, dass Sie das überhört haben. Wir haben inzwischen 30.000 Aufstocker und die Dunkelziffer liegt bei 80.000 Aufstockern. Das ist das Hamburger Thema, das ist die Hamburger Situation.
Herr von Frankenberg, wenn Sie sagen, Sie seien zur Diskussion bereit, dann ist das nett und ehrenwert, aber das reicht nicht mehr aus, sondern wir brauchen ganz klare Lösungen. Herr Uldall hat sich darin genüsslich zurückgezogen, dass er ein bisschen Häme über Auseinandersetzungen in der SPD ausgeschüttet hat. Herr Uldall, einen Vorschlag zu der Situation habe ich leider von Ihnen nicht gehört.
Abgesehen davon, glaube ich, dass Sie den Antrag der SPD, der heute zur Abstimmung steht, gar nicht richtig gelesen haben. Es geht natürlich darum, in erster Linie branchenspezifische Lösungen voranzutreiben und die Gewerkschaften darin zu bestärken. Das ist doch unser erster Ansatz.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich mit dem Thema beschäftigen, dann überblicken Sie doch die Situation, dass genau das im Moment nicht durchgesetzt werden kann, dass wir ganz viele Bereiche haben, in denen diese branchenspezifischen Tariflöhne Allgemeinverbindlichkeitserklärungen nicht greifen werden. Genau für diese Situation brauchen wir eine Untergrenze und diese heißt nicht, dass die Politik sich daran nicht die Finger verbrennen wird und dass jeweils mit dem nächsten Wahlkampf die Grenzen nach oben ziehen, sondern es geht um eine unabhängige Kommission, die das festsetzen sollte. Auch darauf sind Sie nicht eingegangen, sondern Sie verbreiten nach wie vor ein falsches Schreckensgespenst, wenn Sie sagen, Mindestlöhne würden generell Arbeitsplätze kosten.
Es ist mir ein besonderes Anliegen, Sie noch einmal darauf hinzuweisen, dass Sie leider mehr und mehr alleine mit Ihrer Position dastehen, denn wer fordert im Moment besonders stark Mindestlöhne ein und vor allen Dingen branchenspezifische Absprachen. Es sind doch die großen Arbeitgeberverbände. Ich habe Ihnen noch einmal eine Mitteilung aus der Zeitung "Die Welt" vom 24. April 2007 mitgebracht. Dort steht, dass jede zweite Hamburger Führungskraft für Mindestlöhne ist. Das ist die Situation, die wir im Moment in Hamburg haben und auch damit sollten Sie sich auseinandersetzen.
Dass Sie in der CDU einzig und allein auf die Mehrheit im Parlament setzen, ist allgemein bekannt, aber vielleicht
sollten Sie sich insgesamt einmal den Sorgen und Problemen dieser Stadt öffnen und sich mit den Argumenten, die in der Stadt diskutiert werden, auseinandersetzen. Dann wären wir einen Schritt weiter. - Vielen Dank.
Herr von Frankenberg, Sie haben mir zwei dankbare Stichworte genannt, auf die es sich noch lohnt, kurz darauf einzugehen.
Erstens: Ich liebe internationale Vergleiche. Das ist meine liebste Lektüre. Und Frankreich ist ein ganz besonders gutes Beispiel, was gerade die Jugendarbeitslosigkeit betrifft, denn oft ist es nicht immer einfach, zu sehen, ob man nicht mit irgendeiner statistischen Zahl Äpfel und Birnen vergleicht. Aber für Frankreich und das Thema Jugendarbeitslosigkeit und für das Thema Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland gibt es eine ganz einfache Erklärung.
In der Jugendarbeitslosigkeit ist Deutschland im Gegensatz zu allen seinen sonstigen arbeitsmarktpolitischen Daten im leichten oberen Mittelfeld zu finden, wenn man das innerhalb der Industriestaaten vergleicht. Ansonsten sind wir grottenschlecht, aber dort sind wir gut.
Frankreich ist in vielen arbeitsmarktpolitischen Daten genauso schlecht wie wir und in der Jugendarbeitslosigkeit noch deutlich schlechter. Der einzige und einfache Grund hierfür liegt darin, dass Frankreich kein duales System hat. Und wie vielen anderen Staaten fehlt ihnen eine geordnete und sichere Schiene, wie man den Übergang von Schule in den Beruf sicherstellt und dann über eine entsprechende Qualifikation auch Nachhaltigkeit im Arbeitsmarkt bewirkt. Das fehlt den Franzosen, was sie auch beklagen. Lesen Sie dort die entsprechenden politischen Auseinandersetzungen. Sie wissen nur nicht mehr, wie sie dorthin kommen sollen. Hierin haben wir ihnen Gott sei Dank einiges voraus. Es sollte uns allen eine Lehre sein, dass wir das duale System schätzen und hochhalten.
Zweitens komme ich zum Missbrauch: Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das Thema angesprochen haben. Der Arbeitgeberpräsident des Bauverbandes hatte im Übrigen dieses Thema in seinem Interview am Montag auch angesprochen. Ja, es gibt Missbrauch. In der Gesellschaft - das ist nun einmal so - gibt es immer schwarze Schafe, die versuchen, das zu unterlaufen. Aber gerade mit Hartz IV und der Organisation der ARGE liegt uns bereits jetzt und zukünftig umso mehr ein fantastisches Instrument in der Hand, genau diesen Missbrauch zu beobachten. Wenn der Senat das heute schon stärker auswerten und beobachten würde, wüsste er auch, wie viele Aufstocker in welchen Branchen zu finden sind.
Jeder Standortleiter - wenn Sie mit ihnen sprechen - wird Ihnen die Fälle darlegen, in denen sie Arbeitsverträge haben, zu denen laut Arbeitsstellenbeschreibung eigentlich eher ein qualifizierter Hochschulabsolvent passt, aber am Ende ein Stundenlohn von 3 Euro oder 3,50 Euro ausgewiesen wird, sodass der Betreffende dann zu seinem ARGE-Standort kommt und entsprechend eine Aufstockung fordert.
Das heißt, mit der ARGE und mit der Transparenz, die wir dort herstellen und das Limit dann entsprechend bekannt ist, können wir im Zweifel problemlos sowie ganz klar eingreifen und erklären, dass das ein sittenwidriger Vertrag ist und hier etwas geschehen muss. Das ist ein Instrument - vielleicht sogar das wichtigste -, um dann den Mindestlohn und den entsprechenden Missbrauch zu bekämpfen. Das steht uns bereits heute in der Hand und dann werden wir das auch richtig umsetzen können. Ich verspreche Ihnen, wenn die SPD hier regiert, werden wir das zu nutzen wissen.
Herr Lemke, Herr von Frankenberg, meine Damen und Herren von der CDU! Sie argumentieren hier für das Gewerkschaftsprinzip und für die freien Verhandlungen. Das tun Sie heute. Jetzt überlegen Sie sich doch einmal, was eigentlich passiert ist. Der DGB, der vor 20 Jahren noch gegen Mindestlöhne war, ist heute dafür. Er kennt nun besser die Bedingungen, als wahrscheinlich Sie.
und was das für Auswirkungen auf unsere Gesellschaft insgesamt hat. Das ist doch kein Erfolg. Nehmen Sie beispielsweise die Kirchen. Hier jubeln Sie doch auch nicht darüber, dass die Kirchen Mitglieder verloren haben, aber bei den Gewerkschaften freuen Sie sich darüber. Sie sind doch nicht bei Troste, wenn Sie sich hierüber keine Sorge machen.
Und Sorge müssen wir deswegen haben, weil durch das Prinzip der freien Verhandlungen in ganz großen Bereichen unserer Ökonomie diese Mindestbedingungen nicht mehr sichergestellt werden können.
Ich würde Dr. Maier gern fragen, ob er der Meinung ist, dass Gewerkschaften heutzutage nicht mehr in der Lage sind, Lohnverhandlungen zu führen.
Ich bin der Meinung, dass in solchen Tätigkeitsbereichen, in denen es kein normales Lohnverhältnis mehr gibt, was beispielsweise große Bereiche der Dienstleistungen betrifft oder große Bereiche der Kreativwirtschaft angeht, die Leute überhaupt nicht mehr organisiert sind. Und wie sollen die Gewerkschaften hierfür Tarifverhandlungen führen?
Man muss sich doch einmal das reale gesellschaftliche Kräfteverhältnis anschauen, das sich in den letzten Jahrzehnten verschoben hat.
Wir loben das immer als Modernisierung und Flexibilisierung. Solche Elemente sind in Wirklichkeit auch dabei. Aber wenn wir diese Modernisierung und Flexibilisierung haben, dann müssen wir uns zugleich darüber Gedanken machen, wie wir neue Sicherungen schaffen können, weil das traditionelle Gewerkschaftssystem das in den traditionellen freien Verhandlungen einfach nicht mehr so hinbekommt, wie das in den Nachkriegsjahren der Fall war. Daher muss man sich bewegen und hierüber neu nachdenken.
Ihre Argumentation ist auch extrem widersprüchlich. Sie sagen, dass Arbeitsplätze verloren gehen, weil Mindestbedingungen eingeführt werden. Um Gottes willen, ein Tarifvertrag setzt auch Unterbedingungen fest. Das gleiche hören Sie auch jeden Tag vom Unternehmerverband, dass Tarifverträge Arbeitsplätze kosten, weil sie Mindestbedingungen festsetzen. Also sagen Sie eigentlich, dass es gar keine Regelung geben soll.
Was soll denn das? Auch ein Tarifvertrag hat das Prinzip der unteren Grenze. Er hat nur das Prinzip der unteren Grenze dahingehend spezifiziert, dass er das von der Kampffähigkeit der jeweiligen Verbände in den jeweiligen Branchen abhängig gemacht hat. Und das hing mit dem Organisationsgrad und der Produktivität der Branchen zusammen. Wenn Sie aber Bereiche mit einer hohen oder auch niedrigen Produktivität haben, Sie aber sozusagen nicht mehr auf Kampffähigkeit und Kräfteausgleich rechnen können, dann müssen Sie einen neuen Gesichtspunkt einführen.
Sie sind sogar so zurückhaltend, dass, sollte im Bereich der Post eine Einigung auf Allgemeinverbindlichkeitserklärung auf Bundesebene zustande kommen - was ein Segen wäre - plötzlich Leute aus Ihren Reihen auf die Idee kommen, dass das die Wettbewerbsfähigkeit von anderen Leuten gefährdet, die nicht so viel Löhne zahlen. Das ist doch als Gedanke völlig verrückt.
Wenn Sie noch nicht einmal die Allgemeinverbindlichkeitsregelung wirklich wollen, dann wird es ein Problem, und zwar für uns alle. Wenn wir diese Differenzierungen in den Einkommensverhältnissen innerhalb der Gesellschaft hineinbekommen, dann kann Herr Nagel noch so viel Polizei auf die Straße schicken. Das wird dann irgendwann ein richtiges Problem werden.
Sie berufen sich auf die Tradition christlicher Gewerkschaftsbewegung. Dann können Sie doch nicht einfach auf die freien Verhandlungen setzen, wenn sich die Lage verändert hat, sondern Sie müssen sich hierauf einlassen. Dann gibt es notfalls irgendwo eine Fallschirmsituation oder ein Mindestniveau, über dessen Höhe man streiten kann und ob es in allen Regionen gleichermaßen sein muss. Aber Sie lassen sich noch nicht einmal auf diesen Streit ein. Sie lehnen es einfach ab und das ist wirklich viel zu kurz gesprungen.